Donnerstag, 31. Mai 2012

Das Potenzmittel des Präsidenten

Ich berufe mich auf Berichte, dass der Bundespräsident bei einem Staatsbesuch in Japan sich in einer Rede verhaspelte und die Stadt Osaka als Okasa bezeichnete und damit über ein verruchtes Potenzmittel referierte, was seine Zuhörer seltsam berührt aufhorchen ließ. Dass Heinrich Lübke, der sauerländische Bundespräsident, tatsächlich auch gesagt haben soll: "Sehr geehrte Frau Tananarive" als er die Frau des madegassischen Präsidenten in einer Rede erwähnte, ist nicht verbrieft. Tananarive ist die deutsche Version des Namens der Hauptstadt von Madagaskar, Atananarivo. Ein anderer Präsident hat es geschafft, ein echter Sonntagsbraten für Satiriker zu werden. Weil er nur zwei Jahre Bundespräsident war, will ich seinen Namen hier nicht nennen.




Jetzt haben wir einen, der traut sich nach Israel und gibt eine gute Figur ab. Die Zahl der israelischen Fettnäpfchen für Deutsche ist unbegrenzt. Das hat auch der Nobelpreisliterat Günter Grass erfahren müssen, der die wilden Reaktionen auf sein Gedicht wahrlich nicht verdient hat. Schließlich hat Israel mit Militäraktionen gegen den Iran gedroht, nicht Günter Grass. Über die Qualität des Grass'schen Gedichtes lasse ich andere befinden. Wie dem auch sei: das Umschiffen von Fettnäpfen ist für deutsche Besucher Israels immer noch eine Hauptbeschäftigung. Dabei fällt es wirklich schwer, angesichts der Diskriminierung und Demütigung der Palästinenser in Israel ständig den Mund zu halten. Präsident Gauck, der auch in Ramallah war und eine von Deutschen gestiftete Schule eröffnete, hat diese Feuerprobe glänzend bestanden. Als Deutscher muss man ja nicht immer mit dem Zeigefinger wedeln. Nicht auszudenken, was bei einen solchen Anlass dem Sauerbraten oder dem Sonntagsländer über die Lippen gekommen wäre.

Mittwoch, 30. Mai 2012

Toast Hawaii mit Ananasbowle

Ich hätte meine Heimat nicht so früh verlassen dürfen, um im Ausland zu arbeiten. Ja, die Austern habe ich mir am Sonntagsmarkt in Levallois gerne selbst ausgesucht. Auch die fetten Artischocken aus der Bretagne. Paris verwandelte sich sonntags in einen einzigen Markt. Kirchgang und Marché, wie viele kombinieren das heute immer noch. Dann, die Jahre danach, der Wochenendmarkt in Straßburg, Rue de la Marne. Dort gab es ein älteres Paar, Immigranten aus Italien. Sie hatten allerhand Leckereien, darunter den hauchdünn geschnittenen Parmaschinken, auch den San Daniele. Dann hörten sie auf. Ihr Stand blieb geschlossen. Ob sie wieder nach Sizilien zurückgingen?


Inzwischen sind so viele Jahre vergangen, doch der Gaumen erinnert sich an die Köstlichkeiten der Jugend. Da war keine gebratene Gänseleber darunter, auch kein Broccoli, und die Salatrauke, heute meist als Ruccola in aller Munde, hatte den Sprung aus dem Mittelalter auf unseren zeitgenießerischen Teller noch lange nicht geschafft. Statt dessen war eine Nachkriegsneuerung auf dem Tisch jeder fortschrittlichen Hausfrau: der Toast Hawaii. Auf eine möglichst ausladende Scheibe Brot kam etwas Schinken zu liegen (oder täusche ich mich da?). Darüber kam eine Scheibe Käse, darauf wurde eine Scheibe Ananas gelegt. Damit war der Exotik genüge getan. Das Ganze kam in den Ofen (Mikrowelle war noch nicht angesagt), wurde unverbrannt wieder zutage gefördert und bekam dann oft noch eine grüne Weintraube aufgesetzt die mit einem senkrecht in das Gebilde eingelassenen Zahnstocher arretiert wurde. Solches hat man dann mit Applaus entgegen genommen und mit Messer und Gabel verzehrt. Wo ist diese Köstlichkeit geblieben?




Die Ausgelassenheit der Gesellschaft ließ dann noch, je nach Jahreszeit, eine Waldmeisterbowle oder eine Erdbeerbowle folgen. Es durfte auch eine Ananasbowle sein. Bei einer schicken Einladung soll ich mal 16 Glas solcher Bowle getrunken haben. Oder war ich 16 Jahre alt? Oder beides? Der Hausherr musste mich spät in der Nacht in seinem silberglänzenden Mercedes nach Hause fahren. Ein Handy besaß damals niemand. Sonst hätte ich am nächsten Morgen die schöne Brigitte (der Name wurde von der Redaktion nicht geändert) angerufen und mich dafür entschuldigt, dass ich den ganzen Abend kaum ein Wort mit ihr gewechselt hatte. Dafür hat die Bowle viel zu gut geschmeckt. Verständlicherweise wurde ich von den reizenden Gastgebern nie mehr eingeladen.

Dienstag, 29. Mai 2012

London - Paris - Berlin





Metropolen haben mich immer fasziniert. So betrachtet ist Rom eine Provinzstadt, obwohl die Stadt eine lange und reiche Geschichte aufweist. Es ist das Lebensgefühl, das die Menschen mitreisst, wenn sie in eine Metropole kommen. Sie verschmelzen sofort mit ihr, nehmen ihren Rhythmus an. Irgendwo in Berlin, Paris oder London, das ist das Gefühl. Welten unterschiedlichster Natur tun sich da auf. Im Berliner Wedding oder in Kreuzberg entstehen ähnliche Befindlichkeiten, wie im Pariser Marais oder in Levallois oder im Londoner Islington oder Soho. Überall ist man zuhause oder auch nicht. Man sucht es sich einfach aus.

Ich habe in jungen Jahren nicht nur diese drei Hauptstädte zu Fuß abgewandert, sondern auch New York, Tokio, Istanbul oder Shanghai und vieles mehr. Meist alleine. Das erlaubt dir, genau hinzuschauen, stehen zu bleiben, dich in etwas hinein zu träumen. Nur so lernst du sie kennen. Dann die Gerüche: ich würde jede von mir benutzte U-Bahn dieser Städte am Geruch erkennen. Nur Berlin hatte zu Zeiten der DDR noch zwei verschiedene Geruchsnuancen: die im Osten und die westliche.



Immer gehe ich auch zu den Bäuchen dieser Städte: die Märkte und Verteilstellen von Lebensmitteln. Da sieht man was die Leute essen. Heute liebe ich es, auf kleinen Märkten herumzustöbern, das Besondere zu entdecken, etwas mit nach Hause zu nehmen und die unendliche Ruhe zu genießen, die eine Metropole einfach nicht hat.


Montag, 28. Mai 2012

Der alltägliche Rassismus.

Zehn kleine Negerlein, an diese Geschichte erinnern sich vielleicht noch einige, da waren's nur noch: eins...

Wie soll ich beginnen, ohne mich gleich als fernsehsüchtig zu outen? Ich sah eine Sendung mit einem bekannten Fernsehkoch. Diese Sendungen sind mir ein Gräuel. Köche, die sich wohl einen Stern erkocht haben, reizen ihr ohnehin schon starkes Ego, indem sie auch noch eine Kochsendung machen. Natürlich interessiert jeden, ob man dabei etwas hinzulernen kann. Ich habe fasziniert zu-gesehen und -gehört als dieser begabte Koch etwas aus seinem Leben erzählte. Er sei mit vier Jahren zu Pflegeeltern gekommen, denen er viel verdanke. Was er inzwischen geleistet hat, ist beachtlich: er hat sich zum Spitzenkoch hochgekocht, eine eigene Kochschule eingerichtet (ich glaube, für Kinder), ein Buch geschrieben (glaube ich mich zu erinnern) und vor zwei Jahren ein Spitzenrestaurant in einer Großstadt eröffnet. Daneben singt er auch gelegentlich.

Sein noch junges Leben war schon bewegt genug, um ihn als einen erfolgreichen, intelligenten und begabten Menschen nicht übermütig, arrogant und selbstgenügsam werden zu lassen. Wie gesagt, ich war fasziniert. Endlich mal ein Deutscher, dem man das Deutschsein nicht sofort ansieht, der nicht alles besser wissen muss und der ein gutes, kosmopolitisches Selbstbewusstsein besitzt. Seine leiblichen Eltern traf er wieder: er besucht sie regelmäßig in London, wo sie einen Laden betreiben. Seine Pflegeeltern und die drei Schwestern liebt er, wie
das ein rechter Sohn tut, der die elterlichen Anregungen brav und gelehrig in sich aufnahm.


Jetzt, wo der Erfolg offensichtlich da ist, lässt er alle seine Eltern daran teilhaben. Sie sind zurecht stolz auf ihn. Doch manchmal fragt er sich: Wo gehöre ich hin? Natürlich in sein Restaurant, wo er Spitzenleistungen vollbringt: die "Schote" in Essen. Natürlich auch irgendwie nach Dithmarschen in Schleswig-Holstein, wo seine Mutter herkommt und wo er seine Tanten hat, nach Stuttgart (?) wo seine Pflegeeltern leben oder nach London, wo er seine leiblichen Eltern besucht. Und, natürlich nach Ghana, dem afrikanischen Staat mit der Elfenbeinküste im Westen und Togo im Osten. Den alltäglichen Rassismus in Deutschland hat er nicht so schlimm erfahren wie andere. Er kann damit leben. Schließlich ist er ein toleranter, aufgeklärter und wahrscheinlich fantastisch (und nicht vor Wut) kochender Deutscher: Nelson Müller.

Sonntag, 27. Mai 2012

Väter, ein schlechter Mutterersatz???

So weit kommt es noch. Wir wissen jedoch, dass Männer schon schlimm genug sein können, und Väter das Allerletzte. Kein Wunder, dass kluge Mütter ihre Söhnchen und sonstigen Kinder möglichst eng an sich binden, damit der Vater als solcher nicht allzuviel Schaden anrichten kann. Männer - es sind nicht immer die miesesten - verlassen oft ihre Kinder und deren Mütter, weil sie sich in der Midlifecrisis wähnen. Auch Müttern fällt solches Tun immer öfter ein. In solchen Fällen haben auch Männer schon bravourös die Mutterrolle übernommen. Ein Kind muss schließlich mit allen Lebenslagen fertig werden.

Bei meinem Vater war es so: er prügelte nicht, obwohl es einen Moment im Leben gab, wo ich dies erwarten konnte. Wir befanden uns im Garten. Mein Vater war für Anpflanzungen zuständig, die Mutter für das Ernten von Gemüse und das Pflücken von Blumen, vor allem, herrlich duftenden gefüllten weißen Nelken. Ich, als Minderjähriger, hängte mich lieber an Ästen auf, um daran zu schaukeln. Als ich mich an den untersten Ast eines winzigen Pfirsichbaumes gehängt hatte, sagte mein Vater freundlich: tu das nicht, der Zweig könnte brechen". War es die vorgezogene Pubertät, oder die Tatsache, dass mein Vater mir mit fünf Jahren das Lesen beigebracht hatte, dass ich die Widerstandskraft dieses Bäumchens testen wollte? Das Zweigchen krachte runter. Mir war nichts geschehen, aber mein Vater kam gefährlich nahe an mich heran und flüsterte (mit einem beherrschten Lächeln): "Siehst du, was du da gemacht hast?". Ich war alt genug, um eine Ohrfeige zu erwarten. Statt dessen schämte ich mich. Das tu ich auch heute noch, wenn ich einen Fehler mache.



So ein Vater macht viele Fehler, auch in der Erziehung. Das führt oft dazu, dass pubertierende Söhne mit hitzigen Ausfällen gegen ihre Autoritätsperson Nummer 1 vorgehen. Mütter neigen eher dazu, solche Kämpfe zu untersagen und den Konflikt wieder zu schlichten. Töchter, wenn sie gut geraten sind, hätten es lieber, im Vater so etwas wie die Vorlage für ihren künftigen Partner zu sehen. Wohlgemerkt: wenn alles gut geht. Wenn nicht, ist der Vater ein Idiot, die Mutter eine Zicke. Wenn jedoch Vater und Mutter sich ausreichend lieben, werden auch die Kinder geliebt. Das wirkt sich dann auf die künftige Entwicklung des Nachwuchses aus. Traurig, aber rührend ist es, wenn der Vater alleine die Elternrolle spielt. Er wird dann genauso unentbehrlich wie die alleinerziehende Mutter, der ja auch Unmenschliches abverlangt wird. Wie gut, dass es neben dem Muttertag auch den Vatertag gibt. Vorschlag für den nächsten Vatertag: ihm einen großen Strauß Blumen schenken, und die Mutter am Muttertag in eine deftige Kneipe ausführen. Das Gleichgewicht der Geschlechter wird daran nicht zugrunde gehen.

Samstag, 26. Mai 2012

Pfingsten - wir bleiben zuhause

Endlich mal wieder ein langes Wochenende, wo wir der Kraftstoffmafia zeigen können, wie unberechenbar wir sind. Dass wir dabei anderen Geschäftemachern in die Tasche arbeiten, ist nicht so wichtig, und ein Fleischer (Grillfeste) oder Bäcker (Kaffee und Kuchen) freut sich auch, wenn mehr Leute an Pfingsten zuhause bleiben. Sogar bei gutem Wetter eine echte Option. Nerven werden dabei allemal geschont, denn das ohnehin unvermeidliche Gerase auf den Straßen kann ja vermieden werden. Sollen doch die Ewigvorgestrigen ihren Sonnenschirm einpacken und wie gewohnt nach Süden ziehen. Wie schön ist doch Balkonien oder Schwimmbadwannsee, oder Grillkasien, wenn das Wetter mitmacht.




Insofern lassen wir es uns gerne gefallen, dass der Heilige Geist über uns kommt, auch wenn der Vatikan zur Zeit andere Sorgen hat, etwa mit den Herren Tedesci und Gabriele. Nun ja, der Besucherstrom in die Heilige Stadt dürfte nach Ostern ja von selbst wieder abgeebbt sein. Also auch so wird Sprit gespart. Bleibt nur die Sorge, was mit den vielen Jugendlichen an Pfingsten geschehen soll. Der kindliche Tatendrang fordert zu Unternehmungen heraus, die man heute als "Fun" bezeichnen muss. Also, Grillfest, Spaziergang, Ausflüge gar?

Lasst uns doch die Natur wieder entdecken. Gestern sah ich am Waldesrand einen (leider toten) Hirschkäfer, und das, nach sicher dreißig Jahren zum ersten Mal. Wenn mir jetzt noch eine Blindschleiche über den Weg läuft (nach 5 Jahren?), habe ich den Anschluss an frühere Zeiten und ihre Naturverbundenheit gefunden. Da hieß es nämlich: Morgen früh, 7 Uhr, gehen wir raus mit Kind und Kegel. Ohne Auto. Das Geld geben wir lieber für den Biergarten aus. Da gibt es dann für jeden was zu futtern. Hoffentlich regnet es nicht. Nein, an Pfingsten regnet es nie. Und es muss auch nicht nach Benzin stinken. Wie schön so ein Fest sein kann, auch ohne Videospiele. Bis zum abendlichen Krimi sind wir dann wieder zuhause. Frohe Pfingsten!

Freitag, 25. Mai 2012

Die Weltrevolution

Nein, darunter mache ich es diesmal nicht: sie wird kommen, die Weltrevolution. Was braucht es? Acht Milliarden Menschen, von denen es den meisten schlecht geht. Wir (in Europa) haben die französische Revolution überstanden. Sie hat viele Veränderungen mit sich gebracht, die Welt aber um keinen Deut verbessert. Auch die badische Revolution von 1848/49 hat vieles bewirkt. Gemeinsam haben alle Revolutionen, dass sie nicht von alten Männern gemacht werden, sondern von jungen Leuten, deren Mut und Aufmüpfigkeit sich beweist, wenn der Topf am Überkochen ist. Auch das Wir-Gefühl ist wichtig. Schön, wenn es dann auch einen Intellektuellen gibt, der die Schwächen eines Systems analysieren kann, denn da muss angesetzt werden.



Wenn es darum geht, einem politischen, militärischen, autoritären und ökonomischen System Einhalt zu gebieten, fällt mir vieles ein: zuerst muss gesehen und gefühlt werden, wo der Schuh drückt. Dabei können die klassischen Grundbedürfnisse des Menschen bemüht werden: Essen, Trinken, Sicherheit, Gesundheit, Bildung, Beweglichkeit. Leben ist das eigentliche Problem. Wenn wir uns nicht über das Leben freuen können, wenigstens zu Weihnachten, am Geburtstag oder vor einem schönen Mahl sitzend, dann ist etwas faul.




Aber wie kann man weltweit gegen etwas Revolution machen? Warten wir noch ein wenig. Wenn Wirtschaftskapitäne sich als Ruhegehalt Milliarden geben lassen, wenn Milliarden Menschen nicht an ausreichend Trinkwasser kommen, wenn Autos wegen Spritmangel stehen bleiben, Regierungen reihenweise jede Kompetenz abgegeben haben, die moralischen Institutionen ihre Ansprüche auf gesellschaftliche Wertenormierung vergessen, dann ist Revolution. Aber, keine Angst, denn Angst ist ein probates Repressionsmittel der Herrschenden: "Wir können auch anders, wenn ihr nicht spurt".




Und noch etwas: die Verkrustungen unserer Gesellschaften kommen daher, dass die immer größer werdende Bürokratie von immer kleineren Zwergen gesteuert wird. Da haben Konzepte, nämlich, wie man die Lage der Menschen verbessern kann, keinen Platz. Erst wenn die Verkalkung eines Systems dieses selbst zur Versteinerung gebracht hat, wird die Suche nach Auswegen beginnen. Bis dahin ist wohl noch viel Zeit, in der, dank des Internets, die weltweite Kommunikation aufrüstet, der Wissensstand sich vergleichen lässt, und durch einen globalen Aufschrei sich mal wieder etwas ändert. Dann heißt es: "Wir sind die Welt". Lasst uns hoffen, dass wir dann unseren schönen Planeten nicht endgültig zugrunde richten. Es lebe die Revolution.

London baut. Das kann sich sehen lassen. Teil 6

Eine Ausstellung über das Bauhaus organisieren ist das eine, die Grundprinzipien dieser weltberühmten Quelle für Gestaltung praktizieren, ist das andere. London erstaunt den Besucher durch die Vielfalt der Stile und die Konsequenz seiner Bauten. In einer solchen Stadt ist natürlich nicht alles schön, aber wenn sich der Wille zur architektonischen Eleganz auch im Kleinen zeigt - und das tut er - dann lebt eine Stadt nicht nur von ihrer Geschichte, sondern, sie kokettiert ganz schön mit ihrer Zukunft.


Nicht die Zahl und Höhe der Wolkenkratzer ist ausschlaggebend (die gibt es auch), sondern die Lust, eine Stadt durch seine Bauten attraktiv zu machen. London hat immer noch die alten Klötze aus der "Gründerzeit", aber auch schnittige Stadtbauten, zum Glück nicht immer und automatisch Banken und Versicherungen.



Natürlich versucht man auch, der Stadt neue Akzente zu verleihen. Das Gürkchen ist ein solches Beispiel, oder der gerade entstehende Spitzturm, von dem ich nicht weiß, was er einmal beherbergen wird. Eine luftig-schwindelnde Höhenplattform für die Aussicht wird es da hoffentlich auch geben.

                                                               The Gurken

                                                                  Der Spitzturm

London, was roll man dazu sagen? Wie Istanbul, oder Kairo, oder Delhi, eine jener Städte, von denen man annimmt, die Menschheit hätte hier schon immer gehaust, gelebt, Handel getrieben, gelacht und geweint. 

Donnerstag, 24. Mai 2012

London, Europas China Town. Teil 5





Kaum in London angekommen, leuchten uns die Olympischen Ringe entgegen, die besagen wollen: hier findet ein Großereignis statt. An der U-Bahn wird herumgeflickt, um bei den Spielen die erwarteten Massen würdig transportieren zu können. Schließlich ist der Londoner "Underground" der älteste der Welt. Deshalb fehlen auch meist die bequemen Rolltreppen. Eine olympische Sonderdisziplin ist das Durchwandern der tunnelartigen Gänge. Wer da wieder herauskommt, hat ohnehin meist schon einen persönlichen Rekord aufgestellt.

                                                          Der Schinese an sich

Auch viele Chinesen werden zu den Spielen erwartet. Es hat sich im fernen Osten herumgesprochen, dass die größte chinesische Stadt Europas das Londoner Soho ist. Ein ganzes Viertel, fast ein Ghetto, ist die China Town mit den unzähligen Restaurants und Läden. Touristen und Einheimische lieben es, am Abend dorthin auszugehen und mit den Stäbchen in der Hand die exotischen Speisen zu erfassen und in den Mund zu führen. Dabei ertönt eine betörende Hintergrundmusik, die ans Land des Lächelns erinnert. Ich war schon sehr früh fasziniert von der Eroberung der Welt durch die Chinesen. Erst kommen die Stäbchen, mit den leckeren Speisen. Dann sind es die Menschen. Statistisch verständlich, wie das abläuft: Der Deutsche an sich, über 80 Millionen stark, macht heute gerade etwa 1 Prozent der Weltbevölkerung aus. In wenigen Jahren werden es noch weit weniger sein. Inder und Chinesen zusammen sind schon über ein Viertel. Das sollten wir manchmal bedenken, wenn wir die Welt belehren wollen und unseren Banken erlauben, diese zu bescheißen.

Mittwoch, 23. Mai 2012

London, der pure Teewahn, Teil 4

Was mir an der ostfriesischen Teezeremonie so gefällt, ist ihre Ungezwungenheit. Man weiß, dass man hauchdünnes Porzellan vorgesetzt bekommt, Kandiszucker mit dem Zuckerzängchen gegriffen werden muss, und wer den Tee mit etwas Rum haben möchte, bekommt ihn. Wie naiv muss man sein, um das Trinken von Tee zeremoniell verarbeiten zu müssen? Ich hatte immer schon Verständnis für exotische Gepflogenheiten, aber Tee ist für mich Tee. Kann ganz gut schmecken, aber Kaffee auch. Die einzige Regel, die ich beachte: Milch in Kaffee: ja, Milch in Tee: nein.

In Großbritannien kommt man mit solcher Einstellung nicht weit. Da ist erst mal das British Museum in London, das unter anderem eine sehr umfassende Japan-Ausstellung zeigt und dabei auch einmal im Monat eine japanische Teezeremonie in einem traditionellen japanischen Teehaus durchführt. Dass man in Japan die Tasse mit beiden Händen hält, weiß jeder. Dass der Tee jedoch unserem Geschmack nicht so entspricht, wissen nur die, die ihn schon getrunken haben. Tee ist eben nicht einfach Tee.

Kommen wir zu den Engländern. English Breakfast Tea, Earl Grey Tea, Green Tea, Dardjeeling sind nur einige Beispiele für das massive Angebot an Tee in diesem teetrinkenden Land. Ist man, wie ich, mit einer Engländerin verheiratet, beginnt das Zeremoniell schon um 7 Uhr morgens und endet vor dem Schlafengehen. Wie selbstverständlich wird von dem jeweils anderen (das bin ich) erwartet, dass er industrielle Mengen an Tee zubereitet, die Milch der ersten Tasse muss natürlich schon drin sein, bevor der Schwarztee drübergegossen wird. Meist handelt es sich um einen Liter Tee oder so, den eine einzige Person in nullkommanix heruntergurgeln kann. Ich versuche manchmal, dies alles zu verstehen. Es gelingt mir nicht, denn ich selbst benötige für eine Tasse Tee ungefähr eine Stunde. Dann muss ich aufs Klo.

                                                             Tee im Orient

                                             Want a cuppa tea? The answer is: YES!

Dienstag, 22. Mai 2012

London, kaum Hundekot auf den Straßen. Teil 3




London lässt dich so schnell nicht los. Wir mussten auf jeden Fall in die Barbican Art Gallery, wo bis zum 12. August eine großartige Ausstellung über das Bauhaus stattfindet. Es sind nicht so sehr die allbekannten Beispiele bauhaus'scher Aktivitäten, die gezeigt werden, sondern eine Unmenge (über 4oo) von Exponaten, die den Umfang und die Reichweite des Bauhauses verdeutlichen, ihre bekannten und weniger bekannten Gesichter, also eine Art Bauhaus-Appetitanreger auf höchstem Niveau. Malerei, Bildhauerei, Keramik, Textilien, Möbel, Grafiken, Produktgestaltung, Theater, Architektur, Film und Fotografie sind vertreten. Die großen Namen: Walter Gropius, der Gründer, Lyonel Feininger, László Moholy-Nagy, Marcel Breuer, Paul Klee, Oskar Schlemmer, Josef Albers.... Weitere Berühmtheiten können hier nicht aufgezählt werden. Wesentlich ist das, was von der damals weltweit führenden Schule für moderne Kunst und Gestaltung heute übrig geblieben ist: ein immer noch weltweit wirksamer Hort der Anregung und Inspiration. Der Weg von Weimar (1919) über Dessau nach Berlin, wo die Nazis (1933) dem Tun des Bauhauses ein vorläufiges Ende bereiteten, hat sich über den ganzen Globus verbreitet. Die Ausstellung gibt dazu einen schönen Überblick.


Dann, im selben Gebäude etwas höchst Erstaunliches: Song Dong, ein chinesischer Konzept- und Installationskünstler, zeigt eine Installation unter dem Titel: "wu jin qi Yong", 'Waste Not' (Verschwende nicht). Über 10000 Artikel, durch die man sich schlängeln muss. Der Hintergrund: als Song Dongs Vater 2002 starb, fiel seine Mutter in tiefe Depressionen. Seit der Kulturrevolution des Großen Vorsitzenden Mao, 1966 (Jahr, in dem auch Song Dong geboren wurde) galt in China die Devise: alles aufheben, wer weiß, wozu es noch gut ist. Überleben durch sammeln und bewahren. Zhao Xiangyuan, die Mutter, hatte alles beiseite geschafft, was nicht mehr unmittelbar gebraucht wurde, auch kleine Stückchen Seife, oder die Verschlüsse von Plastikfläschchen. Mit dem Tod des Vaters trat die große Leere ein, und Song Dong überlegte, wie er das verzweifelte Horten von Gegenständen künstlerisch nutzbar machen konnte, indem er seiner Mutter die Rolle einer Mit-Künstlerin zuwies. Die Installation ist sehr packend. Sie wurde schon in New York, Peking, Tokio und Südkorea gezeigt. Der pure Anblick
von Müll (denn das ist es letztlich) gibt viel zu denken. Was ich nicht verstehe ist, dass Londoner immer noch behaupten, ihre Stadt sei schmutzig, Deutschland hingegen sauber. Ist das eine optische Täuschung?

                                                                       Deckel.....

London, eine Provinzhauptstadt? Teil 2

Wer durch die Straßen schlendert, kann auch die Londoner Kleinstadt entdecken, doch die große Mode wird dort auch gemacht. In Paris sind die Töne etwas lauter, in London trifft man dagegen leicht Leute, die davon erzählen, wie sie in Australien oder Hongkong oder Singapur auf dem Flughafen herumsaßen, und nach der glücklichen Heimkunft erst mal ins Pub gingen um sich abzuregen.





Cath war eingeladen, zusammen mit einem bekannten Journalisten, Joshua Rozenberg, am Abend einen Vortrag zu halten: Challenges of European Communications. Das fand im CIPR am Russell Square statt. Die interessierten Zuhörer wollten mehr über die Praktiken des öffentlichrechtlichen Fernsehens in Sachen Öffentlichkeitsarbeit wissen. Es ging im einzelnen um im Vereinigten Königreich anstehende Menschenrechtsfälle, die am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verhandelt werden. Oder Habe ich da etwas falsch verstanden? Es war auf jeden Fall unterhaltsam und aufschlussreich. Das CIPR ist nicht etwa das Centre for Integrated Petroleum Research, das es auch gibt, sondern das Chartered Institute of Public Relations, das weltweit operiert und die frohe Botschaft der PR angemessen vertritt.




Das wahre Gruseln lernt man jedoch bei einem Besuch im Tower of London, der aus verschiedenen Towers besteht: White Tower, Bloody Tower, Beauchamp Tower, Cradle Tower, und irgendwo sind dann die Kronjuwelen versteckt. Das Gruseln kommt jedoch von den lauthals vorgebrachten Schilderungen eines Yeoman Warders, eines schauspielerisch begabten Wärters, der mit sichtlichem Stolz und bluttriefender Häme die Abschlachtungen des Mittelalters schildert. Kinder sind da eine besondere Zielgruppe. Fasziniert hängen sie an den Lippen des Schilderers vergangener Grausamkeiten, etwa der Köpfung von Anne Boleyn, der zweiten Frau von König Heinrich VIII, die am 2. Mai 1536 des mehrfachen Ehebruches und anderer Delikte angeklagt wurde. Wie der Kopf wegrollte, der von einem französischen Henker mit Erfahrung mit einem Streich vom Körper getrennt wurde. Ihre Schuld hat sie nie zugegeben. Der Menschrechtsgerichtshof in Straßburg hätte dazu sicher ein Wörtchen zu sagen gehabt. London: Zeugen der Vergangenheit und daneben massive Neubauten von unglaublicher Eleganz.

                                                              Tower power?


Montag, 21. Mai 2012

London - kalt und windig, 1. Teil

Als ich zum erstmal nach London kam, sah ich ihn am Piccadily Circus und konnte es nicht glauben. Ein Freund hatte es mir vorausgesagt: in London kannst du jemand sehen, der am hellen Tag im Pyjama über die Straße läuft, und niemand dreht sich nach ihm um. Ich habe mehr als das gesehen: eine alte Frau, total heruntergekommen, offensichtlich verwirrt, die ihren entzündeten nackten Unterleib zur Schau stellte, auf dem Boden sitzend, im Hyde Park, von einem Wust an Zeitungen umgeben. Das ist lange her.

Ich komme gerade aus London zurück, der Hauptstadt eines Landes, dem man ständig den wirtschaftlichen und moralischen Niedergang voraussagt, und, was soll ich sagen? Es gibt in Europa keine verrücktere, dynamischere und lebensfrohere Stadt wie London. Mit 8 Millionen, ich würde sagen, Aus- und Eng-ländern, Europas größte Stadt, wenn man davon absieht, dass Paris und das Ruhrgebiet 10 Millionen zusammenführen, Moskau ein ständig wachsender Moloch ist, und auch Istanbul, eine wahrlich europäisch-orientalische Metropole, wahrscheinlich 17 Millionen Einwohner in ihren Mauern herumirren lässt.


Über das Stadium "Tower Bridge, Buckingham Palace, Trafalgar Square und Soho" bin ich längst hinaus. Anderes ist viel interessanter, etwa das British Museum, das Leben in der U-Bahn, die neue Architektur, oder einfach eine viel beachtete Ausstellung über das Bauhaus oder den Müll. Ein paar Museen müssen schon sein. Die British Library, mit ungeheuren Schätzen an Originalschriften. Man wandert durch die Räume  wie im Traum und sieht, was man nie für möglich gehalten hätte. Das British Museum, ganz in der Nähe unseres Hotels, musste ebenfalls aufgesucht werden. Es ist eine überwältigende Bildungsstätte. Wir besuchten diesmal nur die japanische Ausstellung, allerhand Porzellan, Tuschezeichnungen und Schriften, Skulpturen und Bilder, ein wahres Eintauchen in die japanische Kultur.




In London, so vermutet man, gibt es alles, und von allem das mieseste, aber auch das beste. So ist es eben in einer Weltstadt, die Geschichte und graue Vorzeit mit der Moderne auf atemberaubende Weise verbindet. Die Menschen sind fröhlich und gehören allen Herkünften an, die man sich denken kann. Alle Sprachen werden gesprochen, alles elektronisch Mögliche wird angeboten. Da ist die Königin, zum Beispiel, nur ein amüsanter Klecks auf der Karte des Lebens, nicht das Leben selbst, das sich in den zahllosen Häusern, Straßen und Ecken Londons abspielt.

Mittwoch, 16. Mai 2012

Eisheilige Einfalt

Sie sind voll da, die berühmten Eisheiligen, obwohl durch die Einführung des gregorianischen Kalenders bei den Bauern einiges durcheinander geraten ist. 1582 wurde dieser Kalender in der katholischen Welt eingeführt, in einigen Regionen jedoch viel später. In Deutschland wird freundschaftlich gestritten, ob es drei, vier oder fünf Eisheilige gibt. Mamertus, das ist sicher, ist ein norddeutscher Eisi. Wir haben also: Mamerz (11. Mai), Pankraz (12.5.), Servatius (13.5.), Bonifaz (14.5.) und die kalte Sophie (15.5.). Der Bauer sagt: "Pankraz, Servaz, Bonifaz machen erst dem Sommer Platz". Und: "Vor Nachtfrost du nie sicher bist, bis Sophie dann vorüber ist".




Gestern war es dann soweit: une véritable hollandaise, dieser Blitz(eis)besuch des neuen französischen Präsidenten bei der Eisheiligen Angela in Berlin. Frostiges Händeschütteln. Blitzeinschlag, zuvor, in Hollandes Maschine auf dem Weg von Paris nach Berlin. Doch die Kälte zeigte sich nicht allein im deutschen Osten, ganz Frankreich lag unter einem Tief, als Nicolas Sarkozy (den Namen dürfen wir jetzt wieder vergessen) den Elysée-Palast für immer verließ. Die Fahrt im offenen Ökoauto hat den neuen Präsidenten richtig nass gemacht. Zweimal musste er den Anzug wechseln. Hollande ist also ganz anders gestrickt als Sarko. Wird er Schwierigkeiten haben, sich an das rauhe Berliner Klima zu gewöhnen?

Da jedoch nichts so heiß gegessen wird, wie gekocht, können wir hoffen, dass schnell wieder wärmere Tage in die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich treten. Schließlich haben sich Mitterrand und Kohl friedlich an den Händen gehalten, obwohl sie zwei verschiedenen politischen Lagern angehörten. Giscard und Helmut Schmidt sollen sich sogar im Dunkeln geküsst haben (hierfür bitte ich um Entschuldigung. Der Gedanke ist zuuuu schön!). Also, Angela, streng' dich an! Sei ein bisschen herzlich zu Francois. Er braucht deine Zuneigung, und du benötigst gelegentlich einen warmen Händedruck. Die Zeit der Eisheiligen ist nun vorüber.

Dienstag, 15. Mai 2012

Kartoffelsalat, aber badisch!






Welche Kartoffel nimmt man? Festkochend sollte sie schon sein. Dann beginnt der Stress für all jene, die sich für Kartoffelsalat mit Radieschen und Gurken, mit Speck, den Mediterranen oder Siebenbürgener oder den nach Omas Art entscheiden. Auch der KS mit Tintenfisch scheint eine Option zu sein. Zum Schwäbischen komme ich noch.

Zunächst meine Geschichte: am badischen Schwarzwaldrand, nicht weit von Offenburg, war ich zu einem Geburtstagsessen in ein populäres Gasthaus eingeladen, zusammen mit etwa 30 anderen Gästen. Das Essen war denkbar einfach: Spanferkel mit Kartoffelsalat. Einfach köstlich. Ich hatte meine Dosis Ferkel bereits einverleibt, als ich mich entschloss, mich nur noch dem Kartoffelsalat zu widmen. Es gab davon Unmengen, und das war gut so, denn die Gäste "hauten rein", als hätten sie eine wahre Delikatesse vor sich. Und eine Delikatesse war dieser Kartoffelsalat, der sich als urbadisch herausstellte. Im Trubel der Geschehnisse war es mir nicht möglich, das Rezept zu erfragen. Ich musste auf eine andere Gelegenheit warten.

Inzwischen hatte ich alle Arten von KS durchgeprüft. Meist empfand ich eine fast religiöse Abneigung gegen die saloppe Art, mit der man mit der Kartoffel umging. Vor allem Mayonnaise, igittigitt! Andererseits muss ich gestehen, dass so manch einer eigentlich ganz genießbar war. Doch seit ich den badischen KS selbst inszeniere und mich an die Ahs und Ohs meiner oft ausländischen Gäste (damit sind auch Norddeutsche gemeint) gewöhnt habe, weiß ich, dass es nur diesen einen gibt. Das erwies sich bei der Feier der Hochzeit meiner Tochter als Rettung, denn das Wetter war so herrlich und die etwa 130 Gäste erwiesen sich als so hungrig, dass alle logistischen und gastronomischen Vorkehrungen sich womöglich als unzureichend herausstellen mussten.

Kurz vor dem großen Ereignis fuhr der liebende Vater (das bin ich) in ein Dorf in der Nähe von Lahr, um eine Kartoffelsalatspezialistin aufzusuchen. Sie sagte zu, am Vortag einen badischen Kartoffelsalat vorzubereiten für 130 Personen. Die Hochzeit war damit gerettet, obwohl wegen vieler anderer Leckereien für manchen Gast noch ein paar Portionen zum mit Nachhausenehmen übrig waren. Natürlich musste ich aus der Künstlerin das Rezept geradezu herauspressen. Hier ist es:

Am Vortag: ausreichende Menge festkochender Kartoffeln (sie können auch aus Zypern stammen!) abkochen, abschrecken, schälen und in Scheiben schneiden. Wenn die Kartoffeln noch warm sind, eine kalte Fleischbrühe drübergießen und das Ganze 30 Minuten ziehen lassen. Bei kalten Kartoffeln empfiehlt sich eine warme Fleischbrühe. Dann einen kräftigen Essig (nicht zu viel, bitte!) hinzufügen, sowie eine satte Menge frischgeschnittener Petersilie. Dann einfach mit etwas Pfeffer abschmecken und ein gutes Salatöl verwenden (kein Olivenöl). Es kann auch Dill hinzukommen, oder Liebstöckel und Salatrauke. Badisch bedeutet jedoch: keine Zwiebeln, weil dann der KS eine leicht schwäbische Note erhält. Der KS kann sofort oder am Tag nach der Herstellung genossen werden. Wer allerdings diesen glänzenden, schleimigen, triefenden nach Weißgottwas schmeckenden Kartoffelsalat bevorzugt, dem ist nicht zu helfen.

Montag, 14. Mai 2012

Bin ich attraktiv?

Ich kann es nicht glauben: erst werde ich im Facebook angemacht. Möchtest du mein "friend" sein? Es sind meist Freunde, die ich schon seit Jahren kenne und denen ich freundschaftlich verbunden bin. Jetzt wollen sie es schriftlich haben. Mit Profil und so. Trotzdem widerstrebt es mir, dem Facebook Dinge anzuvertrauen, die normalerweise Vertrauensbeweise für Freunde sind. Wenn ich jahrelang den Kontakt mit Freunden habe einschlafen lassen, dann deshalb, weil sie unerreichbar weit weg leben oder Partner(innen) haben, die mir die Haare zu Berge steigen lassen.





Mit der telefonischen "flatrate", der preisgünstigen Art, in 20 Länder zu telefonieren, kann ich vieles tun, was mir das Facebook verbietet. Ich kann auf dem Klo sitzen und mit meiner Schwester in Amerika plauschen. Sie muss ja nicht wissen, was ich so treibe. Und mein Profil hat sie schon seit sie meine Schwester ist. Telefonieren hat noch einen anderen Vorzug: Man ruft selten jemanden an, um zu sagen, "Hallo, I like this and I like that". Das Facebook vermittelt auch nicht so richtig die Stimme eines Menschen, oder dessen Stimmung. Es bleibt Oberfächengebrabbel. Das Telefon ist persönlich. Wer es erfunden hat, müsste heute noch täglich geehrt werden. Statt dessen, nähern wir uns der Milliarde Facebooknutzer. Die Masse bringt's. Aber, was bringt sie eigentlich? Wenn ich meine Einsamkeit elektronisch zukleben möchte, lege ich mir ein neues Dutzend facebook friends zu. Dann bin ich immer noch einsam. Wenn ich aber ein Telefon habe, lasse ich es hin und wieder klingeln. Es kann also sein, dass ich als Telefonierer nicht attraktiv genug bin, um mein volles Profil ins Facebook zu hängen. Ich scheiß drauf.

Sonntag, 13. Mai 2012

Mütterlein, Mütterlein

Könntest du doch immer bei mir sein. Ich bin Sohn. Schon mein ganzes Leben lang. Meine Schwester kann ein Lied davon singen. Eine Mutter haben wir nicht mehr, aber sie hat nie aufgehört, uns zu fehlen. Ich hatte eine Tante, eigentlich eine entfernte Verwandte. Sie war etwas korpulent, unverheiratet, eine weitläufige Cousine meiner Mama. Wenn Johanna zu uns kam, rastete sie aus: sie war dann nur für mich da. Ich konnte ihre Freude sehen, wenn sie mit mir sprach. Ich wurde das Kind, das sie nie hatte. Ich spürte, dass ich auch ihr Kind hätte sein können. Bedingungslose Mutterschaft. Leider wurde sie als junge Frau von einem Bus überfahren und verschwand somit für immer aus unseren Leben.


Ist heute von einer Mutter mit fünf Kindern die Rede, neigt man dazu, die monatlichen Ausgaben hochzurechnen, die Unverantwortlichkeit in Rechnung zu stellen. Der Vater wird lediglich als der rücksichtslose Erzeuger empfunden. Dass eine Mutter, spätestens nach dem zweiten Kind, einfach noch mehr Kinder haben möchte, zeugt für mich allerdings von einer wundervollen Überdosis an Liebeskapazität. Eine Mutter, die 5 Kinder liebt, liebt anders. Nicht der künftige Universitätsprofessor wird in den einzigen Sohn hineingeträumt, oder das erfolgreiche Model in die Tochter, nein, man möchte, dass die Kinder ihren Weg selbst gehen, was immer dabei auch herauskommt. Echte Rabenmütter sind wohl selten. Deshalb bin ich dafür, dass Söhne, wenn sie mal erwachsen sind, den Muttertag nicht als eine Pflichtübung empfinden, sondern eine Aufforderung, wenn es geht, zum permanenten Feiern der eigenen Mutter (Töchter natürlich inbegriffen). Wahrscheinlich erinnert man sich später nur noch selten an die vielen Opfer, die eine Mama im Leben gebracht hat. Manchmal gibt es auch Frauen, denen es nicht vergönnt ist, ihre Mutterliebe zu entfalten. Auch an sie soll der Muttertag erinnern. Es gibt noch schönes auf dieser Wellt.

Donnerstag, 10. Mai 2012

Und plötzlich war alles anders

Der Untergang des Abendlandes wurde uns von einem Oswald Spengler vorausgesagt. Was aber ist mit dem Morgenland? Die Sonne hat uns schwarzgebrannt? Nein, auch Spengler meinte es nicht so. Als er sein Buch veröffentlichte, ging zwar die Titanic unter (1912), dennoch meinte er eher den Auf- und Niedergang der Kulturen, als ein endgültiges Absacken unserer Zivilisation. Ein beredtes Missverständnis also, dem wir nachgehen wollen.




Im Leben eines jeden Menschen gibt es die Aufs und Abs. Ist man jung, denkt man vielleicht: hallo, hier komme ich. Meine Zeit ist angebrochen. Schön, wenn das Wasser, das allmählich in den Wein geschüttet wird, nicht alles überschwemmt. Erkenntnisse helfen da weiter: nein, ich bin nicht der Größte. Nein, ich bin nicht allmächtig. Es gibt auch, vor allem im Abendland, die Möglichkeit, sich persönlich dem Allmächtigen hinzuwenden und das Grobe am menschlichen Geschehen vertrauensvoll in seine Hände zu legen. Eiskalt älter werden, das wäre die Devise.

Dann kommen wieder die Zweifel. Welches Geschlecht hat Gott eigentlich? Muss ich an ihn glauben? Wer kann beweisen, dass es ihn NICHT gibt? Spielt Geld eine Rolle? Wenn ich reich bin, kann ich mir alles erlauben? Auch den Kulturkassandras auf die Nase zu scheißen? Kassandras unken, werden jedoch nicht angehört. Oder doch? Machen Reichtum, Macht und Wissen nicht eigentlich bescheiden? Was mache ich dann mit meinem Porsche Carrera? Woher kommt die Güte, die ich in meinem Herzen spüre? Müsste ich nicht viel mehr tun, um ein gutes
Mitglied unserer abendländischen Gesellschaft zu werden?




Wenn ich einsam in der Wüste lebe, kann ich denken und sagen was ich will. Ich werde nicht zum Lügner und auch nicht zum Dieb. Mörder? Gibt es in der Einsamkeit nicht. Aber die Mörder sind unter uns (in der Gesellschaft), wie wir wissen, und wir müssen uns bemühen, den Lauf der Dinge zu verstehen. Aber wie? Zur Zeit lernen wir viel von östlichen Kulturen. Das kann nicht schaden. Erweiterung des Horizonts nach allen Seiten. Es hat wohl wenig Sinn, auf den Untergang des Abendlandes zu warten. Abendland ist immer und überall.

Mittwoch, 9. Mai 2012

Zertifizierte Zweithaarpraxis - ein Toupetstudio?

Hair Academy ist auch so etwas, das mir heute begegnet ist. Ich frage mich immer, was meine armen Haare verbrochen haben, um so umworben zu werden. Opa sagte zu mir: es wird Zeit, dass du mal wieder zum Haarschneider gehst. Damit meinte er den Frisör. Heute meint der Frisör Kopfschmuckinstitut. Was tun aber jene (meist) Männer, denen das Haupthaar im Laufe ihres Lebens abhanden gekommen ist? Sie müssen weiterleben. Der Anblick von Haarakademien muss bei ihnen etwas auslösen, das an Demütigung grenzt.




Manche Mönche haben mit ihrer Tonsur kokettiert, die irgendwie an einen irdischen Heiligenschein erinnern mag. Andere, vom Typ Guru oder Alpenländler, stellen solche Mengen Haar zur Schau, dass ganze Akademien für dessen Abbau eingesetzt werden können. Ärmlich dagegen die Kahlrasur eines amerikanischen Soldaten, der damit seinen ständigen Kampf gegen Läuse demonstriert, ohne, dass die militärische Lage dadurch ernsthaft berührt wird.

Als wir noch auf den Bäumen saßen und das Entlausen selbst besorgen mussten, hätte keiner einem Haarschneider auch nur einen Cent gegeben für die Entfernung der Haarpracht. Schließlich was diese auch dazu da, den Gegner einzuschüchtern. Jetzt haben wir es also zur zertifizierten Zweithaarpraxis gebracht. Eine haarige Industrie, der ich dadurch aus dem Wege gehe, dass ich mir die Haare von meiner Lebenshaarschnittspartnerin schneiden lasse. Eine echte Dauerwelle!

Die Schnittblumenmafia - zum Muttertag

Wer den Muttertag erfunden hat, bleibt im Dunkel vorchristlicher Götterverehrung. Die Nazis machten daraus ein Instrument der Propaganda: "Ehre deine Mutter, denn sie schenkt uns Soldaten". So ähnlich war der Tenor. Wir kleine Jungs haben immer schon gut verstanden und fahren auf diesen Zauber noch heute voll ab. Mit einem rührigen Vater im Hintergrund, wird da schon mal zu FLEUROP geeilt, um den obligatorischen Strauß zu ergattern: Herzlichen Glückwunsch zum Muttertag. Als Mutter darf dann auch mal eine Großmutter oder Tante bedacht werden, wenn sie sich besondere Verdienste erworben hat. Gegen das alles will man nichts einwenden. Dennoch: wenn, wie bei Fleurop ("Die Welt braucht Blumen") die Preise zwischen 23 (darunter geht nichts) und 79 € (Oha!) schwanken, zuzüglich Lieferkosten, dann fragt sich der muttertagsgeprägte Knabe (Mädchen sind da weniger sentimental), ob es nicht andere Wege gibt, die blumengierige Mama zufrieden zu stellen.


Der Muttertagsgedanke ist schön. Die blumentechnische Vorbereitung darauf erinnert jedoch sehr an Weihnachten und Ostern, wo es mehr um Schokolade geht. In Frankreich hat sich schon lange der Brauch herausgeschält, am Vorabend des Muttertags (la Fête des Mères) mit einem Massenaufgebot an irrsinnig teuren Minimaiblumensträußchen an den Eingängen zu den Supermärkten auf die Tränendrüsen zu drücken. Die Blumenverkäufer scheinen einer Mafia anzugehören, die nichts anderes tut, als Geld aus dem teilweise schlechten Gewissen der Männer herauszupressen. Wie aufregend war es für mich als einzigem Sohn, die kleine Schwester schlief da noch, um fünf Uhr morgens mit Vater in den Wald zu gehen, um Maiglöckchen zu suchen. Die duftenden Sträuße (Kostenpunkt: Null DM) wurden Mutter stolz zum Frühstück präsentiert. Sie freute sich immer riesig. Hätten wir 79 € für einen Strauß Blumen hingelegt, hätte Mutter das empört zurückgewiesen: Solche Verschwendung! Demütigend für eine richtige Mutter, die nichts dagegen hat, einmal geehrt zu werden, aber, bitteschön, mit Stil.




Als wir alle bemerkten, dass eine international tätige Blumenmafia am Werk ist, um den Reibach aus den Taschen gutmütiger Väter und Söhne zu holen, brachen wir die Schenkerei ab. Wenn ich noch eine Mutter hätte (wie schön das wäre muss ich nicht sagen), erhielte sie von mir immer dann Blumen, wenn kein Muttertag ist. Dazu würde der Gang zum nächsten Gärtner oder in einen Wald genügen. Auf keinen Fall würde ich zu denen gehen ("Wir lieben Lebensmittel etc. etc.), die für den ewig gleichen Preis (1,99 €) das Mafiaprodukt aus Lateinamerika oder von sonstwo per Flugzeug einfliegen, wobei die armen Blumenpflücker mit ihrem Profit immer außen vor bleiben. Meine allerliebste, nicht mehr lebende Mama: danke, dass du mir den Verstand mitgegeben hast, Blumen als einen Ausdruck der Liebe zu verstehen.


Montag, 7. Mai 2012

Sexueller Missbrauch - es muss gesagt werden.

Ich gebe zu, ich habe mich im Internet umgesehen, denn ich würde gerne systematisch an die Sache rangehen. Unmöglich, es gibt massenhaft Literatur, Definitionen, Abarten. Es ist nicht meine Neugier, sondern mein Halbwissen, das mich immer wieder nach dieser abscheulichen, unmenschlichen Verhaltensweise fragen lässt. Ja, ich stehe einem Wesen nahe, dem das geschehen ist. Minderjährig, abhängig, lernbegierig, untergeordnet, das heißt von einer Autoritätsperson missbraucht, gegen die es drei Jahre lang keine Auflehnung gab. Sich in die elterlichen Arme flüchten, ging aus bestimmten Gründen damals auch nicht. Also muss ein intelligentes Kind über eine lange Zeit nicht nur sexuelle Nötigung ertragen, sondern auch stumm bleiben, weil die Scham immer größer wird.

Ein heranwachsendes Kind, das auch noch überaus lerngierig und talentiert ist, empfindet eines als besonders katastrophal: die Machtlosigkeit. Seiner Kindheit beraubt werden, betatscht und sexuell ausgenutzt werden, sind dann der kindliche Alltag. Das unterdrückte soziale Verhalten, das Wegbleiben von ganz natürlichen Freundschaften sind die Last, die auf einem solchen Menschen lastet, der viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte braucht, um aus diesem Hexenkreis vielleicht wieder herauszukommen. Ganz zu schweigen von der wahrscheinlich zerstörten Sexualität, die jede erwachsene und freiwillige Beziehung zunichte machen kann.


Ein englischer Film, der das Milieu strafrechtlicher Justizorgane schildert, zeigte es deutlich: ein junges Mädchen kann brutalst missbraucht worden sein. Dennoch kann es sein, dass der Übeltäter unter Umständen mit Freispruch davonkommt. In einer Kleinstadt ergeben sich dann auch noch andere Aspekte: die Nähe zum Täter, der Ruf, denn der Freispruch basiert auf der mangelnden Glaubwürdigkeit des Opfers, das als dumm und verliebt verunglimpft wird. Dann, einige Tage nach dem Freispruch, geschieht etwas (Film ist Film): der Vergewaltiger wird tot aufgefunden. Als Zuschauer atmet man auf. Es war die Mutter des Opfers, die selbst missbraucht worden war und aus Scheu von einer Verfolgung ihres Peinigers Abstand genommen hatte. Fast atmet man erleichtert auf, denn es ist späte Gerechtigkeit geschehen. Häusliche Gewalt und familienbezogener Missbrauch, wie oft hört man davon, sind nur ein Teil dieses Übels. Man kann als Mitbürger nicht genug wachsam sein, wenn man einen Verdacht hegt. Und viel Mut gehört dazu, diese schreckliche Blase zum Platzen zu bringen. Und man  kann sich täuschen, was sehr menschlich ist.

Wahlkrimi ohne Tote, jedoch mit Leichen.

Ob es den einen oder anderen beim Erfahren des Ergebnisses mit einem Infarkt erwischt hat oder nicht, ist schwer zu sagen. Gewöhnlich geschehen solche Dinge auch ohne Wahlstress. Politische Wertungen stehen mir nicht zu, gerade bei Frankreichs letzter Wahl will ich vorsichtig sein. Noch zurückhaltender machen mich die Ergebnisse in Schleswig-Holstein, dem Land der 6.-Mai-Festspiele (Bad Segeberg und so??), wo offensichtlich ein Liberaler gewonnen hat und der Generalsekretär der CDU feststellt, dass seine Partei gewonnen hat, mit 0,??% nur, aber gewonnen. Die Ergebnisse dieser Ergebnisse werden wir nach geduldigem Abwarten irgendwann herausfinden. Die Wahlen in Griechenland: also, da möchte ich passen. Ob man aus Euroland rausgeworfen wird oder nicht, hängt immer noch nicht vom gesunden Menschenverstand ab.

Zurück zu Sarkozy: er hat beim Abschied ganz schön auf die Tränendrüse gedrückt. Manche seiner Anhänger weinten mit ihm. "Françaises et Francais: je vous dis au revoir". Da kullerten sie, die Tränen, während sie an der Place de la Bastille, wo die Hollande-Anhänger weilten, mit freudigen Zuckungen in kleine Lachfältchen übergingen. Eigentlich war Sarko ein ganz lustiger Kerl. So spritzig, und der Angela so zugetan, dass man daraus fast eine Affäre hätte machen können. Nur schade, dass schon vor dem ersten Wahltag zwei Drittel der Franzosen sagten, sie wollten ihn nicht mehr. Andererseits sagten ebenfalls zwei Drittel, sie wollten Hollande nicht. Da konnte man sich schon auf etwas gefasst machen. Und die schöne Le Pen Tochter wollte beim zweiten Durchlauf ums Verrecken ihre satten 18 Prozent Wähler weder an Hollande noch an Sarko weiterreichen. Wer wird jetzt beim Kuh-vom-Eis-holen zuerst die Kurve kriegen? Angela oder Francois? Irgendwie muss das sozial-und christdemokratische Tandem wieder anlaufen.




Was man sich jetzt wünscht, ist eine klare Aussage für das nächste Ereignis: die Wahlen in NRW. Herr Lindner wird es auch weiterhin mit Autosuggestion probieren. Sich vorwärtseilend in 8 prozentige Höhen flunkern, ist ja sein Ding. Da kann man nur zu den Piraten raten, oder, dass die Kraft es schafft. Eines ist sicher: wenn in Deutschland zwei Drittel nicht dies und zwei Drittel nicht das wollen, haben wir jetzt die Piraten als Pufferzone. Rot-Grün, Rot-Grün-Gelb, Rot-Schwarz, Schwarz-Grün, Schwarz-Rot? Berlin ist am Zittern. So weit sind wir schon. Keine Toten, bitte! Aber warum nicht einige Leichen, die dann übrig bleiben und in das Nirwana politischer  Ungeschicklichkeiten abdriften?

Sonntag, 6. Mai 2012

Wahlkrimi - élection présidentielle in Frankreich

Ist es die Möglichkeit? Um herauszufinden, wer gewonnen hat, schalte man einfach ins belgische Fernsehen, oder höre den Deutschlandfunk um 19 Uhr 30, und man weiß es schon: Hollande hat gewonnen. Das französische Fernsehen bemüht sich um diese Zeit noch verzweifelt, Hochrechnungen zu ignorieren und die Fiktion der Ungewissheit bis 20 Uhr, (Schließung der Wahllokale) aufrecht zu erhalten. Ich habe selten ein solches Herumgeeiere gesehen. So nach und nach setzt sich dann das vermutete Ergebnis durch. Es ist Sonntag Abend. Der neue Präsident will noch heute mit der Kanzlerin der Deutschen telefonieren. Auch gewaltige Feiern sind vorgesehen, Place de la Concorde, zum Beispiel, wo Sarkozy sich bejubeln lassen wollte. Daraus wird wohl nichts.




Ich weiß nicht, woran es liegt, vielleicht an der Stichwahl, dass die Franzosen bis zuletzt in der selbst programmierten Unsicherheit herumstochern müssen. Die Medien haben das ganze Spektakel nicht mehr im Griff. Daher ergehen sich die Journalisten in hohlem Geschwätz, müssen Zeit schinden, zählen die Fähnchen der Anhänger und wiederholen zum hundertsten Mal, wo Hollande an die Urne ging, was Nicolas und Carla machten. Von Spannung und Wahlkrimi kann man da nicht mehr sprechen, eher von medialem Durchfall. Herzlichen Glückwunsch, Monsieur le Président.

Samstag, 5. Mai 2012

Ich sah die Leiche

und beging einen entscheidenden Fehler: ich hatte kein Mobilfon dabei und fühlte mich zu müde, um die zwei Kilometer zurück zu gehen und im erstbesten Haus die Polizei anzurufen. Der tote Körper lag hinter einem Busch. Es war fast nacht, und man sah nicht, ob es ein Mann oder eine Frau war. Wie ich aus dieser Geschichte wieder heraus kam? Das verrate ich erst auf den letzten Seiten. Sicherlich muss ich mir Gedanken machen, ob ich leidenschaftliche Liebe, Eifersucht und tragische Verstrickungen mit einbauen soll, oder nicht. Ein bloßer Krimi, mit vielen Leichen und einer attraktiven Forensikerin, die in Blut und Gedärmen wühlt, ist eine Option, die mir persönlich etwas zu eklig vorkommt.




Also versteife ich mich auf einen Liebesroman. Ja, ich möchte einen Liebesroman schreiben und suche mühsam zusammen, worauf es dabei ankommt. Liebe, natürlich. Sex gehört auch dazu, denke ich mal. Ein Stück Naturschönheit: Begegnung am Watzmann, die schöne Fischerin vom Bodensee. Letzteres verwerfe ich als zu altmodisch. Ein wenig Kitsch, aber nicht zu viel. Spannung: Warum küsst er Marie zuerst, obwohl er eigentlich wie geschaffen für Melanie ist. Dabei fällt mir ein, dass Namen eine große Rolle spielen. Marie und Melanie sind keine glückliche Wahl. Wie wärs mit Jennifer (abgekürzt: Jenny) und Marie-Lou? Bei männlichen Namen habe ich keine Probleme: Kevin geht immer noch (trotz der leicht schwulen Note), und Jean-Luc bringt eine echt mondäne Note in die Sache.


Natürlich muss der Handlungsstrang zügig durchgeführt werden. Ein Schuss Sentimentalität, sogar Gefühlsüberschwang, ist erlaubt, jedoch keine unnötige Rührseligkeit, bitte! Am Ende müssen sich beide in die Arme fallen, beziehungsweise zusammen auf einer Bank sitzen und sich eine Art Jawort geben. Ob man damit auf einen Nobelpreis hoffen kann? Ich verschiebe den Plan zunächst, indem ich mir sage: Literarische Scheiße gibt's schon genug.

Donnerstag, 3. Mai 2012

Dudeldaddel

Es gibt Momente im Leben, da fällt einem nichts mehr ein. Das schafft Ängste von der Art, wie sie die Engländer auf Deutsch mit "angst" bezeichnen. Bezeichnend für all jene, die keine Angst kennen. Engländer sind auch nicht mehr, was sie mal waren. Viele nennen sich Briten. Wen juckt das? Unser Präsident sitzt im Glashaus und wirft mit Steinchen. Die ganz große Politik bemüht sich um eine richtige Einstellung zum Problem Timoschenko. Deshalb reden sie vom Fussball. Mit den Füssen treten, das kann man einen Lederball, aber auch die Menschenrechte. Bei letzterem bin ich mir nicht sicher, ob wir alle das selbe meinen. Für mich beginnen die Menschenrechte im Kindergarten. Wer gewisse Dinge nicht zulässt, weil man sie nicht an sich selbst geschehen lassen möchte, beginnt die MR zu verstehen. Sich daran halten, eisern, ist dabei wesentlich. Und nicht auf die herabblicken, denen das Hirn fehlt, um es zu kapieren. Sie können nichts dafür. Wer aber an unnötiger Duldung krankt und damit den Missbrauch der Menschenrechte meint, der sollte mal daran denken, wie es ist, schwarz zu sein, oder körperbehindert, oder schwul, oder lesbisch, oder sonst etwas Naserümpfendes.




Man sieht also, wohin man gerät, wenn man nichts in der Birne hat. Heute ist es bei mir so. Ich nehme gerne jede berechtigte Häme entgegen, nur die eine nicht: dass ich hier etwas Tiefsinniges geschrieben habe. Aber der Sonnenuntergang ist schön wie nie zuvor. Vielleicht kann ich mich damit trösten.

Ich habe eine Fahne! Mit 12 Sternen um die Welt.

Aber nicht eine, die schon von weitem riecht, nein, es ist die Europafahne, die eine bewegende Geschichte zu erzählen hat. Zwölf fünfzackige goldgelbe Sterne, im Kreis angeordnet, auf blauem Grund. Als ich vor 30 Jahren den Fernsehdienst im Europarat in Straßburg übernahm, machte ich eine unglaubliche Entdeckung: ein Karton, den ich in einer dunklen Ecke fand, enthielt etwa 100 Zeichnungen mit den seltsamsten Motiven. Es waren die Ergebnisse eines europaweiten Wettbewerbs, der auf demokratische Weise zu einer gemeinsamen Flagge führen sollte. So weit so gut. Wir haben heute diese Europafahne mit den 12 Sternen. Anerkannt in der ganzen Welt als das Symbol der europäischen Einigung.

                                                  Nein, die Europafahne
                                                    zeige ich hier nicht

Die Europäische Union hat sie sich zu eigen gemacht, nachdem sie vom Europarat 1955 offiziell verabschiedet wurde. Alle Länder Europas waren aufgerufen, diese Fahne anzunehmen. Der Weg dahin war allerdings steinig. Es gibt das Gerücht, dass die Fahne von zwei feurigen Katholiken erfunden wurde: Arsène Heitz, ein Elsässer, der im Europarat als Kurier arbeitete und Zeichentalent besaß, und Paul M. G. Lévy, ein katholischer Jude aus Belgien, der Europas erster Beamter und Direktor für Presse und Information im Europarat. Lévy brauchte Arsène, und Arsène brauchte Lévy, der beauftragt war, den Wettbewerb durchzuführen und mit den zuständigen Außenministern der Europaratsländer zu beraten. Das Mitglied Türkei hätte jedoch eine christlich geprägte Fahne nicht akzeptiert. Heitz machte mehrere Entwürfe, bis Lévy sagte: "das ist es", und ging damit zu seinem belgischen Minister, der die Sache seinen Kollegen vorstellte. Der Mythos Europafahne war geschaffen.

Als ich Jahre später mit meinem Amtsvorgänger freundschaftlich verkehrte, erzählte er mir eine ganz andere Geschichte. Der Europarat hatte damals 14 Vollmitglieder und die Saar als assoziiertes Mitglied. Also 15 Länder, wovon die Saar einen Sonderstatus besaß, denn Frankreich wollte das Saarland, nicht ohne Hintergedanken, zu einer Art Brücke zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland machen. Die Deutschen waren damals unter Adenauer gegen die 15 Sterne. Frankreich gegen 14 Sterne. Italien wollte keine 13, so kam man bei unveränderlichen 12 Sternen an. Als dann das Außenministerkomitee in 1955 in Rom die Europäische Menschenrechtskonvention feierlich unterzeichnete, entdeckte man den religiösen Hintergrund für die Christen im Europarat. Im Palazzo Barberini, in dem die Unterzeichnungszeremonie stattfand, gab/gibt es ein Deckengemälde, das die Jungfrau Maria zeigt, wie sie auf einem Kranz mit 12 Sternen steht. Damit war die Europafahne ziemlich konfliktfrei, und leicht katholisch angehaucht, geboren.

Allerdings sagte mir Lévy, ein deutscher Mönch, der in Japan lebte, habe einen ersten Vorschlag gemacht: Die Venus am Abendhimmel erinnere ihn an Europa. Daher sein Vorschlag: eine Fahne mit himmelblauem Grund und einem goldenen Stern in der Mitte. Das musste der Belgier Paul Lévy zu den Akten legen, denn damals sah die Fahne des belgischen Kongo genau so aus. Die Idee mit den Sternen auf blauem Grund blieb jedoch das Leitmotiv für die weitere Suche. Den Brief des Mönchs habe ich gelesen. Er kam später zu den übrigen Sachen im Karton.

Mein kleiner Beitrag zur Verbreitung dieser wahren Geschichte war, dass ich 1995 durch Zufall den bevorstehenden 50. Geburtstag der Europafahne entdeckte. Niemand hatte in der Hektik des europäischen Werdeprozesses an so etwas gedacht. Nun wurde gebührend gefeiert, und Paul M. G. Lévy, mein alter Freund, konnte mit seinen 80 Jahren zahlreiche Interviews geben und die Geschichte der Europafahne ins rechte Licht rücken. 

Mittwoch, 2. Mai 2012

Das Auto - dein teurer Freund



                                          Der Drabbi, das Glügg von Babbi

Als Autofahrer hat man es nicht leicht. Man legt drauf, vor allem, wenn man ein richtiges Auto fahren möchte. Mercedes, BMW und so. Ich fahre seit Jahren ein kleines Auto, aber oho! Nichts für Wettrennen, aber schnell. Ich kann es mit jedem aufnehmen, will es aber nicht. Der Wettbewerb auf den Straßen ist gar vielfältig.

Das Hase-und-Igel-Syndrom:
Ein bisschen entspannt in der Schlange und, schwupps, überholt einer, der einfach schneller als die anderen sein möchte. Schwupps, überholt der nächste, und setzt sich vor den anderen. Wer am Ende gewinnt, ist unwichtig. An der Ampel sind wir wieder alle gleich.

Das Jetzt-komm-ich-Syndrom:
Meist sind es schwarze oder metallic aufgedonnerte Limousinen, denen man eines von weitem schon ansieht: der Besitzer hat es geschafft. Er gehört zu den vielen, die standesgemäß fahren. Es ist überaus wichtig, dass solche Autos in Sichtweite geparkt werden. Man soll durchaus sehen, wer da aussteigt.

Ich rase, also bin ich:
Da möchte ich wenig darüber sagen: mein relativ hoher IQ verbietet mir das. Allerdings habe ich den Verdacht, dass bei männlichen Rasern das Geschlechtsorgan etwas dürftig ausgefallen ist und der Fahrer das irgendwie kompensieren muss, zumal er oft auch versucht, anderen in den Hintern zu kriechen. Oder soll man sagen: zu rasen?

Der Kuh-Effekt:
Hier handelt es sich um den Import aus Indien, wo Kühe so verehrt werden, dass sie im Straßenverkehr ungeschoren (keiner murrt) herumstehen können. Eine sehr friedliche Angelegenheit, die in manchen Ländern sogar gepflegt wird. In Frankreich etwa, steht man gern mitten auf der Straße, mit dem Auto, versteht sich, und unterhält sich mit dem Bekannten. Was andere denken, ist dabei wurst (wie man sieht, ist Wurst nicht nur eine deutsche Unart).




Der Sonntagsfahrer:
Wenn ich es recht bedenke, ist dieser der einzig normale Autofahrer, denn er hat begriffen, dass sportlicher Wettbewerb eine Sache der Dringlichkeit ist. Kann mal vorkommen, jedoch nicht ständig. Also sagt sich der Trödler: heute ist Sonntag. Ich habe es nicht eilig. Ich nehme am Wettbewerb nicht teil. Ich habe auch schon seit Monaten mein Auto nicht geputzt. Es ist mir egal, was andere über mein Auto denken: Auch Mitsubishi, Alt-Golf oder BlechOpel sind mir recht. Ich will von A nach B. Und zurück. Meine Glücksgefühle mache ich an anderen Dingen fest. 

Es ist Mai, und keiner geht hin.

Nein, so war es nicht. Das Wetter hat in vielen Teilen des Landes sein bestes gegeben. Schon am Vorabend herrschte eine unerklärliche Betriebsamkeit. Man musste etwas unternehmen, sei es auch nur, um den kommenden Feiertag noch mit einem Liter Milch oder einem frisch gebackenen Brot zu begrüßen. 1. Mai, lassen wir mal die gewerkschaftliche Seite beiseite: das Mai-Programm war reichhaltig und flächendeckend. Die Aufmärsche der Neonazis misslangen weitgehend. Warum können diese humorlosen Besserwisser nicht einfach aufs Fahrrad sitzen, wie normale Menschen, und ein wenig in die Pedale treten?


Mit Erfolg haben wir das gemacht und, übrigens, nach zweijähriger Pause. Die Räder mussten entstaubt und entrostet werden. Aufgepumpt auch. Es ging an den Hängen des Schwarzwaldes entlang. Leicht bergauf, dann wieder etwas bergab. Ein interessantes Erlebnis: Viele waren unterwegs. Einer fuhr sogar eine Rikscha mit Kindern drin. Radler, jung und alt, waren in der Überzahl. Man sah es an den vorsichtigen Überholmanövern der Autofahrer, die um jeden Preis unbehelligt das vielfältige Gewusel umfahren wollten.


Dann geschah, was nicht einmal geplant war: wir kamen an einem Park vorbei, wo gegen Mittag schon haufenweise fröhliche Menschen am Rasten waren, mit einem Bier, natürlich. Spontan hielten wir an, versorgten die Drahtesel und setzten uns an einen Tisch im Freien. Erster-Mai-Atmosphäre, wer kennt sie nicht? Alle sind aufgekratzt und gut gelaunt. Das Bier schmeckt. Es fließt in Strömen. Angeheitert aber zufrieden bewegten wir uns weiter, bis wir in einer Gartenwirtschaft landeten, wo wir den Rest des Tages essend und trinkend verbrachten. Ein wahrlich schöner Extratag, dieser 1. Mai. Warum gibt es diesen nicht viel öfter?