Sonntag, 30. Juni 2013

Airlines, Airlines, Airlines - Protokoll des Versagens

Wenn es vorbei ist, atmet man auf. Ich lasse die Gründe für die Flüge der letzten Tage einmal beiseite. Nur so viel: es sollte nach England gehen, ein Krankenbesuch machte das dringend notwendig. Es hat alles irgendwie geklappt, und wir wollen nicht wirklich wissen, um wieviele Jahre wir in dieser Woche gealtert sind. Fluglinien loben sich gerne selbst. Zur Zeit gibt es keine Proteste gegen die Behauptung, die Emirate Airlines seien die besten der Welt. Das gefällt den anderen nicht, aber die Lausigkeit einiger traditioneller Fluggesellschaften im Verabreichen von Ess- und Trinkbarem hat deren Beliebtheit deutlich gedrückt. Die Emirate, deren Wohlstand mit unseren vollen Bezintanks vollbracht wird, leisten sich den besten Service. Die Flugmamseln tragen schicke rote schiffchenartige Kopfbedeckungen, schräg nach vorne geneigt. Man wünscht sich, nur noch mit denen zu fliegen. Die legen einen blauen Teppich aus (das habe ich gerade in Manchester sehen müssen), wenn der Fluggast ein Paltin-,Gold- oder Silberticket bezaht hat. Der rote Teppich ist natürlich der Ersten Klasse vorbehalten. Soweit die schöne Theorie.


Wir wollten mit British Airways am frühen Morgen Wien verlassen, um über London nach Manchester zu fliegen und dort einen Zug zu nehmen. Es kam anders: Die Temperaturen in Wien waren bereits auf über 30°C gestiegen, der Warteraum für den Abflug eträglich temperiert, als eine Lautsprecherstimme verkündete, es gäbe eine leichte Verzögerung. Ich ahne dann immer gleich Schlimmes. Als Unruhe unter den Wartenden enntstand, kam der Kopilot himself und sagte etwas schwer Verständliches. Cath, die des Englischen mehr als mächtig ist, übersetzte für mich, der ich das Gebrabbel oft nicht verstehe: Wir haben in der Maschine 47°C Innentemperatur. Ein technischer Mangel, den wir in den nächsten Minuten beheben werden. Ich hatte noch einen Apfel im Gepäck, den ich nun aß. Cath drehte derweil ein paar Runden, denn die Sitzgelegenheiten waren nicht gut. Nach 5 Stunden Wartezeit bekamen wir einen Drink und einen Imbiss, nach 6 Stunden beschlossen wir, nach Hause zu gehen, nicht, ohne vorher für den kommenden Morgen umgebucht zu haben. Rein in die Bahn und U-Bahn, unmutig zerrten wir unser Gepäck in unsere Wohnung. Weckerstellen und Schlafen waren angesagt. Ein Gin'n'Tonic half uns dabei.


Taufrisch stiegen wir am nächsten Morgen mit etwas Verspätung in den Flieger nach Heathrow, wo wir erfuhren, dass in der Maschine nach Manchester keine Plätze verfügbar waren. Außerordentlich flexibel wie wir sind, buchten wir neu, diesmal nach Leeds. Cathies Verwandte wurden immer wieder neu angerufen - man kennt das - um neue Ankunftszeiten mitzuteilen. Bei der Sicherheitskontrolle verlor ich diesmal nur die Zahnpaste und eine unschuldige Nagelfeile. Dafür nahm man mir den Gürtel ab und man untersuchte meine Schuhe so intensiv, dass mir selbst der Verdacht kam, ich hätte dort Massenbvernichtungswaffen versteckt. Das war nicht der Fall. Dann, endlich, reibungslose Landung, Anmieten eines Autos, Fahren auf der linken Straßenseite, Ankunft. Drei Tage Ruhe.

Da fliegt sie!
Der Rückflug verdient Erwähnung. Autoabgabe am Flughafen Manschester, wegen des ursprünglich gebuchten Rückflugs London Manchester London. Hurra, wir treffen zeitig ein. Am Flugschalter ereilt uns die traurige Nachricht, dass der Flug überbucht sei. Da Cath am anderen Tag in Brüssel eine Sitzung hatte, machten wir freundlichen Druck. Einen Flug nach Brüssel gab es. Ich blieb zurück und suchte ein Hotelzimmer. Die Firmen Radisson, Hilton, Mariott etc. waren alle ausgebucht. Dann, der Durchbruch: Mike am Infostand rief seinen alten Freund Frank an, der ganz in der Nähe wohnte, ein Bed&Breakfast hatte, mich innerhalb einer Viertelstunde abholte und mir ein herrliches Bett anbot, für nur 45 Pfund Sterling, was einem Geschenk gleichkommt.


Nach einigem Herumirren am Flughafen Brüssel, um den richtigen Bus zu finden, denn ich wollte endlich in das von Cath gebuchte Hotel Bloom!, eigentlich ein Traum, traf ich im Zentrum der Europastadt ein. Plötzlich wurden wir alle aus dem Bus geschmissen, denn der Europagipfel mit den Regierungsschefs war am Beginnen. Ich brauchte dann nur noch eine Stunde um ein Taxi zu finden, aber das war eine erholsame Lappalie. Ich füge hinzu, dass der Flug nach Wien, gestern Abend ohne weitere Vorkommnisse verlief, und bei der Ankunft in Wien an uns eine Horde Köfferchen ziehender Stewardessen, die mit den roten Hütchen, wie eine Karawane vorüber zog. Manchmal versagen wir eben alle ein wenig.









Montag, 17. Juni 2013

Michelangelo schuf ihn - und wir lassen uns mästen.

1501 fing er damit an, einen der schönsten Männer des Mittelaters in Marmor zu hauen. Seitdem steht er in Florenz, zeugt von Jugend und schlanker Eleganz, auch von Zeugungskraft. 1504 war er damit endlich fertig, denn er hatte noch anderes zu tun. Alle haben ihn schon gesehen, den David. Irgendwie. Ein Schelm, der sich heute noch an so etwas aufgeilt. Aber seine Standardmaße wirken bis auf den heutigen Tag. Manneskraft und muskulöse Schlankheit. Wer wird da nicht neidisch?

Zugegeben: ein mieses Foto von unserem schönen David

Das weibliche Gegenstück könnte eigentlich nur die Venus sein, mit ihrem geburtsfreudigen Becken. Doch davon gibt es so viele, dass man nur um sich schauen muss, um diese verführerischen Aphroditen zu entdecken. Andererseits scheint sich das Idealbild des menschlichen Körpers verändert zu haben. Ich finde zwar abstehende Bäuche nicht unbedingt unerotisch, doch scheint mir die neue Dicklichkeit etwas über die Grenzen des ästhetisch Hinnehmbaren hinauszugehen.

Wir forschen nach den Ursachen und müssen feststellen, dass es sich hier um eine Zivilisationskrankheit handelt. Im Durchschnitt vier Stunden täglich auf der Couch, vor dem Fernseher. Vielleicht noch bis zu zwei Stunden im Auto, um auf unbestimmte Zeit einen Bürostuhl einzunehmen. Das alles könnte noch durch Gartenarbeit, Joggen und tägliche Gymnastik neutralisiert werden. Tut es aber nicht, denn die Ernährungsindustrie pumpt uns voll mit Zucker, Geschmacks- und Konservierungsmitteln, gesättigten Fettsäuren und heimlichen Appetitanregern. Wir wissen es nicht so genau, denn diese Industrie arbeitet gerne mit Nebelkerzen. Ergebnis: wir werden immer fetter und halten dies allmählich auch noch für gängige Kultur, denn, wie wundersam, niemand kritisiert uns. Nur die Pharmaindustrie möchte daran auch noch mitverdienen und erinnert uns höflich verschämt an die Gramme zuviel.
Zuviel gefuttert?

Wenn man daran denkt, dass nach Jahren des Kampfes die amerikanische Zigarettenindustrie klein beigeben musste und endlich zugab: "Rauchen kann tödlich sein", dann kann man sich auch vorstellen, dass die Nahrungsmittelmacher (Wir lieben Lebensmittel) sich einen Dreck darum schert, was sie mit uns macht. Nützlich ist, was sich verkaufen lässt. Eine Tötungsabsicht lässt sich natürlich nur sehr schwer nachweisen. Deshalb halten wir es wie unser David von Michelangelo: er ging zu einem kleinen Aufenthalt in die USA. Als er nach ein paar Monaten zurückkam, dankte er seinen Gönnern, denn sie verhalfen ihm zur absolut schicken, wabbeligen Rundlichkeit, die heute so gerne gesehen wird. Was soll man da sagen? Solange die allgemeine Lebenserwartung weiter steigt, müssen wir uns keine Sorgen machen.

Zurück aus den Staaten?

Wir danken den Sponsoren: MacDo, Starbucks Coffee, Burger King und all den anderen. Ihre Lobbys sind so stark, dass alle Reformansätze schon im Keim ersticken. Nur wenn Fastfoodwerbung verboten, vor ungesunden Lebensmitteln gewarnt und gesunde Nahrung (Obst) subventioniert wird, geschieht etwas. Bis dahin sind Regierungen, die nichts tun, am Werk. Denen ist es egal, wie die Menschheit zugrunde geht.





Wiener G'schichten - Ein Sonntag im kaiserlichen Park

Die Wetterauguren verkünden einen warmen, regenfreien Sonntag. Wir lassen das Frühstück ruhig angehen, Kaffee, Tee, Steyrisches Geselchtes, Dinkel- und Weißbrot. Drei Marmeladen und den Honig aus der Gegend von Baden bei Wien. Die Rosen vom Supermarkt bemühen sich tapfer, nicht den Geist aufzugeben.
Frühstück mit Frosch.

Die U-Bahn ist gut besetzt. Die Kleidung sommerlich. Man sieht das Übermaß an Speck auf den menschlichen Rippen. Wir fahren hinaus nach Schönbrunn, dem Sommersitz der kaiserlichen Familie. An Japanern fehlt es heute nicht. Wir besichtigen nicht das Schloss, das ein großes Kleinod im Stil von Versailles ist, sondern ergehen uns im kaiserlichen Park.

Seltsames Getier: ein Ölkäfer, der wohl zu den größten Käfertieren in Europa zählt. Über 5000 Arten Käfer gibt es allein in Mitteleuropa. Cathies Arm musste zum Größenvergleich herhalten. Der Park von Schönbrunn gehört heute dem Steuerzahler, auch wenn hier gelegentlich noch royale Kutschen durch die weiträumigen Alleen ziehen. Man joggt, man fotografiert, man setzt sich auf eine Bank. Während die Asiaten es vielleicht vorziehen, zum Mittagessen in eines ihrer zahlreichen fernöstlichen Restaurants zu gehen, setzen wir uns in ein Wienerisches Gasthaus, das "Zum rosaroten Flamingo" heißen könnte. Es liegt am Eingang des Parkes und bietet ein herrlich-echtes Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat.
Viele tragen den Schirm als Sonnenschirm. Auch jüngere Frauen. Das sieht so aus, wie ein neuer Modetrend. Dann läuft uns wieder ein komischer Vogel über den Weg. Er trägt eine zitronengelbe, zweireihige Jacke zu schwarzen Hosen. Der Mann: mittleren Alters, gertenschlank, das Gesicht ziehmlich unscheinbar. Keine Begleitung. Wir liefen ihm ein paarmal über den Weg. Ich habe ihn nicht fotografiert. Wie kann man nur?














Freitag, 14. Juni 2013

Joachim Ringelnatz: Humor ist der Knopf,

der verhindert, dass uns der Kragen platzt. Solch kritischer Geist kam dem Dritten Reich ungelegen. Alles ging bei ihm schief, und immer wieder fiel er auf die Füße und machte weiter. Mit 36 Jahren wurde aus Hans Bötticher Joachim Ringelnatz, ein schöner Name für einen Künstler. Sein Sarkasmus kam schon sehr früh: er hatte irgendwie eine lange spitze Nase und ein komisches Gesicht, für das er von seinen Mitschülern kräftig gehänselt wurde. 1934 starb der Dichter und Maler, noch bevor die Nazis allzu großen Anstoß an seinem Witz nehmen konnten. Sie liebten ihn aber nicht. Einem, der tausend Dinge begonnen hat (u. a. die Eröffnung eines Zigarettenladens), ohne sie erfolgreich zu Ende zu führen, traut man nicht.


Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt. Was für eine menschenfreundliche Feststellung. Der Vieldichter hat endlos viele Gedichte gemacht, deren Absurdität den Kragen zum Knopfen bringt. Bitteschön: "Drüben am Walde --- Kängt ein Guruh --- Warte nur balde --- Kängurst auch du. Das sind die letzten Zeilen eines Gedichts mit dem Namen: "Abendgebet einer erkälteten Negerin".
Kuttel Daddeldu, ein Seemann, in seinem etwas länglichen "Lied an die feste Braut", besoffen, wie er war: Du musst mir mal, deinen Namen ausbuchstabieren,
        Hein soll mir das auf den Arm tätowieren
        Mary, mach mal deinem Daddeldu
        Die Hosentür zu.

Also auf Ringelnatz lasse ich nichts kommen. Ich habe ein Buch von ihm: 976 Seiten. Da steht alles drin. Als Kind schon hat er mich begeistert. Und er war nicht mal Jude.
        Der Klapperstorch hat krumme Beine
        Die Kinder werfen ihn mit Steine
        Aber Kinder bringt er keine.

In Dresden von der Bühne geholt.
Humor ist also wenn man trotzdem lacht. Oder ist Humor einfach etwas, für das wir nichts können? In Hamburg und München erhielt er Auftrittsverbot. Die Nazis holten ihn dann auch in Dresden von der Bühne und verbrannten seine Bücher. Auch über Banausentum darf gelacht werden.

Zwei Kühe saßen in einem Baum und siezten sich.
"Sagen sie mal, tut ihnen das Euter auch so oft weh?"
"Ach, ja, man hat's nicht leicht als Kuh",
"Lass' mich dich duzen, sag' mir "du".
Zwei Kühe saßen in einem Baum und sagten sich "muh". (Dieser Versuch ist von mir und schon uralt).
















Dienstag, 11. Juni 2013

Wo bin ich? Wenn, ja, warum?

Ich fasse es nicht: Fernsehen hatte einmal Ansprüche: Information, Unterhaltung, Erziehung. Das Gemisch, das wir heute vorgesetzt bekommen, reizt zum Aufschrei. Ich höre in einem Öffentlichrechtlichen heute: alle royalen Bäuche sind schwanger. Da ich systematisch wegschaue, weiß ich nur, dass Prinz Harry (oder ist es der andere?), der ach sooo gut aussehende, jetzt Vater wird. Welche sonstige königliche Bäuche zur Zeit schwanger sind, erklärt uns ein zum royalen Experten hochstilisierter Hintertreppenadliger, der es ja wissen muss. Sollte ich empört einwenden, dass dies alles unnötiger Kokolores ist, unwürdig, der gesamten Menschheit vorgesetzt zu werden, stoße ich auf Ablehnung: das ist eben heute so. Das muss man wissen. Sie sind so nett und tun etwas für den Erhalt der Monarchie. Man möchte ihr Bäuchlein sehen. Wie gruselig-schön. Gefilterter Porno-Ersatz. Wo bin ich?
Königliche Wachsfiguren

Es gab eine Zeit, da war ein Forscher ein Forscher, ein Pionier ein Pionier, ein Monarch ein Monarch. Heute ist jeder eine Reproduktion von etwas. Bei den Holywoodern ist man das seit Jahren gewohnt. Sie wollen alle etwas anderes sein, nur nicht sie selbst. Wir schauen uns das an und träumen uns in diese Welt hinein, obwohl und der Spiegel, in den wir blicken, sagt: du bist du, willst aber ein anderer sein. Da stimmt doch etwas nicht. Könnte es sein, dass wir keine Wahl mehr haben? Wir konsumieren, werden vom Staat (Fiskus, Ämtern, Verkehrsampeln, Gesundheitsmaximen und Ähnlichem) gegängelt und zur Massenware degradiert. Einwände: wir wählen dieses System alle 4/5 Jahre selbst.

Man sieht uns gerne nackt!

Die Gewalt gegen empörte Bürger in der Türkei (das wird schlimm enden!) zeigt wieder einmal, wie anonym wir bekämpft werden, wenn wir aufmucken. Es ist nicht nur Tränengas. Wir sind Masse und werden ausgehorcht. Warum? In den USA hat gerade wieder einer Hochverrat begangen, indem er die rechtswidrigen Praktiken der Geheimdienste denunzierte. Sie werden diesen Verräter jagen, bis sie ihn haben. Der britische "Guardian" zeigte hier den Mut zur Veröffentlichung. Kann sich denn überhaupt noch jemand wehren gegen diesen Terror, der den Einzelnen zerstört? Der uns kollektives Denken überstülpt? Wer steckt dahinter? Wo sind die Kämpfer, die noch laut sagen, dass man uns benutzt, um die Macht von Systemen, Banken und Lobbys zu stärken? Sollen wir wirklich wie Ameisen durchs Leben gehen, auf vorgespurten Wegen, bis wir weggepustet werden? Ich habe schon gemerkt, dass man mich nicht verstehen will, wenn ich ein bisschen laut werde. Das System schlägt immer öfter zurück, statt hinzuhören.








Montag, 10. Juni 2013

Wiener G'schichten - die Sintflut und ihre Folgen

Mit der Sintflut hat es so ihre Bewandtnis. Erst wird sie angedroht, dann tritt sie ein, dann ist alles nass und man wartet, bis sie vorbei ist. Wenn alles wieder in trockenen Tüchern ist, wird die Schuld auf jemand abgewälzt. Das kann ein zürnender Gott sein, aber auch eine mahnende Dienststelle, die die Angst vor Rohrbrüchen schürt. Wer trockenen Fusses durch die Natur stapft, hat dann
alles wieder vergessen.


Die Medien tun eigentlich nichts, solange man sie in Ruhe lässt. Sie zeigen das Hochwasser denen, die irgendwo sicher herumsitzen und sich freuen, dass es sie nicht selbt getroffen hat. Und sie zeigen die Wasserläufe von sonst harmlosen Flüssen, die über die Ufer treten. Obwohl wir hier in Wien an der Donau liegen, der schönen blauen, sind wir bis jetzt mit einem blauen Auge davongekommen: so schlimm wie in Deutschland war es nicht. Obwohl: die Donau in Bratislava kam mir vergangene Woche etwas angeschwollen vor. Inzwischen ist auch Ungarn betroffen, während wir hier schon getrost die Aufräumarbeiten verfolgen können.


In Wahlkampfzeiten reisen die Politiker immer recht hektisch in die betroffenen Gebiete, sagen, sie wollten helfen, blicken selbst betroffen um sich und reisen wieder ab. Wenn dann der trockene Alltag wieder eingesetzt hat, denkt man an etwas anderes, zum Beispiel an die Wahlen. Die biblische Androhung, der kopflosen Menschheit wieder eine solche Sintflut zu schicken, wird wieder belächelt. Die sogenannte Anomalität, die Forscher am Berg Ararat gefunden haben wollen, interessiert keinen Schwanz mehr. Dort könnte Noah mit seiner Arche gelandet sein, vor grauen Urzeiten. Nach der Sintflut. Ich glaube, wir haben immer noch nichts kapiert. Wie überfordern unsere Erde schon seit langem. Sie schlägt gelegentlich zurück. Aber bisher haben wir für unsere Katastrophen kinderleicht Erklärungen finden können. Kein Zweifel: die Vertreibung aus dem Paradies geht weiter. Wir merken es nur gelegentlich.








Sonntag, 9. Juni 2013

The sparkle in your eyes. Der Glanz in deinen Augen!

Du hast dich verändert. Deine Augen sind müde geworden. Du hast schon zu viel gesehen. Du meidest den Blickkontakt, weil deine Augen nicht mehr ehrlich sein können. Sie sind das Fenster zur Seele. Und wenn du mich anschaust, möchte ich in deinen Augen lesen können. Der Maßstab sind die leuchtenden Augen der Kinder unterm Weihnachtsbaum, oder wenn die geliebte Oma zu Besuch kommt. Den Blickkontakt sucht der Bettler auf der Straße auch, denn er will etwas von dir. Das ist sein gutes Recht, doch kann es auch sein, dass er nicht ganz ehrlich ist. Auch das verraten die Augen.
Bei Sisi glänzte alles.

Wenn du zum Fotografen gehst und er den Glanz in deinen Augen festhalten möchte, wird er dich auffordern, an etwas Schönes zu denken. Wenn du das nicht kannst, bleibt dein Blick stumpf. Leer. Billie Holiday hat das so umschrieben, obwohl der Song nicht von ihr stammt: "You have changed. The sparkle in your eyes is gone". Besser kann man nicht umschreiben, was geschehen ist, wenn sich zwei Menschen nicht mehr ansehen können. Wenn der Glanz weg ist, ist auch die Liebe verflogen. "Ich kann dich nicht mehr sehen" heißt, das Ende ist gekommen. Interessant, wie man auf Werbefotos direkt angeschaut wird. Hier wird der Glanz professionell herbeigezaubert. Das steigert den Umsatz.

Bei Kane ist noch nichts verloren.
Das Auge des Gesetzes ist eine andere Sache. Wird hier lieblose Autorität hergestellt? Oder geht es darum, die Kontrolle nicht zu verlieren?  Da der Wahlkampf in Deutschland schon begonnen hat, werden wir bald sehen, ob auf den Plakaten die Augen der Kandidaten verschämt niedergeschlagen
werden oder ob man dem Wähler frei und ungehemmt ins Auge schaut. Ich werde wieder einmal darauf achten, obwohl ich mir nichts davon verspreche. Politik ist Politik. Da hat es nie Glanz in den Augen gegeben.






Donnerstag, 6. Juni 2013

Wiener G'schichten - schwarz wie die Nacht

Am 12. März 1938 begann der Einmarsch deutscher Truppen in Österreich. Am 15. März spricht Adolf Hitler auf dem Heldenplatz in Wien. Im April gibt es eine Volksabstimmung über den bereits vollzogenen Anschluss, der von über 99 % der Befragten gutgeheißen wird. Die Verfolgung und Demütigung von Österreichern jüdischer Herkunft beginnt sofort. Antiklerikale Hetzreden werden ebenfalls vernommen. Die 26.000 jüdischen Betriebe in ganz Österreich müssen zur "Arisierung" angemeldet werden. Dann kommt die "Reichskristallnacht" im November, mit schweren Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung, jüdische Geschäfte, Synagogen. Die Polizei schreitet nicht ein. 1940 werden die Lebensmittelkarten für Juden mit einem J gekennzeichnet. Von April bis September dürfen Juden zwischen 21 Uhr und 5 Uhr nicht mehr das Haus verlassen. Im September 1941 müssen Juden ab dem 6. Lebensjahr den gelben Stern tragen. Das Ziel: auch Österreich "judenrein" zu kriegen. Dann kam es noch schlimmer. Vieles ist in Erinnerung geblieben. Viele konnten sich retten, indem sie das Land verließen. Viele blieben ihr Leben lang ohne Heimat.

Georg Kreisler war ein gebürtiger Wiener, der es gerade noch geschafft hat, mit seiner Familie vor der Kristallnacht zu fliehen. Arnold Schönberg, auch ein jüdischer Komponist aus Wien, wollte den begabten siebzehnjährigen Kreisler in Los Angeles in seine Musikschule aufnehmen. Das geschah nicht, und das Talent Georg Kreisler wucherte in alle Richtungen und kehrte in den Fünfzigerjahren wieder an seine Ausgangspunkte zurück: Wien, Berlin, Salzburg, Basel, Salzburg (wo er vor 2 Jahren starb). Wen wundert es, dass der geniale Schöpfer von vielen Liedern, aber auch Opern, Operetten, Poesie, Literatur, keine Heimat mehr hatte, wo immer er sich auch niederließ. "Zuhause bin ich in der deutschen Sprache", sagte er einmal. Ein für ewig Verletzter, dem man alles genommen hat und der alles gab. Vor allem seinen Humor. Und der war düster, rabenschwarz, zynisch, makaber, verbal und witzig.

Auch das ist Wien: es gibt hier noch jüdisches Leben. Eine Judengasse, ein Museum Judenplatz und ein Jüdisches Museum in der Dorotheergasse. Da war ich gestern Abend. Horst Maria Merz, ein
Der Judenplatz
Berliner Pianist und Sänger, Mitglied der (neuen) Berliner Comedian Harmonists, hatte zu einem Georg Kreisler Abend gebeten. Und ich habe ein weiteres talentiertes Pulverfass kennen gelernt. Er wirbelte nur so mit Wörtern herum, sang sich den Mund fusselig und interpretierte Kreisler: ein bitter-süßes Vergnügen. Man versteht, dass "Tauben vergiften im Park" ein Schnitt mit dem Messer ins Zwerchfell ist. Auch seine Ballade, wie er alle seine Frauen ermordet hat, makaber-witzig, kam voll herüber. Dass es das noch gibt! Kann es sein, dass Kreislers Schicksal nicht so abgrundtief schwarz verlaufen wäre, wenn Hitler auf dem Heldenplatz gesagt hätte: "Ich begrüße meine jüdischen Mitbürger besonders herzlich"? Surrealistisch, das alles! Und schön, dass es noch solche Talente wie diesen Merz gibt. Kreisler würde sich im Grab herumdrehen, wenn er das nicht ohnehin täte.









Dienstag, 4. Juni 2013

Es gärt in der Türkei


Während der Regierungschef Reep Tayyip Erdogan gerade noch von wildgewordenen Randfiguren sprach, hat sein Stellvertreter Arinc jetzt vorsichtig in einer langweiligen Fernsehrede die Hosen herunter gelassen: "Es tut uns leid". Das harte Vorgehen gegen friedliche Demonstranten kann nicht mehr einfach glattgebügelt werden. Die Menschen haben die Nase voll, wie lästige Kinder behandelt zu werden. Zuerst wollte man die Volkswut mit Polizeigewalt niederknüppeln. Jetzt, wo täglich Tausende auf die Straße gehen, gerät der Unmut außer Kontrolle. Die Türkei, ein Land zwischen islamischen und demokratischen Bestrebungen, muss und will sich entscheiden. Die Zeiten sind vorbei, wo die Obrigkeit ungestraft auch noch Arroganz an den Tag legen kann.

Der Stellvertreter Arinc


Der Anlass blieb für die Weltöffentlichkeit zunächst einmal unklar. Am beliebten Taksimplatz, mitten im modernen Istanbul, soll der Gezi-Park in etwas Kommerzielles umgewandelt werden. Einfach so. Die Bürger wittern nicht nur massive wirtschaftliche Interessen hinter diesem Plan, sondern auch die Missachtung ihres Willens. Man möchte eine etwas vergammelte Parkanlage am Leben erhalten. Istanbul hat nicht viele grüne Lungen. Der Gezi-Park ist der Ort, an dem sich viele erholen. Man wird dort als Tourist auch mal angemacht und wird einen kindlichen Schuhputzer fast nicht los. Das Leben ist hart, und ein Regierungschef kann auch in der Türkei nicht mehr machen, was er will.

Taksimplatz, eine Baustelle

Die Reibereien begannen bereits um den ersten Mai, wo am Taksimplatz Zigtausende, zum Feiern  zusammenströmten. Eine massive Demonstration des Volkswillens. Wenn die bedrohlich herumstehenden Polizeikräfte eindeutig auf der Seite des Volkes gestanden hätten, wäre die Stimmung nicht so explosiv geworden. Solche Machtdemonstrationen seitens der politischen Führung werden nicht mehr vergessen. Das Volk möchte genau wissen, wer das Sagen hat. An vielen Orten gärt es jetzt. Das sieht sehr nach einer revolutionären Entwicklung aus. Hoffentlich kann das Land daraus einen friedlichen Gewinn ziehen. Geringe Anlässe haben schon oft zu großen Explosionen geführt.



Bratislava - wo, verdammt, ist die Donau?

Ganz so ernst meine ich das nicht. Jedoch ging ich davon aus, dass auf dem Weg von Wien nach Bratislava die stolze Donau neben der Bahnlinie herläuft und bei der Ankunft in der slowakischen Hauptstadt dem Reisenden (Donau so) blau entgegenstrahlt. Pustekuchen! Ich hatte mich spontan in den Regionalzug REX geschwungen und schaute neugierig aus dem Fenster. Eine gute Stunde Fahrt verbindet die beiden Städte. Es dauerte nicht lange und wir waren an der slowakischen Grenze angekommen. Da die Slowakei EU-Land ist, gab es keine Kontrollen. Der Zug fuhr einfach weiter.


Das war noch im September 1998 anders. Ich war die Nummer 219 als Wahlbeobachter bei den ersten freien Wahlen in diesem Land. Europarat, OSZE und Europäisches Parlament schickten am Wahltag Beobachter durchs Land, um die genaue Einhaltung demokratischer Normen zu überwachen. Ein wichtiger Schritt für das Land, das - wie alle ehemaligen kommunistischen Länder - keine freien Wahlen gekannt hatte. Das Ergebnis war einhellig: die Wahlen wurden als fair und demokratisch eingestuft. Das Land benutzt jetzt auch den Euro als Zahlungsmittel. Viel Zeit für die Besichtigung von Bratislava hatten die Beobachter damals allerdings nicht.

Meine Neugier war groß, Pressburg (wie es im deutschsprachigen Raum hieß) in aller Ruhe zu besichtigen. Der Zug krächzte müde als er im Bahnhof einlief. Viele Menschen liefen durcheinander. Die Sprache konnte ich nicht verstehen. Ohne Stadtplan, ohne Ziel machte ich mich auf den Weg ins Zentrum. Die Altstadt ist sehr vertraut mitteleuropäisch. Das Wirtschaftswunder hat noch nicht alles überwuchert, doch die großen Konzerne und Banken sind überall präsent. Die Donau übermächtig, denn zur normalen Breite kommt noch ein "Hochwasserbonus" hinzu.


Was tut man in einer unbekannten Stadt, bei heftiger werdendem Regen, ohne Schirm? Man flieht in eine Kneipe, trinkt ein Bier und tritt den Rückzug an. Durchnässt ließ ich mich im Zug nach Wien nieder, der keine Minute wartete, bis er sich in Bewegung setzte. Einmal Wien-Bratislava und zurück. Mehr war das nicht.





Sonntag, 2. Juni 2013

Wiener G'schichten - gegrantelt und genuschelt

Das Wiener Kaffeehaus ist Geschichte. Ohne Hans Moser und Paul Hörbiger wäre diese Geschichte uninteressant. "Ober, zahlen!" heißt ein alter Schwarzweißfilm aus dem Jahr 1957, in dem die beiden als Kellner herumgranteln und die Wiener Befindlichkeit besingen. "Sie sind so ein Geizhals", heißt es da, "wenn sie die Brieftasche aufmachen, fliegen die Motten raus". Gute, alte Zeit. Gesungen wird auch: Moser und Hörbiger im Duett. Da geht es um Kaffee, Liebe und Wien. Halt Wiener G'schichten.
Hans Moser, der Kaffeehausnuschler

Heute geht es immer noch um Kaffee, und die alten Sitten herrschen noch immer: ein Glas Wasser zum großen Braunen, eine Zeitung, bitte schön. Mit etwas Glück sitzt ein älterer Herr am Klavier und spielt Melodien aus vergangenen Zeiten. Wo gibt's denn das noch? In Wien. Coffee to go, was für ein Schwachsinn. Mit Schlagobers? Nonsens! "Jeder Gast hat einen Anspruch auf ein Wasser" nuschelt Hans Moser. Dass nach dem Rock'nRoll auch der prosaische Coffee to go angeschippert kam, und sich jetzt überall breit macht, muss dem Untergang des Abendlandes angelastet werden.





Aber auch der Kaffee Macchiato ist mir höchst verdächtig. Und Kaffee "latte" überflüssig wie ein Kropf. Moka kann hingenommen werden. Espresso auch. Aber Coffee to go ist die Barbarei der Moderne. Zumal die Mehlspeisenkapitale Wien noch viel mehr zu bieten hat: Topfenstrudel, Apfelstrudel, Sachertorte, beim Demel unter den Augen eines Chefzuckerbäckers hergestellt. Naschkatzenmetropole. Tortenhauptstadt. Schleckmaulkapitale. Krapfendatschenparadies. Und Weltzentrum der Kaffeekultur.







Die Glocken läuten - Einsamkeit

Sie läuten in die Leere hinein. Wahrscheinlich brauchen sie viel Energie. Die Leere füllt sich allmählich. Es ist Sonntagfrüh in Wien. Um den Stephansdom toben allerhand Kirchenglocken. Was wollen die? Die Fremden in den Straßen haben ihren Lärmpegel selbst noch nicht erreicht. Aber, sie arbeiten daran. Gestern gab es wieder viele Japaner in der Kärntnerstraße. Oder sind es Chinesen? Einigen wir uns auf Asiaten. Man hört auch viel Hochdeutsch und ganz schlechtes Englisch. Japaner? Chinesen? Ich habe die Russen vergessen. Es regnet wieder.

Kärntnerstraße

Cath schläft noch. Es muss 3 Uhr nachts sein, in Washington. Ich bin hellwach, in Wien. Was mache ich bloß? Frühstücken? Ohne Freude. Die Autoreifen tun, was sie können, um Leben in die Singerstraße zu bringen. Zischende Reifen. Gestern schien die Sonne. Ein wenig, als wollte sie es gut sein lassen, nach all den Tagen. In Innsbruck sind Überschwemmungen. Ach, eigentlich überall, auch in Deutschland. Ich will heute nichts tun. Warten, bis der Hunger kommt. Mich anziehen, erst, wenn unten jemand auf die Klingel drückt. Ein Tag zuhause? Auch Ratten verkriechen sich oft. In Washington herrschen 32°C. Was tut man damit? Vielleicht hat Cath Lust, sich im Hotel ein englisches Frühstück anzulachen, mit einem großen Braunen? Letzteres wäre dann eine Tasse Wiener Kaffee.

Washington by night

Jetzt weiß ich, was ich tun werde: ich gehe an mein Gerät und stelle, so laut es geht,  die Prélude à l'après-midi d'un faune ein, dann La Mer, dann Claire de Lune. Wann kann ich meine Einsamkeit wieder ertragen? Vielleicht ziehe ich mich schick an und mische mich unter die knipsenden Japaner am Stephansplatz. Die Glocken haben ihr Lied beendet. Jetzt kommt Debussy. Frank Sinatra wäre mir heute zu oberflächlich. Vielleicht etwas später, am Nachmittag.