Samstag, 30. Juli 2016

AfD - I'm so proud of you!

Ihr habt es ja gerne ein bisschen Englisch. Das gibt der Sache einen globalen Touch oder so. Was ich sagen will: ich lebe im Ausland, wo ich stolz meine deutschen Wurzeln verteidige. Und lese Frau Petrys Botschaften auf dem AfD-Plakat. Und oft auch, was die - sagen wir mal - die oft recht(s) (ein)gebildeten Anhänger dieser tollen Bewegung beizusteuern haben.


In diesem Land, wo ein gewisser William Shakespeare (auf Deutsch: Schüttelspeer) endlos lange Sprüche verbreitet hat, die weltweit als einmalig in die Literaturgeschichte eingegangen sind, (haben wir jetzt den Faden verloren?) also hier, in diesem Land, hat es vor wenigen Wochen eine Bewegung gegeben, die mich an das Deutschland von heute erinnert hat. Mein Stolz auf meine geliebte Heimat war entsprechend. Einige Politiker hatten jede Hemmung aufgegeben und dem unsäglich verunsicherten Volk in voller (Un)Klarheit (un)deutlich gemacht, dass der Austritt (ich dachte bisher immer nur an austretende Pferde) aus der Europäischen Union eine echte Option sei, die man sich durch eine Volksbefragung zueigen machen kann.

Ich weiß nicht mehr wo mir der Kopf steht, sagten da manche Engländer und stimmten gegen die EU.  Die Folgen kamen etwas bedrohlich daher, und mancher Brite fragt sich jetzt was geschehen ist. Oder sagt sich, das habe ich so nicht gewollt. Interessant war, während der Kampagne, die plötzlich auftretende hysterische Ablehnung allem Fremden gegenüber. Ein Rechtsrutsch. Ausländer wurden zum Problem. Auch Frau Merkel wurde unterstellt, sie plane eine europäische Armee, mit der sie - man kennt die Merkel ja - auch das große Britannien anzugreifen wagen würde. Auch Rassismus, Deutschen- und Polenfeindlichkeit und - das kennt ihr ja - antimuslimische Reaktionen wurden laut. Das Land hatte sich in wenigen Wochen zu einem verzweifelten Angststaat gemausert, in dem alles denkbar war. Das Brexitreferendum  hat dann immerhin zur Folge gehabt, dass die meisten Mitbürger zu ihrer gewohnten Stimmung zurückkehrten, als wäre nichts gewesen.


Englischer Humor: sind sie nicht süß? 
Leider musste ich feststellen, dass die rührige AfD im Vereinigten Königreich noch nicht den richtigen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Bei dem  typisch englischen Humor würde ich mir schon wünschen, dass meine Wahllandsleute hier etwas besser verstehen, was in Deutschland abgeht. Man kann so schön hinterhältig über ihre Spässe lachen. Fräulein van Stork oder Mademoiselle Petry wären durch ihre suggestive Kraft der Belaberung mit rechtem Gedankengut auch für die intellektuelle Unterschicht jenseits des Kanals attraktiv.

Als Auslandsdeutscher freue ich mich darauf und wünsche der rechten Gesellschaft in meiner Heimat viel Erfog. Ihr werdet es schon schaffen. Kopfscheu habt ihr manche Pferde schon gemacht, aber die Begabteren im Land werden hoffentlich bald genug Auenbrauen hochziehen, und euch wegen eures bodenlosen Fremdenhasses hinter Schloss und Riegel zu bringen. AfD, ihr seid großartig. Macht ruhig weiter so. Habt ihr das verstanden? Oder glaubt ihr gar, es handele sich hier um linksorientierten Schmäh? Eure Vermutungen würden mich interessieren. Bei allen anderen, besonders meinen in- und ausländischen, religiösen und areligiösen, gleichgeschlechtlichen, asexuellen und heterosexuellen Freunden möchte ich mich entschuldigen und ihnen für ihre Geduld danken. Heil Hi.




  

Sie stehen im Regen und lieben Salat

Nichts liegt mir ferner als meine britischen Mitmenschen zu verlachen oder zu kritisieren. Aber wenn es draußen regnet, wie heute wieder, komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Mensch hat es gelernt, Vorsorge zu betreiben. Wenn der Geldbeutel leer ist, geht man an den Automaten und lässt etwas heraus. Wenn es Bindfäden gießt, hat man einen Regenschirm zur Hand. Das ist Vorsorge. Deshalb haben die Deutschen den Knirps erfunden, einen Taschenschirm, der vor 90 Jahren die Bewunderung der ganzen Welt erregte.


Es regnet gerade nicht 
Ein Hans Haupt hat diesen Wunderschirm 1928 erfunden, weil er zum Gehstock nicht auch noch einen Schirm tragen konnte. Er erfand das Klappding, das jetzt erwartungsvoll in den meisten Handtaschen sitzt und seiner Benutzung entgegenfiebert. Nicht so hier in Yorkshire, wo man dem Unwetter gerne entgegen sieht, um nicht zu sagen, entgegentrotzt. Die deutsche Unkerei mit dem drohenden Regen ist hier gegenstandslos. Das sieht dann so aus: egal ob junger Mann, oder altes Mädchen, verlässt das Haus ohne Schirm, denn dieser könnte durch starken Wind hinweggefegt werden. Die richtige Kleidung ist dann ein Anorak oder Regenmantel aus Plastik. Das einzig Störende könnte ein unverhoffter Sonnenstrahl sein. Sehr oft sieht man jedoch auch die Trotzigen, die kurzärmelig, mit kleinen Söckchen an den Füßen und in kurzen Hosen herumlaufen und das Wetter ignorieren. Zuerst fand ich das ein wenig lächerlich, doch jetzt weiß ich, dass ein gehöriges Maß an Pioniergeist notwendig ist, halbnackt den Unbilden der Natur zu trotzen. Für die Mädchen kommt noch hinzu, dass nasse Haut besser durchatmet und daher weicher und gesünder wirkt.


Es geht auf den Keks 
Andererseits ist die Verpackungsindustrie eine kriminelle Vereinigung, die es besonders auf die Seniorenbevölkerung abgesehen hat. Das überaus reiche Angebot an Süßgebäck für den Five o'clock tea, (cookies, shortbread, Zuckerkringel etc.) wird den gebrechlichen Verbrauchern oft durch eine hermetisch gestaltete Verpackung vergällt. Je teurer und verführerischer das Gebäck, desto unzugänglicher ist es. Kein Wunder, dass manche das Selberbacken begonnen haben um diesem feindlichen Treiben aus dem Weg zu gehen. Endlich gibt es jetzt Fernsehsendungen, die dieser unnötigen Verpackerei ein Ende bereiten wollen. Die Situation in England ist so, dass allzu solide Verpackungen - das sehe ich an mir - echte Wutausbrüche veranlassen können.

Der Salat ist ein besonderes Kapitel. Grün oder bunt muss er sein. Man tut alles hinein, was eine Kuh oder Ziege in Begeisterung versetzen kann. Das ist ganz gut, jedoch ist es oft nicht möglich, die Herkunft des Grüns zu identifizieren. Manches kann sogar im Hals kratzen. Das Dressing ist meist nicht vorhanden oder äußerst rätselhaft. Die Verwendung von Kräutern scheint eine unbekannte Abneigung hervorzurufen. Man hat den Sinn von Dill, Petersilie, Schnittlauch oder ähnlichem noch nicht erfasst, sodass von Salaten im Allgemeinen abgeraten werden muss. Anders ist es bei Meisterköchen, die sich im Fernsehen hervortun. Da muss man mit allem rechnen.


Nun zu den erfreulicheren Aspekten im Leben der Briten. Während in meiner deutschen Heimat so etwas wie eine Panik (Deutschland den deutsch-Deutschen) ausgebrochen ist und ein Muslim, ob inländisch oder ausländisch, in den Augen der AfD zu einem potenziellen Verbrecher gestempelt wird, kann sich die menschliche Vielfalt hier in England frei entwickeln. Es gibt ganze Viertel, in denen hauptsächlich Asiaten, Afrikaner oder Muslime wohnen. Kein Ur-Engländer käme auf die Idee, nach der Herkunft von jemand zu fragen. Oder sich über die Religion, das Aussehen oder die Kleidung lustig zu machen. Auch hier kennt man Probleme jeder Art, aber man lässt sich nicht zu Verallgemeinerungen hinreißen, wenn Zurückhaltung geboten ist. Und es gibt - wie in Deutschland - viele Berühmtheiten, die "fremd" aussehen, ohne fremd zu sein. Der Fremdenhass ist längst vorbei.


Wie schwer hat es eine Dunja Hayali oder ein dunkelhäutiger Fussballer, einfach als Teil der Gesellschaft angenommen zu werden, trotz ihren persönlichen Leistungen. Die Wurzeln scheinen immer noch eine unverhältnismäßig große Rolle zu spielen. Das ist natürlich provinziell und lässt die nötige Achtung vor dem Mitmenschen vermissen. Und seit vielen Jahren ist bekannt, dass die Kriminalität bei sogenannten Ausländern nicht höher ist als beim durchschnittlichen rechtslastigen Diplomgermanen. Also achtet diese Menschen und erlegt Euch die notwendige Bescheidenheit auf. Die Welt dankt es Euch. Das Leben in Großbritannien ist gerade durch diese unauffällige Integrationskultur lebenswert geworden. Die Benutzung des Regenschirmes oder das Herstellen von Salat ist dabei zweitrangig.






Freitag, 29. Juli 2016

Ich vorverurteile nicht gerne!

Zu alten Damen kann ich unglaublich süß sein, weil ich positiv voreingenommen bin. Vielleicht war die eine oder andere zeitlebens eine Hexe. Wenn sie aber ein schönes Greisinnenlächeln aufsetzt, bin ich hingerissen. So geht es mir auch mit jungen Mädchen. Wer bin ich, dass ich mir in ihren Gesichtern den Vampir vorstellen muss, der sie mal werden könnten? Ich glaube an die geburtsbedingte Ehrlichkeit des Menschen. Oder an meine eigene Naivität. Erst wenn der Mensch sein wahres Gesicht zeigt, weiß man was er für einer ist. Also muss man sich in Menschenkenntnis ein wenig üben. Heute, bei der Allgegenwart von Bildern, ist es geradezu notwendig. Ein Selfie, das dich vielleicht populär macht, reicht nicht. Nahaufnahmen von der Umwelt sind nötig. Dann sieht man besser.



Hätte Adolf Hitler schon auf Facebook (Gesichtsbuch) seine schönen Führeraugen gezeigt, hätte das Grauen manche schon etwas früher gepackt, und es wäre 1933 etwas anderes gewählt worden.

Charly Chaplin, im großen Diktator(film), hat das Wesentliche aus Adolf herausgeholt. Doch nur wenige konnten über seinen Film lachen, weil sie ihn nicht rechtzeitig sehen konnten. Hätte Adolf gelacht? Ich glaube, nicht, weil einem Egomanen das Lachen über sich selbst nicht möglich ist. Auch die eifrigen Schürer des Hasses, etwa in der AfD, deren Porträts überall auftauchen, enthüllen sich schnell. Lachen können die nicht mehr. Warum vertraut man seinen ersten Eindrücken nicht?

Mit den Vorurteilen ist es so eine Sache. Man hat sie oder bekommt sie mitgeteilt, und dann muss man damit zurecht kommen. Nur mühsam wird man sie wieder los. Auch da ist Naivität im Spiel. Dass muslimische Flüchtlinge gefährlich sind, muss man glauben, wenn man auf Frauke Petry und ihre Kumpane hört. Dann müssen auch EU-Kommissionpräsidenten weg, oder Frau Merkel oder alles was unliebsam ist. Nur die Nachfolger der NSDAP, die müssen nicht weg. Deren Aufschrei: Wir lieben Deutschland und wollen es retten. Was kann daran so falsch sein?


Multikulti ist die Welt von heute. Sie war nie deutsch und wird es auch nie werden. Wenn man unsere Identität (mit unserer schönen Sprache) nicht frontal angreift, haben wir angesichts von Milliarden Chinesen und Indern und anderen Erdbewohnern nichts zu befürchten. Unser kultureller Beitrag zur Weltentwicklung ist in Jahrhunderten geleistet worden. Das schamgezeichnete Dritte Reich hat nie dazu gehört. Also lasst den Blödsinn mit dem deutschen Wesen. Kein Land kommt aus der weltweiten Vermischung der Völker und der Mentalitäten heraus. Sich dagegen auflehnen, ist geistesschwach.


Machen wir etwas anderes: Tragen wir eher dazu bei, aus dick und dünn, schwarz und weiss, groß und klein, hässlich und schön, jung und alt, fremd und vertraut das entstehen zu lassen, was es auch ohne uns bereits ist: ein buntes Gemisch von Existenzen, Ansichten und Völkern. Der Führer und seine Adepten sollen ruhig im Grabe rotieren. Es gibt so viel Schönes, das wir nicht kennen, und die in der rechten Ecke aller Länder sind übrigens zu doof und selbstsüchtig, um sich international zusammenzutun. Das ist unsere naive Stärke. Nutzen wir sie.  

Montag, 25. Juli 2016

Dunja Hayali, du wirst dich wundern!

Also ich sage es nicht gern, aber als ich noch beim Deutschen Fernsehen war, da warst du noch nicht geboren und ich musste mich als Reporter in Schwarz-Weiß beim SWF in Baden-Baden mit den Unwegsamkeiten einer noch ziemlich biederen Berichterstattung herumschlagen. Aber ich habe damals viel gelernt,  langweilte mich ein wenig, ging weg und landete komfortabel bei der Europäischen Raumfahrtorganisation in Paris, die damals noch ELDO hieß. Ich will dir ganz sicher nicht mein ganzes Leben erzählen,  doch es drängt mich, Kontakt mit dir aufzunehmen, um dann auch vielleicht zum Punkt zu kommen.


Als wir noch in Deutschland lebten (zur Zeit leben wir in Yorkshire im Brexit-geschundenen Great Britain), habe ich auch dich gelegentlich am Bildschirm gesehen und mir damals schon gesagt: was für ein frisches Mädel, intelligent, hübsch und jung, diese Dunja Hayali. Ich muss dich aber warnen: ich werde jetzt nicht in kränkliche Hasstiraden ausbrechen, nur weil du ein wenig ausländisch verwurzelt bist, dich für die Ärmeren engagierst oder Ausländer normal findest. Im Gegenteil, natürlich. Doch bin ich durch Facebook, Twitter und Ähnliches darauf gestoßen, wie gemein, primitiv und beleidigend Menschen sein können. Wer prominent ist, bekommt sein Fett weg, so oder so. Ich habe mal bei einer Wahlkampagne links von der Mitte ausgeholfen und festgestellt, dass "unser" Land über ein erstaunliches Hasspotenzial verfügt. Warum sich das in all den Jahren nicht geändert, sondern intensiviert hat, können Fräulein Petry und Genossen sicher verundeutlichen.

Wir haben vieles gemeinsam, obwohl du meine Enkelin sein könntest. Keine Angst, ich habe mehrere davon, die ich gegen nichts austauschen würde. Du warst mal Messdienerin? Ich habe mich als Kind heftig und erfolgreich gewehrt, Messdiener zu werden. Auch ich bin neugierig, stecke meine Nase aber nicht in anderer Leute Unterwäsche. Also zum Punkt: Hier in England, wo wir nach drei Jahren Wien gelandet sind, haben wir die letzten Monate viel Zeit an der Glotze verbracht. Dunja war da natürlich nicht zu sehen, obwohl ich es den Engländern mit und ohne ausländischen Wurzeln von Herzen gegönnt hätte.


Uns neuen Wurzelaußenministä 
Bevor ich den Faden verliere, möchte ich kurz schildern, wie es dazu kam, dass ein Land, das bei der Europäischen Menschenrechtskonvention  maßgeblich mitgewirkt, das Wort Fairness in die Welt gesetzt und sich total multikulturell entwickelt hat, dennoch seine internationale Unschuld verlor. Das kam so: Der britische Premierminister wusste nicht so recht, was tun, und organisierte ein Referendum über den Ausstieg des Landes aus der EU. Es gab eine landesweite Debatte darüber, die wie eine Brainwashwalze daherkam. Hauptakteure, wie man weiß: Nigel Farage, UKIP-Kapitän, Boris Johnson, ex OB von London, Michael Gove und ein paar noch bedeutungslosere Agitatoren. Unter Mithilfe der (meisten) Medien entstand eine Stimmung, die von dreisten Lügen, Verbreitung von Unwissen, Angst und kaum verhülltem Hass geprägt war. Sogar vor der Ikone Merkel ist man nicht zurückgeschreckt.


Jugendprotest in London 
Wir sind immer noch am Analysieren. Das Kind fiel dann in den Brunnen, und das große Jammern begann, denn über 20% der Briten wählten überhaupt nicht, die Jugend wurde überstimmt, genau wie London und ganz Schottland. Und das Große Britannien ist aus Unwissen in ein tiefes Loch gefallen.  Dann auch noch der neue Wurzelaußenminister Johnson, an dem das Land schwer zu knabbern hat. Meine britische Gemahlin, jahrzehntelang Ausländerin, oft auch zusammen mit mir, in Deutschland, Frankreich, Belgien, Schweiz, Zypern und Österreich, ist nun hier "zuhause". Doch leider hat das Land seinen guten Ruf verspielt.  Es wurde professionell entwürdigt, belogen, für dumm verkauft.

Nun, endlich zum Punkt. Ich habe durch die letzten Interviews mit dir so viel Schönes, Echtes, Offenes, Unterhaltsames, Erfreuliches erfahren, dass ich dir das in meinem Blog (wolfgangundsoweiter.blogspot.com) mitteilen wollte. Hoffentlich bleibst du den Medien lange erhalten, damit eine Umkehr im Denken der Masse glaubhafter wird. Als ehemaliger Diplomat weiß ich political correctness zu schätzen, wenn sie angebracht ist. Doch wenn man die Anwürfe zur Kenntnis nimmt, und was AfD, PEGIDA und individuelle Stinktiere so von sich geben, muss man auch mal Scheiße, Drecksau, Ungeziefer in die zurückgebliebene rechte Ecke schreien dürfen.


Wolfgang 
Mein Blog ist mein Instrument: Ich habe fast 1000 davon geschrieben und fast 400 000 Klicks registriert. Etwa 500 pro Tag. Themen: Gott und die Welt. Ich hoffe, ich tu das Richtige und habe dabei noch niemanden beleidigt.  Eine kleine Antwort von der geradeherausen Dunja würde mich wahnsinnig entzücken, hier in Yorkshire, so fern der Heimat. Wolfgang.



Sonntag, 24. Juli 2016

Keine fremden Götter, please!

Hat er nicht gesagt, ihr sollt keine fremden Götter neben mir haben? Ich verstehe ja, dass der Allmächtige das nicht will, aber, was ist mit den vielen anderen Göttern, - ich übergehe jetzt mal bewusst Mammon, den Superreichen - die dem alten Herrn ja bestens bekannt sein müssten? Wir stoßen da auf uralte Rätsel, die für den religiösen Gebrauch längst gelöst sein müssten. Doch was ist mit den Zweiflern? Wenn sie überhaupt nicht an den alten Herrn glauben? Ich habe schon christlich angehauchte Frauen über Gott als ein feminines Wesen sprechen hören. Da hört sich doch alles auf.


Dabei gibt es in der Menschheitsgeschichte so viele schnuckelige, bitterernste und totlangweilige Götter. Nur aussuchen darf man sie sich nicht. Und bei Muslimen darf ein Mann, wenn er den Mut und nötigen Zaster hat, vier Frauen haben. Auch die Mormonen um Salt Lake City herum frönen diesem eigenartigen Geschmack, als ob man sich nicht entscheiden könnte, nur die eine zu lieben und zu ernähren. Was machen wir aber mit den Frauen, die sich selbst unterhalten und auch noch mehrere Männer am Laufen haben?


Wir einseitig und eintönig denkenden Menschen wissen oft nicht, was nebenan geschieht. Es geht uns auch nichts an. Aber wir urteilen. Ob unser Schöpfer ein Herr oder eine Dame ist, kann uns eigentlich egal sein. Was die fremden Götter, weiblich oder männlich, betrifft, so wird oft für uns an der Wiege schon bestimmt, wer es sein soll. Wie er/sie dann aussieht, ist wurst, zumal manche Religionen sich nicht einmal ein Bild vom Allerhöchsten machen dürfen.


Aber, wir wissen, seit es die AfD und PEGIDA gibt, oder den französischen Front National, sowie den britischen UKIP, wen wir hassen müssen, über welche Schweinereien wir hinwegsehen dürfen und wen wir anbeten sollen. Flüchtlinge raus? Ausländer raus? Grenzen zu? Marine Le Pen - unsere Führerin? Oder Frauke Petry? Sorry, ich habe vergessen, den Doktortitel (den der Verfasser sich ehrlich erworben hat, ohne damit hausieren zu gehen) hinzuzufügen. Sorry, Fräulein Petry. Man macht irgendwie immer kleine Fehler. Flüchtlinge oder Ausländer? So genau kommt es nicht darauf an.

Muslime oder Terroristen?  Also diese 1,5 Milliarden weltweit, sollen erstmal um ihre Anerkennung Schlange stehen. Obwohl, ich kennemindestens 150 von denen, da kann schon mal ein Unsympathischer drunter sein, wie unter den Neo-Altnazis, von denen ich auch etliche schon an ihrer Ausdünstung erkannt habe. Doch im Ganzen ist der Mensch nur ein armes Würstchen, das froh sein sollte, geduldet zu werden. Wenn er friedlich und freundlich daherkommt, sollte man eher großzügig mit ihm sein. Arroganz sieht immer sehr dumm aus.


 Britischer Wurzelaußenminister? 
Ausländische Wurzeln: was ist das? Dafür ist doch nur der Allmächtige zuständig. Und der ist überall zuhause. Ich selbst, ein gebürtiger Deutscher, von deutschen Eltern und Großeltern, bin seit meinem dreißigsten Lebensjahr in 6 verschiedenen Ländern  Ausländer gewesen und bin es noch immer. Kein Grund, stolz zu sein und erst recht kein Grund, sich zu schämen. Wo gibt es noch ein Land, in dem es nicht mindestens 25% Wurzelausländer gibt? Woher kommst Du eigentlich, Frauke Petry?

Was machen wir also mit denen, bei deren IQ seltenst die Marke von 100 erreicht wird? Die hassen, obwohl sie keiner gefragt hat? Die bei Muslimen eine Gefahr sehen, aber nicht bei sich? Wir leben wirklich in einer Zeit, die es leicht macht, zu verallgemeinern. Merkel ist rechts, Gabriel halblinks, Wagenknecht scharflinks, die Grünen sind grün. Der liebe Gott in der Mitte? Mir fällt nur ein, dass wir mit etwas mehr Verständnis, Toleranz und Großzügigkeit weiterkommen. Güte vielleicht?  Der/die Allmächtige würden es zu schätzen wissen, denke ich mal.



Freitag, 22. Juli 2016

Von Tabu zu Tabu.

Jedem halbwegs klugen Zeitgenossen ist es schon aufgefallen, dass die Welt wieder ins Eiern geraten ist. Die Tabugespräche von gestern sind überholt. Ein neues Spiel namens Pokémon Go scheint soeben die Welt zu erfassen. Ich weigere mich vorerst, das zur Kenntnis zu nehmen. Es hatte bei mir auch lange gedauert, bis ich zum erstenmal in einen Hula-Hoop-Reifen stieg und diesen hüftenwackelnd um mich kreisen ließ. Meine jüngere Schwester hatte damit auf der Straße schon längst meisterhaften Schwung an den Tag gelegt. Historiker mögen sich heute fragen, ob ein Zusammenhang besteht zwischen Hula-Hoop und den über 60% Fettleibigkeit unserer Mitbürger. Doch sind die täglichen Entwicklungen in unseren Ländern viel wichtiger.


Gleichgeschlechtlich? 
Man kann vermuten, dass Tabus dazu da sind, über den Haufen geworfen zu werden. Wer auf ein langes Leben zurückblicken darf, hat solches schon dutzendfach erlebt. Gleichgeschlechtliche Liebe  etwa wurde in den Fünfzigerjahren in Deutschland noch als Verbrechen angesehen, nicht nur zwischen Minderjährigen, wobei das Lesbentum damals irgendwie nicht zu existieren schien. Ein schwuler Mann wurde, frei nach dem Parapraphen 175 im Strafgesetzbuch, Hundertfünfundsiebziger genannt. Die Beleidigungen in der "Verarbeitungszeit" dieses Phänomens reichten von schwule Sau bis Arschficker. Dann wehrte sich die betroffene Minderheit, bewies den Mut des sich Outens, und fast vorbei war der Spuk.

Von den Diffamierungen gegenüber türkischen und anderen ausländischen Arbeitern in Deutschland blieb eigentlich jetzt nur eine Verurteilung des Islam übrig, die man durch viele, gutgemeinte Gespräche nun aus der Welt schaffen möchte. Die teils islamisch, sozialkritisch und/oder   geistesverfassungsbezogenen Terrorakte helfen bei der Überwindung solcher Verurteilungen natürlich nicht. Vielleicht sind sie auch noch Spätfolgen jener Zeit, wo unsere Einwanderer aus Anatolien schlicht Kanacken genannt wurden.


Anatolien? 
ine amerikanische Variante ist der Rassismus. Das Wort "Neger" wurde zwar weltweit zurecht aus unserem Vokabular verbannt, aber wenn etwas einmal tiefsitzt, sitzt es tief. Im 19. Jahrhundert erst dämmerte es weißen Missionaren, dass der dunkelhäutige Mensch aus Afrika auch ein Mensch ist. Heute ist die Sklaverei immer noch nicht völlig ausgemerzt. Neue Formen der Verknechtung des Menschen sind entstanden. Immer, wenn Geld im Spiel ist, gewinnt der Reichere. Der Arme zahlt die Rechnung, oft mit seiner Hände Arbeit. Ein Präsidentschaftskandidat wie Donald Trump in den USA bestätigt uns immer wieder, dass wir noch nicht dem Mittelalter entronnen sind: Keine Muslime im Land, Frauen als schmückende Beigabe zum Mann, was selbstverständlich die demokratische Gegenkandidatin Hillary Clinton nicht treffen kann. Doch wird sie von Trump ungestraft als Mörderin und Diebin dargestellt, und gegen Mexiko will er einen Zaun errichten lassen.

In einem Land, das zur Durchsetzung der Menschenrechte, der Demokratie und der Parteienvielfalt, sowie der Meinungs- und Pressefreiheit wesentlich beigetragen hat, musste man (ich lebe in England)
mit Bitterkeit feststellen, dass Fairness, Tatsachentreue und Gerechtigkeit während der Brexitkampagne von scheinbar honorigen Meinungsträgern einfach hinweggefegt wurden. Auch die Medien machten teilweise das Spiel mit. Eine Art Desinformationspsychose führte dann auch zur Mehrheit für den Austritt des Landes aus der EU. Eine politische Eselei, von der statistisch die meisten Briten heute überzeugt sind. Bewusste Angstmacherei (Scaremongering) beeinflusste die Menschen, die jetzt einen hohen Preis dafür zu bezahlen haben.


Being British? 
Ob es sich um das Dritte Reich handelt mit seiner Judenhetze und der fanatischen Bekämpfung von Minderheiten, den Ausländerhass in Europa ganz allgemein, den Rassismus in Amerika, den Antisemitismus und Anti-Islam, oder die propagandistische Verdrehung von Tatsachen, aber auch die populistische Instrumentalisierung aller Gegensätze in der Gesellschaft: sie ähneln sich mehr und mehr von Land zu  Land. Wir werden keine Gegenmittel dagegen finden, wenn wir uns nicht international in Interessengruppen zusammenschließen. Die Gegner von Demokratie und Meinungsfreiheit operieren schon lange global. Unsere Rechten und Ultrarechten, die nostalgisch nationalen Träumen nachhängen, schaden aus eigenem nationalen Egoismus heraus jeder vernünftigen Entwicklung. Das gilt vor allem für die AfD und PEGIDA, den französischen Front national und den britischen UKIP. Sie haben verheerenden Einfluss genommen.


German car? 
Jetzt ist es an uns, einzusehen, dass Flüchtlingen weltweit zu helfen ist, denn es gibt sie überall. Dass der Nationalismus eine Krankheit von gestern ist. Der Islam eine Weltreligion ist, die gleich behandelt werden muss wie jede andere Religion, sich aber auch zähmen muss, wenn seine Ansichten gegen den gesunden Menschenverstand verstoßen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es in der katholischen Kirche auch Hexenverbrennungen und niedrigen Ablasshandel gegeben hat. Im sexuellen Bereich müssen die Menschenrechte ebenfalls respektiert werden. Die sexuelle Ausrichtung der Veranlagung geht niemanden etwas an, solange sie Dritten nicht schadet.

Die FacebookNotiz einer Barbara sagt es deutlich:

Alle Menschen sind Ausländer.
Wir kommen alle aus Ländern.

Erfreulich und richtungweisend ist auch eine Facebookeintragung in Großbritannien, die mir auffällt. Wer sie lesen kann und will, hier ist sie:




BEING BRITISH

IS ABOUT DRIVING A GERMAN CAR TO AN IRISH PUB FOR A BELGIAN BEER.
THEN TRAVELLING HOME, GRABBING AN INDIAN CURRY OR A TURKISH KEBAB ON THE WAY TO SIT ON SWEDISH FURNITURE AND WATCH AMERICAN SHOWS ON A JAPANESE TV.

Das klingt doch fast international und lässt viel Spielraum für persönlichen und nationalen Geschmack.










Mittwoch, 20. Juli 2016

Lord Nelson und sein Schiff.

Was tut man, wenn man auf dem Weg nach Southampton ist, um eine Kreuzfahrt anzutreten? Man stoppt in Northampton und schaut sich die Victory an, das Schiff auf dem der legendäre Seeheld Horatio Nelson gestorben ist. "Und ein Schiff mit acht Segeln und mit fünfzig Kanonen wird belagern die Stadt", heißt es in der Dreigroschenoper von Bert Brecht. Die Victory hatte 104 Kanonen. Mehr ging nicht.



An solchen historischen Schiffen wird immer herumrepariert, denn die vielen Besucher müssen auf engstem Platz das Leben der Seeleute kennenlernen, ja miterleben. Versorgung mit Waffen, Pulver, Kanonenkugeln, Essen, Werkzeug, Schlafen, ärztliche Versorgung, das alles musste auf Monate hinaus geleistet werden, ohne richtigen Landgang.




Die Geschichte von Lord Nelson ist natürlich engstens mit Frankreich verbunden. Frankreich war der große Feind Englands. Napoleon hatte vor, die damalige Kolonie Indien den Engländern zu entreißen.    Er befand sich bereits 1798 in Ägypten. Dort wurde Napoleon in der Schlacht am Nil von Nelson geschlagen. Nelson wurde schwer verletzt. Das Königreich Italien war damals zur Hälfte Teil  Österreichs. Die italiensche Königsfamilie lebte in Neapel und fürchtete sich vor einem erneuten und vernichtenden Angriff durch die Franzosen.


Emma Hamilton, geborene Lyon, war die Frau des britischen Botschafters am italienischen Hof in Neapel. Sie stammte aus einfachem Haus. Der Vater war Schmied. Sie hatte jedoch einzigartige Talente: sie war hübsch, temperamentvoll und die Muse eines Malers, der sie als Modell zu über 30 Sitzungen veranlasste, George Romney. Nelson wurde von den Hamiltons mit großer Gastfreundschaft aufgenommen und einigermaßen gesund gepflegt.


Dabei ergab sich eine einzigartige Liebesbeziehung zwischen Lady Hamilton und Lord Nelson, die vom Ehemann, William Hamilton, akzeptiert wurde, eine Art Dreierbeziehung. Da sowohl Emma, als auch Horatio anderweitig verheiratet waren, entstand ein internationaler Skandal. Emma gebar ein Kind, das man Horatia nannte, das aber von den Eltern nie offiziell anerkannt wurde. Das bewegte Leben Emmas endete 1813 in Frankreich, während Nelson 1805 bei der Schlacht von Trafalgar auf seiner Victory verstarb. Der Trafalgar Square in London erinnert an diesen großen Helden, während Lady Hamilton eher als ein Liebesskandal in die Geschichte einging.




Letzte Nacht war Vollmond: grusel, grusel!

wir kamen relativ spät nach hause. es war schon dunkel. an der ostseite unseres hauses war er zwischen den bäumen zu sehen: ein vollmond, rund und gelb. den ganzen gestrigen tag hatte mich eine unbestimmte unruhe gepackt, die ich mir nicht erklären konnte. bis sie zu mir sagte, heute ist vollmond. ich hatte noch nie mit jemandem über diese innere unruhe gesprochen.


wir leben seit anfang des jahres in yorkshire, einem rauhen, steinigen landstrich unterhalb der grenze zu schottland. ich erinnere mich, dass ich vor einigen monaten schon einmal bei vollmond zuhause war, und zwar, alleine. catherine war in london. kurz vor mitternacht - ich hatte die haustüre fest verschlossen - saß ich noch in der küche und las in einem buch, als ich ein deutliches kratzen an der tür vernahm. da ich, versteinert vor angst, alle lichter abschaltete, und in die stille hinauslauschte, hörte ich es wieder: das kratzen wurde stärker. ich raffte mich auf und rief laut: ich habe einen hammer in der hand, als ich schlürfende entfernungslaute vernahm. dann war es still.


inzwischen muss es mitternacht gewesen sein. ich schaute aus dem fenster, sah den mond, ging hinauf ins schlafzimmer und versuchte einzuschlafen. Am folgenden morgen: strahlende Sonne weckte mich auf. ich hatte alles vergessen. natürlich ging die saga vom wehrwolf nicht mehr aus meinem kopf.



hermann löns, der deutsche heide- und moorbeschreiber, der 1910 auch einen roman veröffentlichte,  "der wehrwolf", in dem er mysteriöse vorfälle aus dem dreißigjährigen krieg beschrieb, wurde damit ungewollt zum idol der nazipropaganda. die nazis kreierten gegen endes des 2. weltkrieges einen mythos, nachdem jugendliche widerständler nach der besiegung durch die alliierten hinter den fronten das unternehmen wehrwolf betreiben sollten, wohl um die sieger in angst und schrecken zu versetzen. es blieb, gottseidank, ein bürokratisch angehauchtes wunschdenken, das jedoch die einbildungskraft der nachwelt nie ganz verlassen hat.


kein wunder, dass wir heute eine umfangreiche vampir- und wehrwolfkultur haben, die sich in  zahlreichen comics, filmen und fernsehserien luft macht. dabei verschwimmen die inhalte ganz beträchtlich. ein holywoodprodukt nennt sich werwolf. es gibt sehr unterschiedliche, sodass es schwer ist, das alles zusammenzufassen.

sagen wir so: ein werwolf ist eine mischung von teils mensch, teils übernatürlichem wesen, das kräftig zubeißenkann, wenn der vollmond dazu aufruft. werwölfe können auch süße kleine werwölfchen zeugen, bei denen im richtigen augenblick die fingernägel zu krallen werden und die kleinen beißerchen sich in fangzähne verwandeln. der urwolf scheint von eva, der urmutter, abzustammen. adam hatte nichts damit zu tun. eleganterweise verwandelt sich der moderne werwolf im schlaf. wenn er aufwacht, kann er sich an nichts erinnern. seine opfer sind meist übel zugerichtet.



während werwölfe durch ihre bisse andere menschen zu werwölfen machen können, ist nicht überliefert, warum engel sie töten können. auch ihre beziehung zu vampiren ist unklar. gegengseitiges beißen scheint gang und gäbe, doch um die konsequenzen schert man sich kaum. und wer sich ganz heimlich für einen werwolf hält, wird unter umständen nie eine klare antwort bekommen. von wem auch?

wir waren den ganzen tag auto gefahren. von southampton bis in den norden nach yorkshire. den vollmond hatte ich schon erwähnt. meine unruhe beunruhigte mich gestern abend sehr. catherine und ich waren totmüde, als wir die haustür verriegelten und uns in die sessel fallen ließen. ein leises kratzen machte sich an der haustür bemerkbar. ich schaute auf die uhr. es war noch nicht mitternacht. catherine muss schon hinauf ins schlafzimmer gegangen sein. ich hatte es nicht bemerkt. es kratzte schon wieder, diesmal kräftiger. ich erstarre. dann kann ich mich an nichts mehr erinnern.

Sonntag, 17. Juli 2016

Kreuzfahrt: jetzt kommt das Ende

Eine Kreuzfahrt auf dem größten Passagierschiff der Welt geht nicht einfach zu Ende. Es muss Bilanz gezogen werden, auch wenn die Fahrt auf der HMS Britannia noch andauert. Wir haben die norwegische Küste letzte Nacht verlassen und sind seitdem auf hoher See in Richtung Ärmelkanal.  Der letzte Abend in Stavanger, der Wikingerstadt, war schön. Die Abendsonne gab ihr Bestes, um einen goldenen Glanz über den Hafen zu werfen. Die wuchtige MSC MUSICA, die uns den Blick etwas versperrt hatte, lief geräuschlos aus. Sie war in Panama registriert, was nichts bedeuten muss.


Unsere Britannia war größer... 
An Bord verkündet der Kapitän, dass die Fahrt zurück nach Southampton einen ganzen Tag und zwei Nächte dauern würde. Im vornehmen indischen Restaurant Sindhu auf Deck 7 waren wir für die Zelebration des Abendessens angemeldet. Die Herren im Smoking (ich nicht), die Damen im Abendklein. Cath hatte das lange Blaue mit den passenden Schuhen an. Mein Befinden war durch einen dunklen Anzug mit Krawatte, Einstecktuch und kneifender Hose  leicht beeinträchtigt. Das Essen ließ das alles vergessen.


Eine Flasche Rosé aus Frankreich (Côte de Provence) war Gottseidank sehr gut. Sie half uns durch die vielen Versuchungen, wie etwa geröstete Jakobsmuscheln, Hummerfrikassee mit Reisplätzchen oder verschiedene Sorbetportiönchen mit Mango- Haselnuss- oder Passionsfruchtgeschmack. Nein, Kaffee wollten wir nicht, denn auf dem Schiff fanden wir guten Kaffee nur an einer Stelle. Ansonsten muss der Kaffeegeschmack das Ergebnis eines Referendums der Bordbewohner über die Qualität der Bohne gewesen sein. Alles in allem ein herrliches Essen, sozusagen der feierliche Abschluss unserer gastronomischen Exzesse an Bord.

Wir werden den ganzen Tag kein Land zu  sehen bekommen, was wir sehr schätzen. Die Ruhe in uns, die auch durch das zarte, fast unhörbare Krächzen unseres Ozeanriesen verstärkt wird, soll am letzten Tag der Kreuzfahrt anhalten und genossen werden. Wir ziehen gerne eine vorläufige Bilanz der Reise. Genug gesehen, aber bei weitem nicht alles. Wir fühlen uns erholt, wofür auch unser Kabinen-Steward Edward gesorgt hat. Er kam immer, wenn man ihn brauchte und nannte sich Butler.


Ein Höhepunkt für uns war - man möchte es nicht glauben - das Backen von Brot, unter der Anleitung unseres Bordmeisterkoches Nino. Wir durften den Teig selbst anrühren und kneten. Die Zutaten hinzufügen und das Gebackene selbst verzehren. Ein wahrer Genuss. Roggenmehl, gemischt mit Weizenmehl, Trockenhefe, lauwarmes Wasser, grobes Meersalz, etwas Zucker, kaltgepresstes Olivenöl. Der fladenförmige Teig wurde mit viel Öl bestrichen, Oliven und sonnengetrocknete Tomatenstücke in den Teig gepresst. Das Endprodukt konnte sich sehen lassen. Für die beiden anderen Brote hat Cath sich Notizen gemacht. Ich erinnere mich an einen Teig mit gemahlenem Chile und an etwas Süßes. Zuhause werden wir sehen, was wir gelernt haben.


Das Schönste an unserer Seefahrt war das Herumgammeln zu jeder Zeit: vor dem Essen, nach dem Essen. Erholungswert: groß. Das Personal war unaufdringlich und superfreundlich. Ein seltener Augenblick des Glück war der absolut leere Fahrstuhl. Bei 3600 Reisenden und etwa 1000 diensthabenden Helfern fast eine Fata Morgana, denn meist kam er schon voll an, wenn überhaupt. Die kleinen Schokolädchen am Bett, die Kekse für den kleinen Appetit, die Garantie, dass Wein auch wie Wein schmeckte,  all das hat uns die Reise verschönert. Sollen wir es brutal hinausschmettern? Ja, es hat uns gut gefallen.



    



Eine Kreuzfahrt, die ist lustig...

Eine Kreuzfahrt auf dem größten Passagierschiff der Welt geht nicht einfach zu Ende. Es muss Bilanz gezogen werden, auch wenn die Fahrt auf der HMS Britannia noch andauert. Wir haben die norwegische Küste letzte Nacht verlassen und sind seitdem auf hoher See in Richtung Ärmelkanal.  Der letzte Abend in Stavanger, der Vickingerstadt, war schön. Die Abendsonne gab ihr Bestes, um einen goldenen Glanz über den Hafen zu werfen. Die wuchtige MSC MUSICA, die uns den Blick etwas versperrt hatte, lief geräuschlos aus. Sie war in Panama registriert, was nichts bedeuten muss.



An Bord verkündet der Kapitän, dass die Fahrt zurück nach Southampton einen ganzen Tag und zwei Nächte dauern würde. Im vornehmen indischen Restaurant Sindhi auf Deck sieben waren wir für die Zelebration des Abendessens angemeldet. Die Herren im Smoking (ich nicht), die Damen im Abendklein. Cath hatte das lange Blaue mit den passenden Schuhen an. Mein Befinden war durch einen dunklen Anzug mit Krawatte, Einstecktuch und kneifender Hose  leicht beeinträchtigt. Das Essen ließ das alles vergessen.



Eine Flasche Rosé aus Frankreich (Côte de Provence) war Gottseidank sehr gut. Sie half uns durch die vielen Versuchungen, wie etwa geröstete Jakobsmuscheln, Hummerfrikassee mit Reisplätzchen oder verschiedene Sorbetportiönchen mit Mango- Haselnuss- oder Passionsfruchtgeschmack. Nein, Kaffee wollten wir nicht, denn auf dem Schiff fanden wir guten Kaffee nur an einer Stelle. Ansonsten muss der Kaffeegeschmack das Ergebnis eines Referendums der Bordbewohner über die Qualität der Bohne gewesen sein. Alles in allem ein herrliches Essen, sozusagen der feierliche Abschluss unserer gastronomischen Exzesse an Bord.




Wir werden den ganzen Tag kein Land zu  sehen bekommen, was wir sehr schätzen. Die Ruhe in uns, die auch durch das zarte, fast unhörbare Krächzen unseres Ozeanriesen verstärkt wird, soll am letzten Tag der Kreuzfahrt anhalten und genossen werden. Wir ziehen gerne eine vorläufige Bilanz der Reise. Genug gesehen, aber bei weitem nicht alles. Wir fühlen uns erholt, wofür auch unser Kabinen-Steward Edward gesorgt hat. Er kam immer, wenn man ihn brauchte und nannte sich Butler.



Ein Höhepunkt für uns war - man möchte es nicht glauben - das Backen von Brot, unter der Anleitung unseres Bordmeisterkoches Nino. Wir durften den Teig selbst anrühren und kneten. Die Zutaten hinzufügen und das Gebackene selbst verzehren. Ein wahrer Genuss. Roggenmehl, gemischt mit Weizenmehl, Trockenhefe, lauwarmes Wasser, grobes Meersalz, etwas Zucker, kaltgepresstes Olivenöl. Der fladenförmige Teig wurde mit viel Öl bestrichen, Oliven und sonnengetrocknete Tomatenstücke in den Teig gepresst. Das Endprodukt konnte sich sehen lassen. Für die beiden anderen Brote hat Cath sich Notizen gemacht. Ich erinnere mich an einen Teig mit gemahlenem Chile und an etwas Süßes. Zuhause werden wir sehen, was wir gelernt haben.


Das Schönste an unserer Seefahrt war das Herumgammeln zu jeder Zeit: vor dem Essen, nach dem Essen. Erholungswert: groß. Das Personal war unaufdringlich und superfreundlich. Ein seltener Augenblick des Glücks war der absolut leere Fahrstuhl. Bei 3600 Reisenden und etwa 1000 diensthabenden Helfern fast eine Fata Morgana. Die kleinen Schokolädchen am Bett, die Kekse für den kleinen Appetit, die Garantie, dass Wein auch wie Wein schmeckte,  all das hat uns die Reise verschönert. Sollen wir es brutal hinausschmettern? Ja, es hat uns gut gefallen.



    



Die Zeit bleibt stehen - das Gamle Stavanger

Wir denken nicht daran, unsere Kreuzfahrt von Southampton  nach Norwegen und zurück so schnell enden zu lassen. Nichts ist zu Ende. Wir schwelgen in dem Gefühl, noch ewig Zeit zu haben. Noch sehen wir die graue See. Noch sagen uns die Stimmen auf den Korridoren, dass wir an Bord sind. Nach dem Frühstück werden wir uns aufmachen, an Land zu gehen. Das Gamle Stavanger, die Vickinger Alt-Stadt,  wird uns aufnehmen. Eine letzte Gala-Esserei erwartet uns am Abend. Es ist ein indisches Restaurant, das Sindhu, an Bord unserer HMS Britannia. Es wird von uns Abendkleid und Smoking erwartet. Wir können nur eine Stufe drunter anbieten. Auch das geht. Und kostet seinen Preis.


Von der Außenwelt haben wir uns bewusst abgenabelt: kein Fernsehen und kein Radio. Was „draußen“ geschieht, ist uns herzlich egal. Morgen beginnt die Überfahrt nach England. Früh genug, um von der neuen Premierministerin Theresa May zu hören, von Angela Merkel und Donald Trump, dem amerikanischen Drohmännchen. Diese Dinge können sich so weit von der Wirklichkeit entfernen, dass sie keine Bedeutung mehr haben. Die Überfahrt, hinauf bis zum Ärmelkanal, wird einen  Tag und eine Nacht dauern. Dann werden wir wieder der Wirklichkeit ins Auge schauen.


Die alten Holzhäuser von Stavanger sind wirklich schön. Auch die moderne Architektur der Stadt sticht ins Auge. Als Kind schon sah ich am Radio meiner Eltern in Deutschland das magische Wort „Stavanger", neben Lahti (Finnland), Leningrad, dem heutigen Sankt Petersburg und Beromünster. Zu diesen Erinnerungen wird bald auch die Kreuzfahrt nach Norwegen zählen. Das Leben ist ohnehin Erinnerung an die Zukunft, oder die Zukunft der Erinnerung. Innehalten, das altmodische Wort für nachdenkendes Erinnern, ist das Gebot des Augenblicks. Ein Genuss, außerhalb der Genüsse, die eine Kreuzfahrt bietet. Wie kann man Momente festhalten? Wohl nur durch die Erinnerung.


Oder durch die Vergangenheit, zum Beispiel die der Vickinger. Ein einzigartiges Museum zeigt die Geschichte dieses umtriebigen Volkes, das ganz Europa und Teile Amerikas erforscht, besiedelt und ausgeraubt hat. Die Vickinger waren erfahrene Seeleute und erprobte Kämpfer, die ihren Frauen und Kindern allerhand Schmuck nach Hause brachten.  Im 9. Jahrhundert hat Harald, der Blonde (?) seine begehrte Prinzessin geheiratet und mit ihr über 20 Kinder gezeugt. Die halfen ihm, Norwegen zu einem einzigen Reich zusammenzufügen. Neben dem Vickingerschiff ist das Schwert das Symbol dieses unternehmungslustigen Volkes.


Eine Kirche aus dem Mittelalter, nach der Vickingerzeit erbaut, steht noch im Zentrum von Stavanger, mit romanischen und gotischen Fenstern. Und einer bemerkenswerten Kanzel aus späterer Zeit. Die drei Schwerter haben wir kurz davor besichtigt. Drohend ragen sie aus dem Felsen. Ein Symbol für die Kraft der Vickinger. In ihrem geographischen Umfeld werden heute Erdöl und Erdgas gefördert. Auch aus dem Meer. Das hat das Land wohlhabend und teuer gemacht. Kein Wunder, dass die Preise in Norwegen gesalzen sind. 





Kreuzfahrt durch die Fjorde 2


Es ist alles ruhig. Kein Stampfen der Maschinen. Man öffnet die Vorhänge und wird erschlagen: Der Tag ist bereits angebrochen. Es ist acht Uhr. Gegenüber liegt ein riesiges weißes Schiff, die MSC MUSICA. Gestern sind wir aus Olden ausgelaufen, einem kleinen Ort mit alpinen Ansichten. Auf den mächtigen Bergen lag vereinzelt Schnee. Wir gingen an Land, obwohl es nicht sehr viel zu sehen gab. Die versprochene Gletschersicht hätte das Besteigen eines Busses erfordert, doch war alles schon ausgebucht.


Heute sind wir offensichtlich in Stavanger. Letzte Station auf unserer Norwegentour. Die Abreise von Olden wurde einigen von uns durch ein Schaukochen mit Party-Essen verschönt. Nino, unser Bordchef, mit seinen Mannen, hatte etwa 20 Gäste geladen, denen er zeigte, wie man ein leichtes Essen für sie zaubern kann, ohne den ganzen Tag in der Küche stehen zu müssen.


Wir hatten uns dazu angemeldet, nachdem wir bei einem vorhergehenden Kurs schon viel über das Backen von Brot gelernt hatten. Nino, ein welterfahrender, mit allen gastronomischen Wassern gewaschener Ex-Italiener, weihte unsere erlauchte Gruppe in seine Geheimnisse ein, ohne dass wir einen Finger krumm machen mussten. Dazu gab es einen Aperitif aus Gin, Martini und Hollunderblühte, der uns auf die kommenden Genüsse einstimmte.


Grauer Himmel, draußen, keine Berge auf unserer Seite sichtbar. Doch auch die MSC MUSICA, die vor unserer Nase sitzt, ist sehenswert. Ninos Essen war wirklich leicht und bekömmlich. Kleine Risottokugeln mit Tomatenpüree, gekochte, in vier Teile gespaltene grüne Feigen mit Feta gefüllt, Seabass an der Haut gebraten, ein wenig Fenchelgemüse mit einer krustigen Nüsschensoße, leicht zuckrig. Ich gebe auf, denn meine Beschreibung führt in Richtung Unzulänglichkeit. Der Nachtisch bestand aus Tiramisu, dem italienischen Nationalgericht für Schleckmäuler.


Wir sind also jetzt in Stavanger. Die Wiege der Vickinger. Mit dem Drei-Schwerter-Denkmal, das an die Schlacht erinnert, die König Harald im 9. Jahrhundert geschlagen hat, um sein Reich zu einigen. Auf der noch nicht sichtbaren anderen Seite, der Anlegestelle, soll das Gamle Stavanger liegen, mit seinen 200 Jahre alten weißen Holzhäusern und dem Stadtzentrum.


 Norwegen, das haben wir schon bemerkt, hat einen kühlen nordischen Charm, der zu unserer europäischen Alten Welt gehört, trotz exotischer Küche an Bord. Überhaupt ist ein solches Schiff wie die HMS Britannia ein schwimmender und äußerst repräsentativer Querschnitt durch die menschliche Gesellschaft, die auch noch dazu verdammt ist, friedlich und freundlich auf engem Raum miteinander auszukommen. Auch die vielen Rollstuhlfahrer gehören dazu, ganz zu schweigen von den zahllosen SpazierstockträgerInnen.


Gestern haben Cath und ich uns auch noch Einlegsohlen aus Amerika aufschwatzen lassen, die sündhaft teuer waren. Der Fußforscher, der zunächst unsere Abdrücke nahm, zeigte uns kompetent, wie die Gewichte des Körpers auf die vier Bogen des Fußes einwirken und mannigfaltige Schmerzen verursachen können. Ein erster Gang mit den eingelegten Sohlen zeigte schon vertrauenerweckende Wirkung.

Jetzt hat die Nachricht uns doch noch erwischt: Boris Johnson wurde von Theresa May zum Foreign Secretary, also Außenminister erkoren. Es werden keine besonders böse Zungen benötigt, um sich die Reaktionen der EU-Länder vorzustellen. Einer sagte bereits: das sei britischer Humor. Ein anderer meinte: Lügner bleibt Lügner. Ich selbst schüttle den Kopf, und Cath sagt: he is a great big raspberry. Ich übersetze das nicht! Das nicht mehr ganz Vereinigte Königreich wird auch diesen Schritt überleben, doch noch lange bedauern. Wir auch. Politik und Kreuzfahrt vertragen sich eben nicht.