Dienstag, 31. Dezember 2013

Japan - müssen wir uns Sorgen machen?

Von China wissen wir, dass man den Babyboom abbremsen wollte. Bei 1,4 Milliarden Chinabürgern darf man schon ein bisschen eingreifen, um die Bevölkerungsexplosion etwas zu mildern. Die größte Stadt der Welt, Chongqing, hat geschätzte 31 Millionen Einwohner. Allein um die Mülleimer zu leeren wird ein ganzes Heer an Müllfrauen und -Männern benötigt. Wer aus einer einkindigen Familie kam durfte bisher auch nur ein Kind zeugen. Jetzt hat sich das schlagartig geändert: Wenn zwei Einzelkinder heiraten, dürfen sie bis zu zwei Kinder haben. Welch ausufernde Freiheit.


In Japan laufen die Uhren irgendwie anders. Wir erfahren, dass in dem Land des Kirschblütenkultes und der exotisch daherkommenden Kimonoträger der Sex so gut wie verschwunden ist. Ich erinnere mich an schaurige fernöstliche Sitten, um den lockeren Sex schmackhaft zu machen, ja, zu erleichtern. Reden wir nicht davon, denn es grenzt manchmal schon an geschmackliche Verwirrung. Doch, wo gibt es das nicht? Aber jetzt erfahren wir, dass der Umgang mit dem anderen Geschlecht aus der Mode zu kommen scheint. Soundsoviele Männer zwischen 20 und 40 Jahren treiben lieber etwas anderes, und mehr und mehr Frauen finden das Ganze total uninteressant. Sex bis zu 1 Mal im Monat, das grenzt an Askese. Wie wollen die Japaner auf Dauer den Stand von 120 Millionen Japanesen halten, wenn sie nicht mehr bereit sind, das Übliche zu tun? Ist die Pubertät einmal ausgestanden, beginnt das Leben.



Dazu gehören auch die schönen Dinge. Wie anders kann man sich erklären, dass Japaner eine fatale Vorliebe für polnische Gänse entwickelt haben? Nicht das Gänsefleisch ist gefragt, das geht tonnenweise nach Deutschland, wo es als Festbraten verzehrt wird. Es sind die Daunen der weißen Koludzker Gans, die mit dem blassgelben Schnabel und den blauen Augen, die in japanische Kissen und Schlafsäcke wandern. Schnäbel und Füße dieser begehrten Gans wandern sogar nach China (wohl per Flugzeug), wo sie als Aphrodisiakum die chinesische Lust anregen. Wer will da keine Zusammenhänge sehen? Einerseits die fernöstliche Unlust im Land der aufgehenden Kirschblüte, andererseits die Korrekturen der chinesischen Geburtenpolitik. Der bittere Kampf um unwesentliche Inseln - ein Ersatzkrieg für was denn? Lust auf mehr?


Ich mache mir Sorgen um unsere fernöstlichen Preußen: sie müssen unbedingt vor dem allmählichen Aussterben gerettet werden. Weniger japanische Touristen am Wiener Stephansplatz, auf Schloss Neuschwanstein oder am Geburtshaus der Bronte-Schwestern in Yorkshire, würde die Welt nur schwer ertragen. Also, lächelt ein wenig mehr und: traut euch was!





Samstag, 21. Dezember 2013

Das Fest fest im Griff - Maria und Joseph vor der Niederkunft

Jeder kennt die Geschichte: Maria, hochschwanger, und Joseph, ihr Gemahl, klopfen an viele Türen, weil sie eine Unterkunft für die bevorstehende Niederkunft suchen und kein Geld haben. Den Rest kennen wir auch: der Erlöser wird in einem Stall in Bethlehem geboren. Um etwas Glanz in die Hütte zu bringen, machen sich die drei Weisen aus dem Morgenland auf den Weg und präsentieren dem Gottessohn ihre Geschenke.

Jetzt, kurz vor dem Weihnachtsfest, lesen wir, dass 60% der Männer noch nicht eingekauft haben, dass Frauen schon längst alles in trockenen Tüchern haben, schön verpackt, auf das Christkind wartend. Hier, in Wien, gibt es sogar süße Luxusnaschereien, die mit edlem Blattgold überzogen sind. Christkindlsmärkte gibt es über 20 in der Stadt, und Parkanlagen ebenso viele , in denen Obdachlose am heiligen Abend ein geduldetes Zuhause finden werden, denn die Ordnungsmacht feiert ja auch.

Die Werbung und die Medien peitschen den zögerlichen Verbraucher bis zum festlichen Ladenschluss noch in die Geschäfte, damit sie ihrer Konsumpflicht Genüge tun. Bereits werden die Umsätze errechnet, damit nach Weihnachten auch positive Nachrichten gemeldet werden können. Und für 5 € kann man die Tropfen kaufen (ich sage nicht, wo!), die man den Kindern am Hl Abend in die Augen tut, damit der festliche Glanz entsteht.


Beamte verdienen um 27% mehr als "normale" Arbeitnehmer, und 53 Staatsmanager kassieren mehr Lohn als der österreichische Bundeskanzler. Sonst ist alles in Ordnung. Gut, sinnentleerte Weihnachten hatten wir früher schon. Wenn ich aber das Gewusele um den Stephansplatz ansehe, deucht mir, dass das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist. Wann hat das ein Ende? Der A-Wei-Wa° geht also weiter. Die Besinnlosigkeit strebt einem Höhepunkt zu, den wir nur erahnen können. Und wer zu viel Punsch trinkt, kann die Engel auch singen hören. Fröhliche Weihnacht!

°Der alljährliche Weihnachtswahnsinn.





Mittwoch, 18. Dezember 2013

Willy Brandt - er fehlt uns!

Heute wäre er Hundert, der Mann, der im Verlaufe seiner politischen Karriere auch einem ehemaligen Nazi als Außenminister diente. Der damalige Bundeskanzler hieß Kurt Georg Kiesinger. Willy Brandt hat das nicht gefallen, aber die Verhältnisse waren halt so: die CDU/CSU stellte den Bundeskanzler, die Sozialdemokraten gingen in diese ungeliebte schwarz-rote Koalition, die Willy Brandt nicht sehr begeistert hat. Auf seinem steinigen Weg zum Friedensnobelpreisträger hat Willy Brandt viele Demütigungen erleben müssen, aber, öffentlich georfeigt wurde er nie.


Als junger Mensch hatte ich so meine Ideale: Konrad Adenauer, der erste westdeutsche Bundeskanzler, das rheinische Schlitzohr, war für mich ein Vorbild, weil ohne Nazivergangenheit. Die katholische BILDPOST, ein der BILD-Zeitung nachempfundenes katholisches Presseorgan, mischte sich massiv in den Wahlkampf ein, als Willy Brandt die SPD anführte. Während Adenauer Willy Brandt " den Herrn Frahm" nannte, weil er 1913 als Sohn der Verkäuferin Martha Frahm geboren wurde, hat dieses fromme Organ ihn als Willy Weinbrandt bezeichnet, um ihn als alkoholsüchtigen Linken zu diffamieren. Das war vielen zu viel. Ich wandte mich angeekelt von solchem Fummeln unter der Gürtellienie ab. Für immer.

Es macht wenig Sinn, den Lebenslauf dieses außerordentlichen Politikers nach zu erzählen. Wozu haben wir Journalisten und Geschichtsbücher? Meine persönlichen Erinnerungen an Willy Brandt sind auch nicht von Pappe. Ich war als Student bei einem Empfang in Westberlin und durfte dem damaligen Regierenden Bürgermeister die Hand reichen. Ansonsten habe ich mit Leidenschaft den Weg dieses großen Kanzlers im Fernsehen verfolgt.

Der Nobelpreisträger

Nachdem er 1933, wie so viele, vor den Nazis nach Norwegen geflohen war, nahm er den Namen Willy Brandt an und wurde Norweger. Weil er nach dem Krieg mit einer norwegischen Uniform nach Deutschland kam, haben konservative Ewiggestrige Brandt als Landesverräter abgestempelt. Diesen Quatsch habe ich immer gekontert, indem ich sagte, ich hätte das Land ebenso verlassen, statt den Naziterror abzunicken. Heute sind diese Gedanken fast nicht mehr zu vermitteln.

Dann, seine Ostpolitik: Als er in Erfurt(?) aus dem Fenster schaute, um sich bescheiden den Massen der DDR-Bürger zu zeigen, die "Willy, Willy" riefen und die Abriegelungen durch die Polizei beiseite schoben,wurde allen klar, dass es trotz der Teilung noch ein deutsches Volk gab. Später wuchs dann wieder zusammen, was zusammen gehörte. Willy Brandt hatte es vorausgeahnt.

Der Kniefall, der berühmte, ging um die Welt, als die Botschaft eines deutschen Kanzlers, der in Warschau die Opfer des Nationalsozialismus symbolisch um Vergebung bat. Die Guillaume-Affäre wollen wir übergehen, sie war ein kleinkariertes Manöver eines bereits dem Untergang geweihten Systems. Seine Ostpolitik aber war in aller Munde und hat nicht nur Vertrauen gezeitigt, sondern auch andere Länder angeregt, bei denen das Wort "Ostpolitik" in den jeweiligen Sprachschatz aufgenommen wurde.

1971 erhält er dann den Friedensnobelpreis. Und er hat ihn verdient wie kein anderer. Willy Brandt durfte auch noch den Fall der Mauer erleben. Was er in seinen Reden äußerte, war mehr als überzeugend. Heute fragt man sich bei Politikerreden immer, wer hat sie geschrieben? Warum wird das oder jenes gesagt? Warum gerade jetzt? Man traut der Politik nicht mehr. Weil sie nur werbeträchtig herumfloskelt. Willy Brandt war ein ganz Großer, weltweit.

 14. November 1913 - bis 18. Oktober 1992.
















Dienstag, 10. Dezember 2013

Chanukka - das Licht in der Dunkelheit

Ich liebte meinen Opa. Wenn ich bei den Großeltern war, machte ich mit ihm, der schon 80 war, lange Spaziergänge durch den Stadtpark. Ich muss 5 Jahre alt gewesen sein, als Opa zu mir sagte, es war an einem windigen Novemberabend, "lass' uns zu Herrn Neumann gehen, ich habe etwas mit ihm zu besprechen". Im Kriegsjahr 1942 war Deutschland abends total verdunkelt, Straßenlaternen waren ausgeschaltet, und der Weg zu Herrn Neumann schien mir endlos. Ein alter Herr empfing uns an der Treppe zum ersten Stock, nachdem wir an der Haustür geläutet hatten. Opas langes Gespräch mit Herrn Neumann verbrachte ich spielend unter dem großen runden Tisch. Ich verstand nicht, worum es ging und war froh, als wir wieder zu Hause angekommen waren. Ich hatte Opas Freund vorher nie gesehen und sah ihn auch danach nicht mehr. Am folgenden Abend - ich saß mit Oma und Tante Maria am Tisch, auf Opa und das  Essen wartend. Opa stürzte, weiß im Gesicht, ins Esszimmer und sagte: "Herr Neumann hat sich erschossen".

Einem fünfjährigen Kind wurde nichts Näheres erklärt. Ich wusste, es war etwas Schlimmes, stellte jedoch keine Fragen. Dieser Vorfall blieb in meiner Erinnerung. Es wurde nie mehr darüber gesprochen, auch Jahre nachdem meine Großeltern und Eltern schon verstorben waren. Als ich Tante Maria, die schon über 90 Jahre alt war, in ihrem Heim in Pforzheim/Süddeutschland besuchte und sie ganz beiläufig fragte: "Erinnerst du dich an einen Herrn Neumann?" sagte sie erstaunt über diese Frage, "Aber natürlich, Herr Neumann war Jude, und als er damals keinen Ausweg mehr wusste, hat er sich das Leben genommen".

Kommerzielle Beleuchtung beim Stephansplatz
Diese Finsternis in meinem kindlichen Herzen habe ich bis heute nicht ganz überwunden. Sie erfasst mich, wenn Erinnerungen an die Verfolgung und Tötung Unschuldiger in mir wachgerufen werden.

Finster war es auch bei meiner ersten Teilnahme an einem Chanukka-Fest, am 30. November am Wiener Stephansplatz, wo ein großer neunarmiger Leuchter aufgestellt war und viele jüdische und auch nichtjüdische Bürger aus vielen Ländern auf das Entzünden der Kerzen warteten. Nachdem die ersten 4 Kerzen leuchteten begann das jüdische Lichterfest, man tanzte und sang, trank Punsch und unterhielt sich, wie es in einer großen Familie so üblich ist. Wind und Kälte machten wenig Eindruck. Ich selbst hatte noch nie in meinem Leben davon gehört, dass zum jüdischen Leben dieses eindringliche, ja, fröhliche Lichterfest gehört.


Nach dieser ersten Begegnung mit einem Chanukka-Fest kam eine zweite, ein paar Tage später, in Oberwaltersdorf bei Baden/Wien, im Hause der Familie Trink. Meine Freundin Hermine aus Baden war dorthin eingeladen worden. Sie durfte mich mitbringen. Etwa 40 Menschen hatten sich versammelt, um gemeinsam das Fest zu begehen, das im herrlichen Rahmen eines Bürgerhauses, dem "Friedensdom" stattfand. In ungezwungener Athmosphäre wurden gleich zwei Leuchter angezündet. Den Anfang machte ein Rabbiner aus Chicago, der auch in Jerusalem gelebt hatte, bevor er nach Wien kam. Auf Englisch, und mit weisen Worten erklärte er die Bedeutung des Lichtes. Wo Licht ist, muss die Finsternis weichen. Hermine machte die Übersetzung ins Deutsche. Und am Klavier saß ein alter Freund der Familie, der alle Schlager der Dreißigerjahre und mehr parat hatte, darunter auch den jiddischen Dauerbrenner "Bei mir bist du schen". Es wurde gelacht und gesungen. Die verschiedenen Bedeutungen von Chanukka wurden plaudernd erläutert.  Wie etwa Menschlichkeit Licht in das Dunkel bringt. Wie auch düstere Erinnerungen bei gläubigen Menschen mit Licht, das Herz erwärmen können. Gibt es etwas Schöneres?


Nach Essen und Trinken durften wir auch noch die Friedensmission des Hausherren näher bewundern: Franz Trink hat ein Ziel im Leben: nicht nur Geschäfte zu machen, sondern auch für den Frieden in der Welt zu werben. Auf originelle Weise: Mit einem 5 Meter breiten Kolossalgemälde, das er an einem prominenten Ort, vielleicht in Jerusalem, zeigen möchte, will er die Welt aufrütteln und für den Friedensgedanken werben. Eine noble Idee, die sicherlich bei allen kampfbereiten und militärisch ausgerichteten Drahtziehern Heiterkeit auslösen mag. Der Ernst des Gedankens jedoch liegt in seiner universellen Gültigkeit. Wer den Frieden will, lehnt Gewalt jeder Art ab. Wenn die ungeheuren Mittel für Rüstung nach und nach der Bekämpfung der Armut und des Hungers zur Verfügung gestellt würden, wäre ein friedliches Zusammenleben wahrscheinlicher.


Franz Trinks Friedensbild porträtiert viele, die es mit mehr oder weniger Erfolg versucht haben. Viele hat er mit seiner Idee persönlich ansprechen können. Andere sind als Symbole des Friedens festgehalten.  Wichtig ist nur, wer auf der Seite des Friedens steht. So entdeckt man auf dem Gemälde Mutter Theresa, den Papst, Mahatma Ghandi, Nelson Mandela, Gorbatschow, den Dalai Lama, Königin Elizabeth, und viele andere, deren "Friedenspotenzial" vielleicht noch nicht ausgeschöpft ist, oder, die irgendwann in ihrem Leben einen friedlichen Weg gegangen sind oder aufgezeigt haben. Eine verrückte Idee, die der Friedensmaler da in die Welt setzt? Keineswegs! Ein kleiner Spießer setzt normalerweise nicht viel in die Welt.

Das Chanukka-Fest gibt es schon seit Jahrhunderten. Es ist das Licht, das die Herzen erwärmt und die Finsternis verdrängt. Immer wieder muss es neu entzündet werden.

Sonntag, 8. Dezember 2013

Was hat die Ukraine mit Thailand zu tun?

Die Ukraine ist west-östlich orientiert, und Thailand ist bekannt für eine hervorragende Küche und oft auch als touristischer Unterschlupf für pädophile Lüstlinge. Die Frage, ob es sich hier um Demokratien handelt, lassen wir einmal unbeantwortet. Was die Weltöffentlichkeit jedoch zur Zeit beobachtet, ist der Aufruhr, der sich in beiden Ländern breit macht.

Die Ukraine im Blickfeld

In der Ukraine wird gerade vorgeführt, wer offensichtlich das Sagen hat: der Präsident des großen Nachbarlandes. Putin erlaubt sich, der Ukraine zu drohen, wenn sie sich dem Westen annähert. Statt dessen, soll das Land sich dem russischen Diktator unterwerfen. Unter diesem Druck hat der ukrainische Präsident die Assoziationsverhandlungen mit der EU abgebrochen, obwohl das Land in die EU möchte. Eine flagrante Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen Landes. Vergangene Woche fand der krönende Abschluss der ukrainischen Präsidentschaft in der 57 Länder starken OSZE satt, die ihren Sitz in Wien hat. Dutzende Außenminister waren zugegen, fast alle haben inkognito oder ganz offen (Westerwelle) bei den Protestdemonstrationen für eine westliche und pro-europäische Orientierung des Landes mitgemacht. Kiew hat wahrscheinlich noch nie so viele ausländische Regierungsverteter auf einem Haufen gesehen.

Sie alle, zusammen mit denen, die in den letzten Tagen ähnliche Proteste in Thailand mitverfolgt haben, müssen eine einzige Botschaft empfangen haben: wie wenig Vertauen die Menschen noch in die Politiker ihrer Länder haben. Das gilt für Russland ebenso wie für die Vereinigten Staaten. Bei Menetekeln solcher Art gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder schließt man die Augen, weil man nichts sehen möchte, oder man beginnt zu kapieren, dass neue Leute, neue Regeln und eine neue Sprache in der Politik notwendig sind. Wie dringend diese Fragen in den einzelnen Ländern beantwortet werden müssen, ist unerheblich, denn es ist fast überall schon zu spät.

Er war unbestechlich
Wir müssen uns in den traditionellen Demokratien auf Überraschungen gefasst machen. Wer macht den Anfang? Ist Putin noch lange sicher? Obama? Das Vertrauen ist verspielt. Das ist die Botschaft, die man immer deutlicher zu hören bekommt. Putin spielt Fußball mit der Demokratie. Wer gewinnt? Obama will eine Gesundheitsreform und wird dafür gehasst. Cameron spielt mit dem EU-Austritt. Die Ukraine gerät in die Zwickmühle. Und allen auf dem Spielfeld geht allmählich die Puste aus. Die Medien berichten vorzugsweise über das Augenscheinliche: Überschwemmungen, Flugzeugabstürze, Gewalt und, gelegentlich, über Fußball. Ist es das, was der Mensch will? Er will den Oberen vertrauen können. Das kann er nicht mehr. Das ist aus und vorbei. Und Nelson Mandela ist auch nicht mehr.






Freitag, 6. Dezember 2013

Wiener G'schichten - die Strudelteigzieherin

Eigentlich ist dieser Beruf ausgestorben. Sollte es doch noch eine Strudelteigzieherin geben, dann trägt sie bestimmt eine modernere Bezeichnung. Vielleicht Strudelmanagerin. Oder Deli-Coach? Wer weiß? Für alle, die vor etwa 40 Jahren nicht die berühmte Rätselsendung "Was bin ich?" sehen konnten: sie sollen wissen, dass der Strudelteig eine hochkomplizierte Sache ist. Eine der letzten Strudelteigzieherinnen, aus Österreich, natürlich, trat damals im Fernsehen auf. Niemand erriet ihren Beruf. Heute gibt es Maschienen, die keine langwierige Ausbildung benötigen, um den Strudelteig in die Länge und Breite zu ziehen, damit der unwiderstehliche Apfelstrudel entsteht.

Und in Lübeck, der Stadt der Buddenbrooks, floriert noch immer die Produktion von Marzipan. Lübecker Marzipan war ursprünglich nur den Herrschern vorbehalten. Heute werden, vor allem für Weihnachten, industrielle Mengen von Marzipanprodukten hergestellt, die in die ganze Welt hinausgeschickt werden. Der Beruf der Marzipanschminkerin ist auch so einer, den man nicht kennt. Dennoch braucht man solche Spezialistinnen, um die Marzipanfiguren mit essbaren Farben bemalen zu können. Die Marzipanschminkerin ist also auch ein seriöser Beruf.


Und noch eine besondere Spezialisierung findet man auf Hawaii. An den Stränden werden die waghalsigsten Surfer gesichtet. Ein faszinierendes Schauspiel, wenn ein junger Surfer auf seinem Brett eine 10 Meter hohe Welle herunterdonnert, ohne umzufallen. Dann will er gefilmt und fotografiert werden. Eine Aufgabe für den Surffotografen. Er taucht mit seiner wasserdichten Kamera ins Meer und beobachtet die Szene. Es gibt nicht viele davon. Verständlich, dass es diesen Beruf nicht an der Donau gibt, wo die Wellen selten höher schlagen.


Diese drei Beispiele sehr eigenartiger Beschäftigungen verdeutlichen das Dilemma des Heranwachsenden: Klein Mozart saß als Knäblein schon am Klavier, komponierte drauflos und wurde berühmt. Auch ein Dirigent kann Berühmtheit erlangen und Großes hinterlassen. Ein Jumbo-Pilot hat es auch nicht leicht. Er muss das Ding sanft landen können, sonst ist alles im Eimer. Berühmt wird er selten. Aber, von was träumt man, wenn man Kind ist? Man möchte Präsident werden, oder Lokführer. Letzteres hat allerdings seine Attraktivität etwas eingebüßt. Und Zuckerbäcker ist eine Geheimwissenschaft. Die Pläne können in der Kindheit nicht hochfliegend genug sein. Wo und wie man dann landet, ist meist Glücksache. Wie schaffen es einige, ihr Ziel zu erreichen? Und andere müssen ihr Leben lang suchen und schaffen es nicht. Bei der Strudelteigzieherin wissen wir, dass der Zufall Pate gestanden haben muss. Man träumt nicht einfach, Strudelteigzieherin zu werden. Man wird es einfach.

Ich habe in meinem Leben so vieles gemacht, auch sehr Unterschiedliches und kann heute nicht mehr sagen, welchen Beruf ich hatte. Doch eines weiß ich: ich habe die Arbeit die ich tat, immer gerne getan. Darin liegt das Geheimnis. Was ich nie wollte: Präsident werden, oder Arzt. Vielleicht hätte ich es mit Strudelteigziehung versuchen sollen. Dann könnte ich mir meine Apfelstrudel selbst machen.