Freitag, 29. September 2017

Erik Satie: Once Upon A Time In Paris. Das Parisgefühl.

Ich falle immer wieder darauf herein. Hier in Haworth/Yorkshire sitze ich am Frühstückstisch. Meine tiefgefrorene Baguette wurde gerade in der Mikrowelle aufgetaut und der Länge nach aufgeschnitten. Cath hat sich noch nicht blicken lassen. Sie muss zuerst überprüfen, wieviele Tausend Schritte sie gestern zu Fuß zurückgelegt hat. Dazu benutzt sie eine spezielle "Armbanduhr", die die gegangenen Schritte anzeigt. Meine ersten zwei Tassen sind schon herunter geschluckt, begleitet von Hakon Austbö, dem begnadeten Pianisten für Erik Saties "Gnossiennes". Once Upon A Time In Paris heißt dieses herrliche Klavierstück, das ich nicht einordnen möchte. Auch andere sind daran schon gescheitert, das Parisgefühl aus den Gnossiennes zu beschreiben. Manche rufen etwas hilflos aus: "Ich liebe Paris (das von gestern)".


Auch ich habe einige Zeit in der Seinestadt verbracht und dort gearbeitet. Die Menschen schienen damals gestresst, unfreundlich, ja fremdenfeindlich. Ich fühlte mich dort eigentlich immer zuhause. Es war die Zeit als die freien Parkplätze seltener wurden und die Zahl der Neugierigen aus Europa, USA, Japan mit jedem Jahr anstieg. Der Bordeauxwein wurde schlechter, weil in Massen auf den Markt geworfen. Frank Sinatra mit seinem "April in Paris" hatte die Szene längst übernommen. Gershwins "An American in Paris" war damals bare Münze. Der Film verklärte etwas, was längst nicht mehr den Hauch von Nostalgie trug. Die Neue Welt hat Paris entdeckt. Am Horizont tauchte "le nouveau Baujolais" auf, der schon damals nicht jeden vom Stuhl zu reißen vermochte. Ich blieb damals bei meinem Rosé d'Anjou und habe es nicht bereut.


Ich blieb dann bei Erik Satie hängen. Leichte Muse für sonnendurchflutete Landschaften. Seine Klavierstücke sind unwiderstehlich. Paris muss sich nach den Jahren sehr verändert haben. Doch lautes Lachen in der U-Bahn gibt es immer noch nicht. Hier in England kann der Verkehrslärm Gipfelwerte erreichen, während er in Paris möglichst unterdrückt wird. Doch Erik Satie, mit seinen manchmal auch monotonen Passagen, hat diese Welt gänzlich erobert. Für mich ist seine Musik der Ausdruck dieses Pariser Lebens: Rhythmik, Alltag der Geschwindigkeit, eine bestimmte Weise, dem modernen Leben zu begegnen. Dazu die Gerüche, die früher aus den Metrostationen quollen. Mich erinnerten sie an die U-Bahn in Ostberlin. Ein Mief, der süchtig machen konnte.


Die Bilder von Paris sind purer Impressionismus. Keine Stadt ist so eng mit der Malerei verbunden wie Paris. Wer malen wollte, musste nach Paris. Das galt auch für viele berühmte Nicht-Franzosen. Sie wollten sich alle an der Seine inspirieren lassen. Noch heute zehrt Paris von diesem Ruhm. Und wir alle zehren mit.

Donnerstag, 28. September 2017

Playboy Obama unterwegs mit Ryanair?

An dieser Zeile ist fast alles falsch. Nur ein Grämmchen Wahrheit steckt in ihr: Hugh Hefner, der Gründer vom Playboy ist tot. Michelle Obama verurteilt Frauen, die Trump gewählt haben, und Ryanair muss mit Konsequenzen rechnen.

Ehemalige First Lady 
Obwohl er schon etwas älter war, als er (gestern) verstarb, verdient diese männliche Ikone neben anderen weltbewegenden Ereignissen eine Erwähnung. Keiner käme auf den Gedanken, zu Zeiten, wo die gleichgeschlechtliche Ehe sich allmählich global ausbreitet, Hugh Hefner hätte sich für sein eigenes Geschlecht interessiert. Er brüstete sich sogar gerne damit, mit über 1000 Frauen geschlafen zu haben. Wenn er dabei ruhig schlafen konnte, wollen wir nicht auf einem penetranten Nachweis bestehen. Für mich ist es schlimm genug, an das pausenlose Wechseln der Bettwäsche zu denken. Doch auch der unhygienische Heuschober könnte dabei mitgeholfen haben, den Waschzwang einzudämmen.

Hugh Hefner, 1000 und eine Nacht? 
Mit den 91 Jahren der intimen Begegnung mit der Frau, was sicher noch heute im Playboy nachzulesen ist, muss jede Zahl unter 1000 wie eine erbärmliche Aufrechnung eines weitgehend impotenten  Möchtegernliebhabers erscheinen. Andererseits, wenn ich an meine eigenen männlichen Abenteuer denke - auch ich habe alles gleichgeschlechtliche gemieden - komme ich einfach nicht auf beneidenswerte Zahlen. Er soll gesagt haben, das Leben sei zu kurz, um die Träume anderer zu träumen. Wie wahr. Dann meinte er, unsere treibende Kraft sei nicht die Religion, sondern der Sex. Trotzdem ist er auch als Wohltäter hervorgetreten. Er hat sein Herz nicht nur den Frauen geöffnet, sondern oft anderen geholfen, die in Not waren. Er ruhe sanft.

Auch mit Marilyn Monroe? 
Mit Michelle Obama ist das etwas anderes. Als Frau des amerikanischen Präsidenten war sie nur die Nummer zwei. Doch mit viel Sympathie vernehmen wir, dass sie amerikanische Frauen, die Donald Trump gewählt haben, verurteilte. Melania Trump, die Frau des jetzigen Präsidenten, soll in einer Rede auch noch Michelles Worte abgekupfert haben. Die Frau des Präsidenten Barack Obama hielt den amerikanischen Frauen vor, gegen ihre eigenen Interessen als Frauen gestimmt zu haben. Es waren 41 %. Aus dem Munde der ersten afro-amerikanischen Präsidentengattin, klingt diese Kritik sehr einleuchtend. Sie zeigt, dass das "mächtigste" Land der Erde seine Hausaufgaben in Sachen Emanzipation immer noch nicht gemacht hat.


Ryanair, die notorische Billiglinie, ist in Schwierigkeiten geraten. Die Civil Aviation Authority (CAA) hat damit gedroht, Ryanair abzustrafen. Unverschämtheiten von Fluggesellschaften ist man gewohnt. Dass man bezahlen muss, wenn man aufs Klo möchte, gehört noch zu den harmlosen Abzockereien mancher Schwachlinien.  Das stundenlange Warten auf den Abflug, mit äußerst mageren Informationen, in überfüllten Warteräumen, ist schon fast Flugstandard. Doch was Ryanair sich leistet ist unverschämt. Wegen Mangels an Piloten (wo gibts denn das?) haben diese fliegenden Irrlichter mit jetzt 18 000 gekänzelten Flügen den Vogel abgeschossen. Eine EU-Fluglinie muss keine Entschädigung bezahlen, wenn sie mindestens 2 Wochen vor Abflug den jeweiligen Flug annulliert. Doch den Fluggästen die Ausweichmöglichkeiten vor zu enthalten und sie nicht über alle ihre Rechte korrekt zu informieren, ist kriminell. Bis Ende Oktober wurden 1200 Flüge gestrichen, von November bis März 2018 sind es gar 18 000. Angeblich sind 400 000 Fluggäste betroffen. Nach europäischem Recht soll die Annullierung von Flügen durch finanzielle Kompensation oder durch Ersatzflüge aufgefangen werden. Die britischen Medien zeigen gerade ihre Empörung. Welchen Schaden die Ryanair nehmen wird, stellt sich sehr bald heraus. Trotzdem Guten Flug. 


Mittwoch, 27. September 2017

Das neue Ding: Kommunikation?

Man weiß nicht, was der Alte Herr da oben sich dachte, als er vor über 5 Millionen Jahren die mündliche Mitteilung erfunden hat. Da er vorher mit keinem Menschen darüber sprechen konnte, ist auch nichts überliefert. Man vermutet auch, dass das Erzählen von Geschichten (in welcher Sprache?) nur etwa 300 000 Jahre alt ist, wobei wir bei der Erfindung von Musikinstrumenten nur noch etwa 53.000 Jahre zurück müssen. Ganz so genau müssen wir es nicht wissen. Und die Schaffung von Skulpturen - auch eine Art der künstlerischen Kommunikation - geht auf 35 000 Jahre vor Christus zurück. Christus hatte damit jedoch nichts zu tun.


Das mit den Musikinstrumenten beschäftigt mich. Als ich als 9-Jähriger mit dem Geigenunterricht begann, schaute mich Herr Hummel ganz traurig an. Unser musikalischer Ausbildungsvertag hielt zwar nur ein Jahr, doch das Halten eines Geigenbogens war mir von Anfang an verdächtig und führte zu nichts. Was mir eher zugesagt hätte, wäre das älteste bekannte Instrument gewesen, das auf der Schwäbischen Alb gefunden wurde: die Knochenflöte, etwa 35000 Jahre alt. Auch die chinesische und indische Musik ist hochbetagt, und die enge Beziehung zwischen Tanz und Dichtung scheint außer Zweifel zu stehen. Wie sich die sogenannten Schallereignisse im einzelnen entwickelten, bleibt weitgehend offen. Der Werdegang von Heavy Metal oder echter Punkmusik darf gerne im Dunkeln bleiben. Um es banal auszudrücken: Lärm bleibt Lärm, das Wort Musik bleibt unseren Meistern vorbehalten, Beethoven, Bach und Wagner. Vielleicht auch noch der singgewaltigen Ella Fitzgerald.


Von den Höhlenmalereien (=dramatische künstlerische Mitteilungen), um die 30 000 vor Christus, bis  hin zu den Steintafeln und den Hieroglyphen, um die 3000, wird in der Kommunikation noch ein weiter Weg zurück gelegt. Dann wird es interessant: um die 2500 vor Christus erst wurden Straßen und Bibliotheken angelegt, die man meist noch zu Fuß erreichte. Das römische Straßennetz entstand erst ab 312 vor Christus.

Straßennetz 
Dann ging es Schlag auf Schlag: Rauchzeichen als Mitteilung: 200 vor. Erster Postdienst: 14 nach Christ. Erfindung des Papiers: 105 nach. Handschriftliche Manuskripte, 300 nach. Wir müssen überspringen: 12. Jht.: bewegliche Lettern für den Buchdruck und der Aufstieg der Brieftaube. Seit 1605: Zeitungen. 1822: Fotografie. 1867: die Schreibmaschine. 1876 das Telefon. Wenn das nichts mit Kommunikation zu tun hat, fresse ich einen Besen. 1920: kommerzielles Radio. 1927: Tonfilm. Öffentliches Fernsehen: 1967. E-mail: 1969. Mobilfon: 1983.


Jetzt kommt der ultimative Hammer, das Internet, 1989. Auch eine gewisse Berliner Mauer wurde da niedergerissen und kurz danach wurden die Suchmaschinen eingerichtet. Dann wird alles global. Soziale Netzwerke entstehen, ab 2006 wird weltweit gebloggt, und jetzt verbringt man seine Zeit vor dem Rechner und wartet auf die Ergebnisse von Wahlen, den Wetterbericht, den Absturz von Flugzeugen, die heftigen Beleidigungen und Hasstiraden und die Einführung des Geruchsfernsehens.

Kommunikation??? 
Für die Genauigkeit meiner Angaben kann ich eigentlich nicht garantieren. Ich habe sie einem Magazin entnommen, das den Namen trägt: NewPhilosopher, Ausgabe 17 (August-Oktober 2017). Es geht darin um "Fake news" und Info-Überschuss. Herkunft: Australien. Also rein global sind wir jetzt weltweit verkabelt und verzahnt. Unsere Pflicht ist es, dem Guten zu vertrauen und das Misstrauen nie einschlafen zu lassen. Das ist die Essenz von Kommunikation. Sind wir damit gut genug aufgestellt?











Dienstag, 26. September 2017

Zwei nicht getürkte Nachrichten.

Also, dass Horst Seehofer jetzt vom ersten CSU-Mitglied zum Rücktritt aufgefordert wurde, gefällt mir. Das ist ein erster Anfang. Man kann auf der Orgel des Populismus nicht ungestraft ewig weiterorgeln, wenn man seine Orgelstunden nicht genommen hat. Diesem bayrischen Herrn aus dem Südosten der Republik sind die letzten Wahlen nicht bekommen. Er ärgerte die Merkel mit seiner Obergrenze bis aufs Blut. Dann sagte er auch noch mit seiner gekonnten Süffisanz, indem er die "Einheit" zwischen CSU und CDU gerade mal noch so bestätigte, als wäre er der Herr der (CDU-CSU-Ehe-)Ringe. Auch Menschen, die seinen Zungenschlag teilen, haben diesen Biermichel jedoch auch schon kräftig satt. Jetzt geht es darum, die Rechnung zu begleichen, denn auch die geschwächte Angela Merkel, Europas einst mächtigste Frau, muss gucken wo sie bleibt. Das Kartenhaus fällt ein wenig zusammen.

Herr der Ringe? 
Die andere Nachricht mit Wahrheitscharakter lässt die AfD in ihren Grundfesten erzittern. Das ursprüngliche, sehr redebegabte Zugpferd ist zur kinderstillenden Politmähre verkommen, die ihren braunen Stallgeruch loswerden möchte: Jetzt, wo sie ihr gut honoriertes Mandat innehat, steigt sie aus  der AfD aus und lehnt sich zurück. Wir wollen nicht mehr kämpfen. Die Nation ist der braunen Anmache überdrüssig. Ein Blumentopf ist damit wohl auch für die rechte Petry kaum mehr zu gewinnen.

Kinderspiel 
Wir orten also bereits zwei unterschiedliche Wahlverlierer. Beide haben die Schwächen der Demokratie auf ihre Weise genutzt. Jetzt fällt denen nichts mehr ein. Sollte Seehofer die Zeichen der Zeit nicht verstehen wollen, wird er bei nächster Gelegenheit über die Klinge springen. Die Petry hat sich von selbst erledigt. Jetzt müssen wir Beobachter dieser peinlichen Entwicklungen selbst mit Hand anlegen. Nämlich zu verhindern suchen, dass sich allzu braunes oder schwarzes Gebräu in die Wahldiskussionen einmischt, denn es geht diesen Profiteuren nur um die Sicherung von Pfründen. Nicht etwa um die Sicherung stabiler Regeln der Demokratie.


Elder Stateswoman? 


So betrachtet, kommt uns die Lawine der Fake News, mit ihrer schwammigen Unverständlichkeit  gerade recht. Das Misstrauen des potenziellen Wählers ist realistischer geworden. Daran müssen sich auch die Seriösen messen lassen. Fantasten, Trittbrettfahrer und Abenteurer sollten sich jetzt, nach dieser diffusen Wahl, bei der kaum einer eindeutig gewonnen oder verloren hat, zumindest pro forma etwas ehrlicher gebärden. Sollte Seehofer politisch überleben, dann nur, wenn er nicht aus der Reihe tanzt, indem er seinen CDU-Genossen auch noch das bayrische Temperament pausenlos aufs Brot streicht. Stabile Verhältnisse können von der braunen Bewegung der Gaulands, Höckes oder der Storchs kaum erwartet werden. Der deutsche Adler kann auch ohne den bayrichen Löwen ruhig seine Kreise ziehen. Und uns Angela könnte allmählich zur wohlverdienten Elder Stateswoman mutieren. Auch das wäre eine gute Nachricht.

Montag, 25. September 2017

Ich kann den Schnabel nicht halten.

Wir saßen im Auto. Auf dem Weg vom Schwarzwald nach Yorkshire. Sonntag war gestern. Keine LKWs auf den Straßen. Rege Beteiligung an den Wahlurnen. Wir, vom Verkehr überwältigt, hingen bei Brüssel über 2 Stunden im Stau. Kamen in letzter Minute an der Fähre in Rotterdam an. Wir waren das letzte Auto, das noch aufs Schiff durfte. Dann war Abendessen mit Wein und Ruhepause angesagt. An die Bundestagswahlen dachte niemand mehr.

Heute Morgen, beim Verlassen der Fähre in Hull, dann die ersten Hinweise auf die deutschen Wahlen. Radio Four: Wahlsieg für Europas mächtigste Frau. SPD hat verloren. AfD ist drittstärkste Partei. Was nun? Wer wird die neue Regierung bilden? Zu meinem großen Erstaunen wurde nicht nur der amtierende CDU-Fraktionschef Peter Altmaier, sondern auch die AfD-Oma von Storch im englischen Rundfunk interviewed. Die einzige Erklärung für mich: ihr fließendes Englisch. Inhalte gab es nicht. Diese Leere kam auch auf Englisch gut rüber, sonst nichts. Als distanzierter Beobachter ist man nur noch an wenigen Akteuren interessiert. Das gilt für alle Parteien.

Klatsche gegen rechts. 
Die Klatsche für Merkel hat gesessen. Sie als Wahlsiegerin zu bezeichnen, ist kühn. Auch ihre sieggewohnte CDU wurde kräftig runtergemacht. Die bekannten Matadoren, die sich immer wieder in Szene gesetzt und dabei unmerklich bzw. laut dröhnend bemerkbar gemacht haben, sind als Zugpferde längst abgetreten. Der Verschleiß hatte schon Roland Koch, Günter Öttinger, Wolfgang Bosbach aus der Bahn geworfen, aber auch Wolfgang Schäuble, Volker Kauder, Julia Klöckner etc. haben niemand mehr vom Stuhl gerissen. Ein Minimum an neuen Aussagen und Zielen durfte der Wähler erwarten. Doch es kam nichts, außer dem fröhlichen Ausruhen auf vertrockneten Lorbeeren. Der Wähler hat die Rechnung präsentiert. Die Extrawurst für Seehofer wird nicht lange auf sich warten lassen.

Fast tragisch auch der Ausgang für die Sozildemokraten. Martin Schulz hat tapfer gekämpft, die heißen Eisen der Politik blieben jedoch unberührt. Weitermachen ist also für die SPD auch keine Option, denn der Wähler hat sich Veränderung gewünscht. Die Stimmung im Land ist mies. Die Lohnschere bewegt sich weiter auseinander. Die Flüchtlinge, und gerade die Muslime unter ihnen,  dürfen nicht zu Sündenböcken einer verkorksten Sozialpolitik werden. Der Drang nach rechts muss stärker bekämpft werden. Diese Veränderung ist nicht in Sicht. Das Ergebnis der Wahlen ist entsprechend.

Das Notprogramm von Martin Schulz: Lieber in eine klare Opposition als in eine Wischi-Waschi-Koalition eintreten. Angie Merkel wird, frei nach dem SPIEGEL, in ihrer vierten Amtszeit aufwachen müssen. Auch den Grünen und der Linken ideologisch näherkommn müssen. Schlafmützigkeit zersetzt Demokratie nur und schläfert sie ein. Auch der rechte Sumpf muss endlich ausgetrocknet werden. Und vor allem, das haben diese Wahlen gezeigt, ist eine klarere Politik für die jüngeren Menschen notwendig, weil diese mehr Zukunft brauchen. Versucht muss auch werden, die Güter gerechter zu verteilen, sonst werden sie früher oder später den Reichen aus der Hand geschlagen. Alles in allem eine Wahl mit vielen beunruhigenden Ergebnissen.

Samstag, 23. September 2017

Last call. Alles einpacken!

Wer zwei Zuhauses hat, muss scharf überlegen. Morgen, ganz früh, geht es per Auto wieder nach Yorkshire. Nach zwei Wochen im Badischen. Noch schnell Schwarzwälder Schinken, Münchener Weißwurst und neues Sauerkraut eingepackt. Dazu 5 Kartons mit Rot-, Weiß- und Roséwein im Wagen verstaut, zuletzt die kleinen Köfferchen von Cath und mir. Dann können wir starten.

Freundliches Chaos im Garten 
Töchterchen Natascha ist glücklicherweise krank. Als Ärztin, hat sie große Probleme mit den drei Wochen Krankenurlaub, zu dem ein Arzt sie verdonnert hat. Ich fasse zusammen: Überbeschäftigte Tochter drei Wochen krank geschrieben (Blinddarm oder so). Vater überglücklich, weil Tochter endlich Zeit und Ruhe hat, mit ihm zu plaudern, bevor er wieder nach England entweicht.

Endlich selbst mal krank! 
Das Wetter ist traumhaft. Es trifft uns unvorbereitet. Wir machen noch ausdedehnte Spaziergänge an der Rench und anderswo. Cath schafft es, noch am frühen Nachmittag die Bettwäsche zu waschen. Mit Glück ist sie am Abend wieder trocken (die Wäsche!) und kann für den letzten Schlaf genutzt werden. Dann könnten die Bettbezüge fast sauber auf uns warten, bis wir vor Jahresende wieder hier auftauchen.

Ein Wetter zum Kinderzeugen! 
Zu den angenehmen Dingen im badichen Herbst gehört der Genuss des Neuen Weines. Er ist zuckersüß, ganz am Anfang. Dann beginnt er, leicht zu schäumen. Plötzlich verliert er seine Süße und beginnt, zu "bizzeln". Die Gährung hat eingesetzt. Der Wein zeigt sein wahres Gesicht. Es ist nicht mit ihm zu scherzen. Ein Glas zu viel, und der unschuldige Trinker bekommt einen schrecklichen Rausch.

Angelikas Weinhöhle 
Das Schiff in Rotterdam, die "Pride of Hull" wird uns Morgen Abend in Empfang nehmen und das Auto, den Wein und uns hoffentlich ohne vorgezogene Herbststürme über Nacht an die Humbermündung bringen. Das gute Essen an Bord wird uns selig entschlafen lassen. Das monotone Schlingern der Riesenfähre wird unsere Träume beflügeln.

Auf dem Weg nach Hull 
Bei der stillen Ankunft am Morgen muss dann wieder mit Linksverkehr gerechnet werden. Ich hoffe, auf dem Weg nach Leeds/Haworth dann Genaueres über die Bundestagswahlen zu erfahren. Obwohl, wenn ich an den relativ doofen Wahlkampf denke, erwarte ich keine Sensationen. Mein größter Wunsch: dass die naziversiffte rechte Wahlecke so weit wie möglich unter der 5%-Grenze hängen bleibt. Und: dass auch Fräulein May endlich kapiert, dass über die Hälfte der Briten sich nicht aus der EU verabschieden wollen.

Freitag, 22. September 2017

Was ist der Tod?

Ich denke nicht daran, eine Abhandlung über den Tod zu schreiben. Erstens habe ich ihn noch nicht persönlich erlebt, zweitens habe ich so viele Varianten des Todes gesehen, dass mir allzu viel dazu einfallen würde, drittens habe ich bisher nur gelegentlich an Bruder Hein gedacht, weil man das in jungen Jahren auch nicht oft tut. Ernsthaft nahe bin ich ihm aber gelegentlich schon gekommen, etwa, als ich als Knabe einmal alleine durch Wald und Feld streifte, ein Flugzeug beobachtete, das nicht sehr hoch flog und plötzlich eine Bombe abwarf, die auf mich gerichtet schien. Ich legte mich unter einen Baum und bereitete mich auf mein Ende vor. Die "Bombe", so hat man mich getröstet, war ein leerer Kerosintank, der nicht explodierte, sondern weitab von mir niederging. Es geschah nichts.


Mein geliebter Opa starb mit fast 98 im Bett. Ich besuchte ihn oft, hatte aber auch schon das Gefühl, dass sein Tod für alle Liebenden und Pflegenden eine Erlösung war. Das Tröstliche daran war eine Nonne namens Liberalis, die jeden Tag nach ihm schaute. Für mich eine wahre Heldin der Nächstenliebe, die ich für immer in Erinnerung behalte. Schwester Liberalis starb in ihrem klösterlichen Mutterhaus am Bodensee. Eingetreten in das Vergessen. Als Cathies Vater vor wenigen Jahren in Yorkshire verstarb, erfuhren wir es in unserem Haus im Schwarzwald. Der Kummer, seine Frau kurz davor in ein Pflegeheim gebracht zu haben, weil sie nicht mehr gehen konnte, muss ihn von da an ständig begleitet haben. Sein Tod war plötzlich, und man muss ihn als schön bezeichnen: Lewis saß in seinem Sessel. Der Fernseher lief am kommenden Morgen noch, als eine Nachbarin ihn fand. Mit einem halbvollen Whiskyglas in der Hand und seinem liebenswürdigen Lächeln auf den Lippen, war er einfach eingeschlafen. Nach dem ersten Schock sagten Cath und ich, wie schön, dass er so sterben durfte. Wir lachten getröstet.


Ich wurde einmal gefragt, was denn ein schöner Tod sei. Schön, so denke ich auch heute noch, ist nicht das richtige Wort. Der Tod ist ein Abschluss des Lebens. Tragik? Kathastrophe? Erleichterung? Eintritt ins Paradies? Wir können es nicht wissen. Und wollen es auch nicht wissen. Wenn das Leben ein einziger Kampf war, sollte mit dem Tod schon längst der Friede eingetreten sein. Wenn möglich, schon vorher. Man merkt, wie dumm es ist, im Unfrieden zu leben. Für mich ist es eine gute Vorstellung, Streitereien, Konflikte, böse Erinnerungen zu beenden, solange man es kann, und den Sensenmann, der alle zu schrecken scheint, als eine unumgängliche Tatsache zu akzeptieren, wenn die Zeit gekommen ist.


Ich muss mich bei mir selbst entschuldigen. Erstens ist der Totensonntag noch lange nicht auf dem Kalender sichtbar, zweitens dachte ich nicht daran, eine Abhandlung über das Ende zu verfassen. Und drittens hat das alles hoffentlich noch Zeit. Am besten, wir nehmen die Dinge an, wie sie kommen. Nichts kommt zu früh und nichts zu spät. Doch die mutmaßlichen "Herren" dieser Welt, die glauben, Leben und Tod der Mitmenschen bestimmen zu können, müssen in ihre Grenzen gewiesen werden. Auch die Trumps, Kim Jong uns und anderen Fanatiker müssen einmal daran glauben. Kann ihnen das einmal jemand klar machen? Die Pomposität einer Bestattung war noch nie ein Beweis für die Bedeutung einer Existenz.










Mittwoch, 20. September 2017

Zwei Heimaten oder Zuhauses.

Was denn nun? Heimat in der Mehrzahl gibt es natürlich. Zuhause, mehr als ein? Zuhauses? Das konkrete Problem ist, dass der Mensch normalerweise eine Heimat oder ein Zuhause hat. Die Mobilität macht es möglich, an zwei veschiedenen Orten ein Zuhause zu haben. Bei uns: Badischer Schwarzwald und englisches Yorkshire. In Baden, genauer, in Tiergarten bei Offenburg, werden die Tomaten reif, und der Wein wächst üppig um das Haus herum. Ortenburger Spätburgunder, und Riesling von der feinen Art. Alles bei Angelika Kimmig zu haben. Etwa 100 Meter weiter bergauf. Schön, in Baden zu sein, ein leicht überwuchertes Haus zu bewohnen und Angelikas Wein zu trinken.

Heimat, Baden.  
Der Wein hat einen herrlichen Abgang. Deshalb werden einige Kartons am Wochenende mit nach Yorkshire kommen,  das eher für seine Biere bekannt und geschätzt ist. In der Old Hall in Haworth werden wir dann wieder Fish&Chips mit Garden Peas essen, und äußerst vorsichtig ein Glas italienischen Rosé dazu bestellen, denn Wein ist dort oft eine Glücksache und hat keinen spezifischen Abgang. Unser Garten in Haworth bringt als Früchte schwarze Johannisbeeren. Die sind schon geerntet und zu einer sauguten Konfitüre verarbeitet. Sonst ist mir nichts Essbares aus diesem Paradies bekannt.

Angelika und ihr Wein 
In Deutschland stehen die Bundestagswahlen an. Die Hauptkandidaten: Angela Merkel und Martin Schulz. Ihr Ton wird noch etwas rauher. Das gehört sich so. Inhalte sind kaum auszumachen. Es sei denn, man äußert sich überklar zu den Unflätigkeiten des rechten Spektrums. Die AfD, wird sie über die 10% kommen? Ich schäme mich schon mal im Voraus. Die traditionellen Parteien wollen alle regierungsfähig sein, sind es aber bei genauem Hinsehen nicht. Demokratisches Wursteln wird das genannt. Kein Grund für die maßgeblichen Gewinner, laut zu jubilieren.

Haworth, 300 Jahre alt? 
In England schlägt man sich immer noch mit dem Brexit herum. Man hört, dass Theresa May nicht fest im Sattel sitzt, aber dass außer dem machthungrigen Boris Johnson, so etwas wie ein Außenminister von der unteren Art, niemand in den Startlöchern zu hängen scheint. Man hört auch, dass eine lächerlich geringe Brexit-Austritts-Gebühr von ca. 20 Milliarden Pfund wie ein Versuchsballon in der Luft hängt. Das müde Lächeln der EU-Vertreter soll schon gesichtet worden sein. Ansonsten sind die Medien mit den üblichen Mord- und Missbrauchsraten voll ausgelastet. Nur das Vergewaltigen und Abschlachten kleiner Mädchen und Jungs erweckt noch genug Interesse. Gehen wir alle eines Tages eng umschlungen den Bach hinunter?

Eines von 2 Zuhause(n): Yorkshire Moor 
Ich halte viel davon, wie unser genialer Freund in Amerika, Old Donnie, die Probleme zu bewältigen.  Wegschauen und mit Drohgesäusel. Und wieder alles vergessen. Mauer nach Mexiko? Er hat seine öffentlichen Erklärungen noch immer nicht beendet. Zur Zeit zittert das Land des Kim Jong Un über neue Drohungen aus Washington. Wird der Präsident in einem Anfall von Vergesslichkeit das schöne Nordkorea nuklear ausradieren? Wir alle wissen es nicht, sind jedoch nur mäßig beunruhigt und gespannt, wie's weitergeht.





Meine alten Damen.

Ich weiß nicht, wie ich beginnen soll. Pervers bin ich nicht, aber, ist es "normal", eine lebenslange Schwäche für alte Damen zu haben? Ich rede jetzt nicht über meine Großmütter, die ich verehrte und von denen in meinem 3-4jährigen Leben als Knabe, die eine wütend ausrief: "Dieser Hitler ist ein Teufel". Das hat mir die Augen geöffnet, obwohl niemand in meiner kindlichen Umgebung irgendetwas Positives über dieses braune Gesockse geäußert hätte. Ich wusste schon früh, dass Nazi und Co. übel war, hatte aber nichts damit zu tun. Meine Omas (und auch der einzige Opa, den ich hatte), waren politisch gesehen, astrein.


Auch im Rückblick überkommt mich keine Scham, wenn ich an meine intensiven Freundschaften zu alten Damen denke. Mit Sex hatte das nichts zu tun, doch die Schönheit eines freundlichen alten  Gesichts hat mich von klein auf schon fasziniert. Tante Johanna muss ein Sonderfall gewesen sein. Wenn wir uns begegneten, was nicht oft geschah, rastete sie aus. Sie knuddelte mich, steckte mir sofort Bonbons in die Taschen und himmelte mich an. Sie war unverheiratet und wurde von einem Bus überfahren, bevor ich in eine tiefere Beziehung zu ihr treten konnte. Auch das gibt es im Leben.

Eine andere ältere Dame, war die Tante eines Mädchens, dessen Eltern nicht mehr lebten und das von ihr, einer etwas autoritären Lehrerin, aufgezogen wurde. Die kleine Louise und ich waren gute Freunde, doch mit der Tante führte ich geistig hochstehende Gespräche, und ich stellte nach Jahren fest, dass ich wieder einmal mit einer älteren, und unverheirateten älteren Dame freundschaftlich verbunden war. Junge Mädchen meiner Altersklasse gab es natürlich auch. Sie machten mich erröten, und ich fühlte mich verpflichtet, mich in sie zu verlieben, was oft mühsam und mit Hänseleien verbunden war.

Harold and Maude, Film von Hal Ashby. 
Erst als der Film "Harold und Maude" (1971) herauskam, verstand ich mich besser. Harold ist um die 20, Maude eine fast 80jährige ältere Frau. Beide geraten in ein Verhältnis, das auch vor Sex, Motorradabenteuern und leidenschaftlichen Küssen nicht halt macht. Harold lebt bei seiner tyrannischen Mutter, und hat eine makabre Veranlagung: Er liebt Bestattungswagen, täuscht Selbstmordversuche vor und lernt auf einem Friedhof Maude kennen, in die er sich verliebt. Eine wilde Zeit beginnt, die mit einer Heirat enden soll. Maude beschließt jedoch, zu sterben, während Harold gereift aus dieser Beziehung hervorgeht. Für mich war Maude die Addition von Sandkastengespielin, Jugendschwarm, Partnerin und Mutter. Eine Schwarze Komödie? Warum nicht?

Meine Jugendliebe, bevor es dann ernst wurde mit Familie und so, war Liese L. Wir hielten zusammen, bis sie in einem Altersheim verlassen starb. Sie kam als DDR-Flüchtling nach dem Westen und lebte bei einem wohlhabenden Vetter und dessen Frau. Mann und Sohn hatte sie im Krieg verloren. Ihr Haus in Erfurt wurde ihr genommen, ihre westliche Freundin war meine Tante. Wir sahen uns regelmäßig, denn sonntags lud sie mich zum Frühstück ein, was für mich eine zweite Mahlzeit bedeutete, denn ich hatte schon mit meinen Eltern gefrühstückt. Ich liebte die Gespräche mit ihr, und ich hörte auch gerne zu, wenn sie von ihren "Männern" erzählte. Ich bemerkte bald, dass ich sie an ihren gefallenen Sohn erinnerte. Sie verwöhnte mich mit kleinen Geschenken, Lederhandschuhen, Krawatten, Socken und Einstecktüchern.

Statt Rosen. 
Die Zeit meines Studiums brachte mich in eine andere Stadt. Wir sahen uns seltener, trafen uns aber bei jedem Besuch bei den Eltern. Dann kam sie in ein Altersheim, das wir beide hassten. Ich hatte sie nur 2-3mal dort besucht. Dann starb sie. Ich musste zur Beerdigung aus Frankreich anreisen und kam wegen eines Staus auf der Autobahn eine Stunde zu spät. Meinen Rosenstrauß legte ich an ihrem Grab nieder. Als ich nach dem üblichen Kaffee-und-Kuchen mit einigen wenigen Freunden nocheinmal durch den Friedhof schlenderte um das Grab zu sehen, bemerkte ich, dass jemand die Blumen gestohlen hatte.

Gerne denke ich an die Zeit mit Liese zurück. Sie hatte mir nach Jahren das "Du" angeboten. Ich habe als junger Mensch viel von ihr gelernt. Schmerz überkommt mich immer noch, wenn ich an ihr Schicksal denke. Mann, Sohn und Heimat verloren. Einsam in einem unwürdigen Heim gestorben, und ich lebte und arbeitete im Ausland und hatte mich viel zu weit von ihr entfernt. Harold und Maude, das geht selten gut aus, doch eine Freundschaft zwischen einer älteren Dame und einem jungen Mann kann etwas unheimlich Schönes sein.










Mittwoch, 13. September 2017

Geschmacklosigkeiten über die man streiten kann.

Es ist schon wieder 5 Jahre her. Cath und ich sitzen mit englischen Freunden in einem Restaurant im Elsaß, das wir seither natürlich nicht mehr betreten haben. Wir spechen Englisch, sind jedoch auch des Französischen mächtig. Der Kellner bringt eine Flasche Weißwein und schenkt mir zum Versuchen ein. Ich probiere und sage, nicht unfreundlich: der Wein könnte etwas kühler sein. Der Rotzlöffel von Kellner antwortet: C'est une question de gout (das ist ein Frage des Geschmacks). Dafür, dass man dieses warme Zeug auch noch bezahlen muss, war diese Bemerkung eher frech. Wegen den Gästen verzichtete ich auf ein Donnerwetter.


Wo bei mir heutzutage auch eine Augenbraue hochgeht, ist im Supermarkt. Wenn man in Yorkshire/Nordengland lebt, hat man keine Chance, eine gute Leberwurst zu finden. Allerdings, was sich dort Brussels Paté nennt, schmeckt recht gut, ist aber keine Leberwurst. Ich bin praktisch mit Pfälzer Leberwurst groß geworden. Schon mein Papa strahlte bei ihrem Anblick. Ganze Generationen haben in Deutschland Leberwursterfahrung gesammelt. Mindestens 20 Sorten waren auf dem Markt zu finden. Alle lecker.

Hausmacher Leberwurst: haha! 
Der an Leberwurst interessierte Engländer bekommt als Langenscheidt-Übersetzung: liver sausage, liverwurst oder leberwurst angeboten. Das ist natürlich etwas ärmlich, zumal man im Land so gut wie keine "echte" Leberwurst findet. Also befinde ich mich mit Cath gerade für 2 Wochen im Land der Würste. Um unser geliebtes Haus herum stehen Bäume, Büsche und Rebstöcke. In den Läden wird Leberwurst angeboten. Ich greife zu. Erster Kauf: Landleberwurst, leicht grau, grob, appetitlich und geschmacklos. Zweiter Kauf, anderer Laden: eingedoste, feine Leberwurst: Leicht zu streichen, rosa in der Farbe, etwas besser, aber unendlich weit von meinen Leberwurstträumen von damals entfernt.
Wenn ich mich erinnere, gab es früher in der Leberwursthochburg Deutschland keine Leberwurst, die nicht schmeckte. Und immer war ein zarter Hauch von Majoran damit verbunden.

Question de gout! 
Jetzt muss ich mich fragen, ob meine Geschmacksnerven mir einen Streich spielen. Cath sagt nein, denn beim Wein und so, scheinen diese noch intakt. Bei der 3. Leberwurst erlange ich Gewissheit: der Zahn der Zeit hat die deutsche Leberwurst für immer (?) zernagt. Woran kann es liegen? Haben die Gesundheitsgurus wieder mal zugeschlagen? Leberwurst ist zu fett, höre ich sie sagen. Chemische Zusätze, zu Ungunsten des Geschmacks? An irgend etwas muss es ja liegen. Beim Brot, wo Deutschland auch mal so etwas wie Weltmeister war, stellen wir seit Jahren den gleichen Niedergang fest: 1000 Sorten in den Supermärkten können nicht darüber hinweg täuschen, dass Brot eine meist geschmacklose Massenware geworden ist.

Sieht gut aus, aber uninteressant 
Damit meine Augenbraue nicht zu sehr leiden muss, verzichte ich hier auf die Bemühung, etwas nachzuweisen. Es sind Dinge des Geschmacks, Erfahrungen, die jeder irgendwann einmal macht. Man kann darüber nicht streiten, sonst müsste man eine bestimmte Partei eine Nazipartei und ihre Anhänger geschmacklose Hetzer nennen. Aber, vielleicht hat sich auch hier der Geschmack unmerklich verändert. Bei der deutschen Leberwurst ganz sicher*.

Kleiner Nachtrag: Heute finde ich im Supimarkti eine Leberwurst, die tatsächlich essbar ist. Ich gebe also meine Hoffnung wieder mal nicht auf.


Montag, 11. September 2017

Nase schon wieder voll.

Das muss ich erklären. Vor ein paar Tagen sind wir aus England eingetroffen. Die Fahrt mit dem Auto war etwas beschwerlich. Ich höre von Angela Merkel (im Wahlkampf), dass Deutschland eine liberale Demokratie ist. Nach dem, was Erdogan wieder losgelassen hat, der seine türkischen Landsleute davor warnt, nach Deutschland zu reisen, ist Merkels Reaktion eher verständlich. Und eigentlich viel zu vague. Aber, was soll's. Meines Wissens habe ich aufgrund dieser chauvinistischen Hetzkampagne dieses selbsternannten Minidiktators keinen einzigen türkischen Freund verloren. Das eine hat mit diesem anderen nichts zu tun.

Falsches Lächeln 
Dann ging ich zu meinem Lieblingsbauernladen, um endlich eine echte deutsche Leberwurst zu erstehen. Und die guten Äpfel, den herrlichen Bergkäse, das Quittengelee und vieles andere. Das gastronomische Heimatgefühl hatte sich schnell wieder eingestellt. Drei ältere Damen aus Freudenstadt waren auch gekommen, um gut und billig(er) einzukaufen. Sie hatten einen recht langen Weg bis nach Oberkirch auf sich genommen. Leider benahmen sich diese Kundinnen wie ein Tribunal: wieso die Äpfel nicht billiger seien. Die gute Sorte war es auch nicht. Kein einziges freundliches Wort. Dann schwirrten sie ab. Ich dachte, aha, ich bin zurück in Deutschland. Der unnötig feindselige Ton, bei unnötig unhöflichen ollen Tanten. Das kenne ich. Warum, würde ich Angela Merkel fragen, gibt es diese Diskrepanz zwischen diplomatischer Offenheit (schließlich haben wir ziehmlich großzügig die Türen für Hunderttausende Flüchtlinge geöffnet) und dem rechthaberischen, säuerlichen und abweisenden Ton des Menschen von der Straße, der immer noch nicht gelernt hat, sich zivilisiert zu benehmen?

Der hässliche Deutsche 
Wer aus England kommt, wo wir jetzt wohnen, erfährt diesen kulturellen Schock wie einen Hammerschlag. Den Deutschen geht es gut. Wir werden selbst durch andere geachtet und meist fair behandelt. Der Umgangston in diesem Land hätte sich schon längst dem freundlichen Klima unter zivilisierten Menschen anpassen können. Dazu gehört ein freundliches Lächeln, auch wenn es nicht immer herzlich sein muss. In England ist es auch in der tiefsten Provinz so. In Deutschland wird der andere, und auch der Fremde, zunächst wie ein potenzieller Feind behandelt. Eine Chance, sich freundschaftlich miteinander zu unterhalten, bevor man mit dem Anwalt droht, scheint es kaum zu geben. In zwei Wochen sind wir wieder in Yorkshire. Ich schäme mich immer ein wenig, wenn ich mit solchen Provinzbanausen zu tun habe.

Das könnte eine Deutsche sein. So freundlich wie die lächelt 
Da ich mir die germanische Rechthaberei schon längst abgewöhnt habe, erfahre ich auch, wie schön es ist, von einem Fremden höflich behandelt zu werden. Ist es das Geld? Das Häuschen, der Garten? Das Auto? Auf fast allen Gebieten geht es uns besser als den anderen. Werden wir bedroht? In anderen Ländern gibt es auch Probleme, aber man nimmt sich und seine Geschäfte nicht so ernst. Nur in den USA will dieser Trump Amerika wieder "groß" machen. Wie lächerlich so etwas ist, versteht jeder auf Anhieb. Die Merkel will die Wahlen wieder gewinnen. Das ist ihr gutes Recht.


Das bringt mich zu dieser Partei, die auch gewählt werden  möchte, die AfD. Wenn wir deren Gehetze und typisch deutschen Primitivismus zum Maßstab nehmen, sind wir eigentlich keine Kulturnation mehr. Ich frage mich, ob wir mit Merkel richtige Antworten finden, oder ob der Ton noch rauher werden wird. Wir sollten mehr auf andere schauen und das Rechthaberische im typisch deutschen Wesen (tut mir leid) bescheiden beiseite legen. Die AfD würde das als Nestbeschmutzung bezeichnen, was ich da geäußert habe. Da Eigenlob meist stinkt, halte ich mich lieber im kritischen Bereich auf, wo man noch über Dinge diskutieren kann.










Dienstag, 5. September 2017

LGBTQ oder so. Aufklärung oder Abklärung?

Ich möchte mich gerne lustig machen über das Chaos und Englischgefasel, das in unserer sexuell befreiten Internet- und nichtinternet-Welt zu herrschen scheint. Die armen Opfer dieser deutsch-englischen oder eher englisch-deutschen Verdrehung nehme ich aber aus. Jemand, der sich über seinen sexuellen Standort nicht im Klaren ist, hat genug Probleme und kann seine sexuelle Veranlagung kaum ungestört ausleben. Doch - mit wenigen Ausnahmen -
ist am vielleicht zu hoch eingeschätzten Sexualleben des Menschen jeder irgendwie beteiligt. Daher die große sexuelle Neugier, schon von klein an.


Die sexuelle Befreiung kam mit Lady Chatterlay's Lover von D. H. Lawrence? Frivole Kost, die schon 1928 das Licht der Welt erblickt hatte. Doch der Umbruch lässt sich zeitlich nicht einfach festlegen. Die 68er Protestbewegung mit Rainer Langhans und anderen hat ebenfalls mitgewirkt, und die mehr und mehr unerträgliche Bigotterie und das Scheinheiligtum waren nicht ganz unschuldig. Der Mensch brauchte mehr Freiheit und emanzipierte sich auch sexuell. Als mein bester Freund mit 12/13 Jahren einem Mädchen im Spaß das Höschen runter zog, war die Empörung noch so, dass er das Abitur nicht machen konnte. Ein neugieriger Kinderstreich, der schwer geahndet wurde. Das Mädchen scheint aber keinen Schaden genommen zu haben.


Noch waren die Großmütter und Kirchenvertreter die obersten Hüter der Moral, als Oswalt Kolle noch den Aufklärer spielte und wir alle fasziniert eine neue Sprache lernten. Man hörte Worte wie bumsen, onanieren, Schwanz und Möschen. Die Erotikindustrie nahm ihren Aufschwung, obwohl Geschlechtsteile in der amerikanischen Filmproduktion heute immer noch prüde weggesteckt werden. Dafür haben jetzt Finanzmenschen keine Scham mehr, nur so in den Milliarden zu wühlen.


Leider sind wir Sexkonsumenten heute Opfer ungeheurer Kolonialisierung, denn das Englische beherrscht in diesen Dingen sozusagen die sprachliche Landschaft. Wir sind nicht mehr einfach nur an Sex interessiert, nein, wir bekennen uns zu LGBTQ. Um dieses Kürzelmonster zu entwirren, sucht man Hilfe im Internet. Da erfährt man, dass man entweder L (lesbisch), Gay (schwul), Bi (bisexuell), T (Trans-) oder Q (questioning = sich fragend) ist. Bei dem Q frage ich mich immer noch, wer oder was ich bin. Bei dem so gerne gebrauchten LGBT geht mir alles ein wenig zu sehr ins Intime. Bin ich lesbisch, schwul, Bisexuell oder Trans? Weiß ich es etwa nicht, oder will ich es nicht sagen? Gehört es zur sexuellen Freiheit, es zu sagen, oder habe ich die Pficht, ein Bekenntnis abzulegen?


Doch seit man von der katholischen Kirche keine offenen Bekenntnisse über Kindermissbrauch durch Kirchenmänner erfährt, ist es schwer zu verstehen, warum man sich dazu bekennen soll, ein wenig schwul, lesbisch oder bisexuell zu sein. Wenn ein amerikanischer Präsident in seiner Amee keine Transsexuellen und keine Muslime aus bestimmten Ländern haben möchte, müssen wir armen Erdenbürger auch nicht sagen, wo hin wir neigen. LGBTQ eben, sonst nichts. Oder doch? Und wenn ja, warum? Dann drehe ich mich lieber mit Lady Chatterley und Oswalt Kolle rhythmisch im Grab herum oder onaniere nach Herzenslust.




Sonntag, 3. September 2017

Atomgequatsche.

Heiße Eisen sind dazu da, angepackt zu werden. Lange Zeit hat die westliche Welt hingenommen, dass die USA Atomwaffen besitzen. Bisher konnte man sie auch als Garant für eine Art Weltfrieden durchgehen lassen. Schließlich hat es seit Hiroschima nicht mehr gekracht. Doch, drei Tage später, als Japan noch nicht aufgegeben hatte, und Nagasaki dran kam. Wieviele Menschen sind damals umgekommen? Egal. Egal?

Hiroschima 1945 
Großbritannien und Frankreich folgten als sogenannte Siegermächte. Auch sie gehören zu den Glücklichen der oberen militärischen Welt-Klasse. Kein Wunder, dass auch Israel dazu gehören musste. Doch hier zeigt sich schon, dass nukleare Ausstattung zwar als Abschreckung benutzt werden kann, jedoch nicht, um den Gegner zu erpressen. Sonst hätte der Nuklearzwerg Un aus Nordkorea längst zugeschlagen. Welch Wahnwitz, dass gerade die Vereinigten Staaten einen gewählten und voll autorisierten Präsidenten haben, der am liebsten mit seinen nuklearen Fingerchen an sich herumspielen möchte. Was hält ihn davon ab? Der kleine Un hat ihn doch schon genügend gereizt.

Der Pilz von Nagasaki 
Ist es Vernunft oder die blanke Furcht? Der Einsatz von Atombomben - wie Hiroschima und Nagasaki gezeigt haben, ist auch für die älteste Atommacht schlechthin ein Verbrechen. Als ob es durch Hunger, Flucht, Flugzeugabstürze, Autounfälle, Drogen und Waffenbesitz nicht schon genug Tote gegeben hätte. Leider sieht es jetzt so aus, als könne man die beiden Verrückten mit Nuklearbesitz nicht wirklich mehr zum Verstummen bringen.

Kim Jong Un 
Wir haben Russland und einige andere Länder vergessen. Etwa Saudi Arabien. China. Was wollen sie? Protzen mit dem Material? Sich schützen? Gibt es nicht genügend Irre, die gerne draufhauen? Die Zeit scheint mir gekommen, den atomaren Vorwand zu beenden. Er kostet Unsummen, und wenn es doch einer nicht lassen kann, haben wir den Knall. Dann ist alles möglich. Wer wen bedroht, liegt sicher nicht in den Händen Amerikas. Wir alle haben die Pflicht, die konkrete Gefahr durch Atomwaffen zu bekämpen. 

Samstag, 2. September 2017

Gewöhnlich stecke ich voller Ideen.

Nein, über den doofen Trump will ich nicht mehr schreiben. Die rechten Biodeutschen mit ihren eingebildeten Problemchen sind jetzt ebenfalls mal tabu. Bei Dummgeschwätz und Hasstiraden stellt sich schnell die Langeweie ein. Bleiben nur noch die Merkel, die nicht weg müssen will oder weg wollen muss, der bauernschlaue Ungar, Victor Orban, dem ohnehin keiner über den Weg traut, und die Großmutter Petry, die endlich geboren hat und deren Säugling sich nicht für die Vermarktung eignet. Das hat sie schon mitgekriegt. Auf die unsägliche Storch gehe ich nicht freiwillig ein. Sie wiederholt sich nur noch, und diesen Meuthen nimmt man schon wegen der ekeligen Schnute nicht gerne in den Mund. Das Rechtsgeplapper scheint sich (momentan) erschöpft zu haben.

Ja, ja, die Wahlen... 
Natürlich freut man sich, wenn es an dieser Front etwas ruhiger wird.  Kreativität war ja nie ihre Sache. Ich scheue mich auch ein wenig, Literarisches ins Auge zu fassen. Hier in England gibt es eine blühende Krimiproduktion. Ob die stolze Nation wirtschaftlichen Rückschritt durch Hinwendung zum Verbrechen kompensieren möchte oder das Wegschauen von den Folgen des Brexit praktiziert, wir wissen es nicht. Sicher ist, dass Val McDermit eine der schärfsten Krimiautorinnen ist, die noch frei herumlaufen. Unter fast 600 Seiten fängt sie nicht an. Die Erregung des Lesers steigert sich mit jeder Seite. Ich mag mir nicht vorstellen, dass ich vor 2 Jahren noch keine Ahnung von dieser Dame hatte.

Von der auch nicht. 
Es gehört zu den fiesesten Eigenschaften eines Lesers, die Krux eines Krimis breitzuwalzen. Kein Wort kommt über meine Lippen. Nur so viel: die Dame lohnt sich allemal. Ihr Dr. Tony Hill, ein sensibler und überbegabter Profiler und die energische und erfolgreiche Carol Jordan, tauchen in ihren Romanen auf, wenn ein Serienkiller mit sexuellen Neigungen die Menschheit verrückt macht. Tony Hill findet die abenteuerlichsten Motive heraus, und Carol, die Polizeidame, ist manchmal als Versuchskaninchen tätig.

Und von Val McDermid leider auch nicht.
Mc Dormid: "The Last Temptation" spielt teilweise in Berlin und hat mit der faschistischen Vergangenheit zu tun. "The Mermaids Singing" befasst sich mit verschwundenen Jugendlichen und einigen Hintermännern. Das gequälte Hirn eines Serienkillers wird durchleuchtet. "Wahrhaft beängstigend" sagt die Kritik.  "The Wire in the Blood". Jäger und Gejagte machen alles noch schlimmer. In welcher Übersetzung diese Krimis auf Deutsch zu finden sind, würde ich als eine lohnende Suchaufgabe bezeichnen.


Da man solche Literatur gerne nicht einfach verschlingt, sondern genießt, indem man das Ende etwas hinausschiebt, nimmt man dazwischen mal das komplizierte Soduko zur Hand, das mit den 16er Quadraten. Oder, man geht in den Garten, wo zur Zeit die schwarzen Johannisbeeren reifen, äußerst schwarze aromatische Beeren, die mit viel Zucker zu wahnsinniger Konfitüre verarbeitet werden können, die man ganz sicher nicht in einem Supermarkt findet. Damit hat man den Boden der nüchternen Realität wieder betreten.