Freitag, 31. März 2017

Vive la France - Ihr Bettnässer!

Jetzt habe ich zweimal zugeschlagen. Es lebe Frankreich ist ganz ehrlich gemeint. Mit Bettnässer meinte ich einen gesundheitlichen Zustand, der sowohl im eigenen Bett, als auch außerhalb als Schimpfwort zu gebrauchen ist. Ich komme damit auf alte Klischees zurück, die fast überholt sind und heute neu überdacht werden müssen.


Von Frankreich wissen wir, dass es in der Vergangenheit mehrere Hauptgegner hatte: nicht nur England, Deutschland und Spanien. Man sagte, die Engländer könnten die Franzosen nicht riechen. Napoleon, sowie der Konkurrenzkampf um afrikanische Kolonien, waren die Hauptmotive. Vielleicht auch eine angeborene gegenseitige Abneigung? Auch Spanier und Franzosen sind sich gefühlsmäßig nicht ganz grün, und für die Deutschen waren die Franzosen die wohlverdienten Erbfeinde. Napoleon, das geliebte Elsaß und die Grenznähe am Rhein lassen grüßen. Nach der abermaligen Übernahme des Elsaß war der Hass auf alles Deutsche Ehrensache.


Le Général Charles de Gaulle und seine wolkigen Vorstellungen von Europa und dessen Führung, aber auch die gefühlte Vorherrschaft auf gastronomischem Gebiet machten uns die Franzosen schwierig. Die Engländer mit ihrem untergegangenen Weltreich und dem British-Empire-Geplappere, nicht zu vergessen die ewig regierende Königin mit den deutsch-europäischen Wurzeln, haben uns Resteuropäer nicht richtig warm werden lassen. Auch ihre Extrawürstchen mit dem großen Amerika störten uns immer wieder. Ganz zu schweigen von Maggie Thatcher, die mit ihrem Falklandkrieg und ihrer Bergarbeiterphobie jeden wohlmeinenden Skakespearefan auf die Palme bringen konnte.


Die Deutschen, nach dem Zweiten Weltkrieg, den sie verloren hatten, sahen zwar Europa als einzigen Ausweg, neue Kräfte zu bündeln, aber ihr Wirtschaftswunder konnte in der Welt auch falsche Töne erzeugen. Die Reisesucht mit ihren neureichen Aspekten und ihren technisch überlegenen Autos sorgte für viel uneingestandenen Neid bis hin zur offenen Ablehnung. Dann kam die Zeit, wo Bettnässen sich leicht behandeln ließ und als Schimpfwort allmählich verschwand. Auch viele Abneigungen wurden durch grenzüberschreitende Liebesaffären, Koproduktionen und Joint Ventures zunichte gemacht.  Die Ehen zwischen Romy Schneider und Alain Delon oder Brigitte Bardot und  Gunter Sachs waren löbliche Anfänge einer neuen Entwicklung.


Lasst uns zum Punkt kommen. Schon bald sah es so aus: Meine Schwester Lilly heiratete einen Amerikaner. Ich eine Engländerin. Ulrike einen Franzosen. Wilm, der Holländer, eine Deutsche, Pit eine Schwäbin aus Australien, Klaus eine Ungarin, Rolf eine Finnin. Diese Liste real existierender  Ehen (bzw. Exehen) könnte unüberschaulich lange fortgesetzt werden. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie dabei Vorurteile reihenweise verblasst sind und die Bereitschaft zum Kompromiss vieles aus dem Weg geräumt hat, was alhergebracht und überliefert war. So betrachtet, ist unser Mittelalter erst jetzt am Untergehen, und das Abendland hat so nie existiert. Die neuen Werte werden nicht ererbt, sondern mühsam wieder hergestellt und abgeschaut. Sie sind nicht christlich-jüdisch, sondern  menschlich. Und ein wenig muslimisch. Deshalb dürfen wir die Rülpser unserer Zeit wie Eintagsfliegen behandeln: Trump wird verschwinden, PEGIDA und AfD werden braune Flecken wieder verblassen. Le Pen und Ähnliches werden völlig unfranzösisch die Fliege machen, und der Brexit, our pain in the neck, wird sich vor Selbstzufriedenheit in die Hosen machen und ganz europäisch dabei nässen.


Da die Dinge auf dieser Welt immer noch schlimm genug sind, sollten wir das Bettnässen wie eine unangenehme Plage behandeln und uns auf das konzentrieren, was wir ändern können: die Lieblosigkeit, das Unverständnis, den Unfrieden, den Hass, den Rassismus und - selbst Götter kämpfen dagegen -  die Dummheit. Die internetbedingte Furcht, die uns umgibt, ist neu, aber leicht zu bekämpfen: einfach nicht hinschauen.

Der englische Fussballklub von Huddersfield soll jetzt 6 deutsche Kicker und einen deutschen Trainer haben. Die französische Modeszene, sollte es sie noch geben, wird von Karl Lagerfeld aufgemischt, und die englische Küche hat sich erstaunlich kosmopolitisch gemausert. Wir wissen heute so vieles Interessantes, unwissen aber noch viel mehr. Das war schon immer so. Wenn Donald Trump Ungarn für die Hauptstadt von Budapest hält, ist ihm wohl nicht mehr zu helfen. Er wird zu den ersten Zombies der neuen Welt gehören, die wir bald vergessen können.



Donnerstag, 30. März 2017

Wieso komme ich auf Gergiev?

Acht Jahre hielt er es am LSO aus. Dann zog er wieder weiter. Das Londoner Symphonieorchester und seine Anhänger waren nicht überwältigt, wenn man bedenkt, wie großartig Valery Gergiev, das russische Dirigiertalent, in seinen jungen Jahren Furore gemacht hat. London lobte ihn nicht. Er zeigte nicht sein ganzes Talent. Er schien eher eine Art Reisender in Sachen Musik zu sein. Ich will das nicht beurteilen. Musik ist ohnehin weitgehend Geschmacksache. Man denke nur an das Konzert für vier Helikopter von Stockhausen.

West Side Story 
Allerdings habe ich den Putin-Freund Gergiev in aufregender Erinnerung. Er hat zwar immer geleugnet, dass er und Putin Taufpaten ihrer jeweiligen Kinder seien, aber als Dirigent gehört er zu den ganz Großen, wenn man von den Halbgöttern Karajan, Otto Klemperer, Rattle, Leonard Bernstein, Claudio Abbado oder Toscanini einmal absieht. Jeder hat seinen Lieblingsdirigenten, der dann auch prompt die Lieblingskomponisten im Repertoir hat. Mein eigentlicher Wunderknabe war von Anfang an Bernstein mit seiner ganzen Bandbreite: Biblisches, Klassisches, Moderne und Jazz. Er hatte eine freundlich-männliche Art, seine Sachen zu dirigieren. Das ging von der eigenen West Side Story bis zu George Gershwin. Er war der erste Amerikaner, der als Taktstockschwinger, Pianist und Komponist Weltruhm erlangte. Er soll gesagt haben, für ein Projekt braucht man zwei Dinge: einen Plan und nicht genügend Zeit. Dafür liebe ich ihn. Seine Neunte von Beethoven, als die Berliner Mauer gefallen war, sitzt uns noch freudig-warm in den Knochen.

Ode an die Freude 
Herbert von Karajan, für den ein Freund von mir jahrelang bei den Berliner Philharmonikern geigte, blieb für mich immer ein in sich gekehrter, leicht verschlossener Schlangenbeschwörer mit einem leichten Ruch aus der Zeit des Dritten Reiches. Aber eben auch ein ganz Großer. Gerne erwähne ich auch Claudio Abbado, den ich nie dirigieren sah, aber traf, als er zusammen mit Walter Scheel das Europäische Musikjahr 1985 betreute, das Wolfgang Hildesheimer eine Schnapsidee nannte. Ob Musik und Schnaps zusammenpassen, erschließt sich daraus noch nicht.


Valery Gergiev ist zur Zeit in München am Dirigieren. Dann ist er der künstlerische Direktor der Sankt Petersburger Weißen Nächte, um nur ein Beispiel für seine vielfältigen Beschäftigungen zu geben. Ich muss ihn vor Jahren beim Dirigieren in Baden-Baden gesehen haben. Seitdem bin ich ein Fan von ihm. Mahler, Tschaikowsky, Wagner, Rimsky-Korsakow, sie alle sind in seinem Programm, das er vor allem auch der Jugend vemitteln möchte. Was mich am meisten an ihm fasziniert, ist sein Minenspiel und sein Fingerspiel. Gebannt schaue ich auf den Gebrauch seiner Finger, wenn er das Ende einer Ouvertüre heraufbeschwört oder einer Symphonie.


Mittwoch, 29. März 2017

Zum Knuddeln zu süß? Cuddle Workshop, endlich!

Ich hatte eine Tante Johanna, die, kinderlos, von einem Bus überfahren wurde, als ich noch Kind war.  Mir war damals nur aufgefallen, dass man mir diese Schreckensnachricht möglichst lange vorenthalten wollte. Wenn wir sie trafen, rastete sie gefühlsmäßig aus, nannte mich süß und knuddelte mich. Ein Bonbon gab es auch. Mir gefiel das. Dann war sie nur noch eine liebe
Erinnerung.


Viel später glaubte ich, dass Knuddeln eine besonders erotische Art ist, alles was man an Körperlichkeit an sich hat, dem geliebten anderen Menschen in Form von Armen um den Hals zu schlingen. Für mich war das immer sehr erotisch, nicht aber mit Sex zu verwechseln. Ansonsten ist ein Knuddel eine besonders liebevolle Art, ein Kleinkind heftig durchzuschütteln. Eine Großnichte (wie nüchtern das klingt), die mit ihren verliebten Eltern nicht weit von uns, hier in Yorkshire, entfernt lebt und erst einige Monate alt ist, könnte ein Lied davon singen, wenn sie schon singen könnte. Kaum wird sie zur Tür hereingetragen, raste ich aus und knuddle sie vorsichtig. Und sie gewährt mir ein süchtigmachendes Lächeln.

Ist er nicht süß? 
Noch viel später, als gestandener Mann, mit Freundschaften auch der männlichen Art, erfahre ich Seltsames: Während ich manchmal dachte, Umarmungen unter Männern hätten einen leichten Anstrich von Homosexualität (siehe USA), falsch verstandener Brüderlichkeit (Sowjetunion und DDR) und dubiosem Herumgetatsche (überall), entdeckte ich verschiedene Variationen von durchaus männlich-liebevollen Äußerungen von unverdächtiger Zärtlichkeit.

Russenknuddel 
Ernesto, ein enger spanischer Freund, sandte per Post un abrazo muy fuerte, und im direkten Kontakt behämmerte er mit seinen Händen deine Schultern so begeistert, dass du dich gerne unter der Last zusammengebrochen wähntest. Andere nahmen dich so in den Arm, dass du dich für Momente geborgen fühlen konntest. Wenn die Geste gekünstelt war, merkte man das schnell und nahm für immer Abstand. Mit anderen Worten: der körperliche Einsatz beim Begrüßen von männlichen Freunden schien mir immer etwas übertrieben. Meine angeborene Schüchternheit ließ mich oft ungeschüttelt herumstehen.


Jetzt hat sich die Welt auf einmal geändert. Brexit hat die englische Menschheit in 2 Teile geteilt, die von Europa weg wollen und die anderen. Seitdem wird das Knuddeln mit neuen Augen gesehen. Irgendwo stand ein junger Mann, mitten im Getümmel neben einem Schild. Darauf stand: Get a free cuddle. Meine Neugier brachte mich so nahe an ihn heran, dass er die Arme öffnete und mich herzlich umarmte. Ich hatte also ohne jeden Grund einen wildfremden Menschen geknuddelt. Liegt das Knuddeln heute, wo viele vereinsamt vor ihrem Rechner oder auf der Couch vor dem Fernseher sitzen, in der Luft? Gestern zeigte mir Cath ein Faltblatt mit der Aufschrift: Cuddle Workshop Yorkshire.


Ist es Zufall, dass die Austrittserklärung aus der EU gerade zu dem Zeitpunkt stattfindet, an dem die Nation vielleicht öffentlich beknuddelt werden möchte? Jetzt lese ich, dass beim Knuddeln ein Hormon im Spiel ist, das Liebeshormon namens Oxytocin. Wann wird es ausgeschüttet? Natürlich beim Orgasmus und bei der Geburt eines Kindes. Schon ist die Knuddelindustrie am Erwachen, nachdem man per Forschung entdeckte, dass Oxytocin Männer davon abhält, sich für andere Frauen zu interessieren. Be a better man, heißt die Devise. Und, wie Oxytocin dem Manne helfen kann, eine lebenslange Liebe aufzubauen. Die wissenschaftlich fundierte Botschaft lautet: Be mine for ever (sei mein für immer). Das alles soll ohne falsche sexuelle Regungen über die Bühne gehen. Ich werde wohl bald herausgefunden haben, ob ein Knuddelkurs für Fortgeschrittene den Engländern nach dem Brexit noch etwas bringt und ob ich als Kontinentaleuropäer überhaupt für die gehobenen Techniken des Knuddelns infrage komme.






Dienstag, 28. März 2017

Die Gesundheit der Briten: I'm worried!

Wer jung ist, hat meist kein Problem mit seiner Gesundheit. Das ist auch in England so. Manche sagen, etwas euphorisch, das britische Gesundheitswesen sei das beste der Welt. Für mich ist das beste, das mir hilft, wenn ich es brauche. Hier in Yorkshire, wo Cath und ich seit fast 1 1/2 Jahren leben, sieht alles noch bestens aus: man geht zum örtlichen Gesundheitzentrum, sagt woran man leidet, bekommt einen Termin mit einem Arzt oder 'ner Ärztin, muss unter Umständen nichts bezahlen und wenn alles gut geht, ist man bald wieder gesund. Wunder gibt es fast keine, aber man kann sich dem NHS (National Health System) auch als Ausländer gut anvertrauen, zumal auch das Gesundheitspersonal aus allen möglichen Nationen zusammengesetzt ist.

Krankenpfleger? 
Als Deutscher bin ich problemlos international mit Sitz in Paris versichert. Cath ist mit dabei. Aber, Vorsicht. Morgen will die Premierministerin, Theresa May, der EU den berühmten Artikel 50 vorlegen, die Austrittserklärung der Briten, nach Jahren der (ungeliebten?) Mitgliedschaft. Da ich mich nicht als Kaffeesatzforscher betätigen möchte und die britische Regierung alles fest im Griff zu haben scheint, müssen Patienten, Kerngesunde und Gesundheitspersonal sich selbst Gedanken machen, wie es weitergehen soll. May will sich alle Verhandlungstürchen offen lassen und keine unnötigen Zusicherungen abgeben.

Wasch' mich, aber mach' mich nicht nass!
Der Gesundheitsminister der konservativen Regierung, Jeremy Hunt, legte einen 24seitigen Plan vor, der das mit der Gesundheit richten soll. Allerdings erwähnt dieses Dokument mit keinem Wort den Brexitaustritt. Das ist seltsam, denn Gesundheitsfragen stellen sich nicht nur Morgen, sondern können schon heute brandaktuell sein. Ein Gesundheitswesen lebt von Menschen, Ärzten, Pflegern, Verwaltungskräften. In England befinden sich zur Zeit 140000 EU-Personal im NHS, ohne das Krankenhäuser, Praxen und andere Stellen nicht funktionsfähig wären. Nicht nur das: Theresa May hatte angedeutet, dass sie dem Gesundheitswesen wöchentlich seine 350 Millionen Pfund Sterling zurückgeben möchte, das die EU ihm angeblich (frei nach Boris Johnson) weggenommen hat. Unsere Theresa will nun davon nichts mehr wissen. Und, sie äußert sich nicht zu dem EU-Gesundheits-Personal, das scharenweise davon läuft. Im Juli 2016 sind noch 1.300 EU-Krankenpfleger neu nach England gekommen. Im Dezember waren es nur noch 92.


Die Gesundheitslage sieht noch düsterer aus, wenn die EU ihre Investitionen von 7,5 Millionen Pfund im Rahmen des Forschungsprogramms Horizon 2020 nicht mehr auf Brexit-Großbritannien anwendet. England wäre der Hauptnutznießer. Das Gesundheitspersonal benötigt also Dableibe-Garantien, sonst wandert es ab, und das NHS braucht Geld, um nicht total zu veralten. Theresa und ihre Mitstreiter müssen also Klarheit schaffen, damit mit den Pflegern nicht auch noch die Patienten abwandern. Unser Freund, Donald Trump, wird uns allen vormachen, wie ein gewinnorientiertes Gesundheitswesen auzusehen hat. Doch vielleicht wird er bald selbst mehr Krankenpersonal benötigen. 

Freitag, 24. März 2017

Der Tod ist kein Freund.

Wenn wir lachen, haben wir ihn überwunden. Den Gedanken ans Sterben. Aber immer nur für Augenblicke. Er kommt wieder. Auch der Tod lässt sich nicht verdrängen. Hin und wieder, nicht etwa wenn der Himmel dunkelt, oder Güsse von Regen niedergehen, sondern weil wir endlich sind, unsere Erfahrungen damit machen und immer wieder an das Ende denken müssen.


Ab einem gewissen Alter beginnt der Abschied von den Lieben. Zuerst Mutter, dann Vater, dann Tante. Dann war niemand mehr da. Als Mama an Bauchspeichelkrebs starb, hatte ich sie noch kurz zuvor in der Klinik besucht. Sie schien Angst zu haben, einmal allein in einem Heim zurückgelassen zu werden. Ich sagte ihr, das würde zu meinen Lebzeiten nie geschehen. Sie war beruhigt. Wenige Tage später beendete ich eine internationale Sitzung in Straßburg. Bei meinen Schlussworten öffnete sich die Tür zum Saal, und eine italienische Kollegin stellte sich wartend an den Ausgang. Ich weiß nicht mehr, ob ich zuerst eine Ahnung hatte, als sie zu mir trat, oder ob ich es mir einbilde. Deine Mutter ist gestorben. Frau und Kinder wussten es schon, doch ich musste sofort meine Schwester in Alabama anrufen, die wie durch ein Wunder sofort zu erreichen war. Wir hatten keine Mutter mehr, und ich konnte in ihren letzten Stunden nicht bei ihr sein.

Herbst des Lebens in der Ferne 
Bei meinem Vater wiederholte sich das Schreckliche: Ich hatte ihn ins Krankenhaus begleitet. Der Chefarzt sagte mir, er würde ihn wegen seiner großen Schwäche für 2 Wochen dort behalten und mich dann informieren. Ich fühlte mich zuversichtlich, begann meine Arbeit an einem Montag Morgen. Wieder leitete ich eine Sitzung, an deren Ende meine Kollegin Maura an der Tür wartete. Mein Vater war in der ersten Nacht im Krankenhaus verstorben. Meine Schwester konnte nicht zur Beerdigung kommen. Unsere Eltern waren für immer von uns gegangen. Unsere Heimat ausgelöscht. Es lebte nur noch unsere geliebte Tante, der letzte Pfeiler unserer Familie. Sie durfte bis zum Alter von 93 Jahren leben, in einem gut gepflegten Haus, mit Ärzten, Terrasse, eigener Miniküche und den regelmäßigen Besuchen ihres Neffen. Als ihr Leben zuende ging, setzte ich mich zu ihr ans Bett und sagte ihr alles, was ich ihr zu sagen hatte. Es gehörte viel Mut dazu. Ich wünschte, ich hätte schon viel früher in meinem Leben all die Dinge sagen können, die ich mich nie traute zu sagen.


Bei einem meiner Besuche in Amerika haben meine Schwester und ich festgestellt, dass wir seit dem Ableben der Eltern uns alleine fühlen, trotz Ehepartnern und Kindern. Auch das Elternhaus gibt es nicht mehr. Wir leben im Ausland, Lilly seit über 50 Jahren und ich seit 40 Jahren. Den Verlust lieber Eltern verschmerzt man nie. Dankbarkeit und Erinnerungen vermischen sich. Jetzt, im Alter wo wir selbst an den baldigen Abschied denken müssen, kommt die Leere manchmal unversehens angekrochen. Wie eine kalte, nasse Decke legt sie sich über uns. Ein Glück, dass es beiderseits des Ozeans Menschen gibt, die wir lieben. Doch das Alleinsein ist etwas, das auch unsere Eltern kannten. Jeder Mensch kennt es. Wir müssen es überwinden. Draußen haben sich die Wolken verzogen. Die Sonne ist wieder da. Meine Schwester hat bald Geburtstag. Ich werde am Telefon einen Sektkorken knallen lassen und auf unser aller Wohl anstoßen.


Ein Mann ein Wort. Männersache.

Wer zu den fast 50% der menschlichen Gesellschaft gehört, weiß ein Lied davon zu singen. Schon ganz klein fängt es an: Sei ein Mann! Ein Junge prügelt sich nicht mit Mädchen! Ein Mann weint auch nicht! Man zeigt Mut! Natürlich hat man Mama und Oma, wenn es mal kritisch wird. Man findet schnell Vergebung und wird auch mal richtig gestreichelt. Wie jedes Kind, das geliebt wird. Aber als Knabe muss man eines wissen: man kommt nicht umhin, einmal ein Mann zu werden. Dann geht das Theater erst richtig los. Bei Mädchen ist das anders.


Bei Spaziergängen mit meinem Opa hörte ich immer: geh' ein paar Schritte voraus! Kopf hoch und Brust raus! Das gab mir die Hoffnung, später einmal ein richtiger Mann wie er zu sein. Im Großen und Ganzen bin ich an solchen Erwartungen auch nicht gescheitert. Meine größte Sorge mit 10, war,  einmal gut genug zu sein, um eine Frau zu bekommen. Auch das ist irgendwie gelungen. Bleibt die Frage: was ist ein Mann?


Von der Sphinx wissen wir, dass sie Rätsel aufgibt. Auch der Teufel in Person ist uns nicht geheuer, und von Donald Trump reden wir schon gar nicht. Wir müssen auch nicht stolz auf ihn sein. Auch Arnold Schwarzenegger ist nicht meine Kategorie, eher so eine Art Odysseus, einer der listig überlebt, Mut zeigt, wenn es notwendig ist, und mit gutem Grund nach angemessener Zeit wieder zu seiner Frau zurück kommt. Dass Penelope sich 20 Jahre selbst ernähren konnte, gehört zu den vielen Rätseln einer Odyssee.


Was also ist ein Mann? Ein Dichter und Denker? Einer mit einem Pimmel, der sich in Acht nehmen muss, dass er nicht unter die Fuchtel des "schwachen" Geschlechts gerät? Wenn er sich seiner körperlichen Stärke bewusst ist und sich seiner intellektuellen Grenzen rechtzeitig erinnert, kann aus ihm was werden. Was seine geschlechtlichen Neigungen betrifft, kann der Mann heute recht locker aufatmen: er darf Mann sein, aber auch Transmann, andere Männer lieben, auch sich selbst, und auf jede Art sexuellen Tuns ganz verzichten. Das alles ist Männersache.

Nur eines geht garnicht: sich wie eine Memme zu benehmen. Deshalb eifern viele Jungmänner auch heute noch dem amerikanischen Vorbild Cowboy nach, allerdings unter Einsatz seines Autos, statt des Pferdes. Lukas Podolski, der als Fussballstar gerade gegangen ist, käme auch infrage.


Schauen wir nach Amerika, auch wenn es zur Zeit besonders schwer fällt. Da scheint der Männlichkeitswahn gerade Hochkonjunktur zu haben. Allerdings in einer unerwarteten Weise. Es geht vielen Männern um mehr Gleichberechtigung in Sachen Häusliche Gewalt, der ein Mann heute, genau wie Frauen und Mädchen, ausgesetzt sein soll. Ich kürze das ab: Gleichberechtigung für Männer (Equal justice for men) soll heißen, dass bei Gewaltanwendung in der Familie der Mann ebenso häufig angegriffen wird wie die Frau. Außerdem fordert der gefährdete Mann, dass die ohnehin wenigen Männerhäuser in Amerika ebenfalls staatlich subventioniert werden sollten. Wer für mehr Gerechtigkeit ist, muss allerdings bedenken, dass die männliche Gewalt im Haus jahrhundertealt ist, und dass das Blatt sich offenbar erst vor wenigen Jahren gewendet zu haben scheint. Also, Brüder von der atlantischen Front, seid nicht so weinerlich. Benehmt Euch wie echte Männer und haltet auch mal die andere Backe hin.









Donnerstag, 23. März 2017

Man glaubt es nicht. Internetstuss!

Wer ins Internet schaut, hat schon verloren. Jetzt ist der Sohn von Donald Trump dran. Er hat sich über den Londoner OB Sadiq Khan (afghanische Wurzeln?) lustig gemacht. Oder war es die trump-unfreundliche Haltung Sadiqs, aus anderem Anlass? Wollen wir es genau wissen? Eigentlich nicht. Wer ist schon Trump Junior? Warum schläft der amerikanische Präsident nicht mit seiner Frau? Wie heißt sie noch? Wieso ist Frank-Walter Steinmeier, der neue Bundespräsident, für das kurze Kleid zuständig, das als Kleiderordnung auf seinem Einladungskarton, zusammen mit dem dunklen Anzug angeraten wurde? Wir wissen schon: der Präsident und seine Gäste beim Empfang im Schloss Bellevue. Ich denke, dass kurzes Kleid das Lange nicht ausschließt, und dass Hosendamen, wenn sie A. Merkel heißen, selbstverständlich willkommen sind. Der Unsinn blüht.


Freundliche Helfer haben einer Kuh beim Kalben geholfen. Morgen weiß keiner mehr, welche Kuh das war. Nein, der Londoner Attentäter ist nicht Abu Izzadeen, der vom TV-Channel 4 ins Rennen geschickt wurde, während er irgendwo noch fröhlich einsitzt. Es ist ein britischer Brite mit britischem Wurzelerbe, wenn diesmal alles stimmt. Theresa May hat jetzt auch Stellung genommen: wir lassen uns durch solche Angriffe (auf das Parlament) nicht unterkriegen. Wir trauern um die Toten und werden weiterhin wachsam sein. Wer hätte eine solche Drohung nicht ausgestoßen? Der universelle Deklarationswalzer ist wieder eröffnet.


Ehrlich gesagt, wenn eine internationale Meldung von Bedeutung (nicht die Strickart der Schlüpfer von Marine Le Pen, bitte!) aufkommt, ist es besser, ein dusseliges kleines Radio zu nehmen und auf die stündlichen Nachrichten zu warten. Also, die Fantasiegebilde von links und rechts zunächst als
das zu behandeln was sie sind: verbaler Durchfall, allenfalls abstruser Kuriositätenbrei. Wenn es sich nicht gerade um einen werbegeilen Privatsender handelt, kann man sich bei Großmeldungen auf die wesentliche Fragestellung verlassen: wie hoch, wie breit, wie tief? Und oft auch noch: was kostet es?


Aber nein, die Info-Inkontinenz im Internet ist nicht aufzuhalten. Natürlich ist es keine Meldung, wenn ein kleines Mädchen am Petersplatz dem Papst das weiße Kepi vom Kopf reißt, aber der Anblick des Lächelns seiner Heiligkeit ist eine wahre Freude. Das darf auch über den Wolkenatlas gesagt werden, der sogar seinen Platz in der Tagesschau der ARD gefunden hat. Wie dem auch sei, wir werden uns in Zukunft die angebotene Infomischung mit noch größerer Sorgfalt, mit noch strengeren Fragezeichen und mit unendlichem Misstrauen allem gegenüber selbst zusammenstellen müssen. Dann ist es eigentlich egal, wenn einer behauptet, die Kuh habe ein Kalb mit mehreren Köpfen geboren. Ich selbst sah gerade, wie eine Gans auf einen Jüngling zuflog und ihn zu umarmen versuchte.







Mittwoch, 22. März 2017

Wir haben einen, auf den wir hören können.

Eigentlich wollte ich heute etwas über amerikanischen Männerkult schreiben. Dann sah ich sie wieder, diese Bilder von diesem unsäglichen amerikanischen Präsidenten, der sich immer mehr in seine eigenen Lügen verheddert. Wenn das Auge nicht schon viel Schlimmeres gesehen hätte, würde ich sagen: es genügt. Dieser Mensch richtet sich selbst zugrunde. Darüber kann man sich nicht freuen.

Freiherr von Münchhausen 
Worüber ich mich freue: da fängt einer seine Rede mit klaren Worten zur gegenwärtigen antieuropäischen, anti-Angela-Merkel'schen Eiszeit in der Türkei an, ohne ein einziges hässliches Wort zu gebrauchen. Dann sagt er noch zu Erdogan: Geben Sie Deniz Yücel frei. Dann erst wendet er sich seiner  eigentlichen Aufgabe zu, nämlich in seiner Antrittsrede als neuer deutscher Bundespräsident den Landsleuten zu sagen, wie er die Dinge sieht.


Mit wenigen Ausnahmen hatten wir nur Präsidenten, auf die man stolz sein konnte: Papa Heuss, Heinemann, Weizsäcker usw., und Herr Gauck. Das Land darf sich glücklich schätzen, dass hier die Wahlen von Spitzenpolitikern nicht automatisch in die Hosen gehen. Das Menschliche an Frank Walter Steinmeier ist kaum jemand verborgen geblieben. Dazu findet er die richtigen Worte, die niemanden verletzen. So sollten Staatsmänner sein. Sind sie aber meist nicht. Er ist ganz sicher die Ausnahme. Deshalb ist es unerheblich was er sagt, es kommt immer richtig rüber.



Warum ich nicht Bundespräsident geworden bin? Erstens wollte ich nicht. Zweitens konnte ich nicht. Drittens sage ich zu oft 'Scheiße'. Doch, wo ich außerordentlich gut bin, ist die neidlose, ja brüderliche Anerkennung von Menschlichkeit, Verstand, Talent und aufrichtigem Charakter. Meine eher miese Seite ist die Unmöglichkeit, Schmeicheleien über meine Lippen zu bringen. Mein Problem mit einem Donald Trump ist, dass ich keinen guten Faden an ihm lassen kann. Und bevor ich mich dazu hinreißen lasse, laut meinen Stolz auf mein Land zu verkünden, das ich wieder groß machen möchte, schweige ich. Doch bei unserem neuen Bundespräsidenten fällt mir zunächst nichts Besseres ein, als zu sagen: Gutes Gelingen. Du bist der Richtige.

Dienstag, 21. März 2017

Keighley News...die Provinz ruft.

Ich muss auf andere Gedanken kommen. Die weltweite Trumpschelte macht keinen Spass mehr. Wir sind uns doch alle einig, dass dieser selbsternannte King den Bach selbst hinuntertrudeln kann. Es ist nur eine Frage der Zeit. Es darf vermutet werden, dass seine Karikatur Minuten vor Trump gezeugt wurde und jetzt den wichtigen Teil der Trumpberichterstattung übernommen hat. FakeNews inbegriffen, mit denen wir jetzt leben müsen.

Wie konnte das passieren? 
Hier in Haworth-Keighley, Westyorkshire, abseits der Linie London-Edinburgh, also in der Provinz, gibt es die Keighley News, eine vielgeliebte lokale Zeitung, die sich jeder hier an seinem Frühstückstisch liegend wünscht. Seit letzten Donnerstag (16. März), als ich die KN für 85 Cents gekauft hatte,  versuche ich, das Geheimnis der britischen Lokalpresse zu ergründen. Ich habe schon viele brave Provinzzeitungen gelesen. Gewöhnlich fehlt ihnen der Ehrgeiz, journalistisch wie die ganz Großen, also der Guardian, die Süddeutsche oder El País aufzutreten. Dafür kann man nachlesen, was die Agenturen so bieten: Trump hat wieder gelogen, oder Es wird einen harten Brexit geben, oder Merkel umarmt Hollande. Der Rest ist eh Fussball oder Angriff auf Asylantenheime.


Die britische Presse ist da anders gestrickt, vor allem die Regionalpresse. Die Erinnerung an Altes ist wichtig. Der menschliche Aspekt einer Sache. Fundraising, Spendenaufrufe für geschädigte Menschen, krebskranke Kinder, lokale Bestechung im Straßenbau und vor allem, enge Verbundenheit mit der Heimat, auf die man nichts kommen lässt. Hervorgehoben wird alles, was einmalig im Land oder in der Welt ist. Deshalb haben auch die Royals einen festen Platz, auch wenn man vom normalen Küchentischgeplaudere kaum weg kommt.


Heute früh kaufe ich mir die Keighley News von heute. Als ich sie zuhause aufschlug,  quollen mir die Augen über: wie kommt es, dass man fast eine Woche später die gleiche Ausgabe dieses Blattes angedreht bekommt? Ich habe also 64 Seiten, davon 58 Seiten News, der Rest ist Sport. Drei Seiten Fussball und 3 Seiten Rugby. Letzteres mit Farbfotos von wuchtigen Männern im Einsatz. Boss ready to shuffle pack after Golds flop. Meine Bemühungen, diesen Titel irgendwie zu begreifen, blieben fruchtlos.


Die Titel sind herzlich unaufregend. Die zweite Hälfte des früheren Keighley Kollegs kann jetzt abgerissen werden. Dann Foto mit dem netten Taucher James Denny und seinem Schützling Ryan: Splashing the cash. Es geht um  Geldsammeln für ein Krebskind. Seite 2: böse Attacke kann zur Geschäftsschließung führen. Seite 3: Herrenhaus steht zum Verkauf. Seite 4: Neue Hoffnung für Kindersex-Untersuchung. Erst später taucht das nationale Problem des EU-Ausstieges auf. Die wahre Sensation ist jedoch Folgendes: Auf keiner einzigen Seite wird der Name Donald Trump erwähnt. Kann es sich da um eine Freudsche Fehlleistung handeln oder gar um ein fundamentales Umdenken des Provinzjournalismus in England?  Ich stehe vor einem Rätsel und wundere mich auch, dass die 90jährige Königin nicht in die Schlagzeilen der Keighley News gerutscht ist.  Wie kommt das? Kann es sein, dass ganz wichtige Meldungen nicht in die Schlagzeilen gelangen oder nicht wichtig genug genommen werden? Oder nimmt sich die Heimatpresse heraus, selbst zu bestimmen, was interessiert? Eine spannende Entwicklung scheint sich da anzubahnen. Andererseits nimmt auch das Internet, wo hemmungslos getwittert wird (siehe Trump), vieles vorneweg, und die Lokalzeitungen bleiben auf ihrem noblen Auftrag, über fast nichts zu berichten, vornehm sitzen. Des Rätsels Lösung: ich bin einem Irrtum aufgesessen: Die Keighley News ist keine Tages- sondern eine Wochenzeitung.
















Samstag, 18. März 2017

Angela hat ihn geknackt.

Ich habe es mir hundertmal überlegt, ob ich NOCHEINMAL auf diesen Zinnober eingehen soll. Es ist zu schön, das zu tun. Welch großartige Gelegenheit, Dampf abzulassen. Schon der Besuch Theresa Mays bei dem Weltführer in Washington hat Augenbrauen hoch gehen lassen. Es wirkte alles so gekünstelt. Vor allem der männliche Händedruck, den er ihr verpasst hat. Präsidenten lernen schnell.
Angela Merkel, die lieber auf einer Eisplacke in einem amerikanischen Schneesturm ausgerutscht wäre, sah sich gezwungen, ihn bei der Audienz vorzuführen, die er für sie veranstaltet hat.


Einzelheiten müssen nicht aufgezählt werden. Der amerikanische NOCH-Präsident hat ihr klar zu verstehen gegeben, wer weltweit die Hosen anhat: Angela Merkel. Ich habe in den Internetsturm hineingeschaut, obwohl  das nicht gut für die Augen ist. Leute jeder Herkunft, die von Politik vielleicht wenig Ahnung haben, ließen sich zu Kommentaren hinreißen. Mit vielen Wiederholungen und auch mit einem kräftigen Schub Originalität. Das scheint mir neu an diesen Staatsbesuchen, die sonst keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken. Er ist ein Idiot, heißt es da. Er ist Scheiße. Eine Schande für Amerika. Geisteskrank und infantil.



Unsere Kanzlerkandidatin hat mit ihren mäßigen Gewinnchancen bei der Bundestagswahl, ohne ein Händchen zu rühren, nur so, einen medialen Werbe-Coup gelandet, den man ihr gerne gönnt. So etwas kommt so schnell nicht mehr vor. Unsere Angie, mit großem Taktgefühl (der Überlegenheit) gegenüber dem mächtigsten Mann und Händeschüttler der Welt, wird jetzt von allen bewundert und geschätzt. Sie ließ sich nicht einwickeln wie unsere Theresa, die sich auf gleicher Ebene mit ihm fühlte, im Brexit verbunden. Angie schnitt Gesichter, wie man sie nur sehen kann, wenn ihr zuhause ein Apfelkuchen missrät. Angela, wir begrüßen Dich zuhause wie eine Heldin. Geh' nicht NOCHEINMAL zu ihm! Du hast Besseres verdient.

Freitag, 17. März 2017

Der Heiratsantrag und was dann?

Ich lese gerade einen aufregenden Krimi von Hakan Nesser auf Englisch. Seine Lieblingskommissarin Ewa Moreno, eine hübsche, intelligente junge Frau, die mit Kollegen einen verzwickten Mordfall zu lösen hat, ist mit ihrem Freund Mikael Bau zusammen. Mikael ist ein begabter Koch, der Ewa mal wieder mit seiner hausgemachten Fischsuppe betört. Sie lässt es ihn wissen, und geht anschließend in seine Falle: Sie fragt nach dem Rezept. Er sagt, dass man für den Sud Hummerschalen verwendet. Wenn du mich heiratest, verrate ich es dir. All right, sagt sie und gesteht sich ein, dass sie so etwas wie ja gesagt hat. Bei früheren solchen Anträgen hatte sie es immer verstanden, auszuweichen. Wie's weitergeht, weiß ich (noch) nicht.


Wie oft habe ich mit ansehen müssen, wie ein gefilmter Heiratsantrag abläuft. Er sinkt vor der Schönen auf die Knie, zieht eine Art Etui aus der Brusttasche, öffnet dieses und sagt nicht ohne ein ängstliches Falten seiner Stirn: Willst du mich heiraten? In 98 von 100 Fällen sagt die schöne Elvira oder Gerlinde ihr lange heimlich erwartetes "Ja", und die im Film meist nicht mehr eingeplanten Feierlichkeiten können beginnen. Oft wird dieser Antrag heute im Kreise von ganz vielen Menschen gestellt, quasi zur Untermauerung des Begehrens. Meine Geschmacksnerven haben mir bei solchem Tun immer signalisiert, dass da etwas nicht stimmt.


Andererseits ist die Planung einer Familie, auch wenn bereits Zwillinge unterwegs sind, eine total unöffentliche Angelegenheit, die man zunächst unter sich regeln möchte. Nicht wegen der Zwillinge, sondern, weil man dann getrost zu Mama und Papa gehen kann, wegen der notwendigen Zuschüsse und dem Einverständnis des Klans. Es gibt ja doch vieles zu bedenken. Und Ewa Moreno hat ja immer noch diese ungeklärten Morde am Bein, an denen sie genug zu knabbern hat.

Wie lange hält das noch? 
Wie war das eigentlich bei uns? Auf die Knie ging ich nicht. Die Ringe hat Cath irgendwo lustvoll besorgt. Die Frage hatte nicht gelautet: willst du mich heiraten? Sondern, im vertauten Gespräch kam das Thema auf: wir könnten ja, oder sollten wir? Was wollen wir? Kein Thema, war die Folge dieses Gesprächs, nur Einverständnis. Ja, wir wollen. Und, wir würden es immer wieder tun. Hauptsache, die Bouillabaisse, die ich gelegentlich gemacht habe, oder das Leipziger Allerlei, reißen sie vom Stuhl, und der Abwasch erledigt sich von selbst.

So nimm denn meine Hände 
Bei gleichgeschlechtlichen Anträgen, falls das Eingehen einer Ehe rechtlich möglich ist, vermute ich eine Anlehnung an althergebrachte Riten, oder das Fehlen jeder gespreizten Feierlichkeit. Und das ist gut so, denn ein Kniefall etwa ist so etwas wie eine freiwillige Unterwerfung. Dieser Schuss kann eigentlich nur nach hinten losgehen. Gleiche Augenhöhe scheint mir da der richtige Ausweg.

Donnerstag, 16. März 2017

Hexenverfolgung: Abrakadabra!

Ich habe sie immer geliebt, diese furchterregenden alten Schrummeln, mit Kopftuch, spitzer Nase, 'ner Warze drauf, und dem Kinn, scharf wie eine Sichel. Ich stellte mir vor, ich flöge mit der Hexe durch die Lüfte, natürlich, auf dem Besen reitend und schrille Laute keifernd. Nur an die Landungen kann ich mich nicht erinnern. Man darf sich Hexen auch anders vorstellen. Meine Lieblingslehrerin, eine süße alte Dame, hatte die Warze auf der rechten Backe sitzen. Ein Stachel ragte daraus hervor. Manchmal dachte ich, ich müsse sie genau dort hinküssen. Dazu kam es jedoch nie.

Aus der Badischen Zeitung 
Was mir auch vertraut vorkam, seit ich 40 war, muss der Hexenschuss gewesen sein, den ich schon lange los bin. Dieser hinterhältige Stich in den Rücken. Unverhofft und lähmend, wobei die erste Reaktion war: rühr' dich nicht! Warte bis es vorbei ist. Doch Hexenschüsse können wieder kommen. Dann denkt man gerne an die Hexenverbrennung, eine Technik, die schnelle Abhilfe verspricht.

Die Hexenverbrennungen des späten Mittelalters waren uns allen nicht ganz geheuer. Man kann sie sich in moderner Version in den USA oder in der Türkei vorstellen, wo die Frau, nicht nur die mit der Warze, dank Donald Trump und dem hektischen Erdogan, zur Zeit eher als Wesen des fremden, unbotmäßigen Geschlechts gefeiert und verteufelt wird. Doch die moderne Frau wird hoffentlich selbst aus diesem Schlamassel herauskommen. Hexenwahn muss heute nicht mehr sein. Dafür haben wir selbsternannte Minidiktatoren.


Es ist erstaunlich, wie nahtlos ein kleines Schwesterlein in ein süßes kleines Hexlein übergehen kann, wenn es erst einmal den Dreh gefunden hat. Der Wind, der Wind, das schimmelige Kind, sagte meine Enkelein Maite mit 3 zu ihrer größeren Schwester, als wir in einem Wald an einem kleinen Häuschen vorbeikamen, das wie ein Hexenhaus aussah. Von Gruseln keine Spur, eher die Achtung vor einer weiblichen Autorität, die unter anderem auch noch zaubern kann. Die Hexe als Faszination in der Kinderwelt.

Sie zaubert glatte 10 Prozent, nicht mehr! 
Thomas von Aquin, der Kirchenlehrer aus dem 13. Jahrhundert, nahm an, dass die Hexen aus dem Geschlechtsverkehr zwischen Christinnen und Dämonen hervorgegangen sind. Das hatte fatale Folgen, wie wir wissen. Wobei in Skandinavien auch Männer als Hexer verfolgt werden konnten. Gleichberechtigung einmal anders. Man erlaubte sich als gläubiger Christ, bestimmte Frauen als Außenseiterinnen abzustempeln, sie zu verfolgen, anzuklagen, zu verurteilen und zu verbrennen. Der Verfolger fühlte sich immer im Recht. Heute sucht man sich weitgehend andere Opfer.

Von Christl Schneider-Götz gemalt 
Es ist unvorstellbar, dass etwa 70 000 Frauen auf dem Scheiterhaufen landeten. Wer im Verdacht stand, zaubern zu können, wurde hingerichtet. Eine Art kirchlich motivierter Bürokratie. Dass indische Witwen verbrannt wurden und manchmal noch werden, ließ sich damit erklären, dass der Mann starb und seine Frau freiwillig mit ihm den Verbrennungstod suchte. Das war mit hohem Ansehen verbunden. A propos Ansehen: Die Merkel muss weg, eine neue Variante der Hexenverfolgung?


Mittwoch, 15. März 2017

Bananen sind gewöhnlich krumm.

Hier in Yorkshire ist seit heute Frühling. Nicht nur zirpen die Vögel plötzlich anders. Testosteron geplagt? Woran man den Frühling merkt? Gute Frage. Seit Tagen blasen die eiskalten Winde nicht mehr, wenn man das Haus verlässt. Die Sonne scheint, der Tag wurde unmerklich länger und, was mich persönlich mit Wut erfüllt: Von einem Tag auf den anderen blühen die unscheinbarsten Büsche und Bäume. Die schöne Erregung, "Hurra, jetzt ist er da", will sich nur ungern einstellen. Man reibt sich die Augen: wir fuhren heute nach Skipton. An die Narzissen haben wir uns seit Wochen gewöhnt. Jetzt blüht alles, und man kann sich vor dem Frühling nicht mehr verstecken.


Auch die Frühlingsmüdigkeit stellt sich ein, und mein deutscher Frühlingsanfangtick beginnt zu ticken. Strohhut auf, Stock in die Hand und den nächsten Biergarten aufsuchen, um zu feiern. Die Leute kommen mir heute schon etwas fröhlicher vor als gestern. Doch das englische Wetterphlegma ist noch nicht in Wallung. Und alleine im noch kühlen Garten sitzen, ist nicht mein Ding.

Vielleicht versuche ich es mal wieder als Dichter? Der Reim beflügelt die Gefühle. Bananen gibt es überall und immer.



Drum lache ich mich wieder dumm,
Und frage mich noch mal,
Warum ist die Banane krumm,
Gelb sieht sie aus und schmal.

Auch schmeckt sie nicht mehr gar so lecker,
Der langen Reise Konsequenz,
Ich hör' der Schalen laut Gemecker,
Wenn's kalt ist draußen, fehlt der Lenz.

Die alte Frage treibt mich um,
Und lässt mich nicht mehr geh'n,
Warum sind wohl Bananen krumm?
Das kann doch jeder seh'n.

Zurück zur Prosa. Wer hat behauptet, ich sei ein Dichter? Die Corpus-Christi-Bruderschafts-Andachten an Sonntagnachmittagen haben sich in mir so festgesetzt, dass ich den Glauben an die Magie des Reims für immer verloren habe.



Hier meine Obsession:

O, Christ, hie' merk', den Glauben stärk' und schau dies' Werk: was darin ist, Herr Jesu Christ, Du selber bist!
Ave, Jesu, wahres Manhu, Dich Jesu süß ich ewig grüß' oh, Jesu, süß.

Als Kind musste ich mitsingen. Es war so fürchterlich, dass es das einzig Religiöse ist, das mir haften blieb. Wie werde ich das wieder los? Der fromme Dichter muss schon lange tot sein, will ich hoffen. So gesehen, ist mein Bananen-Gedicht wie ein warmer Frühlingsregen. Oder nicht?



Heute ist Wilders dran: die Wahlen in Holland

Ich wusste nicht, dass es so etwas gibt. Einer, der ein ganzes Volk verdammt, weil er Ausländer hasst, und dann von einem Diktator echte Wutausbrüche zu spüren bekommt, wobei das eine mit dem anderen scheinbar nicht zu tun hat. Haben die Marokkaner in den Niederlanden verdient, dass man sie beschimpft? Muss man sich von einem Erdogan, der ja auch sein Land vertritt, irgendwie, als Nazivolk beleidigen lassen? Mit der Bezeichnung der Marokkaner in Holland als "Abschaum" fing er seine Wahlkampagne an. Heute will er von seinem aufgehetzten Volk gewählt werden. Heute Nacht werden wir sehen, wie weit er gekommen ist.

Sein Kampf 
Meine gebrechliche Prognose ist: trotz der türkischen Sturmangriffe Herrn Erdogans und seiner empörten Minister wird der rechtsnatioale Kandidat, der auch Europa abschaffen möchte, zusammen mit den Le Pens, Farages, Petrys usw. keinen Höhenflug aufs Parkett legen, sondern eher eine Bauchlandung vollziehen, die ihn von jeder Regierungsbeteiligung fernhalten wird. Geert's Töne kennen wir auch zur Genüge. Sie ähneln denen der anderen Hetzer. Unsere holländischen Nachbarn als Nazigesockse abzutun, wie es die türkische Junta gerade tut, regt eigentlich zum Lachen an. Man wundert sich über den forschen Ton des Obertürken, der natürlich aus eigenem Wahlinteresse handelt. So plump war es noch nie, das Wahlinteresse.


Verschwenden wir nicht zu viel Zeit für Eintagsfliegen. Die holländischen Ängste und Abneigungen sind von den deutschen oder englischen kaum zu unterscheiden. Sie lassen die Objektivität vermissen, die übrigens auch zur EU, dem Euro, dem allgemeinen Wohlstand und Frieden in Europa geführt hat. Wir Europäer wollen dich, Wilders und auch dich, Erdogan nicht haben. Auf Le Pens etc. können wie ebenfalls verzichten. Sehen wir das Positive dieser Schlammschlachten: Sie bringen uns Deutsche, Holländer, Briten, Franzosen, Türken und Marokkaner wieder ein Stückchen näher zusammen, wenn die Stürme vorüber sind*.

* Es ist kurz vor Mitternacht, europäischer Zeit. Ein Stein fällt uns vom Herzen. Uns Geert ist nach den Prognosen bereits gescheitert. Tun die anderen das auch? Wir warten. Herzlichen Glückwunsch, Holland.






Dienstag, 14. März 2017

Adam und Eva

Wer seinen Religionsunterricht genossen hat, weiß von der Geschichte Adams und Evas, die mit der Vertreibung der beiden aus dem Paradies tragisch endete. Wir begannen früh, uns für den Apfelbiss unserer Vorfahren verantwortlich zu fühlen. Die Sünde, in Form eines Bisses, von einer Schlange angeregt. Und Eva, die verführte Verführerin, die Adam verführte. Mit gefangen, mit gehangen. Ich hatte zur Geschichte Adams und Evas immer ein gespaltenes Verhältnis. Als Kind reizte mich die schöne nackte Eva nicht besonders, und Adam ließ mich kalt. Ich saß selbst oft genug nackt in der Badewanne. Aber die Äpfel, die Äpfel. Noch im hohen Alter liebe ich sie. Mein Rekord liegt bei sieben großen Gravensteinern an einem Tag. Es kann auch die eine oder andere Goldparmäne darunter gewesen sein. Adams Biss in den Apfel: was solls?


Gut, wir wurden aus dem Paradies vertrieben. Die Schlange grinste, als sie merkte, dass wir uns der Nackheit wegen schämten und letztendlich (wie Edmund Stoiber sagen würde) auch den Sprung über die Wupper lernen mussten. Dafür haben wir heute unzählige Supermärkte, in denen es zu jeder Jahreszeit Äpfel zu kaufen gibt. Golden Delicious, Braeburn, Gala und Granny Smith. Und teuer. Für mich ist dieses Kapitel abgeschlossen. Ich mache mir jedoch Sorgen um die gestiegene Lebenserwartung. Hundert Jahre sind schon fast zu viel. Gut, die Evas, heute, können mit Lippengloss und Schwarzstift, sowie Haartöner, einiges wieder gutmachen, wenn sie die 80 überschritten haben.


Aber das Paradies ist für immer weg. Dass es Archeologen, Historiker, Forscher aller Art gibt, die keine Ruhe geben, liegt an der Hektik unserer Zeit. Einige wollen doch tatsächlich per Satellitenaufnahme den Ort bestimmen, wo der Garten Eden gewesen sein soll. Unser Amerika-Entdecker, Christoph Kolumbus, hatte sogar Venezuela ausgemacht. Er glaubte, starrsinnig wie er war, bis an sein Lebensende daran. Andere hatten das Paradies etwas östlich von Israel vermutet. In Gegenden in denen es keine Äpfel gab, wurde daraus eine biblische Frucht, die auch eine Feige hätte sein können. Auch der Traum vom Jungbrunnen geisterte herum, weil das Altern des Menschen berechtigte Fragen aufwarf.


Noah's Sintflut musste auch eingeordnet werden, weil sie bis auf wenige Überlebende, Tiere inbegriffen, alles hinwegfegte was nicht schwimmen konnte. Oder war auch das Paradies mit den ersten Menschen nur ein Mythos, wie heute etwa der amerikanische Präsident, der sein Land wieder groß machen will, ohne dass es etwas kostet? Das Buch Genesis, von dem wir unsere Informationen haben, soll auch gravierende Fehler gemacht haben. Einmal schuf Gott Mann und Frau, dann wiederum soll der erste Mensch aus Staub hergestellt worden sein. Dann soll Adam vor Eva eine erste Frau gehabt haben, wenn man Genesis, Buch drei glauben darf. Da liegt natürlich noch vieles im Argen.


Natürlich mussten die Keilschrift entziffert und uralte Steintafeln ausgegraben werden. Autodidakten sind da besonders gefragt, weil ihr Blick nicht durch alte Theorien verstellt ist. Euphrat und Tigris sind die beiden Flüsse, die durch Mesopotamien in den Persischen Golf strömen. Dort wohnen heute die Sumerer, denen man die paradiesischen Zustände zugetraut hätte, wäre da nicht alles seit Jahrhunderten vertrocknet. Die Lösung des Rätsels: neben Euphrat und Tigris gab es am Persischen Golf noch zwei Flüsse, die schon lange verschwunden sind: der Pison und der Gihon. Damals sorgten sie für einen echten Garten Eden, was vom Satellitenbild erkennbar ist. Wir reden von der Jungsteinzeit, also der Zeit zwischen 7000 und 4000 vor Christus. Lebten Adam und Eva somit am Kopf des Persischen Golfes, wo der Apfel nicht bekannt war, dafür jedoch die Feige? Lasst uns nicht kleinlich sein, sonst kommen wir nicht weiter.


Kain und Abel, um nur zwei Nachfahren unserer Ureltern zu nennen, passen irgendwie nahtlos in diese Entwicklung. Wenn wir der sumerischen Schöpfungsgeschichte vertrauensvoll glauben, lässt sich auch die Sintflut besser einordnen, denn dort gibt es auch zwei wichtige Bäume: den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis. Als dann die Eiszeit zuende ging und die Gletscher dahinschmolzen, etwa um die 6000 Jahre vor Christus, stiegen die Meere krass an, und Noah musste seine Arche bauen. Und als die Wassermassen zurückwichen, hatten wir es mit dem Beginn der Zivilisation zu tun. Heute stehen unsere Frauen nicht mehr in dem Verdacht, aus der Rippe des Mannes geformt worden zu sein. Seit dem Weltfrauentag, ist es nicht mehr möglich, die Frauenpräsidentinnen, -kanzlerinnen, -ministerinnen in der Welt an einer Hand aufzuzählen. Nur bei den weiblichen Milliardärinnen hapert es noch ein wenig.