Donnerstag, 30. November 2017

Das Geschäft mit dem Geschäft.

Auf der türkischen Seite von Zypern, der immer noch und ewig geteilten Insel im Mittelmeer, befindet sich ein Ruinengelände mit den Überresten einer römischen Siedlung: Salamis.  Von Erdbeben zerstört, ein paar Kilometer östlich von Famagusta, teilweise vom Meer überspült. Ein faszinierender Ort, denn die Spuren der Geschichte sind nur etwas verwischt. Jahrhundertelang war die Stadt vom Sand bedeckt, sodass allzu heftige Plünderungen nicht stattfinden konnten.

Die Ruinen von Salamis 
Salamis ist als ein Juwel bekannt, das unter anderem die Reste einer kollektiven, sagen wir mal, Herrentoilette beinhaltet, was man an den kreisrund angeordneten Sitzflächen für Geschäftemacher erkennen kann. Die alten Römer pflegten sich kollektiv zu erleichtern. Während sie sich fröhlich miteinander unterhielten, machten sie gleichzeitig ihre Geschäfte. Business as usual, auf Lateinisch. Heute hat das Wort Geschäft nichts mehr Anrüchiges, obwohl manche sich durchaus schämen könnten, für ihr Tun.


Damit das Geschäft nicht allzusehr zum Himmel stank, sorgte eine mit frischem Wasser versehene, unterirdische Rinne dafür, dass die restlichen Geschäfte weggespült wurden. Wenn also Donald Trump, oder andere namhafte Geschäftemacher sich die Hände waschen, kann davon ausgegangen werden, dass es wieder Transaktionen größeren Ausmaßes gegeben hat. Wenn der Kleine sich von seinem Töpfchen erhebt, mit dem triumphalen Spruch: Mama, ich habe fertig, darf das nicht unterschätzt werden. Es ist nichts anderes als der Beginn einer erfolgreichen Geschäftemacherei.


Der Trumptower in New York erscheint also plötzlich im neuen Licht. Ein äußeres Zeichen für wichtige Geschäfte. Andere sind da etwas diskreter. Man merkt es kaum, wenn sie etwas in die Welt setzen. Doch, manchmal riecht man es schon kilometerweit. Werden deshalb über Weihnachten die Geschäfte geschlossen bleiben?

Mittwoch, 29. November 2017

Das Umdenken - wie geht das?

Eine meiner ersten Erfahrungen im Leben war, dass ich das Pferd für den Mann der Kuh hielt. Auf dem Land, oft bei armen Bauern, konnte man Gespanne mit Wagen (Heuwagen?, Strohwagen?, Leiterwagen?) beobachten, die von einer Kuh und einem Pferd gezogen wurden. Ich fand das ganz familiär, geradezu harmonisch. Als Kind zieht man so seine Parallelen, und wer nicht alles mühsam und neugierig erfragt, bleibt lange auf seinen Irrtümern sitzen.

Ihr Mann sitzt in der Kneipe 
Als meine Oma einmal wütend ausrief, "dieser Hitler ist ein Teufel", da glaubte ich, den Hitler zu kennen, aber nicht den Teufel. Beiden war ich noch nie begegnet. Aber, von da an wusste ich, dass dieser große Führer kein großer Führer war. Ich behielt für mich, was Oma gesagt hatte, und was ich vom Führer zu halten hatte. Einmal hörte ich den Führer im Radio sprechen, nein, er brüllte nur. Da glaubte ich zu wissen, dass man brüllen muss, wenn man sich durchsetzen wollte. Viel viel später hatte ich mal einen Chef, den ich fast verehrte, weil er - wenn auch manchmal mit bedrohlichem Unterton - nie schrie, sondern ganz leise sprach. Ich musste wieder einmal umdenken.

Er hat gerne gebrüllt 
Als Knabe verehrte ich von Anfang an alles was weiblich war. Großmütter, Mama, Tante und sonstige Frauen waren für mich höchste Autoritäten. Wenn Hitler, oder viel später, Konrad Adenauer oder der Papst eine Frau gewesen wäre, hätte sich die Welt anders gedreht. Ein Umdenken wäre für mich nicht nötig gewesen. Ich hatte immer eine halbe Weiblichkeit in meinem Kopf und fühlte mich damit wohl.
Halbe Weiblichkeit im Kopf 
Dass mit der Männlichkeit etwas nicht stimmte, erkannte ich schon ganz früh, denn außer meinem Vater, wenn er mir den Kleinen Lord vorlas, habe ich nie einen Mann weinen sehen, geschweige denn, schluchzen. Das Ganze muss irgendwie einen sexuellen Hintergrund gehabt haben. Ein Mann weint nicht, hieß es. Ich konnte zusammen mit Papa (und der kleinen Schwester) hemmungslos aufheulen, bis das Umdenken einsetzte. Mama hat fast nie geweint, nur in Trauerfällen.

Ein weinendes und ein lachendes Auge 
Da wusste ich längst, dass es ein weinendes und ein lachendes Auge gab. Ich bemühte mich dann oft, beide Seiten zu verstehen und nicht nur zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Wenn ich an die umtriebige AfD denke, oder an sonstige Fanatiker, von denen es plötzlich immer und überall mehr zu geben scheint, versuche ich, die Unterseite dieses Geschwürs zu betrachten. Erkenntnisse, die zum Umdenken anregen, gibt es da nicht. Das ist alles unappetitlich und ekelhaft. Doch jetzt haben wir international die Erkenntnis gewonnen, dass Ekel Ekel ist, und dass wir nicht alleine sind, wenn wir das Gute wollen. Das ist doch was? Umdenken kann nicht schaden.










Dienstag, 28. November 2017

Um Lei Tung, oder Mao Tse Tung?

Ich weiß nicht, wie betagt dieser Kalauer schon ist, doch ein echter Kalauer lebt von den schamlosen Wiederholungen, die ihn in der Erinnerung halten. Um Lei Tung ist Chinesisch und bedeutet: Klare Antworten gibt es nicht. Ich höre im Radio Deut-Schland-Funk ein Interview mit einem Bundesminister für Landwirtschaft von der CSU, der jetzt auch noch kommissarischer Minister  für Verkehr ist, hat es auf seine Kappe genommen, der Verlängerung des Giftmittels Glyphosat für weitere fünf Jahre zuzustimmen. Angeblich seien weitere "Verbesserungen" geplant. Warum müssen fachlich völlig unbedarfte Politiker zu allem ihren Senf geben?

Umleitung, zu Fuss 
Eine gut instruierte Journalistin vom DLF hat heute Morgen versucht, eine Reihe von Fragen zu stellen und Antworten von dem zu erhalten, der seine Glyphosat-Entscheidung so keck auf seine Kappe genommen hatte. Obwohl, es macht wenig Sinn, auf das alles überhaupt einzugehen. Mein Fazit: Wenn einer nicht antworten kann und/oder will (so ist es oft), wird Blödsinn geredet, nur nichts Verbindliches gesagt. Wozu haben wir dann Fachressorts mit Fachministern? Sind wir alle so dumm, dass Politiker uns mit ihrem puren Geschwafel abspeisen können?

Wir ahnen alle, dass die Konzerne mit uns und der Welt Fussball spielen. Es scheint hoffnungslos, von autorisierten Stellen in kritischen Fragen (Monsanto und so) noch klare Antworten zu erhalten. Wird die Autoindustrie von den von uns gewählten Vertretern zu den notwendigen Maßnahmen gezwungen werden oder nicht? Keine Antwort. Stecken sie alle so tief in der Korruption, dass sie nicht können, wie sie sollten? Keine Antwort.


Verschleiern, Vernebeln, Um Lei Tung: wir speisen Euch mit Kinkerlitzchen ab. Macht euch keine Sorgen. Das Wirtschaftswachstum hat weltweit zugenommen, wie nie zuvor. Vielleicht geht das schon auf die Kappe Chinas? In England wird fieberhaft an einem Hochzeitsevent gearbeitet. In der königlichen Familie, in die bald eine Halbschwarze einheiraten wird. Das ist doch was. Da können wieder wunderschöne Erinnerungstassen verkauft werden. Und wir lernen die Farbe der Socken einer neuen Prinzessinnenanwärterin kennen. Die Medien, statt diesen Quatsch völlig zu ignorieren, überschlagen sich dann wieder. Für unsere machtsüchtigen Politmenschen wieder etwas Um Lei Tung. Lasst uns geduldig darauf warten, dass die Enkelin von Mao Tse Tung als künftige Braut des Enkels (?) von Boris Becker in Erscheinung tritt.

Prinz Harry und Meghan Markle, die Amerikanerin


Wenn die Wut über all das nachgelassen hat, können wir uns wieder den Alltagsfragen stellen: Wann wird das Wetter wieder besser? Wann lässt die Kälte nach? Wann findet sie endlich statt, diese Hochzeit des Sammeltassen verkaufenden royalen Zirkels, dem es nur darum geht, für wenige Tage im medialen Mittelpunkt zu stehen? Schnell wurde entschieden: im Mai 2018. Meghan will Engländerin werden, denn eine Amerikanerin passt nicht so recht ins Bild. Frage an den Minister von der CSU, mit der Bitte um eine klare Antwort: Ist sie nicht süß, unsere Braut?

Nachtrag: mich hat mal wieder die Wut gepackt.







Montag, 27. November 2017

Es gibt solche Tage.

Über das Wetter muss nichts gesagt werden, außer, dass es wahrscheinlich nicht regnet. Das Reifengematsche auf nassen Straßen verrät sich gewöhnlich selbst. Ich weigere mich heute entschieden, aus dem Fenster zu blicken. Das Anwerfen meines Rechners schaffe ich gerade noch. Dann straffe ich meinen Bademantel und hoffe, dass wenigstens der Kaffee sich von selbst macht.


Cath muss gleich irgendwohin. Ich habe ihr Ziel vergessen. Oxenhope? Hebden Bridge? Heute lasse ich mich gehen. Das Radio hat schon so viel Unsinn über den Brexit erzählt, die tägliche Dosis an Zweifeln und Selbstzweifeln eben. Wir Verbraucher, Kunden, Leser, Seher (fern- und schwarz-) und an-etwas-glauben-Wollende können uns an nichts mehr halten. Selbst unsere Erinnerungen kommen uns vor wie geklonte Schatten aus dem Reich des Vergessens.

Geklonte Schatten? 
Wo sind die Kanzeln geblieben, von denen noch vor 50 Jahren vorwurfsvoll heruntergepoltert wurde, was wir tun und lassen sollen? Marilyn Monroe konnte noch unbehelligt mit dem Hintern wackeln, (honni soit qui mal y pensait). Das war ferne Traumwelt, die sich jeder unzufriedene Ehemann leisten konnte. Sex war zwar so gut wie verboten, doch Liebemachen von vorn, hinten, nackt oder in Plastik gehüllt, ging allemal. Das Hin- und Wegschauen wurde geübt, bis wir genug hatten. Dann war auch diese Aufregung ausgelebt.


Die Legitimität erfasste die allgemeine Medizin. Man konnte schon über fast alles reden. Barnard hat das erste Herz verpflanzt. Dein Mann, das unbekannte Wesen (Oskar Kolle) gab Einblick in das männliche Befinden. Die Frau wurde unter dem Schleierchen des wissenschaftlichen Bemühens ebenfalls durchleuchtet. Dass zu viele Schlaftabletten impotent machten, wurde damals ebenso herausgefunden, wie die relative Nutzlosigkeit des Lebertrans. Das Sexsymbol der Fünfzigerjahre sagte einmal: gib einem Mädchen die richtigen Schuhe, und sie erobert die Welt.


Mona Lisa von Da Vinci ganz unschuldig? 
Wie komme ich auf Lebertran? Dieses Gesöff hat Teile meiner Kindheit zerstört. Ich denke, ich wäre auch ohne Lebertran ein hübscher Mann geworden. Jetzt ist alles zu spät, geht es mir durch den Kopf. Marilyn Monroe hatte Arthur Miller geheiratet, ein Missgriff, den sie bereute, sonst hätte sie sich nicht ihr glamouröses Leben genommen. Hat sie auch Lebertran einmehmen müssen? Hat Mona Lisa? Als der Konsum von Lebertran zurückging,  schmeckte er plötzlich kindgerecht, ja, fast lecker. Heute ist das Quälwort unserer Kindheit obsolet geworden. Wie schön!

Es gibt solche Tage, da fällt uns nichts Vernünftiges ein. Der Regen prasselt jetzt hörbar gegen die Scheiben. Vielleicht ist das ein Trost. Der Lebertran unserer frühen Tage war eine kindliche Demütigung. Sogar der Löffel stank noch nach dem Abwaschen. Hätte doch Donnie Trump davon genippt. Er wüsste dann wenigstens wie es ist. Es gibt halt solche Tage, da kann man auch ungestraft Lebertan zu sich nehmen...





Sonntag, 26. November 2017

Yorkshire Tagebuch - 25 - Dunkle Gedanken

Man könnte es auch Yorkshire Nachtbuch nennen, denn die Sonne (meist unsichtbar) geht zur Zeit um 15h58 unter. Man stelle sich das vor. Im Norden Englands ist dann die Sonne weg, die ohnehin die meiste Zeit weg ist. Meine Fantasie eilt heute jedoch der Zeit etwas voraus: Am 31. Januar, in badischen Landen, scheint die Sonne, meist, trotzig, grell und frühlingsverheißend. Von da an ist Sonne wieder Sonne. Sie kann sogar schon die Haut röten und den Menschen die Milde des Sommers vorgaukeln.


Hier, im Norden, wird gegen die Schwärze der Nacht angekämpft. Mit allen Mitteln: gedämpftem Gemüse. Das können Karotten und Lauch sein. Cath fühlt sich mit Rosenkohl schon viel besser. Mit längerem Streicheln der Nachbarkatze. Aber auch durch masochistisches Abhören der ewigen Debatten über den Brexit. Garantie für gedämpfte Stimmung.


Andererseit kann der Umgang mit Gin&Tonic wahre Wunder wirken. Da der Sonnenuntergang vorgezogen scheint, lässt sich auch der Seelentröster G&T vorziehen. Damit ist der zweite und dritte am Abend durchaus denkbar, denn das britische Allerweltsgetränk kann verhindern, dass er (der Abend) sich allzusehr in die Länge zieht. Auf die Klarheit der Sprache kommt es dabei nicht an. Ein freundliches Lallen kann auch die Abendstimmung verschönern.


Manchmal helfen auch Strictly come dancing oder die etwas autistische Dr. Brennan. Im ersten Fall beobachtet man Tänzer bei ihren Bemühungen, bis maximal 40 Punkte zu gewinnen, im letzteren, den Versuch unserer kultischen Dame  Bones, zusammen mit Freund Booth, zerstückelte Leichen zu identifizieren und den mutmaßlichen Mörder zu finden. Die wissenschaftlich erstellten Knöchelverzeichnisse halten dann die ganze fernsehende Nation in Schach. In einem Knochenkörper konnte sogar ein Säckchen mit echten Diamanten gefunden werden.

Emily Deschanel als Bones 
















Samstag, 25. November 2017

Sehnsucht nach dem Unbekannten.

Wer hat noch nicht taggeträumt? Sich etwas gewünscht, das es nicht gibt? Oder gar einen Traum gehabt, der in Erfüllung ging? Ich dachte, es sei noch zu früh im Yorksherischen Winter, von Schnee zu träumen, wie ich es als Kind zuhause oft tat. Irgendwann legte die Nacht eine Schneedecke hin, die das Herz höher schlagen ließ. Man ahnte es, bevor man es sah: Es war draußen so still. Die Autos schienen ihre Geräusche zu verschlucken. Das Winterkleid der Natur ließ alles wie neu erscheinen. Hier in Haworth war es heute so. Grelle Sonne, gefühlte Kälte, und ein weißer Zuckerguss, vorsichtig über die Wiesen und Büsche gepudert.

Puderzucker 
Ich machte mir einen Kaffee. Dazu holte ich eine Stange Weißbrot aus der Tiefkühle, die ungesalzene Butter, in England oft nicht auffindbar, den Rest Bruxelles Paté und die selbst gemachte schwarze Johannisbeermarmelade. Auch meine Kondensmilch für den Kaffee durfte nicht fehlen. Dann setzte ich mich ans Morgenfenster. Der Himmel war tadellos blau. Mein Kindheitstraum hatte mich eingeholt. Der Geruch von Kaffee, brachte mich zurück zu Mama, aber auch Oma, das frische Brötchen war nicht mal nötig. Wo seid Ihr alle geblieben? Meine Heimat ist eine andere, die Menschen sind anders, und auf der Suche nach der verlorenen Zeit kommt mir tatsächlich Marcel Proust in den Sinn, der Zeit und Erinnerung in seinem Lebenswerk verarbeitet hat.


Aber etwas fehlte noch in meiner Schwelgerei am Morgen. Ohne unseren Noststalgiespezialisten, Claude Debussy, geht bei mir nichts. Es muss nicht sein allgegenwärtiges Clair de lune sein. Es ist eher seine Klaviermusik, die mich rasend vor Sehnsucht macht. Doch auch Erik Satie oder Maurice Ravel schlagen bei mir Erinnerungen an, die tief in mir wohnen. Es ist der fatale Zauber der Musik, der mich verwandelt. Ich trete dann in eine Welt ein, die mir vertraut erscheint.

Moderne Malerei 
Und dann der Blick über das Land. Doch schon hat sich der Himmel eingetrübt. Nichtssagende Wolken ruhen bewegungslos am Himmel. Mal kein Wind, kein Sturm. Cathie Burton, die Unermüdliche, macht sich im Obergeschoss zu schaffen. Es müssen Wände bemalt werden. Ich komme, um den neuen Farbtopf zu öffnen. Manneskraft kann manchmal doch ganz nützlich sein. Ob Cath von ähnlichen Sehnsüchten befallen wird? Werde ich es je erfahren?

Freitag, 24. November 2017

Das Schöne an England....

ist nicht unbedingt das Wetter. Obwohl, heute habe ich, hier in Yorkshire, noch kein Wölkchen am Himmel geortet. Auch das kann vorkommen. Das Schöne an diesem Land sind aber die Menschen. Ihre Vorurteile verstecken sie geschickt hinter einer freundlichen Maske, wobei das Wort Maske schon wie ein Vorurteil daherkommt. Wer das Echte sucht, hat es nicht schwer, dahinter zu kommen. Wir Badener nutzen unsere Waffen immer wieder geschickt aus. Zugeschlagen, wenn vorhanden, wird mit einer Flasche Riesling, Spätlese, oder einem Weißherbst. Das verspricht Zuneigung und Anhängerschaft.


Sobald sich der Engländer genügend in ein Gespräch mit dir verhakt hat, schlägst du los: wie wär's
mit einem Schluck Wein aus unserer Heimat?  Die Erwartungen entsprechen zunächst dem allgemeinen Angebot in den deutsch klingenden Supermärkten (Lidl, ALDI oder so), was den Wein betrifft. Vielleicht fehlen dem Bier trinkenden Engländer auch die Maßstäbe für den badischen Wein, denn dieser wird in der Regel von den Badenern selbst getrunken, statt prestigeträchtig im Ausland verscherbelt zu werden. Man darf sich also nicht wundern, wenn das Angebot eines Gläschens zunächst mit großer Zurückhaltung aufgenommen wird. Man sagt "ja", das gehört sich so, aber der deutsche Wein leidet noch immer unter dem Syndrom der Blue Nun, der Blauen Nonne, die in englischen Köpfen wie ein Damoklesschwert herumgeistert, sozusagen als Botschafter deutscher Weinkunst. Eine reine Demütigung des teutonischen Weinverständnisses.


Es muss erwähnt werden, dass Liebfraumilch oder Moselwein in der Mentalität des Badeners keine Rolle spielt und nie als etwas Trinkbares in Betracht gezogen wurde. Schon der württembergische Haberschlachter hat als durchaus trinkbarer nachbarlicher Rotwein größte Mühe, im Badischen zur Kenntnis genommen zu werden. Wenn der Engländer einmal die Existenz guter badischer Tropfen anerkannt hat, ist alles möglich, sogar eine Verkostung an der Haustür. Zwar denkt der Brite eher an Sodom und Gomorrha, wenn er außer den Mahlzeiten Wein zu trinken bekommt, aber er lässt sich gerne auch zu einem Schwätzchen überreden, wobei der badische Wein als Zungenlöser hervorragende Dienste leistet.


Blue Nun? schön blau. 
So kam es, dass wir mit Stephen heute Morgen einen unterhaltsamen Augenblick verlebten. Er war gekommen, um bei uns verstaubte Teppiche und Polstermöbel zu reinigen. Das ging schnell seinen Weg, mit Hilfe von Schläuchen und einem blauen, lärmigen Gerät, von dem ich mir keinen Namen vorstellen kann. Staub-Saug-Pump-Generator-Entlüfter....Dabei kamen wir ins Gespräch, wobei ich selbst an Geschwätzigkeit noch jeden Engländer übertreffe. Mein badischer Trick: nur ganz beiläufig erwähnte ich, dass neben der Flasche Ullenburg (rot) aus Tiergarten auch noch eine Flasche Riesling, Spätlese und eine Flasche Rosé, alles auch vom Weingut Ullenburg, ungenutzt herumstand.


Es ist nicht leicht, einen Engländer zu finden, dessen Augen zu glänzen beginnen, wenn er dies alles vor sich sieht. Eine gewisse Verschämtheit, verbunden mit einem moralisch durchaus verständlichen Aberdasistdochnichtnötig galt es noch zu überwinden, dann waren die Dämme gebrochen. Wir probierten wie in der Weinstube, und Stephen beschloss, sich zu setzen. Männerschwatz mit badischem Wein. Eine solche Kultur der Gemütlichkeit, die in Baden manchmal Hock genannt wird, hat es - da bin ich mir sicher - im tiefsten Großbritannien noch nicht gegeben. Zudem hat der gütige Himmel  noch immer kein Wölkchen an denselben gezaubert. Unter diesen Umständen ist es fast unmöglich, kein Fan der britischen Insel zu sein. Auch schöne Gespräche können ein Land schöner machen.







Mittwoch, 22. November 2017

Wir buchen uns dumm und dusselig.

Bankverbindung in Frankreich, mit Konto und allem Pipapo. Postadressen noch nicht endgültig geändert: Frankreich, Deutschland, Österreich und England sind noch nicht um-an-oder abgemeldet: Uff! Daueraufträge nach England, Deutschland. Einmalige Zahlung nach USA. Kann sich jemand vorstellen, wie kompliziert das ist? International Bank Account Number? BIC? Du hast einige Jahre verschlafen und hattest anderes zu tun, als elektronisch auf Trab zu bleiben. Jetzt sitzt man zwischen den Stühlen und weiß oft nicht, wie es weitergeht.


Also, der Flug von Manchester nach Wien und zurück? Über Düsseldorf oder direkt? Etwas billiger, aber, wer will schon in Düsseldorf zwischenlanden? Das Hotel in Wien? Nicht zu teuer, deshalb mehr Zeit zum aussuchen. Dann, die Autofähre von Hull im Dezember, nach Seebrügge, mit Weiterfahrt in den Schwarzwald. Der Wochentag ist wichtig, denn Brüssel muss umfahren werden. Da können fatale Staus entstehen.


Was der Mensch heute alles erlebt, wenn er auf Draht sein möchte. Man stelle sich vor, das Telefon zu vergessen oder zu verlieren. Manche haben sich angewöhnt, alle 10 Minuten ins Internet zu schauen. Andere müssen jeden Anruf entgegennehmen, der ihnen zugeflogen  kommt. Das Wetter (der Wind, der Regen) macht immer was es will. Wie oft sind die Straßen zur Unzeit total zermatscht. Auch das noch! Vor allem die dunkle Jahreszeit macht uns zu schaffen.


Wir sitzen hier in Yorkshire. Cath und ich gehen unsere Kalender durch, checken unsere Banksituation, prüfen müde unsere leicht angeschlagene Gesundheit und versuchen, den ganzen elektronischen Müll unter einen Hut zu bringen. Dann tauchen wieder neue Theorien über den Brexit auf. Auch das möchte man wissen. Rein oder raus? Wer bezahlt wieviel? Können EU-Bürger bleiben? Werden die Preise weiter steigen? Werden die Nicht-EU-Ärzte  massenhaft das Land verlassen?


Der hässliche Rechtstrend wabert weiter. Wem kann man noch trauen? Viele, die erbärmlich klein daherkamen, und nie etwas zu sagen hatten, spucken jetzt große Töne. Der Orgasmus ist erreicht, wenn mindestens 20 Facebooker dein Gesicht gesehen und dich geliked haben. Dann bist du weltweit eine celebrity. Oder eine Eintagsluftblase.  Kannst dann über alles reden, ohne zu wissen, was stimmt und was nicht. Fake News von Trump oder Höcke? Das alles ist scheißegal geworden. Auch im Ton müssen wir uns nicht mäßigen. Aber beim Buchen von Reisen müssen wir aufpassen, denn das kann Geld kosten. Leider hat uns niemand auf das internationale Chaos vorbereitet. Wie sagte Winnetou einst? Hugh, ich habe gesprochen.




Sonntag, 19. November 2017

Sie sind schon da: die Außerirdischen.

Amerika glaubt gerne an Extraterrestrisches. Immer wieder werden Bilder aus dem All gezeigt. Die seltsamen Wesen mit den großen Augen haben es uns angetan. Das Unerklärliche ist seit der Überwindung großer Distanzen wahrscheinlicher geworden. Wer in einem Intercity bis zu 300 km in der Stunde zurücklegen kann, fliegt auch problemlos per Film von einer Galaxie zur anderen. Als Kinder haben wir große Augen gemacht, wenn wir etwas sahen, was wir uns nicht erklären konnten.


Keine Angst, der amerikanische Pilot, der vor ein paar Tagen mit Kondenzstreifen einen Penis an den Himmel gemalt hat, ist eher ein fehlgeleiteter Poet als ein unanständiger, völlig humorloser Schmierling. Die amerikanischen Oberen des Pimmelmalers haben zwar ihren Unwillen geäußert, aber wohl nur, weil die bekannte Prüderie im Trumpland ihren Tribut verlangt.

Pimmelskörper 
Auch bei den Darstellungen von Außerirdischen wird man das Gefühl nicht los, dass irgendwie Exhibitionisten am Werk waren. Das Wort Fake News gibt es noch nicht lange, aber dass man sich etwas aus den Fingern saugen kann, lief früher zwar unter Märchen, doch wäre das nie erfolgreich gewesen, wenn die professionelle Propaganda à la Goebbels das nicht geziehlt gefördert hätte. Deshalb kann gesagt werden, dass Lügen erstaunliche Chancen bekommen, wenn sie oft genug wiederholt werden.

Der Lügenmeister 
Bei den Außerirdischen kommt noch hinzu, dass man fotografisch alles untermauern kann. Wenn man etwas gesehen hat - es kann auch eine Fotomontage sein - kann man behaupten, dass es es gibt. Von Donald Trump gibt es zahllose Bilder, sonst könnte man es nicht glauben: dass Amerika einen gewählten Präsidenten hat, der sich, wie ein Kind, mit dem Führer eines Ministaates streitet, der auch noch mit Nuklearwaffen herumhantiert.

Außerirdischer? 
Mir soll keiner erzählen, dass Kim Jong Un aus einer unheimlichen Galaxie zu uns gestoßen ist. Oder dass all die anderen, die ihre Existenz dem Internet verdanken, nur zufällig hier sind. Nigel Farage, oder der Rechtsaußen Meuthen, das Fräulein von Storch, um nur ein paar solcher Außerirdischen zu benennen, führen eine digitale Existenz, die ans Märchenhafte grenzt. Sie sind da, doch weiß man nicht ob es sie wirklich gibt.  Da sie weitgehend aus dem Nichts aufgetaucht sind, überwiegend im Internet pubertieren, und ihre geistige Heimat rechts von der Mitte zu finden scheinen, darf geglaubt werden, dass der Spuk bald wieder aus unserem Blickwinkel verschwindet, damit wir neben den ideologischen Fantastereien unserer Zeit, wieder die eigentlichen Fragen beantworten können: Wer sind wir? Woher kommen wir? was tun wir? Und: warum? Oder ist jetzt alles Fake?










Alter Sack mit neuem Inhalt?

Es wäre respektlos, einen Greis als alten Sack zu bezeichnen. Als mein viel bewunderter Freund Ernesto mir zum erstenmal gegengüber stand, sagte er in seinem schönen perfekten Deutsch: ich bin 32. Mit meinen damals 29 Jahren ging mir ein kleiner Stich durchs Herz. Ernesto war schon 32. Ich hatte mir immer großzügigerweise vorgestellt, mein heroisches Leben würde mit 40 enden. Ein schönes Alter für einen, der noch nichts geleistet hat und dennoch die Bewunderung aller auf sich ziehen möchte.

Ernesto, Du fehlst uns. 
Ernesto, mit dem mich eine lebenslange Freundschaft verband, ein Frauenbewunderer, der spät in seinem intellektuellen Leben die ideale Partnerin fand, musste früh sterben. Wir hatten über alles gescherzt und schütteten uns aus vor Lachen, wenn der Anlass besonders albern erschien. Plötzlich war auch ich über 40. Das war die Zeit, da man anfing, zu leben. Also lebte man. Die berühmteren unter uns wurden beim Nennen ihrer Namen in Zeitungen immer mit dem Alter versehen: Dr. XYZ, in Klammern (69) oder (75), wenn verstorben, das gleiche, eine Art Zwang, mitzuteilen, in welche Altersstufe man passte.

Als ich mein eigenes biblisches Alter erreicht hatte, ich präzisiere es nicht, aus Achtung vor der Methusalemität der anderen, merkte ich selbst, dass ich das Radfahren, den Skilauf und vieles andere bereits aufgegeben hatte. Man hatte gelernt, sich zu verabschieden, wenn man etwas nicht mehr ausführen konnte. Die Frage bleibt, wozu bin ich noch fähig? Lohnt es sich überhaupt noch? Sich mit dem Hasbeeneffekt abzufinden, genügt jedoch den meisten nicht. Mein spanischer Freund hatte begonnen, Gedichte aus dem Russischen ins Spanische zu übersetzen. Das hatte Ernesto bis zu seinem Tod beschäftigt. Eine neue Aufgabe zu finden, war sein Wunsch. Ich erinnere mich, wie zufrieden er war.

Einleitung ? Hauptteil? 
Uns nicht vom Gang der Dinge abhängen zu lassen, scheint ein Gebot des Alterns zu sein. Wer sich aufgibt, ohne Neues zu versuchen, wartet nur noch auf den Tod. Das Alter ist nur eine Ansammlung von Jahren. Es sind jedoch nicht die Jahre, die zählen, sondern die Schritte, die man nach vorne macht. Beim Aufsätzeschreiben in der Schule gab es immer und unerbittlich Einleitung, Hauptteil, Schluss.

Man kann immer neu beginnen, den Aufsatz des Lebens zu schreiben: Einleitung, Hauptteil, Schluss. Wir wissen wie es geht. Wer es nicht tut, hat schon aufgehört. Die Ansammlung von Jahren mag der Hauptteil sein. Doch die Jahre zu beenden, ist nicht unsere Sache, und über den Jordan gehen ist auch eine Tätigkeit. Habe ich einmal gemacht, ohne an etwas zu denken. Der Jordan hatte nichts dagegen.

Was für ein Anfang... 
Wie erfrischend, wenn man sagen kann, dass man lebt (und hoffentlich gut). Für den Schluss ist nur der Regisseur zuständig. Kommen wir ihm nicht in die Quere. Und spielen wir unseren Part mit Würde, ja mit schauspielerischer Begeisterung. Das Publikum liebt es. Ich sterbe jetzt, heißt es in der Oper. Der Kerl brauchte Stunden, um seine Arie zu beenden. Ich fand das sterbens langweilig. Schluss.












Samstag, 18. November 2017

Chaos in der Sun Street.

Ein kleines Chaos ist immer willkommen. Das könnte eine Weinsoße sein, die unverhofft auf einer weißen Schürze gelandet ist, oder frisches Eigelb auf dem blütenweißen Hemd. Nichts dergleichen. Etwas anderes ist es, wenn ein neuer Bodenteppich verlegt werden muss. Der eine der Teppichverleger wollte Kaffee, der andere ein Glas Wasser. Jetzt wird ernsthaft herausgerissen und neu verlegt.


Wir dürfen derweil das Haus verlassen und uns auf den neuen Belag freuen. Das Chaos muss dann von uns wieder beseitigt werden. Per aspera ad astra: vom Ungemach zu den Sternen, was immer der Lateiner damit sagen wollte....Das 300 Jahre alte Steinhaus verdient  einen kräftigen Kosmetikschub.


Das Yorkshire Wetter hat uns eingeholt: es nieselt in Maßen, wobei die Sonne einen trotzigen Kampf angesagt hat. In Hebden Bridge haben wir Berge von Büchern gekauft, darunter einen Krimi, der in Reykjavik spielt und eine Spionagegeschichte zum Inhalt hat. Zurück in der Sun Street, sehen wir, dass die Treppe eine neue Teppichverkleidung trägt. Weniger Sturzgefahr? Das Chaos im Haus hat schon andere Züge angenommen. Das Zurückschieben der Möbel scheint ein Kinderspiel. Der Staubsauger lärmt ungemein, was der ersehnten Sauberkeit einen großen Gefallen tut.


Ein Chaos ist also ein Zustand, der ungewollt alles durcheinander bringt. Das Erfrischende daran ist die neu konzipierte Ordnung, von der man hofft, dass sie wieder eine Weile anhält. Wenn dann die ersten Besucher in ein lautes Ahhhhh ausbrechen, ist das Ziel erreicht, nämlich, entschieden weniger Chaos in der Sun Street.


Donnerstag, 16. November 2017

Der Mangobaum - die Verhunzung einer Frucht.

Der Siegeszug der Mango hatte bei mir eine ganz persönliche Note. Ich hatte noch nie vorher diese Frucht gesehen oder deren köstlichen Geschmack gekannt, bevor ich 1985 auf Einladung nach Indien kam. Begleitet von Töchterchen Natascha, noch nicht 20, und Sohn Johannes, gerade 18, fuhren wir von Bombay/Mumbai über Haiderabad nach Madras, dem heutigen Chennai. Ich hatte schon als Kind von Indien geträumt und über Indien gelesen.


Natascha war es wohl, die als erste diese Frucht auf einem Markt entdeckte und neugierig beschnupperte. So wurden wir mit den himmlischen Mangos bekannt, wie sie im reifen Zustand auch heute noch in Europa kaum zu finden sind. Um es krass zu formulieren: Mangos sind heute fast überall in der Welt Industrieware, grün, hart, faserfrei und unreif. In jedem Supermarkt billig zu haben. Geschmack: süßlich, mit Mangoverdacht.


Chandra Batra aus Indien, lebte mit französischer Frau und Kind in Straßburg. Er war ein Filmemacher ohne Frazösisch- oder Deutschkenntnisse, unglücklich, und ohne richtige Beschäftigung. Wir wurden Freunde, indem wir (auf Englisch) lange Gespräche führten und gelegentlich in indischen Restaurants essen gingen. Einmal im Jahr kehrte er zu seiner Familie nach Indien zurück. Wenn er nach einer gewissen Zeit wieder nach Frankreich kam, brachte er 8-10 reife Mangofrüchte mit, von denen ich immer eine geschenkt bekam. Köstlich, wenn man den Unterschied zwischen Original und Nachbildung kennt. Dann starb er aus Sehnsucht nach seiner indischen Heimat.


Irgendwann muss man erkennen, dass Pfirsich nicht mehr Pfirsich, Apfel nicht mehr Apfel und Mango nicht mehr Mango ist. Der Wunsch, immer alles und überall im Supermarkt zu bekommen, führt zu den Geschmackskompromissen, die wir kennen. Das Pfirsichbäumchen aus der Eltern Garten, hatte die besten Pfirsiche. Dann gab es eine Zeitlang Pfirsiche aus Italien, Griechenland, Spanien und die Weinbergpfirsiche aus der Heimat. Diese waren alle noch köstlich. Dann hat auch sie die Gewinnsucht erreicht: sie wurden Massenware, unreif, wetterbeständig, transportfähig, hart und geschmacklos.


Wir wissen, dass unsere Vorfahren, Adam und Eva, aus dem Paradies verjagt wurden, weil Eva einen (?) Apfel geklaut hatte. Aber, dass heutzutage das Apfelangebot auf ein rotes, saftiges, mittelgroßes Ding, (bissfest natürlich), preiswert, international und ganzjährig geschrumpft ist, möchte ich als einen kulinarischen Weltkrieg bezeichnen. Wo sind die Goldparmänen, Boskops, Schafsnasen, Gravensteiner, Weihnachtsrenetten und all die anderen geblieben? Ausgerottet?

Ich war auch mal 'ne Apfelsorte! 
Um den Abschiedsgesang der einst reifen und köstlichen Frucht vorzutragen: Adam und Eva kannten vor ihrer Vertreibung noch das Paradies. Der Apfel - und viele andere Genüsse - standen im Mittelpunkt ihres, zugegebenermaßen etwas kürzeren Lebens. Uns Zeitgenossen hat man das volle Angebot aller "Köstlichkeiten" vor die Füße geknallt. Wir kommen nicht mehr dazu, das Richtige auszuwählen und uns darüber zu freuen. Und der Berg unserer Abfälle wird immer höher. Die Mangofrucht gehört jetzt dazu. Welchem Verbrechen ist diese göttliche Frucht zum Opfer gefallen?





Mittwoch, 15. November 2017

Da gibt es einiges zu berichten.

Wenn man älter wird, auf Kinder und Enkel zurückblickt und gelernt hat, wichtige Begebnisse im Leben einfach einmal auszulassen, beim Erzählen, dann bleibt immer noch genug, um Erstaunen auszulösen.


Mit 20, also fast noch blutjung, befand ich mich (im Sommer 1956) mit drei Freunden in Cannes, an der französischen Cote d'Azur. Während wir darauf warteten, dass die Türen des Festivalkinos sich öffneten, erschien ein weltbekannter Künstler auf der Freitreppe, der sich gerade einen Film über sich angesehen hatte. Es war drei Uhr nachmittags und sommerlich heiß. Fotografen und Kameraleute warteten geduldig. Es war Pablo Picasso, der auf uns zukam, sein hellblaues Wolljäckchen auszog, das ich bereitwillig über meinen Arm legte, während der Meister sofort damit begann, in die Kameras zu blicken und Fragen zu beantworten. Als ich ihm die Weste zurückgab, bedankte er sich herzlich bei mir. Ein Foto mit Picasso und mir muss als Beweis irgendwo in einem meiner Alben ruhen.


Er heißt Martin und war Student der Medizin in der damaligen DDR, genauer, in Erfurt, als ich ein Visum erhielt, um Tante Liesel in Freiberg/Sachsen zu besuchen. Es war der November 1962. Mein Freund Christian, mit dem ich in Freiburg studierte, hatte seit seiner "Flucht in den Westen" seine Eltern  und Geschwister nicht mehr gesehen. Ich wurde gebeten, einen Versuch zu unternehmen, diese zu treffen. Großes Misstrauen beherrschte damals die DDR, die mit eiserner Hand durch KGB und Stasi kontrolliert wurden. Auf dem kleinen Umsteigebahnhof von Sömmerda erkannte ich den jüngeren Bruder Christians, dessen Nase so etwas wie ein Familienabzeichen war. Er stand im Verdacht, einer Gruppe von Studenten anzugehören, die anti-russische Flugblätter verteilt hatten. Martin wurde Tag und Nacht überwacht. Sein Studium war in Frage gestellt. Ich berichtete das seinem Bruder im Westen.

Ich blättere weiter: die DDR kollabiert friedlich im November 1989. Meine europäische Mission brachte mich Anfang 1990 zu einem Kongress über Kriminalität in den Städten nach Erfurt. Von Christian hatte ich erfahren, dass sein Bruder Martin als Frauenarzt in Weimar tätig war. Wir trafen uns: es wurde zu einer zweiten Begegnung, nach 28 Jahren. Als wäre nichts geschehen, setzten wir unser Gespräch von 1962 fort. Es blieb bei diesen zwei Begegnungen. Die Umstände haben uns nicht mehr zusammengeführt. Doch Christian werde ich hoffentlich noch in diesem Jahr treffen.


Der Eiserne Vorhang schien sich allmählich zu öffnen. Man konnte gelegentlich schon Menschen aus Ungarn, Polen oder dem Baltikum treffen. Ich konnte sogar schon 1989 eine dreiköpfige Mannschaft des sowjetischen Fernsehens in Straßburg zum Essen einladen und sehen, wie einer den anderen noch zu überwachen hatte. Vor allem der Kameramann, dem der elsäßische Wein besonders zu munden schien, wurde deshalb ständig von den beiden anderen genörgelt. Diese verstanden kein Deutsch, sodass mir der Kamaramann in meiner Sprache alles mockant berichten konnte. Ich fand diese Zeit des Umbruches aufregend und von unglaublicher historischer Bedeutung. Das bekam ich voll zu spüren, als ich am 9. November 1989 im 34. Stock des Plaza Hotels in New York am Fernsehschirm den Fall der Berliner Mauer miterlebte. Menschen, die mich kannten umarmten mich. Ich hatte nur einen Gedanken: wie erreiche ich meine Tochter  und meinen Sohn, die beide in Westberlin studierten. Der Sohn war gerade unterwegs nach Süddeutschland, und meine Tochter berichtete mir später, dass sie von DDR-Beamten freundlich über die Mauer zurück in den Westen geschubst wurde.

Der Hauch der Geschichte 
Manchmal bekommt man die Geschichte voll um die Ohren, doch dann gibt es Momente, die uns wissen lassen, dass wir dabeisein durften. Danke, Pablo Picasso, Danke, Martin, und Danke, Berliner Mauer, dass du nach all den Jahren von uns gegangen bist.

Samstag, 11. November 2017

Eldorado - die Goldkette um den Hals


Während der Mensch bis zu seiner Pubertät wesentliche Phasen seines Lebens abgeschlossen zu haben scheint, nämlich die Oral- Annal- Latenz- und Genitalphase, verliert er sich leicht in mehr exotischen Phasen, wenn er älter wird. Bei Verliebtheit kann es leicht passieren, dass er die Orientierung gänzlich verliert und nicht mehr weiß, ob Männlein oder Weiblein. Wer bei Sigmund Freud hereingeschaut hat, dem schwant so einiges. Dass manche ihrer Exkremente (Annalphase?) sich symbolisch in pures Gold verwandelt haben. Eine sublime Art Goldwerdung, die glücklich macht, wenn dieses Edelmetall, tonnenweise ständig irgendwo am Körper hängt und glitzert.

Klopapier, golden. 
Obwohl man solche Schwächen gerne dem zarten Geschlecht zuordnet, kann man kaum übersehen, dass der ultimative Goldträger ein stattlicher Mann ist, der sich überwiegend, mit schwerer Goldkette behängt, an Stränden und in Schwimmbädern herumtreibt. Sollten die Schweißperlen am nackten Oberkörper nicht die ganze Aufmerksamkeit auf sich lenken, und hingegen ein zartes Goldkettchen den männlichen Hals umspielen, sind alle Variationen menschlichen Zusammenseins denkbar. Allerdings soll es Männer geben, die gegen die Goldkette eine Art Allergie entwickelt haben. Goldene Uhren, Eheringe und Manschettenknöpfe fallen normalerweise nicht unter diese Abneigung.


Einem krassen Fall von Gold- und Silbersucht begegnete ich neulich auf einer Kreuzfahrt. Ein mittelalterlicher Herr, alleinstehend wie wir vermuteten, tanzwütig, wie man leicht feststellen konnte,  schmückte sich vor allem abends mit riesigen silbernen und goldenen Gehängen. Cath schaffte es sogar, mit ihm ins Gespräch zu kommen, doch dieser besondere Schmückwahn, konnte nicht erörtert werden. Ich musste unwillkürlich an unseren Sigmund Freud denken, dem dazu sicherlich allerhand eingefallen  wäre.


ELDORADO, El dorado, der, die, das Vergoldete, wurde ursprünglich als Traumland oder -Stadt am Orinoco oder Amazonas angesehen, strotzend vor Schätzen, eine ständige Herausforderung für goldsüchtige Antenteurer. Alles, was auch nur im Entferntesten mit Gold zu tun hatte, musste irgendwie aus dem Eldorado der Menschheit stammen. Die Goldmarie aus dem Märchen, die Goldene Gans, der goldene Löffel, die goldene Brücke, über die man geführt wird, all das ist mit der Faszination des Goldes verknüpft.


Sucht und Begehren scheinen alle diejenigen zu begleiten, die ein beonderes (erotisches?) Verhältnis zu diesem Edelmetall haben. Das Gold macht etwas mit dem Menschen. Wer ihm verfallen ist, läuft ihm stumm hinterher. Reden ist Silber, aber Schweigen ist Gold. Wer als Kleinkind auf dem Töpfchen sitzt, kann sein Geschäft durchaus mit Gold vergleichen. Doch die spätere Hinwendung zum Gold sollte deutlich machen, dass die Annalphase überwunden ist.








 


goldene Gans. Goldmarie, godener Käfig. Analkrise. Goldstaub. Schmuck. Elster.
Oral, Annal, Latenz, Genitalphasen, bis zur Pub= abgeschlossen.Eldoado Man on ship.