Freitag, 24. November 2017

Das Schöne an England....

ist nicht unbedingt das Wetter. Obwohl, heute habe ich, hier in Yorkshire, noch kein Wölkchen am Himmel geortet. Auch das kann vorkommen. Das Schöne an diesem Land sind aber die Menschen. Ihre Vorurteile verstecken sie geschickt hinter einer freundlichen Maske, wobei das Wort Maske schon wie ein Vorurteil daherkommt. Wer das Echte sucht, hat es nicht schwer, dahinter zu kommen. Wir Badener nutzen unsere Waffen immer wieder geschickt aus. Zugeschlagen, wenn vorhanden, wird mit einer Flasche Riesling, Spätlese, oder einem Weißherbst. Das verspricht Zuneigung und Anhängerschaft.


Sobald sich der Engländer genügend in ein Gespräch mit dir verhakt hat, schlägst du los: wie wär's
mit einem Schluck Wein aus unserer Heimat?  Die Erwartungen entsprechen zunächst dem allgemeinen Angebot in den deutsch klingenden Supermärkten (Lidl, ALDI oder so), was den Wein betrifft. Vielleicht fehlen dem Bier trinkenden Engländer auch die Maßstäbe für den badischen Wein, denn dieser wird in der Regel von den Badenern selbst getrunken, statt prestigeträchtig im Ausland verscherbelt zu werden. Man darf sich also nicht wundern, wenn das Angebot eines Gläschens zunächst mit großer Zurückhaltung aufgenommen wird. Man sagt "ja", das gehört sich so, aber der deutsche Wein leidet noch immer unter dem Syndrom der Blue Nun, der Blauen Nonne, die in englischen Köpfen wie ein Damoklesschwert herumgeistert, sozusagen als Botschafter deutscher Weinkunst. Eine reine Demütigung des teutonischen Weinverständnisses.


Es muss erwähnt werden, dass Liebfraumilch oder Moselwein in der Mentalität des Badeners keine Rolle spielt und nie als etwas Trinkbares in Betracht gezogen wurde. Schon der württembergische Haberschlachter hat als durchaus trinkbarer nachbarlicher Rotwein größte Mühe, im Badischen zur Kenntnis genommen zu werden. Wenn der Engländer einmal die Existenz guter badischer Tropfen anerkannt hat, ist alles möglich, sogar eine Verkostung an der Haustür. Zwar denkt der Brite eher an Sodom und Gomorrha, wenn er außer den Mahlzeiten Wein zu trinken bekommt, aber er lässt sich gerne auch zu einem Schwätzchen überreden, wobei der badische Wein als Zungenlöser hervorragende Dienste leistet.


Blue Nun? schön blau. 
So kam es, dass wir mit Stephen heute Morgen einen unterhaltsamen Augenblick verlebten. Er war gekommen, um bei uns verstaubte Teppiche und Polstermöbel zu reinigen. Das ging schnell seinen Weg, mit Hilfe von Schläuchen und einem blauen, lärmigen Gerät, von dem ich mir keinen Namen vorstellen kann. Staub-Saug-Pump-Generator-Entlüfter....Dabei kamen wir ins Gespräch, wobei ich selbst an Geschwätzigkeit noch jeden Engländer übertreffe. Mein badischer Trick: nur ganz beiläufig erwähnte ich, dass neben der Flasche Ullenburg (rot) aus Tiergarten auch noch eine Flasche Riesling, Spätlese und eine Flasche Rosé, alles auch vom Weingut Ullenburg, ungenutzt herumstand.


Es ist nicht leicht, einen Engländer zu finden, dessen Augen zu glänzen beginnen, wenn er dies alles vor sich sieht. Eine gewisse Verschämtheit, verbunden mit einem moralisch durchaus verständlichen Aberdasistdochnichtnötig galt es noch zu überwinden, dann waren die Dämme gebrochen. Wir probierten wie in der Weinstube, und Stephen beschloss, sich zu setzen. Männerschwatz mit badischem Wein. Eine solche Kultur der Gemütlichkeit, die in Baden manchmal Hock genannt wird, hat es - da bin ich mir sicher - im tiefsten Großbritannien noch nicht gegeben. Zudem hat der gütige Himmel  noch immer kein Wölkchen an denselben gezaubert. Unter diesen Umständen ist es fast unmöglich, kein Fan der britischen Insel zu sein. Auch schöne Gespräche können ein Land schöner machen.







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