Sonntag, 29. September 2013

Salzburger Nockerln und der Trachtenwahn

Salzburg ist eine schöne Stadt. Nicht nur ist dort unser geliebter Wolfgang Amadeus Mozart geboren. Er hat dort auch gelebt, bis er beschloss, nach Wien zu ziehen. Nein, angesichts einer nicht abreissen wollenden  Prozession von fremden Besuchern in den engen Gassen, wird hier auch eine massive Verkaufsaktion von Trachten durchgeführt. Ich sah ein altes japanisches Touristenpaar, er in Lederhosen, mit Tirolerhut, sie im Dirndl, das allerdings eher an Hollywood als ans Salzkammergut erinnerte. Salzburg muss die Welthauptstadt der Trachten aller Art sein.


Ich weiß, wovon ich rede. Zu meinem 10. Geburtstag erhielt ich eine Krachlederne mit Hosenträgern aus Hirschgeweih, oder so, dazu einen grünen Tirolerhut mit weißem Federchen. Ein weißblau kariertes Hemd gehörte dazu. Ich glaube, meine Mutter hatte in Bayern eingekauft, ohne zu ahnen, was sie mit diesem Geschenk angerichtet hat. Sofort liebte ich meinen Tirolerhut, und mit der Lederhose konnte ich getrost auf Bäumen herumrutschen, ohne wegen Verdreckung  ausgeschimpft zu werden. Damals war ich der einzige Lederhosenträger, weitab von jeder bajuwarischen oder alpinen Umgebung. Eine burschikos anmutende Nachbarmaid, allerdings, die ich sowieso toll fand, wegen ihrer tiefen Mädchenstimme, tauchte dann auch plötzlich in Lederhosen auf. Einfach süß.


Heute trägt man auch inSalzburg überwiegend Jeans, was aber der Faszination der Trachten keinen Abbruch tut. Auch die Hingebung an alles Mozärtliche ist dem Salzburger schon von weitem anzusehen. Warum jedoch überall mit Mozartkugeln geschossen wird, bleibt mir ein Rätsel. Diese Schokobällchen sind wirklich nicht das allerbeste an zuckerhaltigem Süßkram. Das Riesenangebot muss mit der Überdosis an japanischen Touristen zu tun haben.


Zu den Salzburger Nockerln kann man nur sagen: man muss sie einmal gegessen haben, um zu wissen, wie göttlich eine solche Speise sein kann. Salzburg ist also ein schönes Wochenende wert, auch ohne den sagenhaften Schnürlregen, auf den man gerne verzichtet.


Freitag, 27. September 2013

Als Mensch bin ich defekt

Ich zähle auf und gehe nicht in die Niederungen kleinlicher Defekte wie Krampfadern, Tränensäcke und Rückenschmerzen: Vor Jahren hat man mir einen Bandscheibenvorfall repariert. Dann kam ein Hypophysenadenom, das erfolgreich entfernt wurde. Dann ein mittlerer Schlaganfall. Seitdem muss ich auf den Cholesterinspiegel achten, den Bluthochdruck bekämpfen und etwas zum Verdünnen meines Blutes nehmen. Beim Treppensteigen fange ich an zu japsen, denn altersbedingtes Übergewicht werde ich nicht mehr los: etwa drei Kilo (das geht ja noch) sind zu viel.  Mein rechter Ringfinger schmerzt und benimmt sich wie ein Fall von Gicht. Wenn ich es bedenke, bin ich ein Auslaufmodell, obwohl ich selbst nie gemodelt habe. Ich bin defekt.

Er sollte mich unbedingt auf sein Sofa lassen!

Auf der Habenseite, allerdings, schlagen die Dinge zu Buche, die das Leben so lebenswert machen: ich kann mich wahnsinnig über einen schönen Sonnenaufgang freuen, und darüber, dass meine Zähne und ich nicht getrennt schlafen müssen. Beim Frühstück machen mich eine Kanne Kaffee, ein frisches Brötchen, mit viel Butter und Honig, mehr als glücklich. Auch im platonischen Bereich tut sich immer noch etwas: frei von Viagra, hat die Kraft meiner Lenden mir den Rücken nicht gekehrt. Und, was furchtbar wichtig für mich ist, der ich kein Alkoholiker bin: ein Glas Wein vergoldet meinen Oktober. Ich habe es allerdings bisher vermieden, in dieser Angelegenheit einen Arzt oder Apotheker um Rat zu fragen. Deshalb erkläre ich: auch wenn Merkel noch keine Regierung hat, Obama noch an Syrien knabbert und unsere österreichischen Freunde gerade versuchen, aus einer unheiligen Allianz zwischen Rot und Schwarz zu kommen, fühle ich mich wohl. Am Sonntag wird hier gewählt. Statt Treppenlifta benutze ich den Fahrstuhl, und für größere Entfernungen benutze ich die Wiener U-Bahn.

Meine Gemahlin, bessere Hälfte, Lebensgefährtin hat diese Probleme nicht. Sie hat dafür mich. Ich bin einfach defekt. Sie nicht. Ich hoffe, das geht noch lange gut so. Und die Merkel kommt endlich zu Pott. Und in Österreich wird endlich gewählt. Und alles wird wieder gut!






Mittwoch, 25. September 2013

Wiener G'schichten - Wahlfahrt ins Nichts?

Die Deutschen haben gewählt, aber, was haben sie gewollt? Angela rudert noch und ringt um eine Lösung. In Österreich wird am kommenden Wochenende gewählt. Als zugereister Piefke (jedoch aus Süddeutschland) habe ich nichts damit zu tun. Aber, trotz immerwährender Zweifel, bin ich noch an allem Politischen interessiert. Also schaue ich jetzt genauer hin, zumal ich es bisher geschafft habe, mich total heraus zu halten. In der Endfrage, die jetzt entschieden wird, sieht es etwa so aus: SPÖ, knapp unter 30 %, ÖVP: um die 25 %, FPÖ: ungefähr 20 % und die Grünen: 15 %. Das viel geschmähte und aussichtslose "Team Stronach" liegt auf jeden Fall unter 10 %. Die Nationalratswahlen werden also wahrscheinlich wieder eine "große" Koalition zwischen Sozialdemokraten und Christsozialen hervorbringen, eine Regierungsform, die von den  jetzt gegnerischen Lagern zur Zeit bitter bekämpft wird.

Wenn man die Boulevardpresse aufschlägt, sieht man, dass die Parteienwerbung meist in Revolverblättern stattfindet, wobei Beleidigungen, Gerüchte und Lügenstories den Ton angeben. Das eigentliche Interesse der schnellen Leser jedoch gilt anderen Problemen: "Polizei stellt sprayende ÖVP-Kandidatin". "Lebenslang für Mord an Julia (16)",  "Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (59): Ja, ich habe Krebs".  Und: (permanenter Wahlkampf mit harten Bandagen) Dr. Eisenfaust zu Gast bei ÖVP-Chef Michael Spindelegger. Dr. Vitali Klitschko, der selbst bald in der Ukraine als Präsidentschaftskandidat antreten möchte, reicht ihm sichtbar seine Pranke. Andererseits verleihen die Jung-SPÖler ihrem Chefkandidaten Werner Faymann in einem Brief den Doktortitel, den er offensichtlich (oh, Schmach!) nicht besitzt.

Andere Parteien schlagen sich wacker: die Grünen, zum Beispiel, die nicht unter allgemeinem Korruptionverdacht stehen. Doch der liberale FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, haut kräftig in die "Ausländer-raus"-Kerbe. "Ich liebe die Menschen. Das sind für mich meine Österreicher" oder so ähnlich, wird auf seinen Plakaten verkündet. Und der Austrokanadier und Politneuling Frank Stronach ("Jetzt kommt Frank") ist mit seinen 81 Jahren einer der zeigt wie körperlich fit er ist. Außerdem möchte er die Todesstrafe für Berufskiller wieder einführen. Das zieht in Österreich wohl wenig. Das Neue Österreich, die "neos", können wir getrost vergessen: sie wollen eine mutige Politik. Das heißt, dass es bei Nacht dunkel ist.

Wien, Hundertwasserhaus

Bei einem letzten TV-Duell zwischen Bundeskanzler Faymann und Spindelegger war das Stichwort "Klartext". Ich habe es nicht verfolgt. Die Nachlese in der Presse genügt, denn eine Entscheidungshilfe ging von diesem Duell der Duzfeinde nicht aus. Jemand schrieb: "Zwei Papis drückten sich an Muttis Busen", wobei offensichtlich Merkels Busen gemeint war. Klartext? Oder doch die Steuern, Gehälter und Pensionen der Österreicher, die so nebenbei auch im Gespräch waren? Als Piefke darf ich nicht, aber als Österreicher wüsste ich auch nicht was tun. Wir werden sehen was am Wochenende geschieht.




Dienstag, 24. September 2013

Steinpilzzeit - Ich suche ein Rezept.

Es ist nicht möglich: drei badische Kochbücher von der besten Art habe ich durchstöbert. Nichts gefunden. Also muss ich Mutters verblichene Kochkunst bemühen und mein visuelles Gedächtnis bemühen. Als Kind schaute ich zu, wenn Mama kochte. Heute muss ich mich erinnern. Mit Papa, der nie Pilze aß, ging ich in den Wald zum Pilze suchen. An guten Tagen, wenn es draußen schon etwas kühl wurde, die Wiesen und Wälder in der Morgensonne noch feucht waren aber schon nach Herbst rochen, gingen wir hinaus, mit einem Messerchen und einem großen Korb. Die Pfifferlinge leuchteten, narrten den Sucher aber manchmal mit ihrem warmen Gelb, das wie welkende Blätter aussah. Wir fanden fast immer etwas. Manchmal war die Ausbeute sogar beträchtlich. Vorsichtig schnitten wir die Pilze ab, reinigten sie ein wenig und legten die Pfifferlinge in die eine, die Steinpilze in die andere Ecke des Korbes.

Mama kochte dann. Es wurde immer ein Festessen, das ich jetzt versuchen muss, aus dem Gedächtnis zustande zu bringen. Ich improvisiere, denn heute Morgen, auf dem Wiener Markt am Reumannplatz, konnte ich nicht widerstehen: ich suchte mir ein halbes Kilo mittelgroßer Steinpilze zusammen. Jetzt stehe ich vor einem Rätsel: wie macht man ein badisches Pilzpfännle, wenn man in keinem Kochbuch Anleitungen erhält?

Also putze ich die Hüte und Stiele der Pilze. Das "Fleisch" ist weiß und hoffentlich nicht verwurmt. Ich halte mich nicht mit der Frage auf, ob eine giftige Variante drunter ist, denn ich kenne meine Pappenheimer. Kleinschneiden ist angesagt. Winzig geschnittene Schalotten und zerdrückter Knoblauch, beides in kleiner Menge. Öl muss in die Pfanne. Es darf auch Butter sein. Die Pilze müssen geschwenkt und etwa 10 Minuten gedünstet werden. Leicht salzen und mit weißem Pfeffer bestreuen. Wenig feingewiegte Petersilie und auch Dill drüberstreuen. Ein kleiner Schuss Weißwein von der lieblichen Art. Dann kann serviert werden. Zusammen mit breiten Nudeln. Fleisch als Beilage erübrigt sich. Was für Franzosen die Trüffel sind, können für den Badener getrost die Steinpilze sein. Das Prosten nicht vergessen: ein badischer Riesling oder ein Weißburgunder. Das wär's. Ich hoffe, dass meine Süße nicht schon beim Anblick dieses Edelpilzes total ausflippt. Aber bewundern lassen möchte ich mich schon!



Montag, 23. September 2013

Die Liberalen sind weg!

Ohne jetzt meinen eigenen Senf dazu geben zu wollen - viele tun das gerne - muss ich meiner Zufriedenheit über den Weggang der FDP Ausdruck verleihen. Die unsäglich gewordene Freie Demokratische Partei hat den Wählerkick in den Hintern erhalten und taumelt jetzt in Richtung Untergang. Zu viel ist da zusammen gekommen.  Im Startloch sitzt schon wieder einer, der offensichtlich auf eine neue Chance gewartet hat. Ob Lindner jetzt der Richtige ist? Das müssen die mit sich ausmachen, die das Desaster herbeigeführt haben. Weiter so, meint er, geht nicht mehr.


Was auffällt, ist das Verhalten an der deutschen Börse, einen Tag nach der Wahl. Die Frankfurter Börse juckt es nicht, dass die Politik jetzt herumeiern muss, um klare Verhältnisse zu schaffen. Der Deutsche Aktienindex, DAX, schert sich nicht um Politik. An der Börse weiß man, dass das Geld regiert. Politiker, solange sie nichts tun, sind nur Statisten. Der Gewinn zählt. Dazu muss Kontinuität vorgespielt werde. Baustellen wie Energiewende, Euro-Schuldenkrise, Mindestlöhne, Steuerreform, folgen für die Börsianer einem einzigen Motto: Weitermachen, so wie bisher. Dass der DAX sich am Tag danach kaum bewegt, spricht Bände.

Was für einen Senf kann man da noch hinzu geben? Dass die Schere jetzt noch weiter auseinander geht? Dass jetzt die Ratlosigkeit vom Wähler auf die Seite der Gewählten hinüber gewechselt hat? Alle aufgepasst: die Macht lockt. Selbst die erfolgreichste aller Gewählten ist zur Zeit noch ratlos. Aber, Anspruch auf die Macht, hat sie schon.

Sonntag, 22. September 2013

Gaude, Maria virgo - Freu dich, Jungfrau!

Ein altes, frommes Lied. Ich vermute mal, es ist aus einer katholischen Laune heraus entstanden, die das Besondere der Jungfräulichkeit hervorheben möchte. Eine schöne Sache, aber vielleicht doch ein wenig verstaubt heute. Genau so, wie die 70 Jungfrauen, die den muslimischen Bombenattentäter erwarten, wenn er sich erfolgreich ins Paradies gebombt hat. Ein schauderhafter Gedanke: 70 Jungfrauen, mit denen ein Testosteron geladener Jüngling plötzlich zurecht kommen muss. Ich sehe schon: die eine möchte Chanel, die andere zieht Schwarzwälder Kirschtorte vor. Sie wiegt ohnehin schon 95 Kilo und hat Schwierigkeiten mit dem hauchdünnen, kaputtgebombten Jüngling.


Es würde mir nicht im Schlaf einfallen, dem lieb gewordenen Mythos von der Jungfräulichkeit den Garaus zu machen. Doch wurmt mich der Gedanke, dass der Zustand der Virgo intacta etwas Besonderes sein soll. Außerdem ist es eine Unverschämtheit, etwa bei der vorehelichen Begegnung die Dame auf ihre Jungfräulichkeit zu überprüfen. Wie steht es da mit den Jungmännern? Können die ungeprüft durch die Lande ziehen? Wer kann die Jungfräulichkeit eines Mannes bestätigen? Ein Arzt? Nein, Danke. Ein Richter? Nie und nimmer! Das reine Gewissen? Wenn es denn rein ist. Wir sehen, mit diesem Mythos hätten wir schon vor Jahrhunderten in Teufels Küche kommen müssen. Statt dessen haben wir das Mönchstum und die Priesterschaft erfunden, die Jungfräulichkeit auf den Mann übertragen und eigentlich nur die Jungfrau Maria ihr frommes Unwesen treiben lassen.

Ich kann mir nicht helfen: manchmal kommt mir das Althergebrachte etwas verstaubt vor. Doch, wer will es ändern?

Samstag, 21. September 2013

Wahlkampf, entirely sexless!

Vielleicht leide ich unter einer Überdosis an Wahlkampfgetöse. Ich kenne alle Argumente und frage mich, warum die kämpfenden Tröpfe nicht einfach auf ihren Hintern sitzen und abwarten. Nur eine Minipartei zeigt in ihren Spots nackte Hintern. Eine Botschaft ist davon nicht ausgegangen. Man kommt also auf seltsame Gedanken, wenn man versucht, den Aussagen etwas abzugewinnen.


Zum Beispiel: was wäre, wenn das Ei plötzlich eine andere Form annähme, etwa, die einer kleinen Pyramide? Das Ei könnte dann nicht mehr vom Tisch rollen. Oder eines Kubus? Rollen wäre dann auch nicht mehr drin. Lassen wir das Ei. Eine Eskimofrau im Bikini? Das wäre unter Umständen einen Internetstorm wert. Zumal die Inuitfrau (wie es politisch korrekt heißen müsste) ganz schön was um die Hüften hätte, weil sie gewohnt ist, auf Vorrat zu essen.


Oder, wenn der Mensch, Mann oder Frau kein Geschlecht hätte? Wie witzig. Es gäbe keine Busengrapscher mehr, keine Kinderschänder und Vergewaltiger. Auch die Sicherungsverwahrung nähme eine ganz neue Dimension an. Und, nicht zu vergessen, die Engel würden uns total gleichgestellt. Man müsste dann "das Engel" sagen. Bei Tieren würde nach einem für den Stierkämpfer erfolgreichen Stierkampf das Verzehren der Stierhoden wegfallen, und die menschliche Amme wäre arbeitslos. Sie könnte dann an die Kasse eines Supermarktes gehen. Andererseits ist gegen ein bisschen Geschlecht überhaupt nichts einzuwenden.

Freitag, 20. September 2013

Wiener G'schichten - die Burkas sind verschwunden

Vor kurzem wimmelte es in der Wiener Innenstadt noch von Burkas tragenden Musliminnen. Ich hatte zum Ausdruck gebracht, dass man in Europa ein Recht hat, in der Öffentlichkeit das Gesicht einer Person zu sehen. Dabei geht es nur um die Frauen. Wenn Männer ihr Gesicht verhüllen, führen sie meist nichts Gutes im Schilde. Deshalb tragen auch die Leibwächter in der Kärntner Straße oder am Graben meist schwarz. Mit gespreizten Beinen stehen sie da und wollen abschreckend und bedrohlich aussehen. Ob das potenzielle Gangster abweist, ist fraglich. Auch ein Autofahrer mit schwarzer Limousine möchte Respekt, vielleicht sogar Furcht, einflößen, nichtwahr? Aber mit den in kleinen Häufchen auftretenden schwarz beburkaten Musliminnen ist es anders. Furcht erregen sie nicht, eher Irritation. Wie viele davon in diesem Sommer hier in Wien herumschwirrten, bleibt ein Rätsel. Eine Erklärung ist wohl die Anwesenheit der OPEC, der Organisation Erdöl produzierender Länder. Schließlich sind diese Länder wohlhabend. Sie können ihre Madamen leicht in alle Welt mitnehmen. Der wahre Grund ist vielleicht ein anderer: wer das Klima in den OPEC-Ländern kennt, weiß, dass es dort im Sommer oft bis zu 40°C heiß ist. Ein guter Grund, bei dieser Hitze in den doch etwas kühleren Norden auszuweichen. Ich verstehe das gut.


Da ich ein unverbesserlicher Beobachter bin, fallen mir noch andere Dinge in der Wiener City auf: der Zustrom von asiatischen Touristen hält auch im September an, wobei es für den ungeübten Europäer schwierig ist, Chinesen von Japanern zu unterscheiden. Da ich schon in Japan und China war, scheint mir der wichtigste Unterschied zu sein, dass die Chinesen gerne öffentlich lachen, die Japaner hingegen    immer todernst daher kommen. Ich kann mich täuschen. Eines jedoch habe ich heraus gefunden: die Damen mit den Burkas, dieser Ganzkörpervermummung, sind total aus dem Blickfeld verschwunden.

Horst Köbele hat das gemalt

Seit über einer Woche habe ich keine einzige dieser Schönheiten (vermute ich mal) mehr gesichtet. Wie erklärt sich das? Wahrscheinlich ist in dem Emiraten, die ja eine eigene luxuriöse Fluglinie mit Luxusaußenposten am Wiener Flughafen besitzen, das Klima wieder etwas angenehmer für die Damen. Ich freue mich für sie und wünsche ihnen alles Gute, bis zum nächsten Jahr.

Donnerstag, 19. September 2013

Je Wahlkampf desto Schwafel.

Bei der Fernsehwerbung, wenn man dagegen allergisch ist, gibt es einen Trick: man hört weg, hält sich die Tomaten auf die Augen, schaltet den Ton weg, oder rülpst laut und kriegt nichts mit. Dennoch schafft es die gesundheitsschädigende Apotheken Umschau, immer wieder, wahrgenommen zu werden. In der Fernsehwerbung: Lesen was gesund macht oder so. Bei einer fast 20Millionenfachen Auflage kommt dieses Ding der Wahlwerbung durch die Parteien schon ziemlich nahe. Ich schaue nur noch hin, wenn ich besonders dreiste Eigenlobhudeleien erwarte.

Vom österreichischen Wahlkampf, aus dem ich mich als Ausländer heraus halte, weiß ich, dass mit harten Bandagen gekämpft wird. Dabei werden Wahrheiten durch Halbwahrheiten und Unwahrheiten ersetzt. Die Aufforderung, "lassen sie mich doch ausreden!" ist da ebenso geläufig wie das auch in Deutschland übliche Ins-Wort-Fallen, damit der andere nicht mehr verstanden wird.


Wer aber genau hinhört, der wundert sich, wie viele olle Kamellen den aufgemotzten Neuheiten die Stirn bieten. Das maschinengewehrhafte Schnellreden, das vor allem Ursula von der Leyen beherrscht, hat immerhin den Vorteil, dass sie ungestört am Ende ihrer Behauptungen ankommt. Dass alles, was ihre Partei in den letzten 4 Jahren "geleistet" hat, gut war, versteht sich von selbst. Auch die große Vorsitzende wird nicht müde, sich aus Streitereien fernzuhalten und mit staatsmännischen Gesten um sich zu werfen. "Wir wollen Deutschland voranbringen", und "es geht uns gut" sind die üblichen Einluller, denen die Opposition etwas konkretes gegenüber stellen möchte: Die oberen Einkommen sollen höher besteuert werden. Wenn ich in diese Kategorie fallen sollte, werde ich mein Schicksal vertrauensvoll annehmen. Vorausgesetzt, dass der Mindestlohn auch das Einkommen der ewig Benachteiligten verbessert. Denn die Dummen sind die, die nicht genug haben, um in Würde alt zu werden. Viele Fragen werden nicht mal erwähnt. Die Maut fürs Autofahren jedoch ist ein Witz. Sie wird nicht kommen, und der Löwe aus Bayern wird sich, wie so oft, als zahnloser Tiger erweisen. Hoffentlich ist das Wahlgebrabbel bald vorbei, denn, wer einen IQ von über 80 hat, fällt auf solche Töne nicht mehr herein.



Mittwoch, 18. September 2013

Marcel Reich-Ranicki

Aus aktuellem Anlass ändern wir unser Programm. Der Papst ist tot. Ja, der deutsche Literaturpapst. Wie er herumstänkern konnte. Wie er manche Autoren niedermachte. Er kümmerte sich einen Dreck um seine Opfer. Er lobte über den grünen Klee, und er stritt mit seinen aufmüpfenden Partnern, Sigrid Löffler, der Österreicherin, und  Hellmuth Karasek, dem Hamburger. Er diktierte, verurteilte und hob in den Himmel. Wer mochte nicht von diesem Monster lobend erwähnt werden. Was er sagte, litt keinen Widerspruch. War er Pole? Deutscher? Jude? Nein, er war Institution. Das Literarische Quartett. Ich versuchte, keine der monatlichen Quartetts auszulassen. Er war ein widerlicher Stänkerer und Diktator. Unsympathisch bis zum Gehtnichtmehr. Günter Grass machte er zur Schnecke. Bei Martin Walser hatte auch ich kein gutes Gefühl. Von Literatur und Schreiben verstand er etwas. Er war literarischer Mittelpunkt, eine exzentrische Diva.

Er konnte für mich nichts falsch machen. Ich liebte ihn. Marcel Reich-Ranicki war viel zu gut für die literarische Landschaft. Ihr Papst ist tot. Wir werden nie mehr einen solchen Megakritiker bekommen. Lasst uns ihn nie vergessen!

Dienstag, 17. September 2013

Hoppelpopp! Mira Lobe wäre heute 100

Leider hat unsere Wiener Kinderbuchautorin diesen schönen Geburtstag nicht mehr erlebt. Sie wäre am  17. September 2013 hundert geworden. In Görlitz, wo sie geboren wurde, hat es eine bescheidene Erinnerung an diese erstaunliche Autorin gegeben. In ihren fast hundert Kinderbüchern lebt sie weiter. Aber wie? Ich muss beschämt gestehen, dass ich noch nie von ihr gehört hatte. Meine Kinderbücher waren Knabenbücher, hauptsächlich von Karl May, von dem ich als Junge fast alle 64 Bände gelesen habe. Er hat mir beigebracht, dass man nicht tötet, nicht stiehlt, offen und ehrlich ist, Mut beweist und zu seinem Wort steht. Mira Lobe, die 1948 in Israel ihr erstes Kinderbuch auf Hebräisch veröffentlichte ( Insel der Kinder), vermittelt in ihren Büchern auch Toleranz, Gewaltlosigkeit und soziale Gerechtigkeit. Darüber hinaus traf sie mit ihren kindgerechten, lustigen Reimen so manche poetische Ader der Kleinen, ein ganz besonderes Talent. Man kann nicht behaupten, die Nazis hätten sie mundtot gemacht, denn der Krieg war schon vorbei als sie anfing zu schreiben. Sie ließen sie aber nicht studieren, und sie wanderte 1936 nach Palästina aus.


Die Träume der Kinder konnte sie sich gut vorstellen. Der Junge, der keine Oma hatte und sich eine wünschte, wie die anderen Kinder. Er erträumt sich die "Omama im Apfelbaum", wohl eines der populärsten Kinderbücher der Autorin.  "Weil du ein Mädchen bist, kannst du nicht klettern". So heißt es in einem anderen Kinderbuch, wo es darum geht, dass auch ein Mädchen in einen Baum hoch hinauf klettern kann. Eine ihrer Illustratorinnen, Susi Weigel, hat die Bilder geliefert für die meisten ihrer Geschichten.

Um meine Unwissenheit in Grenzen zu halten, machte ich mich also auf, zu einer Lesung ins Jüdische Museum in der Wiener Dorotheer Straße zu gehen. Der Saal war voll, die Direktorin, Danielle Spera eröffnete und las Auszüge aus den Büchern, Hannah Landsmann moderierte mit und der Sohn Mira Lobes, Reinhardt Lobe, las ebenfalls und antwortete auf Fragen. Ja, die Mutter war gegen körperliche Züchtigung. Nur dreimal hatte er von ihr einen Klaps abbekommen. Wenn er abends ins Bett musste, sah er durch einen Spalt unter der Tür das Licht aus dem Zimmer kommen wo die Mama mit der Schreibmaschine ihre Geschichten herunterklapperte. Zusammen mit seiner Schwester durfte er eine geborgene Kindheit erleben, obwohl die Mutter unzählige 8-12jährige mit wunderschönen Geschichten versorgte. Irgendwann werde ich in einer Buchhandlung nach einem Buch von Mira Lobe greifen, vielleicht "Das Schlossgespenst", auch wenn sie nicht ausdrücklich für meine vorgerückte Altersklasse geschrieben hat.



Montag, 16. September 2013

Wir sind geschrumpft - hat es sich gelohnt?

Vier Wochen können lang sein, wenn man eine Ernährungskur machen möchte, die auf der Umstellung des Stoffwechsels beruht. Man frage mich nicht über Einzelheiten aus: vier Wochen ohne Alkohol, Zucker, Kaffee, Milch, Butter, Käse, Fett, nur ein wenig Olivenöl, Freitags, Samstags und Sonntags. Viel Gemüse, Fisch, mageres Fleisch und ölfreie Salate. Als kleine Zwischenmahlzeit, um 11 Uhr und um 17 Uhr, waren Nüsse jeder Art oder Hummus, der Kichererbsenkompott, erlaubt. Das Ergebnis: mein Wohlfühlfaktor hat schwindelnde Höhen erklommen und das Gewicht ging in den vier Wochen um volle 6 kg zurück. Bin ich jetzt stolz?
Darben sieht anders aus.

Am meisten fehlte mir der Kaffee. Und die Butter, sowie der Wein. Der erste horrorfreie Tag nach vier Wochen war heute. Am Morgen machte ich eine Kanne Kaffee. Dazu gab es Weißbrot vom feinsten, mit Butter als Aufstrich und Honig. Dazu Kaffeesahne. Was für ein Vergnügen. Ich hangelte mich durch den Tag, als würde ich immer noch fasten. Doch heute Abend, zu den Spaghetti Bolognese, gab es ein Glas Weißwein. Ich jubelte, fand jedoch den Reiz des Weines ziemlich gemäßigt. Dies mag die Lehre sein, die ich aus all dem gezogen habe: es darf, muss aber nicht unbedingt ein Glaserl Wein sein. Man lebt auch ganz schön ohne.


In Wien ist es jetzt endgültig Herbst. Die Himmel stürmen, und meine Glücksgefühle, das alles gut überstanden zu haben, geben mir den Mut, noch ein wenig weiter zu machen. Trotzdem esse ich wieder nach Herzenslust, aber etwas sinnvoller, wie ich hoffe. Meine Leidensgefährtin, die mich sanft in diese vierwöchige Kur geschubst hatte, will mir immer noch nicht verraten, wie viele Kilos sie abgenommen hat. Eine Frau hat eben auch ihre kleinen Geheimnisse. 

Freitag, 13. September 2013

London in den Fünfzigern - II

Wenn man einmal begonnen hat, sich zu erinnern, lassen einem manche Dinge nicht mehr los. Ich arbeitete 1958 für sieben Wochen auf der Themse-Insel Sheppey. Eine reizlose Flachinsel, mit dem Bus gerade zwei Stunden von London entfernt, im Mündungsgebiet der Themse. Das Warner's Holiday Camp gibt es dort heute nicht mehr: eine Ansammlung von hölzernen Chalets, einem Zentralgebäude und einer Bar. An den Strand ging kaum einer der Feriengäste, denn das Themsewasser war schmutzig und kalt, trotz der 30°C, die wir in jenem Sommer fast täglich hatten. Verkehr gab es in London, aber fast nicht auf der Insel, die mit einer Brücke an das Festland angebunden war. Die Putzfrauen des Camps trugen alle Hüte. Man erklärte mir, dass dies ein heftig erstrittenes Vorrecht der englischen Putzfrauen war. Als ich vom "Männchen für alles" die Leiter etwas hinaufkletterte, arbeitete ich in der Kantine: Nach jeder Mahlzeit wurden die etwa 2000 Teller der etwa 700 Feriengäste mit einer vorsintflutlichen Waschmaschine gewaschen. Die klotzigen Dinger waren kaum zu zerschmettern. Ich ließ mal einen solchen Teller auf den harten Betonboden fallen. Er sprang unbeschädigt zurück wie ein Ball. In Zehnerpacks holte ich die Teller aus der Maschine und rollte sie kurz hin und her, damit das Restwasser abfließen konnte. Dann wurden sie gestapelt, damit das Geschirr für die nächste Mahlzeit bereit stand.
An der Themse

Jemand sagte zu mir: "This is a concentration camp for holidaymakers". Ein Scherz, hart an der Grenze des Geschmacks, denn man muss bedenken, dass solche Camps den Bedürfnissen von arbeitenden Menschen mit wenig Einkommen entsprachen. Es gab davon mehrere in Großbritannien. Noch in den Sechzigerjahren, so hat man errechnet, wurden in diesen Lagern bzw. Ferienkommunen wöchentlich insgesamt 3,5 Millionen Eier verzehrt, dazu 240 Tonnen Schweinekoteletts und über 20 Millionen Tassen Tee getrunken. Kein Wunder, dass dieses gesegnete Land schon damals alle Rekorde im Teetrinken gebrochen hat. Eine riesige Ferienindustrie mit vielen Arbeitsplätzen waren diese Warner's Holiday Camps. Sieben Pfund Sterling pro Person und Woche waren ein akzeptabler Preis. Erst viel später konnte Lieschen Müller das Flugzeug nach Mallorca oder Marokko besteigen und für eine Woche im Holiday Inn verbringen. Die Sensation war der Aufenthalt eines Afrikanerklans mit vielen Kindern. Sie waren eigens aus Afrika angereist und trugen ihre Originalkleidung, ein buntes Spektakel.

Eines Abends kam ein Zimmernachbar zu mir und schlug mir einen gemütlichen Abend
mit Whisky vor. Wir teilten uns den Preis für eine Flasche Johnny Walker, etwa 11,50 DM, und begannen mit dem Trinken. "Let's have a giggle", sagte er zu mir, als er die Flasche öffnete. Dann leerten wir sie unter Lachen und Geplauder, und ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, wie der Junge hieß und wie ich die Nacht und den folgenden Tag überstanden habe. An diesem Abend lernte ich den Londoner Zungenschlag, der allgemein als "Cockney" bekannt ist, einer Art Stakkato-Englisch, bei dem man nur die Hälfte versteht. An meinem freien Tag nahm ich den Bus nach London und trieb mich in Soho herum. Es gab dort zu jener Zeit unglaublich schlechte Restaurants, die meisten von der exotischen Art, wie man sie in Westdeutschland damals noch nicht kannte. In der Tottenham Court Street gab es einen Musikladen, wo man die ungewöhnlichsten Schallplatten kaufen konnte. Weiter, in der Oxford Street kaufte man Kleider und Anzüge.


Das heutige London ist eine ganz andere Welt. Es gibt Luxus und pulsierendes Leben, auch noch spät am Abend. Wer gut essen möchte, kann dies heute mit Leichtigkeit tun. Damals war London noch eine Stadt, die den Londonern gehörte. Heute sind es die Touristen und Migranten, die das Stadtbild ausmachen. Doch auch schon in den Fünfziger Jahren konnte man sich in London wohlfühlen. Inzwischen sind die Nebel und der Smog weitgehend verschwunden. Doch gegen den Regen gibt es nur den Schirm unterm Arm, der dann aufgespannt wird, wenn's wieder losgeht.






Donnerstag, 12. September 2013

London in den Fünfzigern - I

Auch diese Stadt hat sich stark verändert. In den Fünfziger Jahren zahlte man noch mit Pfund und Shilling. Das Pfund Sterling war 11,50 DM wert. Eine Flasche Johnny Walker gab es für etwa 1 Pfund. Eines der ersten chinesischen Restaurants befand sich in Soho. Das war nur für Chinesen da. Man sprach dort (fast) kein Englisch. Als weltoffener Jüngling stieg man im YMCA ab, wo man billig und gut übernachten konnte. Überall auf den Sraßen und in den U-Bahnstationen lagen weggeschmissene Zeitungen herum. London war ziemlich schmuddelig. Aber die Menschen waren freundlich und hatten nicht die Weltstadtarroganz der Pariser. Oft gab es Smog oder Nebel. Der Picadilly Circus war (noch) der Nabel der Welt. Fish and Chips gingen in Zeitungspapier gewickelt über den Tresen. Viele Kneipen schlossen um 22 Uhr: "Last order, please", hieß es dann, damit man schnell noch ein Bier bekam, bevor dann auch der Hyde Park für die Nacht geschlossen wurde. Jack the Ripper war auch damals noch nicht identifiziert, und die Dreigroschenoper  war alles andere als verstaubt. Auch die Queen war noch knackfrisch, die heute für das Königreich so etwas wie der ruhende Pol ist.


Warum wollte ich mit meinen 20 Jahren dorthin? Natürlich, um mein Schul-Englisch zu verbessern. Aber ich benötigte einen Job, damit ich mich über Wasser halten konnte. Bernard, ein französischer Freund hatte mir erzählt, man könne leicht Arbeit finden in Warner's Holiday Camp auf der Isle of Sheppey. Diese Insel liegt an der Themsemündung und ist durch eine Brücke mit dem Festland verbunden. Mit dem Bus von London fuhr man 2 Stunden nach Sheppey. Ich war für 50 DM mit einem Studentenflugschein von Basel nach Gatwick geflogen. Meine griechische Nachbarin im Flugzeug, ein junges ängstliches Mädchen, klammerte sich verzweifelt an mich, als es zur Landung kam. Ich fand das ganz nett, aber ein wenig übertrieben. Natürlich hatte ich einen Brief an die Leitung des Camps geschrieben, aber keine Antwort erhalten. Also meldete ich mich bei Warner's an der Rezeption. Man log mich an und sagte, man hätte mir abgesagt. Da kam der Manager hinzu, ein mittelalterlicher dicklicher Mann im dunklen Anzug, der gerade aus seinem schwarzen Humber ausgestiegen war. Ich fragte ihn. Er schaute mich an, als gerade der Vorarbeiter in einem weißen Overall dazu kam. "Charley, do you need a hand"? fragte er uninteressiert, und Charley sagte sofort "ja". Der Ire Charley war der Chef der "Maintenance", was ich mit "Service für alles" bezeichnen würde. Ich war eingestellt, musste einen weißen Overall mit der Aufschrift "Bob" tragen und war von nun an für sieben Wochen Bob.

Oft denke ich an diese unbeschwerte Zeit zurück. Das Holiday Camp war in den Fünfziger Jahren eingerichtet worden für bis zu 700 Urlauber, die meist aus der britischen Unterschicht kamen und für 1 Woche und 7 Pfund Sterling blieben. Samstags war An- und Abreise. Die Feriengäste bekamen einfache Chalets, die auf einer Wiese in Strandnähe verteilt waren. Dazwischen immer wieder kleine Toilettenhäuschen und Duschen. Es gab eine Halle, in der an kleinen Tischen das Essen serviert wurde und die abendliche Unterhaltung stattfand. Die bestand aus Rollschuhakrobatik, Schauboxen, Tanzwettbewerben und Spektakel, wobei am letzten Abend aus einem Netz an der Decke hunderte von bunten Luftballons heruntergelassen wurden, zum Ergötzen der rauchenden Gäste, die sich ein Vergnügen daraus machten, mit einem Knall die Ballons zu zerstören. Eine der großen Unterhalterinnen war Joyce. Sie beschwatzte an den Nachmittagen stundenlang die zahlreichen Kinder mit ihren Scherzchen. Die Kinder verehrten die ältere Dame. Wenn das Interesse nachließ, rief sie: "OK, children"? Und die Kinder antworteten: "OK, Joyce".

Meine Aufgabe wurde jeden Morgen neu zugewiesen, doch musste ich einmal am Tag mit einem Stock, der unten einen Nagel hatte, Papierfetzen und anderen Unrat von der Wiese aufpicken. Die erste Runde galt jedoch den Toiletten. Ich musste das Klopapier erneuern. Rollen gab es nicht, sondern hauchdünne, gefaltete Blätter, die in Boxen eingefüllt wurden. Eines Morgens entdeckte ich in einem Klo, dass ein offensichtlich verwirrter Gast die ganzen Wände mit Kot beschmiert hatte, inklusive Glühbirne, und dann alles mit den Blättern beklebt hatte. Der Gestank trieb mich zu Charley, der viel Verständnis für mich aufbrachte und die Putzfrau rief. Am Abend wurde ich von einer freundlichen Nurse, die im wirklichen Leben Lehrerin war, gebeten, kleine Kinder über den Teich zu rudern. Eines nach dem anderen. Eine schöne Aufgabe. Manchmal brachte Linda mir auch ein Kind, das von Bob einen Gutenachtkuss haben wollte. Schöne Zeiten.

Beim Essenfassen in der Kantine ging es mir richtig gut. Die Chefköchin Hilda war aus Düsseldorf und mit einem englischen Kranfahrer verheiratet. Ihre Eltern hatten ein Hotel gehabt, sind dann aber gestorben. "Wolfgang, pass bloß auf. Dat hier sin allens Räuber" hat sie mir mal auf Rheinisch zugerufen als sie mit der Kelle meinen Teller füllte. Sie bevorzugte mich sichtlich. Und mit einem Koch namens David war ich auch schnell befreundet. Er hatte gesehen, dass ich einen hellgrauen Anzug besaß. Den wollte er von mir leihen, damit er mit seiner Maid ins Kino nach Sheerness gehen konnte. Ich ließ es zu und begab mich selbst in meiner Freizeit in das kleine Städtchen. Wen sah ich da? David mit seiner Freundin. Als er mich erblickte, drehte er sich schnell um und verschwand. Hätte ich ihm zugerufen: "David, mein Anzug steht dir gut"? Nie im Leben.


Der Sommer auf Sheppey war ungewöhnlich sonnig. Man berichtete, dass sogar die Tomaten reiften. Kein Wunder, dass eines Abends ein riesiges Gewitter ausbrach. Ich kam vom Hauptgebäude als es losging: Platzregen, sofort, und Blitz und Donner. Ich schaffte es gerade noch, mich in eine Telefonzelle zu flüchten, die mitten auf dem Weg zu meinem Chalet stand. Dort harrte ich aus, als plötzlich, zum erneuten Blitz-und Donnerschlag, die Tür geöffnet wurde und ein Mädchen hereinhüpfte, das ich vom Sehen kannte. Sofort nestelte sie an mir herum. Ich wurde stürmisch geküsst und eindeutig bedrängt. Und ich wehrte mich, denn ich glaubte, das meiner Freundin Claudine in Paris schuldig zu sein, die ich nach dem Englandaufenthalt besuchen wollte. Die schnelle Tour passte mir auch schon damals nicht. Soll man das bedauern?

Ich habe auf Sheppey noch vieles erlebt. Aber auch sieben Wochen gehen einmal vorbei. Ich hatte von meinen 4 Pfund Lohn pro Woche genügend gespart, um dann das Flugzeug nach Paris nehmen zu können. Ich glaube, ich bezahlte 5 Pfund dafür. Wie einfach die Dinge doch waren.







Mittwoch, 11. September 2013

Sensationsschrott rostet schnell.

Es muss einmal gesagt werden: die täglichen Aufmacher der Gossenpresse haben das Haltbarkeitsdatum Null. Selten wird bei etwas Außergewöhnlichem ohne Newswert nachgehakt. Nach dem Tag ihrer Erscheinung ist die Nachricht Schrott. Andererseits werden die sogenannten Dauerbrenner im Zeitungsgeschäft bis zum bitteren Ende "abgefrühstückt". Wer sich die Sensationsschmankerl im Laufe einer Woche einmal rauspickt, versteht das Prinzip: Jedes Hinguckerl ist eine Droge. Die menschliche Neugier, das Gefühl, sonst nicht genug zu erleben, sind der Antrieb. Die deutsche BILDzeitung hat das schon in den Fünfzigerjahren vorgemacht. "Wird Elisabeth II Königin von Europa"? konnte man da mal lesen. Das war natürlich hirnloser Kokolores.


Heute sind diese Erzeugnisse viel blutrünstiger und etwas geschlechtsreifer. Da heißt es im Wiener Blättchen "Heute" (vorgestern): 1o7jähriger Amokläufer schießt auf Polizisten. Dann (gestern): Mann erwartet ein Kind. (Dabei wird der schwangere Bauch gezeigt). Oh, Grusel! Noch eins: Domina-Bäuerin lockt 15 Männer in Sex-Falle. Bei solchen Nachrichten muss man sich nicht mehr für die dürftigen und meist parteipolitisch gefärbten Neuigkeiten von der Wahlfront interessieren. Im täglichen Mix gibt es auch noch ein bisschen Gesellschaftsgeplappere. Sie hat sich von ihm getrennt. Er schläft mit seiner Sekretärin. Achtzigjähriger heiratet zum 2o. Mal. Sie ist 50 Jahre jünger. Dann kommen wieder die Wahlen, und man hat den Politschrott der Möchtegerngewählten schon längst vergessen. Also wenden wir uns wieder den Abnormitäten zu.

Bedeutungsschwanger???

Wie wäre es, wenn eine Domina-Bäuerin auf einen 107jährigen schwangeren Mann schießen würde? Es würde niemanden erstaunen. Je doller desto abgebrühter. Killer-Kuh trampelt 70jährigen Rentner (österr. Fassung: Pensionisten) zu Tode. Was dann mit der Killerkuh geschieht, bleibt unerwähnt. Kommt sie vor Gericht? Wird sie auf ihren Geisteszustand untersucht? Gut. Eine Kuh ist auch nur ein Mensch. Wir sollten das nie vergessen!

Montag, 9. September 2013

Das Zeitfenster schließt sich allmählich

Eine ganz dämliche Bemerkung, die man oft in der Politik zu hören bekommt. Das Zeitfenster schließt sich, wenn eine Gelegenheit vorbei ist. Die Gelegenheit kann auch zeitnah verschwinden. Das ist noch dämlicher und wird deshalb ebenfalls in politischen Kreisen eingesetzt. Ganz zeitnah können dann brennende Probleme gelöst werden, was so gut wie nie zutrifft. Da klingt der Spruch "die Einschläge kommen näher" realistischer. Ich vermute, dieser ist im Ersten Weltkrieg entstanden, wo es links und rechts eingeschlagen hat. Will heißen: es ist vorbei. Das persönliche Zeitfenster hat sich geschlossen.

Auch für meinen Opa

Wenn man älter wird, kann man es sehen, das Zeitfenster. Man muss es sehen, denn von heute auf morgen kann es vorbei sein. Darauf sollte man vorbereitet sein. Überhaupt: wenn gute alte Freunde wegsterben, die lieben Eltern und Verwandten nicht mehr da sind, kann man getrost von näher kommenden Einschlägen reden. Will heißen, dass es einen auch bald treffen kann. Wie geht man mit solchen Bedrohungen um, wenn man schlaflos im Bett liegt? Was sagt man zu denen, die einen herben Verlust haben erleiden müssen? Kopfhoch! Du bist nicht allein! Es kommen wieder bessere Tage!

So einfach ist es nicht. Jeder kennt das: Die Angst vor dem Ende. Man hat dafür Sprüche auf Lager. Der Sensenmann kommt. Gevatter Hein. Man wird vom Allmächtigen zu sich geholt. Aber ein Trost ist das nicht. Vielleicht hilft der Schmetterling? Er flattert, freut sich seines Lebens, setzt sich irgendwann hin und macht keinen Mux mehr. Dann ist er tot. Sein Zeitfenster, das ohnehin bescheiden bemessen war, hat sich geschlossen. Ich persönlich jubiliere jeden Tag, dass es mich noch gibt. Die Verluste habe ich fast alle zu spüren bekommen. Mein Zeitfenster schließt sich allmählich. Ich bin ein Schmetterling und flattere.

Sonntag, 8. September 2013

Wien: das Burka-Fräulein - eine Modeerscheinung?

Den Gemahlinnen von Rittern hat man es nicht leicht gemacht, fremd zu gehen, wenn die bis an die Zähne bewaffneten Ehemänner ihrer Christenpflicht nachgingen und sich oft für Jahre auf Kreuzzügen herumtrieben. Sie trugen den beschwerlichen Keuschheitsgürtel, eine vom hygienischen Standpunkt aus betrachtetes Risiko. Was dann geschah, wenn der Gatte unangemeldet aus dem Morgenland zurückkam, denn Telefon und Telegramm waren unbekannt, entzieht sich heute noch unserer Einbildungskraft. Wir hoffen aber gerne, dass unser Burgfräulein dann noch "virgo intacta" war.

Von Horst Köbele gemalt

Ich kann auch verstehen, dass muslimische Männer, vor allem in dem so feindlichen Abendland mit Argusaugen darüber wachen, dass ihre Frauen (sind es vier, oder weniger?) nicht den Versuchungen des bösen Westens erliegen. Ist das der Grund für das immer häufigere Auftreten jener vermummten Gestalten (wahrscheinlich Frauen), vor allem in der Wiener Innenstadt, die schwarze Kleider tragen, allgemein bekannt als Burkas? Früher sah man das nur in Metropolen wie Paris, wo das jetzt verboten ist. Die Schwierigkeit für den Abendländer besteht vor allem darin, dass er die Gesichter nicht sehen kann und deshalb nicht weiß, was sich darunter verbirgt. Da es zwei Arten von Menschen gibt, nämlich Männlein oder Weiblein, wird das Raten leicht gemacht. Es sind muslimische Frauen.

In einer völlig enthemmten Gesellschaft, wo manche Frauen gerne mit dem Po wackeln und auch ihre sonstigen Reize nicht allzu gut verstecken, schielen die Männer gerne mal auf die mehr oder weniger schlanken Beine, taxieren einen Busen und pfeifen, wenn sie besonders blöd sind, auch einmal hinter einer Schönheit her. Das alles lässt uns kalt. Wir sind in der Regel normal angezogen, und der Sexmarkt findet meist an diskreten Orten statt, fern der bürgerlichen Umwelt. Deshalb kann sich auch eine Nonne in ihren dunklen Sachen ohne Problem in der Öffentlichkeit zeigen, zusammen mit ihrem Gesicht. Ich denke nicht, dass diese frommen Frauen deshalb irgendwelchen Aggressionen ausgesetzt sind. An manchen Orten hat man sich auch an die orthodoxen Männer gewöhnt, mit den schwarzen Anzügen und Hüten, den Bärten und den seitlich herunterhängenden Löckchen. Sie zeigen ihr Gesicht und ihre Weltanschauung, gehen allerdings das Risiko ein, einem primitiven Rassisten über den Weg zu laufen. Hier kann man nur auf den gesunden Menschenverstand vertrauen, der solches Auftreten als normal hinnimmt.

Das Tragen von Burkas jedoch, scheint, jedenfalls unterschwellig, ein Problem darzustellen, denn in der westlichen Welt ist schon wegen der Angst vor Terrorismus jede organisierte Vermummung verboten. Gegen Abend scheinen diese Frauen mit mehr Mut auf die Straße zu gehen. Am frühen Morgen treten sie eher selten auf. Man sieht sie in kleinen Grüppchen, meist in Männerbegleitung und mit Kindern, wie die anderen Touristen und Einheimischen  am Stephansplatz und am Graben spazieren, und fragt sich, was sie in die Öffentlichkeit treibt. Solche Burkas kann man übrigens sehr günstig über ebay erstehen. Das billigste Angebot liegt derzeit bei 7.99 €. Da man die verhüllten Damen auch teure Butiken aufsuchen sieht, ist es wohl weniger eine Preisfrage, als eine Frage der religiösen Sitten und Gepflogenheiten. Man fragt sich also, warum, auch bei über 30°C, solche schwarzen Ganzkörperverhüllungen notwendig sind. Der Islam scheint da weltweit sehr flexibel zu sein. Ich kenne viele muslimische Frauen, die nicht einmal ein Kopftuch tragen und total frei herumlaufen. Andererseits scheinen vor allem in den ölexportierenden Ländern die Sitten auf Burka zu stehen. Dagegen kann man nichts sagen. Und religiöse Gefühle darf man dort natürlich auch nicht verletzen.

Andererseits scheint mir ein Gesicht so etwas wie der Personalausweis oder Reisepass eines Menschen zu sein. Schließlich tragen auch strenge Musliminnen diesen mit sich, wahrscheinlich auch mit einem Passfoto mit unbedecktem Gesicht. Ob eine Frau hübsch oder hässlich ist, hat dabei keine Auswirkung. Auch Hässlichkeit ist ein Menschenrecht. Was ich nicht verstehe, ist, dass man aus einer unnötigen Toleranz heraus (ist es Angst vor noch mehr steigenden Ölpreisen?) es duldet, dass ein winziger Teil der Öffentlichkeit völlig verhüllt herumläuft, wobei dieser Teil das Recht hat, unsere Gesichter zu betrachten. Ein mutiger Staat sollte das nicht dulden, OPEC hin, und OPEC her. Ich bin sicher, dass die meisten Menschen dadurch irritiert werden. Ich bin auch sicher, dass dies nur eine Frage der Zeit ist, denn auch muslinische Frauen können schön sein, Hirn haben und bewundert werden wollen. Sie müssen sich halt durchsetzen. Die rückständigen Männer sollten sich aus diesem Geschlechterkampf aber heraushalten, denn sonst werden sie diese Schlacht auch noch verlieren.


















Dienstag, 3. September 2013

Österreichische Sprache - schwere Sprache!

Wie wäre es denn mit "Österreichisch für Anfänger"? Wer alte Hans-Moser-Filme gesehen hat, weiß, wovon ich spreche. Aber nicht alle Österreicher nuscheln wie der große Grantler und Nuschler des deutsch-österreichischen Lustfilms. Selbstbewusst stoßen sie Wörter aus, die dem Norddeutschen die Haare zu Berge treiben, falls er welche hat. Wieso muss eine Taxifahrerin in Wien Taxlerin  oder Taxilenkerin heißen? Warum muss ein Eimer (ein Loch ist im Eimer, Karl-Otto!) hier in Wien eigentlich Kübel heißen? Das macht das Leben der Putzfrau/Reinemacherin/Raumpflegerin doch unnötig kompliziert. Warum muss man den Hunden verbieten, ohne Beißkorb in die U-Bahn einzusteigen? Sagen die Deutschen da nicht Maulkorb? Maulkorberlass ist allerdings auch für deutsche Menschen ein Verbot.

Man komme mir nicht mit dem Hinweis, dass Bayrisch ja so etwas Ähnliches wie Österreichisch ist. Damit ist weder dem bayrischen Löwen, der mit der Kehle eines Seehofers gerne brüllt, gedient, noch dem feinen Wiener, der sehr wohl unterscheidet, was noch alpin-erträglich ist und was reine Piefkesprache. Außerdem haben die Wiener einen eigenen Schmäh, der dem deutschen Norden nicht geheuer ist: MaHü, was ist das? BIM, was ist das? Dagegen sind "heuer" und Jänner einfach. Das eine heißt "heute" und kann im Wiener Geschäftsleben auch Morgen sein, das andere ist ein leicht zu erkennender Monat. Wer in den Laden geht, wird bei der Nennung von Quark, Hackes, Blumenkohl oder Bohnen sprachlichen Schiffbruch erleiden, denn hier in Österreich meint man damit: Topfn, Faschiats, Karfiol oder Fasiolen. Topfnstrudl schmeckt jedenfalls. Und wer erfolgreich seinen Warenkorb gefüllt hat, der kann dann seine Sachen im Sackerl nach Hause tragen. Glückliches Österreich.

Den Rest kann man in einem winzigen Wörterbuch (Lilliput Wienerisch) von Langenscheidt nachschlagen, ohne das man in der Donaumetropole verloren wäre. Und wer ein Telefongespräch beendet, sagt nicht leise "Servus", auch nicht "Tschüss", sondern "Baba". Ich vermute, dass unsere österreichischen Freunde, die uns nach dem Abzug der Türken die herrlichen Kaffeehäuser beschert haben, das alles der schönen deutschen Sprache absichtlich angetan haben, einfach, um uns Piefkes ein wenig zu ärgern. Das haben wir auch verdient, denn unsere Sprache, die großen Wert auf genaue Formulierungen legt, ist so reich an Abweichungen, dass man eigentlich von "Germanisch" oder so sprechen müsste. Vielleicht, Donau-Rheinisch, oder Schwabentürkisch. Mir gefällt diese Vielfalt.  Deshalb werde ich von jetzt an, was die Norddeutschen ohnehin "Flaumen" nennen, mit dem österreichischen Wort "Zwetschken" beehren, bis mir jemand die rote Karte zeigt. Dann gehe ich in Wien ein Paar Frankfurter mit Kren essen, was genauso gut schmeckt, wie bei uns die berühmten Wiener mit Senf. Aber, warum man hier Zwetschgen mit k schreibt, hat mir noch niemand erklären können. 

Sonntag, 1. September 2013

Island, die Wikinger und die Neue Welt.

In der Alten Welt haben sie Furore gemacht. Räuberische Unruhegeister waren sie. Sie haben bis nach Konstantinopel und in die Weiten Russlands die Herrscher in Angst und Schrecken versetzt. In West- und Südeuropa kannte man sie als Nordmannen. Die Normandie trägt heute noch den Namen. Wilhelm, der Eroberer hat mit seinen Normannen von dort aus England erobert. Das war 1066, wie wir alle wissen. Die Handelswege in Nord, Ost und West wurden von ihnen beherrscht, da sie mit ihren Wikingerschiffen auf den Meeren und Flüssen sehr geschickt waren. Ursprünglich kamen sie wohl aus dem heutigen Norwegen/Schweden. Einer der wichtigsten Handelsplätze war Haithabu oder Hedeby, eine Wikingerstadt an der Grenze zum Fränkischen Reich, ganz nahe der Stadt Schleswig an der Schlei, das nach der Zertsörung Haithabus als eine Art Nachfolgesiedlung gilt.


Unruhig und mobil wie sie waren, fand man sie überall, als Landnehmer und Kaufleute. Schon gegen Ende des 8. Jahrhunderts führte sie ein Raubzug auf die Britischen Inseln und 1013 eroberten sie England. Gegen 870 ließen sie sich in Island nieder und 982 entdeckte Erich der Rote Grönland. Andere Eroberungstouren wollen wir hier weglassen, denn sonst würde eine vielseitige Studie entstehen. Vieles ist im Unbekannten geblieben. Deshalb ist ein ungeheurer Mythos um die Wikinger entstanden und eine ihrer Hauptstädte, Haithabu, wurde im selben Jahr von den Wenden zerstört, in dem England erobert wurde: 1066. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird in Haithabu gegraben. Eines von mehreren Wikingerschiffen wurde auch dort geborgen. Es gibt Zeugnis von der perfekten Schiffsbaukunst, die die Wikinger zu Beherrschern des Atlantiks und des Nordmeeres machten.


Was sie antrieb? Wie immer bei Eroberern und Entdeckern ist es die Suche nach Reichtum, Land und Ruhm. Die Goten, Wandalen, Lombarden und Burgunder waren Nordmänner, die neue Lebensräume erschlossen. Oft war es der jüngere Wikingersohn, der das väterliche Erbe nicht antreten konnte, weil der Älteste das Recht auf das Erben hatte. Also rüstete man eine Gefolgschaft aus, mit der man in die Welt hinaus ging. Das meiste dieser Raub- und Wanderzüge ist natürlich nicht mehr bekannt oder muss mühsam aus allerhand Schriften und Sagas erschlossen werden. Selbst Kolumbus, der sein Leben lang glaubte, Indien entdeckt zu haben, ist heute noch berühmter als der eigentliche Entdecker Amerikas, der aus Island kam. Leif Eriksson war es, der um das Jahr 1000 Nordamerika entdeckte.

Leif Eriksson

Island ist also ein Land der Barbaren, wie die europäische Klassik es gerne so sah. Das Hellenentum hatte die Kultur und Zivilisation vertreten, worauf heute noch viele stolz sind. Das Römerreich, das von Barbaren zerstört wurde, hatte den Kulturhochmut der Antike übernommen und der germanische Norden Europas wurde zum Barbarenland herabgestuft. Dieses "Rating" stimmt jedoch schon lange nicht mehr. Leider war Wikingerland über die halbe Welt zerstreut und hat es versäumt, einen Wikingernationalismus hervorzubringen. Aber große, mutige Entdecker und Eroberer waren sie, die Wikinger.