Mittwoch, 28. November 2012

Supermärkte - zwischen Fallen und Gefallen

Wie oft ärgert man sich. Da gibt es die Lockvogelangebote, solange der Vorrat reicht. Radieschen sind  überall zum Standardlocker geworden: 29 bis 59 Cent, je nach dem. Die Rosen aus Südamerika variieren nicht im Preis. Die magische Zahl für den Blumenschrott aus Lateinamerika ist und bleibt €1.99. Bald kann sich das ändert, entweder nach oben oder nach unten, denn die Nachfrage ist es im Prinzip immer noch, die den Markt regelt.

Könnte auch eine Tomate sein!

Deshalb diese liebedienerischen Werbeeruptionen vor Weihnachten. Da erklärt sich ein Supermarkt zum "Marktplatz der Frische", preist einen Miniweihnachtsstern für € 1.29 an und wundert sich nicht, wenn dieses Zuchtergebnis nicht bis Weihnachten hält. Marktplatz der Frische eben. Oder Frische Center von Edeka: da haben wir heute Apfellilör mit weihnachtlichen Gewürzen. Ich wusste, ehrlich, nicht, was weihnachtliche Gewürze sind. Werbung, gleich nötige Information über ein zum Verkauf angebotenes Produkt? Oder Wahlkampagne mit Nebelkerzen? Ein anderer bietet "komplette Brille mit Gläsern". 50% auf jedes Brillengals. Frage: gibt es auch komplette Brillen ohne Gläser??? Und, wie kommt es, dass man, einfach so, auf die Hälfte des Preises für ein Brillenglas verzichten kann?
Uns einen Bären aufbinden.

Ich muss heute total vermeckert sein, oder meine Werbeallergie hat wieder zugeschlagen. Wie soll man da mit hehren Gefühlen auf Weihnachten losgehen? Ist das nicht alles schon wieder vorbei, und das Osterfest steht vor der Tür? Werden wir verkackeiert? Seien wir vorsichtig mit den Radieschen. Oft ist nicht drin was nicht drin ist. Wasserbeutel werden auch die Zuchttomaten des tiefen Winters genannt. Rötlich sind sie beide.

Apotheken: lesen was krank macht?

"Lesen, was gesund macht", der eingängige Slogan der Pharmaindustrie, der bei Einfältigen fast religiöse Gefühle weckt. Man könnte die selbstverständlich kostenlose Apothekenrundschau bei dieser Millionenauflage auch ein Massenmanipulationsmittel ersten Ranges nennen.  Wir werden dieses Erzeugnis wohl nie mehr loswerden und müssen damit leben oder sterben.

Platz für eine neue Apotheke?

Gerade verlasse ich eine Apotheke und bin etwas perplex: das freundliche Mädchen (zu jung um eine gestandene Apothekerin zu sein) sagte mir, dass sie eines der Medikamente in der gewünschten Marke nicht habe, aber einen Ersatz. Etwas misstrauisch, weil oft ein teureres Medikament untergejubelt wird, frage ich nach dem Preis. Es soll die genaue Zusammensetzung haben, aber erheblich billiger sein, weil von einem anderen Hersteller. Wem ist das nicht schon passiert? Ich frage noch schüchtern, ob die Nebenwirkungen dieselben seien und mir nicht etwa die Haare ausgingen? Die Anwort war klar und fröhlich. Also benutze ich jetzt eine ähnliche aber auch mir unbekannte Medizin. Ich nehme das hin und sage mir: Nimm, was gesund macht. Meine Krankenkasse zahlt es ja und gibt die Gewinne gerne weiter.

Als ich vor Wochen in meiner alten Heimatstadt eintraf, um alte Schulfreunde zu treffen, ging ich durch die Innenstadt: die beiden Kinos waren verschwunden, statt dessen fiel mir auf, dass eine ganze Reihe Apotheken zu finden waren. Was hat sich da verändert? Nehmen wir mehr von diesem ärztlich verschriebenen Zeug? Brauchen wir es womöglich? Meine Mutter schickte mich immer in die Einhornapotheke, weil da Frau Stiegler bediente. Sie war eine alte Freundin meiner Oma und bediente mich immer mit großer Freundlichkeit. Allerdings war ich an Dorle (oder hieß sie Bärbel?) interessiert. Sie war, wie ich, in der ersten Gymnasialklasse und gleichzeitig das blondbezopfte Töchterlein des Apothekers. Sie war so klein, dass ich ihr Lächeln hinter dem Tresen (bzw. der (Apo)Theke) nur an ihren Kulleraugen ablesen konnte, mit denen sie mich gnädigst anschaute. Den Rest des Gesichtes konnte ich zu meinem Bedauern nur erahnen. Das waren noch Zeiten. Dafür roch es in den Apotheken noch ein wenig nach essigsaurer Tonerde oder nach Vaseline. Jetzt duftet es nach Kosmetika und Bonbons. Da der Apotheker selbst für jedes Exemplar "Rundschau" etwas bezahlen muss, wird dieses Blatt nur auf Verlangen verteilt. Ein Grund mehr, etwas anderes zu lesen.






Dienstag, 27. November 2012

Katholische Kirche - heruntergekommen???

Es ist allmählich an der Zeit, eine Bestandsaufnahme zu machen: wir haben viele Heilige produziert, Unmengen an Gold, Silber und Land erworben, und - das sei nicht vergessen - auch viel Gutes getan. Inzwischen können wir per Fernsehen auf die ganze Welt blicken, und was sehen wir? Milliarden Menschen, die keine getauften Katholiken sind. Sie glauben etwas anderes und sind überwiegend bettelarm. Reichtümer sind etwas anderes als Altertümer. Die katholische Kirche muss wohl zu den Reichen zählen. Und verknöchert ist sie auch. Ja, fast eine Antiquität?

Lassen wir einmal die unangenehmen Aspekte beiseite: den verarmten Jesus, der hingerichtet wurde, die Ablasshysterie, die viel Geld in kirchliche Kassen spülte, mörderische Päpste, den aufmüpfigen Martin Luther. Die heilige Inquisition nicht vergessen. Die Hexenverbrennungen. Die unglaubliche Verschwiegenheit, die andauert. Das alles hat der Heiligen Kirche schwere Schläge versetzt. Hat sie sich davon erholt? Hat die Welt sich davon erholt? Wurde die viel gepriesene Läuterung der Kirche schon irgendwo registriert?


Tiefe Narben sind geblieben: die Frau, ist sie wirklich gleichberechtigt? Warum kann sie dann nicht Priester(in) werden? Der Schwule (Lesben werden einfach übersehen), der mit seiner Tragik wie ein zu heilender Kranker angesehen wird? Die Geschiedenen, sind sie nicht exkommuniziert, wenn sie sich wieder verheiraten? Der Priester, der sich verliebt und eine heimliche Beziehung hat? Der Kirchenmann, der seine Position missbraucht und kleinen Kindern an die Wäsche geht? Wie meisterhaft das alles heruntergespielt wird. Auch die Gelder (nicht nur die von Mutter Theresa gesammelten) sind ein Geheimnis, das niemand lüften möchte. Das alles schlägt zu Buche. Wie will die Kirche da wieder herauskommen?


Ziehen wir Bilanz: jahrelange Gier, jahrelanges Leugnen, endlose Sturheit, ewiger Missbrauch gutgläubiger und gutmütiger Seelen, Indoktrination, die keine Abweichungen zulässt. Es sieht jetzt so aus, als wäre das Ende der Fahnenstange erreicht. Gott ist kein Erbsenzähler, sondern seine Stellvertreter auf Erden sind es. Das Entstehen des Christentums ist lange her. Schon längst ist alle Moral über Bord, ohne, dass es Ersatz dafür gäbe. Der Zynismus hat wohl gesiegt. Was mir leid tut, sind die Menschen, die immer noch an den Weihnachtsmann glauben.






Sonntag, 25. November 2012

Die Neuen Hebriden - traumhafte Inselwelt im Pazifik

Das letzte Stück des Fluges dauerte nicht mehr so lange. Ich war von Sidney mit der Air Vanuatu aufgebrochen und kann mich nicht mehr erinnern, wie lange der Flug dauerte. Der Flug nach Australien war endlos gewesen, und die Maschine war proppenvoll. Die Ankunft am Bauerfield International Airport fast gemütlich, obwohl ich vor Müdigkeit kaum aus den Augen schauen konnte. Der Flughafen ist der größte von drei Flughäfen, die es in dem Inselstaat gibt. Die Maschine war fast leer, sodass es ein leichtes war, sich die Passagiere nocheinmal anzuschauen, bevor sie mit ihren Gepäckladungen von Bord gingen.

Eine Dame, die in Frankfurt eingestiegen und dann auch in Sidney umgestiegen war, erregte mein Interesse. Sie sprach deutsch und sagte nicht viel. Als sie in Port Vila, der Hauptstadt der Neuen Hebriden, auf ihr Gepäck wartete, kamen einige Leute, die wie die Eingeborenen gekleidet waren, um ihr zu helfen. Ein stattlicher Mann, der einen Anzug trug und laut "Welcom" rief, nahm sie in die Arme und küsste sie. Wie sich herausstellte, war es ihr Mann. Die Frau drehte sich zu mir um und fragte mich nach meinem Hotel. Ich sagte, ich hätte nichts reserviert, und schon saß ich neben dem Empfangskomitee im Minibus, auf dem Weg zu einem Hotel, das mir den Atem verschlug: aus Holz gebaute Hütten mit kleinen Vorgärten, umgeben von einem Wald aus Kokospalmen. Das Hotel Marianne lag direkt am Meer. Genau, wie ich es mir erträumt hatte. Es gehört einer Deutschen, die mit einem Melanesier verheiratet ist.


Was hatte ich auf den Neuen Hebriden zu tun, einer pazifischen Inselgruppe, die von 1906 bis 1980 ein  britisch-französisches Kondominium waren, das schließlich in die Unabhängigkeit entlassen wurde, und den Namen Vanuatu annahm? Ich hatte als Knabe so meine Tagträume. Die Südsee hatte immer schon einen eigenartigen Zauber auf mich ausgeübt. Ich hatte Bücher gelesen über das Leben der Eingeborenen, mich mit fremden Sprachen befasst, darunter Bislama, der Sprache, die neben Englisch und Französisch auf Vanuatu Amtssprache ist. Aber neben ein paar Ausdrücken, die ich in einer Broschüre eines Missionars gefunden hatte, war natürlich nichts hängen geblieben. Jetzt war ich wie jeder Bewohner von Port Vila, den Insektenbissen ausgesetzt, wenn ich fasziniert die Bougainvilleas und die Hibiskussträuche bewunderte. Bevor ich in meinem einfachen Zimmer in einen tiefen Schlaf verfalle, höre noch die jungen Melanesier am Strand. Sie scheinen Stöcke aneinander zu schlagen und im Rhythmus dieser Schläge zu tanzen. Sie singen und lachen. Ich höre noch Wortfetzen, die ich nur mühsam verstehe: "Evri man mo woman i bon fri" (Jeder Mann und Frau sind geboren frei). Daraus erahnt man das englische Vokabular, das neben viel Französisch, von den Eingeborenen übernommen wurde (Vanuatu Pidgin English). Der Duft von Meer streicht mir in die Nase. Ich nehme nichts mehr wahr.


Als ich erwache - ich muss zehn Stunden geschlafen haben - klingelt es an der Tür. Ich taumle die Treppe hinunter und stehe vor einem deutschen Briefträger. Dann brauche ich noch ein paar Minuten, bis ich mir sicher bin: ich habe von der Südsee geträumt. Die Frage, was ich auf den Neuen Hebriden zu tun hatte, muss nun nicht beantwortet werden.


















Freitag, 23. November 2012

Frauen: das Ende des Mannes?


Ich will es nicht leugnen: ich gehöre zu den Männern, die sich bodenlos verlieben können. Als junger Mann, man trug elegante Hemden, und sorgte dafür, dass die Fingernägel sauber waren, stand der Sex keineswegs im Vordergrund. Sie war so hinreißend schön. Ihre Augen, tief blau, waren unbeschreiblich. Man schaute hinein und vergaß die Mathe-Arbeit am nächsten Morgen. Leichtes Stottern verriet, dass man seinen Verstand nicht ganz unter Kontrolle hatte. Sie hieß Christa und hatte dicke Beine. Als ich das entdeckt hatte, brach ich mein ohnehin wackeliges Verhältnis ab. Wie blöd von mir! Sie war sehr klein. Bei unseren Spaziergängen riss ich Blumen aus den Vorgärten und legte sie ihr zu Füßen. Dann, plötzlich, fand ich ihre Beine unmöglich. Dabei war sie ein wunderschönes Mädchen, ich hingegen ein wahrscheinlich pickeliger, schlacksiger Jüngling mit Stachelbeerbeinen und kindlichen Lachanfällen.

Von meinem Vater, und den Großmüttern, hatte ich diese Ehrfurcht vor dem weiblichen Geschlecht, die mir seltsamerweise geblieben ist. Dabei habe ich auch die dunkle Seite kennengelernt: gerne unterhielt ich mich mit den Mädchen auf dem Pariser Strich, genauer, in der Rue d'Amsterdam. Sie waren besonders vollbusig, fast elegant und jung. Ich bin nie mit einer "hinaufgegangen", aber meine etwas journalistische Neugier, gepaart mit männlicher Unschuld, schien bei den Mädchen gut anzukommen. Missionare und Leute mit Helfersyndrom waren da nicht gefragt. Eher der mittellose Knabe, der nichts wollte, sich aber für die Frauenwelt interessierte.


Natürlich haben wir Männer die Entstehung des Feminismus mit Sorge betrachtet. Das schnelle Urteil: alte Lesbe! Wir Männer brauchen ja viel Zeit, solche Dinge zu verstehen und zu verarbeiten. Der Feminismus hat viele von uns in eine ewige Krise gestürzt: das liebe Hausmütterchen hat herausgefunden, was es kann und was es wert ist. Die dooferen unter uns Männern haben es zu spüren bekommen. Kann man heute also von einer neuen Kultur des Umgangs der Geschlechter miteinander sprechen? In manchen Kreisen spricht man schon vom Untergang des Mannes. In den USA scheinen jetzt mehr Frauen berufstätig als Männer. Mehr Frauen als Männer beenden ihr Universitätsstudium. Frauen mit Führungsanspruch. Männer am Ende? Wohin soll das führen?

Und der Sex? Da soll es Frauen geben, die es schamlos vor der Kamera treiben, weil Sex für sie überhaupt keine Bedeutung mehr hat. Männer, aufgepasst! Wie ich die Lage einschätze, sind wir immer noch an gutem Sex interessiert. Wie wäre es, wenn wir eine neue Romantik einleiteten? Kerzenlicht und Poesie? Das schön vorbereitete Abendessen, mit der klassischen Musik? Der schnelle Wagen, der männliche Potenz vortäuschen soll? Auf jeden Fall muss der Mann von heute intelligent und einfühlend sein, sich um seine Fingernägel kümmern und einfach die Qualitäten besitzen, die eine Frau schätzt: Geist, Humor, ein bisschen Geld, Geschmack und einen guten Schuss Erotik.












Dienstag, 20. November 2012

Wien, bist du immer noch so schön?

Einmal, das muss 1997 gewesen sein, sah ich sie alle, die (fast) 30 Staats- und Regierungschefs, die sich zu einem Gipfel des Europarates im Austria Center in Wien zusammengefunden hatten. Helmut Kohl, Boris Jelzin, Francois Mitterrand, Vaclav Havel und all die anderen. Nur John Major, der Brite, hatte anderes zu tun. Friedensreich Hundertwasser hatte aus diesem Anlass eine Sonder-Briefmarke gestiftet, und in Schloss Schönbrunn hat es ein Gala-Essen gegeben. Ich hatte damals viel zu tun und dachte nicht daran, mir Wien anzuschauen, das mir etwas herausgeputzt vorkam. Ein Bildband als Geschenk durfte ich mit nach Hause nehmen. Das war mein letzter Besuch in Wien.

Keine Sachertorte.

Inzwischen kann man lesen, dass Wien die Stadt mit der höchsten Lebensqualität überhaupt ist. Eine Einrichtung, die sich "Mercer" nennt und jählich einen Überblick über die Lebensqualität in Städten herausgibt (Quality of Living), hat für 2011 die österreichische Hauptstadt Wien zur Nummer Eins gemacht. Oper, Wurst und Schnitzel wurden da genannt, aber auch die hervorragende Infrastruktur. Zu den ersten 10 gehören auch Zürich, München, Düsseldorf und Frankfurt. Bei D und F habe ich erhebliche Bedenken. Bei Wien lässt man es sich gerne gefallen, obwohl solche Rangspiele eher ins Reich der Fantasie gehören. Ob die Tourismusindustrie dahinter steckt? Ich kann und will es nicht glauben. Und Paris, die Vielgepriesene? Wo bleibt Rio de Janeiro? Und was ist mit Remscheid-Küppelstein???
Wien, wir kommen!

Im Januar wird es für uns ernst: da ziehen wir um, nach dem schönen Wien. Die Nagelprobe steht also bevor. Noch im Dezember wollen wir uns nach einer Bleibe umsehen. Der Spagat zwischen Zentrumsnähe und Gartengürtel muss uns gelingen, sonst werden wir unsere Niederlassung dort wohl bald bereuen. Vorweihnachtliches Wien: bitte, warte auf uns, sei nett zu uns, und finde uns eine Wohnung mit Lebensqualität. Dann werden wir der Mercer-Gruppierung einen Brief schreiben und Wien, das einstige Bollwerk gegen die Osmanen und Paradies für Kaffeetrinker, sowie Hochburg der Opernsängerei, unsere Heimat auf Zeit nennen. Sachertorten leben hoch!









Sonntag, 18. November 2012

Poetry Slam - Poetenkacke?

Ihr kleiner Bruder

Ich glaube, sie war erst fünf Jahre alt, meine Enkelin. Ich hatte Geburtstag. Sie beschloss, mir zu gratulieren. Ein gelbes Stück Karton, grüner Malstift, und schon ging es los. Halt, zuerst klebte sie sorgfältig auf die Vorderseite noch ausgeschnittene Lettern, ein wahre Sysiphusarbeit für ein Kind: SUPER VIEL...(es folgte handgemalt:) ...Glück zum Geburtstag. Auf der Innenseite wurde es poetisch: Die Bienen sumen um die Welt herum! Die Sonne scheint in deinem Herzen, nur für dich! Opa! Jetzt endlich ist er da! Dein Geburtstag schwebt heran   die Kerzen brennen heran Dein Gebur-tstag schwebt heran jetzt dann. Los komm lieber mit uns (sagt ein aufgeklebtes Schweinchen). Dann: ein gemalter Hund, der ein Körbchen trägt. Meine Gefühle, wenn ich diese Zeilen lese, sind   immer noch groß. Ich kann nur hoffen, dass meine Enkelin, die jetzt schon einer hübschen jungen Frau gefährlich ähnelt, stolz auf diese Geburtstagkarte ist. Ich bin es auch. Wer solche Enkel hat, sollte sich über nichts mehr Sorgen machen.


Der Beginn von Poesie ist schwer zu lokalisieren. Große Gefühle stehen am Anfang. Man sucht Worte, um sie zu verdeutlichen. Nicht in Form einer Gebrauchsanweisung für Heckenscheren, sondern im Einklang mit der eigenen Sichtweise. Worte rufen etwas hervor, oder auch nicht. Man wählt die richtigen, oder auch nicht. Dichter kämpfen ihr Leben lang, weil die einfachsten Dinge an der Unerbittlichkeit des Reimes scheitern können. Dazu kommt eine typisch deutsche Krankheit: der Unreim. Herz - Schmerz geht ja noch, obwohl die Aussagekraft dieses perfekten Reimes bezweifelt werden darf. Wir lecken die Wunden  von unseren Kurden. Das Wasser treibt die Mühle und plätschert in aller Stille. Hier wird es kritisch. Mein Schatz, sei nicht so zynisch, du weißt es doch, ich lieb dich. Hirnerweichung und deutsche Schlagermentalität reichen sich hier die Hand.

Wir brauchen sie also, die Dichter. Sie sagen uns, was richtig ist. Bei manchen ist der Schuss Humor jedoch etwas krass: Herbst ist es nun geworden, der Wind bläst jetzt von Süd nach Norden. Poetry Slam ist ein neues Wort. Auch für neue Dichtung? Nun, man kann damit intelligent herumblödeln, aber neu ist das nicht. Ich habe den Umgang mit Reimen immer geliebt und bin darin so gut wie ein fingeramputierter Zitherspieler. Lasst uns nicht vergessen, dass es den Dichter immer noch gibt. Er verdient seinen Platz, und zum Aushang seiner Gedichte in einer Bankfiliale ist es bisher noch nicht gekommen.




                                                                  

Donnerstag, 15. November 2012

Frauenquote ja, aber


Wollt ihr nicht damit aufhören, dieses Feigenblatt vor euch herzuschieben? Die Kommissarin aus Brüssel hat natürlich recht: wenn sich nichts ändert, muss man es verordnen. Die Frau ist immer noch zu sehr Objekt, Freiwild, Nach- und Untergeordnete, Zuarbeiterin. Sie putzt, gebärt, glättet und plättet, kocht und erzieht. Dann soll sie auch noch ständig schön und blond sein und Geld verdienen. Dem Manne gefallen, auch wenn er eigentlich ein Idiot ist. Wenn er Geld hat und ein großes Auto, dann flitzen die Frauen. Sie legen sich reihenweise hin. So denkt das Spatzenhirn.


Lasst es uns doch partnerschaftlich angehen: es lässt sich nicht beweisen, dass Frauen intelligenter sind als Männer. Aber sind sie deshalb weniger intelligent? Ich habe erhebliche Zweifel. Schon die höhere Lebenserwartung der Frau, für manche männliche Gesundheitsfanatiker ein wahrer Dorn im Auge, lässt auf Talente schließen, die der Mann nicht hat. Und, wenn es um die Führerschaft in einem Konzern oder einem Aufsichtsrat geht, seien wir ehrlich, so hat sich gar mancher stattliche Mann, auch wenn er seinen Dipl.Ing oder gar Dr. h.c. nicht gekauft hat, als unsäglicher Stümper und pompöser Trottel erwiesen.  Man kann auch nicht behaupten, dass der Mann an sich etwas besonders Schönes ist: Oft kommt zum hässlichen Bauch noch eine ungünstige Glatze, wobei die bärtigen Schönlinge vielleicht die gefährlichsten Frauengegner sind. Von den sagenumwobenen Käsfüßen wollen wir mal absehen.


Wir müssen also umdenken. Wer hat nicht schon gedacht, dass eine Frau als Chefin unzumutbar ist? Unter einer Frau zu arbeiten, wo kämen wir hin? Zum Glück gibt es auch die sanften Männchen. Sie wollen Frieden, wünschen den Frauen nur das Allerbeste und befürworten auch mal eine weibliche Bewerbung. Nur in Verteidigungsministerien hat man so gut wie nie eine Frau gesehen. Warum? Würde sie etwa mit dem Militärhaushalt besser umgehen? Milliardeninvestitionen in Krieg würden nicht stattfinden? Das könnte man nicht der weiblichen Unberechenbarkeit anlasten. Auch bei Korruption scheint die Frau eher eine untergeordnete Rolle zu spielen. Also, Männer, worauf warten wir noch? Wir brauchen die Quote nicht, müssen lediglich tief Luft holen und den Mädchen endlich mehr zutrauen. Gerade in Kriegszeiten und Notlagen erweisen sie sich immer wieder als die Stärkeren, als die Nothelfer des ach so gebrechlichen Mannes. Frauen, wir brauchen euch!






Die Herren vom Gymnasium

 Ach, was waren wir für tolle Burschen. Einige hatten schon eine feste Freundin, nannten sie stolz "meine Frau", andere bemühten sich, Lehrer frontal anzugehen, als Zeichen einer voll durchschlagenden Spätpubertas. Manche versuchten sich an den ganz schwächlichen Erziehern, die nicht fest genug im Sattel saßen. Wer kannte das nicht? In einer Zeit, als man noch glaubte, nach dem gelungenen Abitur im Nu die Welt erobern zu können, was hat man da nicht alles vollbracht. Freiwillige Spanischstunden bei einem unsäglich langweiligen Pauker. Tanzstunden, um den letzten Schliff im Umgang mit der Damenwelt zu erhalten. Sonntags ging der eine oder andere noch brav in die Kirche. Für Schwulsein gab es meines Wissens nicht einmal ein richtiges Wort. Der Traum von der Weltreise, irgendwie würde man das Geld schon zusammenbringen, waberte in den Köpfen, aber nur einzelne Querköpfe und Eigenbrötler dachten ernsthaft daran und sammelten entsprechende Zeitungsausschnitte. Der Deutschlehrer gab Anregungen, die manchmal auch Früchte trugen: lest Franz Kafka, Stefan Zweig, Ernst Jünger! Dass einmal eine Frau Bundeskanzler werden könnte, oder ein Schwarzafrikaner Präsident der USA, daran wurde nicht einmal gedacht.
My generation?

Dann kamen die Jahre, wo man sich aus den Augen verlor, eine Familie gründete, nicht etwa in der Heimatstadt, nein, irgendwo im In- oder Ausland. Zu Wohlstand, bescheiden oder weniger bescheiden, kam man, und die alten Kameraden von der Schule sah man nicht mehr. Ab und an, zwar, hörte man voneinander, aber die Lust, sich wieder zu sehen, blieb beschränkt. Keiner dachte daran, wie schnell das Leben vorbeizog. Dann geschah, was geschehen musste: Jemand hatte die E-mail Adressen, ja, es gab sie schon, zusammengetragen und ein Klassentreffen vorgeschlagen.

Das war die Gelegenheit, zu zeigen, was man im Leben geschafft hatte, oder auch nicht. Einige schwiegen ein wenig, andere gaben es zu: ich bin seit drei Jahren geschieden, meine Kinder leben in Amerika, ich hatte einen schweren Autounfall, ich habe es nicht weit gebracht. Einige kamen nicht. Andere ließen sich nicht wieder auffinden. Von einigen wusste man, dass sie verstorben waren. Ein munter verplauderter Tag endete mit dem vorsichtigen Wunsch, sich doch gelegentlich wieder zu sehen. Dann ging jeder seiner Wege.

Der Herbst des Lebens

Jetzt war es wieder passiert: wir trafen uns. Mich hatte die Neugier getrieben, deshalb nahm ich einige Stunden  Autobahnterror auf mich, um mich am vereinbarten Treffpunkt einzufinden. Als wir 6 uns mühsam wieder erkannt hatten, hieß es einer wird noch erwartet. Dann waren wir 7 und begaben uns ins nächste Gasthaus. Der eine bestellte sich kühn einen Radler, den man im Norden eher Alsterwasser nennt. Der andere ein Wasser. Es waren auch noch zwei Biere darunter und zwei Viertel Wein, soweit ich mich daran erinnere. Erinnern konnten wir uns auch noch an einige Lehrer, einige Schulfreunde, die nicht mehr aufgetaucht waren. Beim Gang durch die Innenstadt merkte ich, dass die beiden Kinos verschwunden waren. Dafür gab es an allen Ecken Apotheken und, vor allem, sehr viele Ausländer. Ich hörte in den Straßen russisch, türkisch, englisch und wenig Dialekt. Die Welt hatte sich so verändert, dass ich fast mein geparktes Auto nicht mehr finden konnte. Mit dem trat ich dann den Heimweg an, fest entschlossen, nie wieder zu einem Klassentreffen zu gehen. Meine Wildmaultaschen mit Preiselbeeren kann ich auch alleine verspeisen.


Dienstag, 13. November 2012

Sprachen machen alles kaputt

es sei denn, man lernt sie ordentlich. Die Muttersprache zuerst, denn sie verhilft zu einer Identität. Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner hat die Wahlen in den USA nur deshalb knapp verloren, weil er die ethnische Entwicklung der letzten Jahre verschlafen hat: Millionen Lateinamerikaner, die Spanisch sprechen, Afroamerikaner, die sich bei Obama besser aufgehoben fühlen, haben das Zünglein an der Waage ausgemacht. Romney hat auf kräftige "weiße" Töne gesetzt. Das hat nicht mehr gereicht. Multikulti bestimmt künftig das politische Leben in Amerika. Von den Latinos haben 71% für den schwarzen Präsidenten gestimmt, von den Afroamerikanern gar 93%. Auch die Asiaten waren pro-Obama. Nur die Weißen haben mehrheitlich (59%) zu Romney gehalten. Fazit: unterschwellige Ausländerschelte kann sich Amerika nicht mehr leisten.

Das "Weiße" Haus

Im SPIEGEL vom 12.11.12 las ich, dass Los Angeles die größte thailändische Stadt außerhalb Thailands ist, und die zweitgrößte Spanisch sprechende Stadt der Welt. Im Stadtteil Queens, in New York, wird sogar bei kleinen Podiumsdiskussionen simultan in folgenden Sprachen gedolmetscht: Spanisch, Chinesisch, Bengalisch und Hindi. In Frankreich, wo die nationale Sprache immer schon Französisch war, wurden die regionalen Sprachen, Bretonisch, Elsäßisch, Katalanisch, Baskisch und Korsisch immer wieder hinausgeekelt, doch ohne Erfolg. Eine Muttersprache kann man nur auslöschen, nicht wegnehmen oder verbieten.

Hier in Karnataka spricht man Kannada

Indien hat zusammen mit Pakistan vermutlich  180 Hauptsprachen, über 500 Dialekte und keine Nationalsprache. Auch Englisch, die Verkehrssprache, gilt nicht als Amtssprache. Hindi, eine indoarische Sprache, wird von 422 Millionen Menschen gesprochen. Das sind 41% der indischen Bevölkerung. Telugu: 74 Millionen, Marathi 72 Millionen, Tamil 61 Millionen, Kannada 38 Millionen und Malayalam 33 Millionen. Doch das sprachliche Chaos ist noch viel größer: bei jedem Ortswechsel muss man mit dem Erlernen einer neuen Sprache oder eines Dialektes rechnen.

Nordfriesisch in Schieflage

Wie die Lage in Deutschland ist, vermag man nur zu schätzen. Sorbisch, Nordfriesisch, Dänisch sind kleine Spracheinheiten, die vom Fernsehdeutsch überlagert werden. Wieviele Menschen jedoch Türkisch sprechen, Arabisch, Spanisch, Polnisch, Russisch, Balkanisch, Persisch und Afghanisch, läßt sich auch nicht mehr leicht ermitteln. Unsere Identität als möglicherweise glückliche Bewohner unseres Landes kann nur bestehen, wenn wir die Muttersprache nicht mit teils sinnlosen Anglizismen füttern, sondern die Schönheit und unglaubliche Präzision der deutschen Sprache wiederentdecken. Eine Stößelschutzdichtung ist zwar keine Poesie, sondern ein Begriff, der irgendwann gebraucht wird. Nordic Walking wird nicht gebraucht, denn es handelt sich hier nur um Wandern mit zwei Stöcken. Wellness ist eine sprachliche Unverschämtheit, die jederzeit durch Wohlfühl abgemildert werden kann. Highlights und Events: Mein Gott, lasst euch endlich etwas einfallen! Und wenn's gar nicht mehr geht, dann brabbelt halt Englisch. Die Sprache Shakespears wird es schon überleben.












Samstag, 10. November 2012

Der Schrei der Möwe auf Söl



Die Windrichtung stimmt immer


Söl ist die friesische Bezeichnung von Sylt, der Insel im Norden Deuschlands, einer Perle Schleswig-Holsteins. Friesisch ist auf der Insel immer noch anzutreffen: Weesterlön ist Westerland, Kampen wird zu Kaamp und Keitum heißt Kairem. Diese friesische Mundart auf Sylt nennt sich Sölring. Der Jöölboom ist eine Art Weihnachtsbaum, ein Holzgestell, an dem ein Kranz mit immergrünen Zweigen befestigt ist. Biikebrennen heißen die Feuer, die früher die Walfänger im Frühjahr für ihre beschwerliche Fahrt ins Nordmeer verabschiedeten. Diese weithin sichtbaren Feuer gibt es noch immer. Man kann also, wenn man es will, sich auf Sylt wie in einem fremden Land fühlen. Nur Kokospalmen werden hier vermisst.


Komische Vögel, sturmerprobt

Cath und ich haben uns bei einem kürzlichen Aufenthalt auf Söl neugierig umgesehen. Es fällt auf, dass viele Häuser in Ost-West-Richtung gebaut sind, dem Westwind zum Trotz. Auch einen Schirmträger sahen wir, dessen schwarze Regentrotze irgendwie windschnittig geformt war, als würde sein Träger nur in Ost-Westrichtung gehen. Und, wir sahen auch, dass Möwen beileibe nicht allein über die Lufthoheit auf Sylt verfügen. Neben Lach- und Sturmmöwen tummeln sich Seeschwalben und Säbelschnäbler, Austernfischer, Kiebitze und Brandgänse. Von Goldregenpfeifern und Pfahlschnepfen abgesehen. Aber, was treibt der Alpenstrandläufer auf Sylt? Ein Zugereister?

Frecher Vogel

Der Schrei der Möwe, oder eher ihr Krächzen, ist typisch für die Küste. Sehnsuchtsvoll oder gierig, man weiß es nicht. Als ich in Westerland ein paar Fritten mitnehmen wollte, um den dreist wartenden Möwen etwas Gutwes zu tun, warnte mich die Bedienung: "Das wird hier schwer bestraft. Die Möwen sind sehr agressiv. Mir hat neulich eine das Brot aus der Hand gerissen". Also ließ ich es. Möwen sind auch nicht mehr, was sie mal waren. Vielleicht wurden sie in einer Bank geschult. Wir wissen es nicht. Anderes Getier gibt es zuhauf: den Seestern, den Einsiedlerkrebs, die gemeine Krabbe und die pazifische Auster. Sie sind nur die Spitzen jenes ozeanischen Eisberges, dem die Walfänger auszuweichen hatten, als es den Walfang noch gab.


Sylt gehörte auch einmal zum Festland wie die anderen nordfriesischen Inseln. Nach der 2. sogenannten Marcellusflut, im Jahre 1362, war dies nicht mehr so. Später wurde die junge Insel etwas seltsam, denn sie machte sich schön für die Reichen unseres Landes. Also kann ein Glas Wein hier schon mal 15 € kosten. Das ist nur die Spitze des Eisberges. Darunter verbergen sich noch teurere Dinge wie Grundstücke, Juwelierläden, Kleiderboutiken, Nobelrestos.


Wir mieteten uns das kleinste Elektro-Auto, das die Insel zu bieten hat, ließen uns von Carreras und S-Klassen überholen und erreichten so fast die Nordspitze der Insel: den Hafen von List. Dort gibt es die alte Tonnenhalle, heute ein Markt, wo man nach Herzenslust Fisch einkaufen kann. Ein Paradies auch für andere Leckereien. Daneben das Erlebniszentrum "Naturgewalten", das all das entdekcen lässt, was man aus Zeitmangel oder Unwissen verpasst hat. Etwa die vielen, jetzt eiskalten, Nacktstrände, von denen der erste 1920 als FKKstrand (Freikörperkultur) entstand. Diese obszönen Badestrände haben etwas durchaus biederes. Außerdem sind sie bei Kälte doch angenehm bevölkerungsarm. Andererseits gibt es für Nackedeis hier gute Gründe: die etwa 1900 Sonnenstunden im Jahr, denen im Bundesdurchschnitt etwa 180 Sonnenstunden weniger gegenüber stehen.


Sylt ist ein fremdes und doch so vertautes Land. Der Wind weckt Sehnsüchte, die im Regen wieder verblassen und in den Gemälden des Himmels wiedererstehen. Wolkengebilde, die dem Maler Emil Nolde den Pinsel geführt haben. Der Schrei der Möwe, der nie verstummt. Das Meer, das nie versiegt. Sylt, geliebte Insel für arm und reich.









Donnerstag, 8. November 2012

Insel Sylt, wir kommen!

Das sollte nicht als Drohung durchgehen, sondern als Ankündigung. Cath hatte noch nie ihren Fuss auf eine friesische Insel gesetzt. Dabei findet sie in ihrer Heimat (Yorkshire) große Mengen Sand, frischen Wind und auch das diskret leuchtende Heidekraut. Von Pferden, Kühen und Schafen ganz zu schweigen. Ich rätsle immer noch, ob sie aus Neugier oder einfach, weil ich ununterbrochen davon schwärmte, hinter meinem Rücken eine Woche Sylt im Herbst gebucht hat. Die Pistole auf der Brust, und einige warme Pullover im Gepäck, machten wir uns auf, die nordfriesischste aller nordfriesischen Inseln aufzusuchen.


Die lange Reise aus dem Schwarzwald verkürzten wir uns durch eine Bahn-Flug-Kombination, die beschwerlich genug war. Einmal angekommen, veränderte sich die Welt: es duftete nach Meer und Watt, die Möwen versuchten, gegen den tosenden Wind anzuschreien. Wir, eingehüllt wie eine ganze Arktikexspedition, begannen sofort, zu genießen. Der Regen war beiläufig und setzte nach Wunsch immer wieder aus. Wir liefen am Wattenmeer entlang, ließen uns tragen vom Sturm und fanden viele Austern, die das Meer bei Flut in die Siele gespült hatte. Natürlich hat man das Austernmesser nicht dabei, kann also nicht, wie man das in der Bretagne getan hätte, einfach eine nach der anderen öffnen, schlürfen und den Meeresgeschmack mit nach Hause nehmen.

Die pazifische Auster, in die Kamera gehalten.
Das unheimlich warm anmutende Nordfriesenhaus mit dem Reetdach, ein sylt'sches Markenzeichen, erinnert an die alten Schwarzwaldhäuser, die auch alles unter einem wuchtigen Dach verbergen und im Frühling mit der Kirschblüte ihre Hochzeit haben. Das nordfriesische Haus ist viel kleiner, birgt jedoch ebenso ungeahnte Schätze bäuerlichen Lebens. Wie schön, wenn man endlich die Zeit hat, sich das genauer anzuschauen.
Karg war das Leben des alten Kapitäns

Es ist unvorstellbar, dass einer, der sein Leben lang zur See gefahren ist, sich in ein Haus zurückzieht, das keinen Blick aufs Meer bereithält. Das Bänkchen vor dem Haus, wer möchte da nicht seine Pfeife rauchen?
Innen siedet der Tee



Oder es räuchert der Fisch

Es ist wahrlich kein Aufenthalt mit Action-Satisfaction, sondern mit besinnlichem Dösen, sei es am Strand, wenn die Brise einmal aussetzt, sei es in der Pinte, die ein heimeliges Flair verströmt.





"Des Meeres und der Liebe Wellen", schrieb einer, der es genau wusste, obwohl er in Wien und nicht am Meer lebte: es war Franz Grillparzer, der Dichter aus dem 19. Jahrhundert, der die Liebestragödie von Hero und Leander dramatisch verarbeitete. Wieso kommen mir auf Sylt solche Gedanken? Weil die Gewalten der Natur zeigen, wie ausgesetzt wir ihnen sind und wie groß die Liebe sein kann, die sich dagegen auflehnt? Die Gefühle, die das Meer für uns ans Land gespült: wir nehmen sie dankbar mit nach Hause.





Sie kuscheln uns wieder an.


Wie kitzle ich aus dem Verbraucher, der angeblich wieder etwas mehr Geld in der Tasche hat, das heraus, was mir zur Gewinnmaximierung noch fehlt? Ich fahre einen Großeinsatz in Werbung. Jetzt, wo Weihnachten vor der Tür steht, unbedingt notwendig. Aber steht Weihnachten vor der Tür? Wenn Konflikte in Israel, Russland, Afghanistan, Syrien, Libyen und anderswo durch eine Wahlkampagne in den USA, oder sonst ein Ereignis, einfach medial hinweggefegt werden, kann ich nicht verstehen, warum jetzt die Supermärkte einen solchen Werbeterror machen: Zimtsterne hier, Knusper-Honig-Nuss da. Wir werden wieder einmal mit Gewalt und mit der Nase auf etwas gestupst, was uns doch wirklich nicht interessiert. Weihnachten ist noch lange hin.


Der Weihnachtszauber ist schon längst verflogen. Was wir jetzt wieder erleben, ist der Aufguss desselben. Ich habe mir vor ein paar Tagen einmal den Schrott beiseitegelegt, der trotz deutlicher Hinweise unerbittlich in meinem Briefkasten landet. WerbeSchrott, WerbeDesinformation, WerbeMasturbation, WerbeKotze. Das geht dann so: Filz-Dekoband, zum Schmücken und Gestalten. (Wer braucht das?) Keramik-Windlicht. (Wer braucht das?) Hunde-Transportbox. (Wer, bitte, benötigt so etwas?) Elektro-Ast-Kettensäge. Vielleicht braucht man das ja für den Weihnachtsbaum.

Delikatess Hinterschinken. Spitzen Langkornreis. Guten Appetit Suppe. Krepp Klebeband. Nur für kurze Zeit. Künstlicher Weihnachtsbaum, inkl. Baumständer. Winter-Arbeits-Handschuhe. Wer freut sich nicht darauf? Hähnchen "Diavolo" aus der Frischfleischtruhe. Ich dachte immer, die Truhen sind dazu da, aus Frischfleisch Altfleisch zu machen. Grabschale mit echter Nobilistanne. Wow! Frische Butter, 33% billiger: Warum? Toilettenpapier mit Wolke 7 Motiven. Jetzt kommen wir ins Träumen.


Mehr fürs Geld ist ja ganz gut. Aber schmecken gekaufte Zimtsterne noch wie Zimtsterne? Eine Gutenappetitsuppe stelle ich mir grauenhaft vor. Warum heißt es "frische Butter", wenn man weiß, wie alt diese sein kann? Das Überangebot an Selbstanpreisungen in den Prospekten geht auf den Keks. Trickreiches Verschleiern der wahren Umstände ist an der Tagesordnung. Man möchte protestieren und geht dann doch in diese an Aasgeier erinnernden Supermärkte, nur weil sie fast alles anbieten, alles in Höchstqualität und Superfrische. Und dazu bieten sie auch noch Parkplätze in Hülle und Fülle.


Dabei gibt es jetzt überall die kleinen Anbieter. Sollte man sich nicht erst im Bauernlädchen umschauen? Die Verkäuferin sitzt nicht an der Kasse und hetzt einen Kunden nach dem anderen davon, sondern sortiert das Gemüse aus, um Unfrisches zu entfernen. Mit etwas Glück sind auch noch die Preise unter dem Niveau des Supermarktes. Wir müssen wieder lernen, einzukaufen. Nicht zu shoppen. Und, als Kunde, möchte ich jetzt wie ein Premiumkunde, Delikatesskunde oder Gourmetkunde behandelt werden.




Mittwoch, 7. November 2012

Nur Pakistan wollte Mitt Romney


Um die Welt ging ein leichtes Zittern, das während des Wahlkampfes in den USA immer stärker wurde. Nun ist es raus: Barack Obama hat es wieder geschafft. Wir freuen uns mit all denen, die sich freuen. Bei Mitt Romney, der den Kampf verloren hat, musste man sich wundern, wie er überhaupt so weit kam: seine intellektuellen Fähigkeiten  haben ihn nicht gerade für den Posten des US-Präsidenten prädestiniert. Vielleicht seine finanziellen. In allzuviele Fettnäpfchen wurde da getreten. Die ausgesparten Themen waren zu zahlreich: Europa, der Rest der Welt, die Armen, die Schwulen, die Hispanos, die Bürger und ihre Gesundheit usw. Obama weiß, dass man auf einem besiegten Gegner nicht herumtrampelt. Entsprechend mild fiel seine erste Rede aus. Let's pray for them all!

Erstaunlich, dass laut einer BBC-Sondierung, nur in Pakistan gewünscht wurde, dass Romney gewinnt. In GB, Deutschland und allen anderen Ländern lag Obama weit vorne. Hat da etwa die Welt abgestimmt? Wäre es so gewesen, das Ergebnis wäre viel eindeutiger ausgefallen.

Dienstag, 6. November 2012

Insel Sylt: der späte Luxus

Mehr Wattenmeer gibt es nicht auf der Welt
Sylt ist bekannt als teures Pflaster, und Seegras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. So viel zu den Preisen, vor allem für Wein, der auch noch meist im o,2 ltr-Glas daher kommt. Das schmerzt den Süddeutschen, der ein Viertel gewöhnt ist, wenn's geht, auch noch aus der eigenen Region. Die vielen schwarzen Limousinen mit den Kennzeichen aus ganz Deutschland sind ein schlagender Beweis für die Wohlhabenheit der Inselbesucher. Schluss jedoch, mit dem Gehadere, Sylt im Spätherbst ist das Richtige.


Die reetgedeckten Häuser muten heimelig an. Man möchte darin wohnen, vor Wind und Wetter geschützt sein, herrlich lange Abende am Feuer sitzen und sehen, wie draußen der Regen an die Fenster peitscht. Dann, am frühen Morgen, ist plötzlich die Sonne wieder da. Ein wenig grell, aber vielversprechend. Man möchte warm eingepackt ins Watt hinaus und nach den Möwen sehen.


Das Inselbähnchen hat es schon 1888 gegeben. Es verband den Norden mit dem Süden. 1970 wurde es wieder stillgelegt. Der Autoverkehr hatte sich endgültig durchgesetzt. Aber über den Hindenburgdamm kommt die Bahn täglich herüber vom Festland, beladen mit Autos und Besuchern. Westerland ist dann die Endstation. Nicht jedoch für die vielen Busse und die Radfahrer, die Gegenwind gerne in Kauf nehmen und den Gewalten der Natur trotzen.


Wir hatten das Privileg, am Flughafen abgeholt und in unser Hotel gebracht zu werden. Natürlich haben wir keine Wolkenkratzer à la Hilton, Sheraton oder Mariott erwartet, als wir gegen Mittag in Keitum ankamen. Benen-Diken-Hof heißt das Plätzchen, an dem wir neugierig gelandet waren. Es muss gesagt werden: wir waren angenehm überrascht und fühlten uns sofort wohl. Helle Gänge verbinden mehrere nordfriesische Häuser zu einem ausgedehnten Hotelkomplex. Der Benen-Diken-Hof bietet einen diskreten Luxus, der vor allem im vorwinterlichen Sylt, wo alles grau erscheint, fast gar nicht auffällt. Das Personal ist ungewöhnlich zuvorkommend. Das Signal, das allenthalben ausgesendet wird: "Seid herzlich willkommen und fühlt euch wohl".

Der Benen-Diken-Hof, eine Oase.    

Das Haus besitzt alle Annehmlichkeiten, die man sich wünschen kann. Wohlfühlorte mit Sauna, Pool, Fitnesscenter, Massagen, Kosmetik, Spielraum, Kinderhort. Und wo gibt es die Möglichkeit, bis 13 Uhr zu frühstücken? Mit reichlich Fisch, Wurst, Schinken, Käse, und guten Broten? Eine Bar, in der man alles bekommt und auch noch gut unterhalten wird? Dazu die Ratschläge und Hilfestellungen, für den, der etwas unternehmen will?

Für Barfußgeher steht hier auch ein Teerentferner

Nach Westerland gingen wir zu Fuß. Kein Tropfen fiel vom Himmel. Glück muss man haben. Wir aßen an der Waterfront von Westerland und schauten den Kindern zu, die Drachen steigen ließen. Gegen Abend nehmen wir ein Taxi. In wenigen Minuten bringt uns der Fahrer zurück nach Keitum. Schon freuen wir uns auf die gastliche Wärme unseres Hotels und seine warme Gastlichkeit beim Dinner. Während im Schwarzwald und anderswo der erste Schnee fällt, erleben wir den melancholischen Luxus des Sylter Spätherbstes.





Sonntag, 4. November 2012

Ein (Meh)Dorn im Auge der DB: der Kunde

Die Deutsche Bahn, ein uraltes Ding mit viel erFAHRung, sollte man meinen, erlaubt sich Schnitzer, die zum Himmel schreien. Wir wissen, dass jährlich Millionen Reisende von A nach B gebracht werden, nicht nur durch die Bahn, übrigens. Ein Herr Mehdorn, der sich zu Airberlin abgesetzt hat, bestimmte jahrelang den Kurs dieser Unternehmung. Ob er alleinig für die technischen Pannen, oder die krassen Preisanhebungen zuständig war, ist nicht verbrieft. Das Schaffnerpotenzial aber reichte schon immer vom autoritären Griffelspitzer zum normalen Menschenfreund, der sich und andere möglichst in Ruhe ließ. Deren Arbeitgeber jedenfalls scheint dieser Spezies von Dienstleister jetzt ganz mächtig zu misstrauen. Anders können bürokratische Übergriffe nicht erklärt werden.


Ich war ein junger Mensch, saß in einem Nachtzug von Freiburg nach Hamburg und Kopenhagen. Reservierungen gab es in der ersten Klasse in den Fünfzigerjahren wohl schon, jedoch nicht in der zweiten. Ich hatte einen Sitzplatz ergattert und legte mich schlafen. Gegen 2 Uhr morgens kam der Schaffner: "sie müssen in den nächsten Wagen umsteigen, denn dieser wird um 6 Uhr in Hannover angehängt". Meine Gegenfrage lautete, ob es dort etwa einen freien Sitzplatz gäbe, wurde vage verneint. Meine Erwiderung gefiel dem Herren aber nicht: "Dann bleibe ich hier, bis nach Hannover".  Nachdem durch den unnötigen Streit das ganze Abteil aufgewacht war, gewann ich diesen, indem ich den Herrn Schaffner einen Weihnachtsmann nannte. Er zog ab, und ich schämte mich meiner  Heftigkeit. Inzwischen, dachte ich, wäre die Bahn insgesamt etwas mehr userfriendly geworden. Pustekuchen!

Vor ein paar Tagen trug sich folgendes zu: Auf dem Weg zum Flughafen Düsseldorf mussten wir die Bahn nehmen, von Offenburg, über Köln nach D-Hbf. So weit, so gut. Im Hauptbahnhof stellten wir fest, dass das Hotel nicht 30 Meter entfernt vom Bahnhofsvorplatz lag, sondern 30 Meter von einem anderen Bahnhof in Düsseldorf, zu dem wir mit der S-Bahn fahren mussten. Unsere mangelnde Weltläufigkeit muss uns diesen Streich gespielt haben. Am anderen Morgen ging's dann wieder per S-Bahn zum Hbf, von dort zum Flughafen. Erstes Missgeschick: Der einzige Entwerter für den Fahrschein (Stempler) war sichtbar außer Betrieb. Fröhlich stiegen wir dennoch ein, denn wir hatten keine andere Wahl. Es gab eine Kontrolle, der ein neben uns sitzender älterer Tippelbruder zum Opfer fiel. Auch unsere ungestempelten Fahrscheine wurden misstrauisch beäugt. Dann bestätigte man uns, dass die Entwerterpanne bereits bekannt war. "Dennoch müssen sie ein Ticket nachzahlen. Das andere behält seine Gültigkeit. Bei der Rückfahrt vom Flughafen lösen sie dann nur noch ein Ticket. Dafür müssen sie jetzt Name und Adresse angeben. Personalausweis, bitte. Wir teilen ihnen dann später mit, ob alles korrekt war". Mein Einwand: "ist das nicht etwas schwachsinnig?", wurde wohlwollend bejaht. Wir bekamen eine Art Vordruckbestätigung, die wir während des gesamten Urlaubes ängstlich bei uns trugen. Sie wartet jetzt auf das erlösende Schreiben.

Nach dem Urlaub: Hauptbahnhof Düsseldorf. Die Übernachtung im Hotel hat geklappt. 20 Minuten vor der Abreise des Zuges nach Offenburg, mit Umstieg in Köln, waren wir am Bahnsteig. Die Durchsage, auch in relativ schneidigem Englisch, wies darauf hin, dass der Zug etwa 25 Minuten Verspätung haben könnte. Wir sorgten uns um den Anschluss in Köln und gingen zum sogenannten Reisecenter. Da schon viele Menschen dort warteten, hieß es: ziehen sie eine Nummer. Das ging nicht, denn die Nummernkiste war außer Betrieb. Da entdeckten wir ein Schild: erster Klasse, Reisen mit Comfort, Schalter 13. Wir umgingen die Wartezeit und trugen Schalter 13 unser Anliegen vor. Kein Problem, hörten wir die kompetent wirkende Auskunftsdame sagen, ich erstelle ein neues Ticket für den nächsten Zug, bei dem sie aber in Mannheim umsteigen müssen. Das klang vielversprechend. Wir willigten fröhlich ein. Dann kam der Schaffner: er sah die neuen Papiere, die alten Reservierungen, die Bahncard und war gar nicht zufrieden: Sie hätten sich die Änderungen bestätigen lassen müssen, fauchte er. Woher sollen wir das wissen, fauchten wir zurück. Schließlich sah er ein, dass wir unschuldig waren, und ging seiner Wege, aber nicht, ohne noch gesagt zu haben, wir hätten ja eine Preisermäßigung bekommen. Deshalb! Ich dachte etwas aufmüpfig: Bürokratenfürze!

Leider verspätete sich dieser Zug ebenfalls so, dass der Anschluss in Mannheim futsch war. Jetzt gaben wir auf. Wir bestiegen einen Zug, der eine Stunde später nach Basel fahren wollte. Unser Vertrauen war beschädigt. Wir hatten dreimal bei der geliebten Enkelin anrufen müssen, die uns am Bahnhof abholen wollte, um eine neue Ankunftszeit andeutungsweise bekannt zu geben. Vor der nun bevorstehenden Kontrolle im Zug fürchteten wir uns sehr. Die resolute Schaffnerin schaute sich die verschiedenen Unterlagen an. "Sie haben aber einiges mitgemacht", sagte sie mitfühlend, "Ich gebe ihnen ein Formular, das sie bitte ausgefüllt an die Deutsche Bahn schicken, damit sie einen Teil des Betrages zurückerstattet bekommen. Das hat unseren Urlaub gerettet. Dennoch: die Deutsche Bahn hat bereits einen schlechten Ruf. Warum arbeitet sie weiter daran? Statt Preise zu erhöhen und Comfortgebrabbel ertönen zu lassen, sollte sie mal auf den Kunden schauen. Sonst ist dieser schneller weg als es der Bahn lieb sein kann.