Sonntag, 29. April 2018

Lachen ist gesund. Ist das auch für Deutsche so?

Dürfen wir oder dürfen wir nicht lachen wie die anderen? Was bierernst ist, wissen wir. Aber dürfen wir einen jüdischen Witz nacherzählen und darüber lachen? Wir dürfen, aber wir trauen uns nicht. Das hat uns unsere Vergangenheit beschert. Sechs Millionen Juden, da kann man nicht mehr unbeschwert loslachen. Zum Lachen gehört viel Takt. Da fängt man am besten bei sich selbst an.


Mir wurde schon mit drei Jahren beigebracht, über mich selbst zu lachen. Mein Papa, der das eigentliche Opfer meines Tuns war, lachte aus vollem Hals, als ich ihm vor Aufregung über seine Erzählungen und auf seinen Schultern sitzend, ins Genick pinkelte. Einem einigermaßen stubenreinen Kind ist so etwas mehr als peinlich. Mein Vater befreite mich davon, indem er sich ausschüttete vor Lachen, wenn es einen guten Anlass gab.


Deshalb kann ich auch heute noch lachen (es ist ein freundliches Lächeln), wenn ich zu einer Beerdigung gehe. Als Kind fürchtete ich mich davor, in eine Beerdigung zu geraten und dann das Lachen nicht unterdrücken zu können. Wir sind ein ernstes Volk, das sich das alberne, und weniger alberne Lachen selbst versaut hat. Wir haben die Unschuld beim Lachen verloren und gehen unsicher auf Eiern, wenn andere losprusten.


Es ist das kollektive Schuldgefühl, das wir uns selbst beigebracht haben, das aber auch andere ganz gerne bei uns sehen, haben wir doch selbst alles getan, um die Scham des Bösewichts auf uns zu nehmen. In meinem Geburtsjahr haben noch die Nazis regiert. Da durfte man nichts außer an einem Juden keinen guten Faden zu lassen. Manche haben das auch gebüßt, andere eben nicht. Neben den Juden wurden auch andere (Minderheiten) brutal behandelt: Zeugen Jehovas, Behinderte, rassisch "Fragwürdige" und religiös oder politisch Andersdenkende.


Die Geschichte hat uns auferlegt, beim Lachen vorsichtig zu sein. Bierernst müssen wir deshalb nicht werden, nur weil uns ein Hindu, ein Moslem, ein Araber oder Israeli über den Weg läuft. Das Geheimnis liegt nicht in unserer Nazivergangenheit, sondern darin, dass verdammtnochmal alle Menschen gleich sind. Leute wie Weidel, Storch, Trump oder Le Pen werden das auch noch lernen, während der Deutsche an sich ein Problem mit seinem Humor zu haben scheint. Wir sind humoristisch gesehen etwas gestört. Darüber darf jedoch herzlich gelacht werden.


Samstag, 28. April 2018

Museum für Phallusse.

Es könnte sich weltweit herumgesprochen haben, dass Island über das (immer noch) einzige Museum  für menschliche und vor allem tierische männliche Geschlechtsteile verfügt. Ein Besuch meinerseits, in Reykjavik, vor vielen Jahren, hatte mich total verblüfft. Die meisten Penisse stammten von Walen, den Meeressäugern, von denen es um die nordische Insel mehr Exemplare geben mag als  menschliche Wesen.

Reykjavik: Nicht vom Wal 
Was mir damals aufgefallen war, muss die dezidierte weibliche Neugier gewesen sein, die das zarte Geschlecht in hellen Scharen in dieses bescheidene Museum trieb. Doch ein Penismuseum muss eine bestimmte Anziehungskraft haben, sonst würden sich nicht so viele Weltenbummler die Mühe machen. Mich interessierten vor allem die drei in mageren Briefen versprochenen und ausgehängten Ankündigungen von Männern, sozusagen testamentarisch ihre Penisse dem Museum zu schenken. Selbstverständlich erst, nachdem der Träger erfolgreich über die Wupper gesprungen ist. Für solche, denen der Sprung über die Wupper nicht vertaut ist, der Hinweis, dass dieser Sprung auch über den Jordan gemacht werden kann. Ob sich das Museum darauf freute, ist nicht bekannt. Ob die Spenden inzwischen - auf welchem Weg und in welchem Zustand - eingetroffen sind, kann nur das Museum bezeugen.


Ich persönlich fand die spitz zulaufenden Dinger von Walen recht unattraktiv. Auch die interessierten Frauen schauten sich das eher etwas blasiert an. Fortpflanzung mag ja ganz schön sein, doch die Insignien der Walfische scheinen wohl nicht die Neugier vieler Menschen anzulocken. Zumal im natürlichen Leben eine Paarung von Walen vielmehr zu den selteneren Sehenswürdigkeiten gehören dürfte. Die menschliche Neugier ist da wohl etwas anspruchsvoller. Kein Wunder, dass im prüden Amerika, trotz der Lockerungsbemühungen durch Präsident Trump, ein Museum für Penisse einfach undenkbar wäre. Damit müssen die Amerikaner leben.

Trumpturm in New York, Museum für Phallen? 
Wie so vieles, müssen wir aus dem alten Europa seltene Traditionen für uns behalten und diese pflegen, auch wenn der Ort eine abgelegene Insel wie Island ist. Dafür werden in den USA die Verstorbenen gerne wie Modestars geschminkt und hergerichtet, damit sie beim Eintritt in die ewigen Jagdgründe noch was hermachen. Die Illusion des blühenden Lebens ist vielen lieb und teuer. Das Geschlechtliche wird dabei so gut wie übersehen. Vorbei ist vorbei.


Freitag, 27. April 2018

Männliche Gewalt - häuslicher Frieden.

Irgendwie scheint es sich um Gegensätze zu handeln. Gewalt und Frieden. Wie vereinbart sich das? Es muss natürlich gestritten werden. Wie sonst lässt sich eine friedliche Mitte erzielen, vor allem, wenn es um Geld oder Macht geht? Der kompromissbereite Streiter ist nicht mehr an friedlichen Lösungen interessiert, als der friedlich veranlagte Streithammel. Beide wollen gewinnen. Siegen ist jedoch etwas anderes.


Vielleicht könnte man auch die Lust am Streiten hervorheben. Wer streitet kann gewinnen. Wer nicht streitet hat oft schon verloren. Der Mensch ist ein komisches Wesen: er möchte sich Vorteile erstreiten, sie nicht kampflos aufgeben, und vor allem nicht als Verlierer dastehen. Das Wort Loser gilt als erniedrigendes Schimpfwort.

Loser? Mitnichten! 
Damit ist der Einsatz von Gewalt vorprogrammiert. Zu meinem eigenen Erstaunen habe ich fast alle meine Knabenkämpfe gewonnen. Oder, bin ich einfach denen aus dem Weg gegangen, die stärker als ich waren? Ich erinnere mich genau, dass ich bei meinen "Siegen" alles daran setzte, meinen unterlegenen Gegner nicht zu demütigen, indem ich triumphal grinste oder mich gar in Siegerpose vor ihn hinstellte. Damit war meist der Weg zurück zum friedlichen Nebeneinander eingeschlagen.


Nur echte Raufbolde können auch etwas auf die Nase bekommen. Schwanzeinziehen ist jedoch nicht gut. Es provoziert die Agressiven, die's genau wissen wollen. Es suggeriert Feigheit. Meine Methode als Junge war: keinem möglichen Streit aus dem Weg gehen. Den Gegner richtig einschätzen. Und ihm scharf in die Augen schauen. Ein altes Rezept, das bei mir immer funktionierte.

Donnerstag, 26. April 2018

Das Kreuz mit dem Kreuz.

Da gibt es schon wieder einen Bayern, der von sich reden macht. Nach Franz-Joseph Strauss, der sich gerne in den Mittelpunkt manövrierte, hätte es nicht so schnell wieder einen solchen geben müssen, der öffentlich herumschwafelt, und, katholisch wie sie gerne sind, ein Kruzifix für ihre Zwecke benutzen.Wie sagte doch ein gewisser Herr Söder, dessen Ohrfeigengesicht schon bundesweit bekannt ist, "in jedes öffentliche Gebäude ein Kreuz". Unglaublich.

CSU-Religionswissenschaftler Söder 
Jetzt haben wir den Salat. Da will einer mit Gewalt CSU-Wähler mobilisieren, und keiner kann etwas dagegen tun. Eigentlich sollte es die kommunistische Partei noch geben, da hätten es die kreuzbraven Urnengänger etwas schwerer gehabt. Leitkultur, Wertegemeinschaft, das kennen wir doch. Damit kann man die Verrohung der politischen Gegenseite immer noch erfolgreich angehen.

Angela und ihre Wertegemeinschaft. 
Der Wink mit dem Zaunpfahl, durch einen Ministerpräsidenten aus Bayern, lässt unfaire Wahlhilfe auf der Bundestour vermuten. Wie frech geht es noch? Muss man sich jetzt gegen ein Kruzifix wehren, nur weil es von ruchlosen Politikern missbraucht wird? Obwohl gegen jede Art der Frömmelei, werde ich mich nicht dazu hinreißen lassen, verunsicherten Christen das Kreuz vor die Nase zu halten.

Herr, erbarme Dich! 
Jeder darf glauben, was er will. Wo kämen wir hin, etwa zögerlichen Gläubigen zeigen zu wollen, wo's langgeht? Muslime sind sicherlich keine Hasser des Kreuzes, wenn sie die Geschichte ein wenig kennen. Sollen sie doch frei bestimmen können, ob sie das Kreuz haben wollen oder nicht. Wir "Christen" nehmen uns diese Freiheit auch, Herr Söder, oder wie ihr alle heißt. Bayern regiert uns noch nicht. Und das wird auch so bleiben.

Dienstag, 24. April 2018

Japan 24% - Deutschland 60% - USA 70%

Natürlich gibt es Spezialisten, die das durchschnittliche Körpergewicht unserer Länder ermitteln. Wenn ein Mexikaner in der Mitte des Lebens 70 Kilos wiegt, kann er sich glücklich schätzen. Das Durchschnittsgewicht seines Landes ist eher hoch. 73% der Mexikaner scheinen Übergewicht zu haben. Mein Papi, als er aus französischer Kriegsgefangenschaft nach Hause kam, wog nur noch 48 Kilogramm. Ein Jahr hatte gereicht um von normalen 85 Kilo auf 48 zu schrumpfen. Normale Zeiten waren das nicht.


Deutschland hat heute 60% beleibte Menschen. Also sogenannte Übergewichtige. Japan hat nur 24 %. Sind es die Essgewohnheiten? Die Art der Ernährung? Der Mangel an Bewegung? Schlankheitsmittel? Etwas anderes? In der Vulgärsprache, die aus Zeiten stammt, als nur relativ wenige dick waren, gab es allerhand gutmütige bis bösartige Umschreibungen: Moppel, Brummer, Schlachtross, Fettwanst. Bei Mami wurde ein leichtes Überkilo herabwertend "stark in den Hüften" genannt. "Olfett" nannte man sich selbst gerne, liebevoll verächtlich.


 Ich selbst durfte als Kind einmal in einen Zirkus, in dem die dickste Frau der Welt auftrat. Sie saß auf drei Stühlen und hielt einen Militärgürtel, der aufs letzte Loch erweitert war, um ihren Oberschenkel, ohne den Verschluss schließen zu können. Einen Knaben überfallen da wilde Träume, mit denen er allerdings nichts anfangen kann. Weight Watchers - was für ein doofes englisches Wort - gab es noch nicht. Heute klingt das wie eine Peitsche auf dem Rücken von armen, bedauernswerten Zeitgenossen.

Dawn French, was für eine Wuchtbrumme. 
Wie sagte doch Caesar einst? Lasst dicke Männer um mich sein. Oder zitiere ich da falsch? Mit einem guten Freund verstehe ich mich immer wieder in folgender Angelegenheit: Frauen können schön sein, aber auch dick und schön. Wir Männer weigern uns, die diktatorische Vorgabe einer zweifelhaften Moderichtung ernst zu nehmen. Nein, Frauen, um schön, attraktiv, liebens- und begehrenswert zu sein, müssen nicht dünn wie ein Strich sein. Es gibt mehr Männer, die heimlich von Molligen schwärmen, als man denkt. Warum glaubt das keiner?

Über tausendmal.

Da gibt es nichts mehr zu sagen, möchte man glauben. Doch es gibt mehr als tausend Gedanken, und manche kreisen ständig um dich herum. Da glaubt man, Donnie Trump hätte sich von selbst erledigt, und schon wartet er mit einem neuen Schock auf, den man erst mal verdauen muss. Was er sagt, ist total unwichtig, aber, dass er sich traut, der ganzen Welt seinen milliardären Senf unter die Nase zu reiben, ist schon einmalig. Die nukleare Auseinandersetzung mit Kim Jung il - ein gefundenes Fressen für alle, die sich künstlich aufregen wollen.

Kara Ben Nemsi 
Wir hatten Karl May, von dem ich fast alles gelesen habe. Es hätten auch ruhig noch zwanzig Bände mehr sein können. Ich hätte sie alle verschlungen, obwohl mir die Schwächen seines Schreibstils allmählich dämmerten. Dann schrieb einer, Karl May habe homoerotische Anwandlungen gehabt. Wer an die Enthüllungsorgien unserer skandalgeilen Zeit denkt, muss dem Autor von Winnetou und dem Reich des Silbernen Löwen zugestehen, dass er in der harmlosesten Weise seine privaten Anwandlungen gemeistert hat. Wir Knaben wehrten uns entschieden gegen solche Mutmaßungen und Unterstellungen. Nein, unser Lieblingsautor war Okay.

Knabenliebe? 
Hadschi Halef Omar (Ben Hadschi Abul Abbas....) war eine liebevoll konzipierte Gestalt, mit der man sich identifizieren konnte. Ein verruchtes oder auch nur unschuldiges Sexleben hatte diese sympathische Kunstfigur nicht. Auch nicht Old Surehand oder Winnetou, dessen Schwester, Nscho-tchi, so reizvoll sie auch gewesen sein mag, nichts von einem männermordenden Vamp hatte. Es kann sein, dass unser Old Shatterhand mit Frauen nichts am (Western)Hut hatte. Dazu gab es auch keine Verpflichtung.


Doch unser Präsident der Vereinigten Staaten hat es faustdick hinter den Ohren. Er ließ unverblümt ausschweifende Bemerkungen fallen, lobte die Schrittgegend von Frauen und fasste danach, und seine allerschlimmsten Vergehen auf diesem Gebiet sind noch nicht einmal schriftlich festgehalten. Karl May ist also unser Waisenknabe, was solche Skandale betrifft, und Donald Trump mit seinem Milliardenvermögen kann es sich leisten, unsere etwas prüde Gesellschaft an der Nase herumzuführen. Donnie hat sich noch nicht von selbst erledigt. Er liebt es, begafft zu werden.


Sonntag, 15. April 2018

Hermann, Du lieber!

Du bist gerade von uns gegangen. Es schmerzt uns alle. Deine Christl ist in einem Zustand, der mich beunruhigt. Eine gewisse Genugtuung hat mir der (letzte) Besuch bei Dir noch gegeben. Du warst schon länger nicht mehr in der Lage, ohne die Hilfe von anderen zurechtzukommen und warst im Krankenhaus. Mit Pit, einem gemeinsamen Freund, habe ich gerade einen Tag verbracht, ein Zufall, nach Jahren,  als die Nachricht uns gleichzeitig ereilte. Wir hatten uns jahrelang nicht gesehen, standen jedoch im telefonischen Kontakt. Und jetzt ist unser lieber Freund, Kamerad, eigentlich möchte ich Lebensgefährte sagen, denn wir kennen uns so lange, einfach nicht mehr da.


Wir, die Hinterbliebenen, müssen jetzt ohne Dich weiterleben. Mir fehlen die Worte. Dein Weggang (wie das klingt!), nein, es bedeutet keine bloße Lücke, es ist ein Schock und ein Verlust für immer. Dein Humor, Deine Lebensart, Deine Großartigkeit als Mensch, sie gibt es nun nicht mehr. Ist nur noch Erinnerung. An die müssen wir uns jetzt klammern. Cath leidet mit mir, obwohl Du erst bei unserer Hochzeit auch in ihr Leben getreten bist. Lieber, lieber Hermann, es ist nicht schön, ohne Dich weiterleben zu müssen. Deine vielen Freunde verstehen das. Lebwohl.

Freitag, 13. April 2018

Salem aleikum! Schloss und Internat.

Ich erinnere mich, dass wir Freunde besuchen wollten. Irgendwo am Bodensee. Vor vielen Jahren, als wir schon mal hier waren, im schönen Haus am Berg, es gab noch ordentliche Straßen. Die führten uns mit Hilfe einer Straßenkarte in die Gegend von Salem. Wir sind im Schwäbischen, was man an der Unzahl an Kreisverkehren und Umleitungen erkennen kann.

Salem scheint es immer noch zu geben, doch die Beschilderung dahin und im allgemeinen scheint einem bösartigen Kobold zum Opfer gefallen zu sein. Es ist wie in der Politik. Plötzlich weiß man nicht mehr was oben und unten ist. Das Salemer Schloss haben wir dennoch gesehen. Hat nicht Prinz Philip, der Gatterich der Queen, hier gehaust? Vornehm, natürlich. Zumindest ging er hier in die Schule.

Salem, Deutschland. Das Internat. 
Ich bekam einst einen Gymnasialdirektor, der behauptete, davor in Salem gewesen zu sein. Die wohlbekannte, vielleicht auch ein wenig arrogante Internatsschule? Die Schule hat etwas, sonst würde man nicht mit einer gewissen Ehrfurcht von ihr sprechen. Doch als das Salem in der Nähe von Boston/USA von eingewanderten Puritanern beherrscht war, entstand ein Hexenwahn, den mehrere junge Frauen nicht überlebten.

Junghexe 
Die Puritaner hielt sich für die einzig Auserwählten. Wer weiblich war, konnte zur potenziellen Hexe erklärt werden. Die vorübergehenden "Anfälle" von Hysterie bei jungen Mädchen führten zum Verdacht, mit Teufeln und anderem Gelichter im Bund zu sein. Auch männliche Wesen waren nicht gefeit vor solchen Anschuldigungen. Es fehlten wohl die gängigen Sündenböcke. Im 17. Jahrhundert kamen die Hexenprozesse auch in Amerika an.

Na, und? 
Wie starb die klassische Hexe, der man nachsagte, sie flöge mit dem Besen durch die Lüfte? In Salem/Neuengland begann um 1690 eine Serie von Verhaftungen. Neunzehn Menschen wurden gehängt, meist arme alte Frauen, darunter aber auch fünf Männer. Es war eine Massenhysterie, die dann bald wieder abebbte. Doch wird auch in abgelegenen Gegenden oft noch das Thema Hexe erörtert. Die alte Dame mit dem gekrümmten Rücken und der Warze auf der Nase ist noch lange nicht ausgestorben. Und ich setze mich auf meinen Besen und mache mich davon.

Donnerstag, 5. April 2018

Postkarte aus Riesa.

Jetzt habe ich sie schon wieder verlegt. Die Postkarte aus Riesa an einen Herrn, der mein Großvater gewesen sein muss, denn mein Papa, der auch wie sein Vater, Karl, hieß, war damals erst 21 und lebte nicht mehr in der Kronprinzenstraße in Pforzheim in Baden, das noch im Februar 1945 fast gänzlich zerstört wurde. Von feindlichen Bomben. Hier ist sie.

Wo liegt Riesa? 
Die Karte zeigt die Trinitatiskirche in Riesa, und der Poststempel zeigt den 3.3. 1922. "Mein lb. Freund, da ich seit einiger Zeit auf Reisen bin..." Die Briefmarke des Deutschen Reichs kostete 1, 1/2 M? Mark? Reichsmark? Inflation? Der Stempel besagt: WURZEN. Ein Städtchen in Sachsen, ca. 16.000 Einwohner. Einige davon sind rechtslastig und leisten sich dort  heute Unfreundlichkeiten mit Ausländern. Traurig.

Wo liegt Wurzen? 
Man sagt, dass der deutsche Osten für nazifreundliche Gedankenspiele anfälliger sei, als der Westen. Ich glaube, wir sind alle etwas anfällig. Lange haben wir uns geschämt, unser Land zu lieben, während sich andere geradezu fanatisch für ihre Heimat ins Zeug legen konnten. Und heute fällt es uns immer noch schwer, unsere Hand an die Brust zu legen und Heimatliebe schwulstig zu bekennen, wie es Amerikaner tun. Das muss aber auch nicht sein.

Wo liegt Amerika? 
Wer die faschistische Vergangenheit Deutschlands kennt, sollte unbedingt auch ein wenig über die harmloseren Zeiten des Vaterlandes nachdenken. Deutschland hat vieles hervorgebracht, von dem die ganze Welt heute zehrt. Den Kindergarten, das Radar, die Zündkerze, Eis am Stiel, und die Zahnpasta. Diese Beispiele können genügen.

Tätschelkultur? 
Einer meiner Geograhielehrer verlangte von uns Schülern, über die Pfingstferien Vorträge auszuarbeiten, die wir in der Klasse vortragen konnten. Mein Thema lautete: die kulturellen Leistungen Deutschlands. Internet gab es noch nicht. Mein Vater sagte damals: dieser Kerl spinnt. Ich brauchte eine Woche, um herauszufinden, dass er recht hatte. Ich versank geradezu in einem Wust kultureller Leistungen, die irgendwie dämlich aufgelistet wurden. Ich hätte ihm meine Entdeckungen vor die Füße schmeißen sollen. Seitdem weiß ich, dass kulturelle Leistungen eines Landes nur geschwafelter Unsinn sein können. Und die Postkarte aus Riesa ist bald 100 Jahre alt.



Montag, 2. April 2018

Vater, Papa, Dein Tag.

Es ist erstaunlich, dass ich nicht Urgroßvater bin. Die notwendige Reife dazu habe ich erlangt. Andererseits hat Cath sich so gut gehalten, dass sie sich locker als meine Tochter oder Enkelin ausgeben könnte. Ich scherze damit, um unseren Altersunterschied von 20 Jahren zu verharmlosen. Bald ist Muttertag. Dann wird wieder die Mutter gefeiert. Wohl auch aus schlechtem Gewissen seitens der Männer. Sie nehmen allzu vieles für selbstverständlich und finden oft die richtigen Worte nicht.

Papi mit Schwestern. 
Doch will ich angesichts drohender Muttertage jetzt meine Lanze für den Vater brechen. Ich hatte den liebsten Vater, den man sich vorstellen kann. Papa nannte ich ihn. Er las mir Märchen vor und kam zusammen mit mir und meinem Schwesterchen dabei ins Schluchzen, sodass er nicht mehr weiterlesen konnte. Bei meinen Streichen, die ich mir als müpfiger Junge leistete, lächelte er mich gütig an und ließ es gut sein. Ich bekam nie eine Ohrfeige oder etwas Ähnliches, obwohl die Zeit der Stockschläge noch lange nicht vorbei war.

Wo ist das All? 
Er brachte mich in Ekstase, wenn er mir das Weltall erlärte. Einmal saß ich beim Spaziergang auf seinen Schultern und pinkelte ihm vor Entzücken ins Genick. Er hatte mir wieder die Weiten des Alls vor Augen geführt. Er rauchte wie ein Schlot und schämte sich ein wenig dafür. Hand angelegt an seinen Sohn hat er nie. Dennoch hatte ich großen Respekt vor ihm. Genauso wie er vor seinem Vater und ich vor meinem Großvater. Opa trank sein tägliches Glas Wein. Bei Papa konnten es auch zwei sein. Betrunken war er jedoch nach meiner Erinnerung nur einmal. Ich war als Kind damals wütend und enttäuscht. Später verstand ich, dass es nicht sein Problem war.

Meine Mütter, Großmütter und Tanten waren OK. Doch mein Papa, der alles unternahm, um in meinen Auge nicht als Held da zu stehen, machte mich mit allen wichtigen Phasen der Weltgeschichte vertraut, erklärte auch die Sachen mit den Juden und den Nazis, deren Partei er von Januar bis April 1933 als Mitglied angehörte. Konzentrationslager gab es damals im Reich noch nicht. Im April 33 erklärte er seinen Austritt. Nach seinem Ableben fand ich sein Parteibuch mit der Bestätigung und war stolz.

AfD-Tanten 
Wenn Leute von der AfD herumdrucksen mit ihrem rechtslastigen Gedankengut muss ich an die vielen Frauen und Männer denken, die nicht Heil Hitler geschrien haben. Nur eine junge Frau aus der Nachbarschaft grüßte den Führer immer laut und deutlich. Als die Sieger einmarschierten und der Nazispuk zu ende war, legte sie ihr Sonntagskleid an und bewarf den "Feind" mit Blumen aus ihrem Garten. Die Angst konnte man ihr ansehen. Andere hatten damals schon die Angst vor dem Ende des Faschismus.

Bruchstücke 
Die Kindheitsgeschichten meines Vaters sind mir noch präsent. Sie lagen vor dem ersten Weltkrieg und schwirren immer noch in meinem Kopf herum. Die gute alte Zeit, die gar nicht so gut war wie man glauben möchte. Beim Anblick dieser Wahnsinnigen von der sogenannten Alternative für Deutschland weiß ich, dass ich meinen letzten Tropfen Blut für die Ausrottung dieses Übels geben würde. Sie werden sich hoffentlich selbst ausrotten.






Sonntag, 1. April 2018

Ostern - ein Aprilscherz.

Es geht mir schon lange auf die Eier, dass das Osterwetter einfach nicht zuverlässig ist. Vom CDU-inspirierten ZDF-Wetterbericht erwartet man beschönigende Phrasen wie: Schneefall ab 800 Meter nicht auszuschließen. Auch die ARD verbreitet nicht gerade eitel Sonnenschein. Aber Ostern, 1. April, sollte den langweiligen Medien einen Aprilscherz wert sein. Oder nicht?


Fürchtet man jetzt die rechtlichen Folgen einer aprilbedingten Fehlmeldung? Hat uns dies das Internet eingebrockt? Wenn ich behaupte, dass der Merkel die Hose herunter gerutscht ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten. 1.: Es ist frei erfunden. 2.: Es ist die Wahrheit. 3.: Es war gar nicht die Merkel. 4.: Es war nicht ihre Hose. 5.: April, April. Es muss einfach möglich sein, auch unter verschärften rechtlichen Bedingungen einen Aprilscherz zu machen. Oder etwa nicht? Die BILDzeitung, unser Märchenblatt, titelte einmal auf der Titelseite (ich habe nicht Tittenseite gesagt, und es war nicht erster April): Wird Elisabeth die Königin Europas? Wie wir wissen, ist es (noch) nicht dazu gekommen.


Ich erinnere mich an Schlagzeiten in Zeitungen, bei denen manche sofort loslachten. Die englische Königin empfing gestern Magda Goebbels, die Witwe des verstorbenen Reichspropagandaministers. 1.: Hat sie nicht. 2.: Hat sie ihre 6 Kinder umgebracht und im sogenannten Führerbunker dann Selbstmord begangen. 3.: Hatte sie jüdisches Blut in ihrer Familie. 4.: War sie eine fanatische Nazischucksen. Also das mit der Königin und Magda Goebbels war ein schlechter Aprilscherz.

Das Ungenaue an Ostern ist immer noch das Wetter. Worüber wir uns jedoch schon jetzt freuen können, ist die Tatsache, dass es heute, hier in Süddeutschland, nicht nass und kalt ist. Oder doch? Sollen die Ostereier draußen auf der Wiese oder drinnen im Wohnzimmer versteckt werden oder nicht? Da Onkel Adolf keine eigenen (offiziell verbuchte) Kinder hatte, war auch das Eiersuchen im Dritten Reich nicht so wichtig. Und fromm war es auch nicht.


Jetzt ist wieder Ostern, und mir fällt außer Eiersuchen nichts dazu ein.  Vielleicht Ost-er-weiterung?  Sorry. Das war nicht beabsichtigt. Ich bin heute auf Aprilscherz eingestellt. Autobahnen? Verstopft? Wie immer. Also zu Hause. Jetzt kommt die Sonne raus. Schön wäre es doch, plötzlich vor einem Teller mit grüner Papierwolle zu stehen, auf den ein guter Geist ein paar bunte Eier gelegt hat. Sozusagen als Eierscherz. Doch dieser müde Scherz geht mir auf den Keks. Scherzkeks!