Sonntag, 28. Februar 2016

Brot für die Welt.

Welch herrliches Angebot für die Nase: der Duft, der aus der Backstube kommt wenn gebacken wird.
Ein Duft, den man von Kindesbeinen einatmet. Die Brotfabriken leisten das nicht. Auch unsere Gaumen haben ihre Begeisterung für frisches Brot fast verloren. Es gab eine Zeit, da ging man zum Bäcker und suchte sich sein Lieblingsbrot aus mindestens 10 verschiedenen Sorten aus: Mischbrot, Kommissbrot, Schwarzbrot, Weißbrot, Holzofenbrot, Kümmelbrot undsoweiter. Mein Lieblingsbrot war immer das kastenförmige Kommissbrot, das lange frisch blieb, einen leicht säuerlichen  Geschmack hatte und sich herrlich mit Butter und Tannenhonig vertrug.


Oder das Bauernbrot, an das ich mich erinnere: nach einer langen Wanderung in der Nähe des Feldberges im Schwarzwald, kam ich mit anderen kleinen Jungen am Jockelehof an. Die Bäuerin kam mit einem drei Kilo schweren Laib selbst gebackenen Bauernbrot und einem enormen Messer heraus. Wir saßen und standen erwartungsvoll und ausgehungert vor dem  Eingang zum Bauernhof. Die Bäuerin markierte mit dem Messer ein Kreuzzeichen auf das Brot. Dann holte sie weit aus, um vor ihrer mächtigen Brust eine Riesenscheibe nach der anderen herunter zu säbeln. Dann machte sie sich an die hausgemachte Butter, die sie in großen Scheiben auf die Brote strich. Nun kam die Krönung: aus einem großen Glas holte sie hausgemachte Brombeermarmelade und strich sie großzügig auf die Brote. Wir Kinder waren entzückt. Das Essen nahm kein Ende. Die Erinnerung daran auch nicht. Keine Gänseleberpastete kann solche Wertschätzung erreichen.


Obwohl die Brezel die berühmte Brezelform hat, kann sie mit Fug und Recht zu den Broterzeugnissen gezählt werden. Wer in seinem Leben mehrere Jahre als Deutscher im Ausland verbracht hat, ohne den Duft einer frischen Laugenbrezel in seine Nase zu kriegen, ist aufrichtig zu bedauern. Es ist die Brezel, die brotmäßig das richtige Heimatgefühl vermittelt, auch wenn die Bayern Brezn dazu sagen. Ich wußte, dass Mannheim zu den Brezelhochburgen des Landes zählt. Wenn es ging, stieg ich aus dem Zug (nur 5 Minuten Aufenthalt reichten) im Mannheimer Hauptbahnhof schnell eine Brezel zu kaufen. Jetzt, als Bürger eines Yorksherischen Städtchens, beginne ich wieder, von frischen Brezeln zu tagträumen. Womöglich einer Butterbrezel, bei der die Butter in die letzte Ritze eingedrungen ist.


Man mag über die Käseherstellung der Franzosen lächeln. Es soll über 300 Käsesorten existieren, die zum Teil besondere Behandlung verdienen. Jahrelang kaufte ich in Wien in einem Supermarkt für Diplomaten für 6 € einen runden Briekäse, ein volles Kilo schwer. Verglichen mit dem Käse aus den "normalen" Supermärkten war dieser Brie de Meaux noch von der alten Schule. Er brauchte im gewärmten Raum 1-2 Tage um zur vollen Reife zu gelangen.  Ein Gedicht, das angenehm roch. Karl der Große wusste das schon und ließ sich zweimal jährlich eine ganze Wagenladung davon an den Hof nach Aachen bringen. Bei den Broten hingegen hat die Industrie zugeschlagen: kaum ein Brot schmeckt noch wie das vom  Bäcker, es sei denn, es ist vom Bäcker. Man riecht es, wie man einen guten Wein riechen kann, ohne ihn zu kosten. Die Brotindustrie, bei der alles natürlich Premium ist, das gehört sich so, bietet allerhand Schabernack an, mit möglichst vielen Körnern oder exotischen Namen, hinter denen sich eine mangelnde Brotkultur verbirgt (Ciabatta, Baguette, Fünfkornbrot, Steinofenbrot etc.). Man muss nichts gegen diese Importe haben, aber warum ist die geschmackliche Vielfalt unseres Brotes verschwunden? Dieses Fabrikbrot ist eine Zumutung für den Gaumen.

Seit zwei Monaten versuchen wir, hier im Land der Biere, des Whiskys und des Yorkshire Puddings ein Brot zu finden, das an alte Zeiten erinnert, schmeckt, haltbar ist nicht bei der ersten Berührung von alleine zerkrümelt. Großbritannien hat in der Gastronomie erstaunliche Fortschritte gemacht. Unglaublich freche Menüs werden heute angeboten. Dazu gibt es manchmal auch ganz gutes, selbst gebackenes Brot. Doch im Supermarkt hört der Spaß auf. Da sitzen kilometerlange Brotreihen in den Regalen, alle nur zum Toasten zu gebrauchen. Nach drei Tagen ist auch der Charme des Anblicks weg, und keiner hat Lust, einfach eine Kante Brot zu essen, ohne alles, nur weil man das Brot mag. Das habe ich zuletzt im Brotladen von Joseph in Wien gesehen. Das dortige Dinkelrot (Kenner nennen es Josephbrot) hat noch alle Eigenschaften guten Brotes. Hier in England suchen wir noch, und wir suchen und suchen.......


Samstag, 27. Februar 2016

Clouds, clouds, clouds - die Wolken



Wolken können stink langweilig sein. Man schaut in den Himmel und weiß, was es geschlagen hat. Sie ziehen wieder vorbei, diese grauen Ungetüme, regenschwer, Unheil verkündend. Sie sind für den Mitteleuropäer die Wetterindikatoren. Vor allem die Zirruswölkchen oder die bombastischen Kumuluswolken. Ihre Begleiterscheinung sind oft die Winde, die dann den Ton angeben. Sturm, Unwetter oder einfach langweilig, wenn es um die weißgefederten Wattebäuschchen geht. Wenn der Himmel über Tage hinweg verhangen bleibt, richten wir uns auf eine leichte Depression ein, ducken uns bis alles wieder vorbei ist. Atmen auf, wenn der erste Sonnenstrahl uns trifft. Man kann natürlich auch behaupten, dass man das Wetter  bekommt, das man verdient. Der Zusammenhang ist mir allerdings nicht ganz klar.



Wer im Flugzeug beim Start an Höhe gewinnt, weiß es besser. Bei vorhandener Wolkendecke wird diese durchstoßen, manchmal im beängstigenden Blindflug, bis der Pilot dann routiniert verkündet, dass wir jetzt die gewünschte Flughöhe erreicht haben und hier oben die ewige Sonne scheint. Dann befinden wir uns locker in zehntausend Metern Höhe. Der Orangensaft wird gereicht. Dabei wird aus dem winzigen Fenster geguckt. Weit unter sich sieht man dann die Wolkengebirge, dazwischen auch immer wieder die Löcher, die Seen und Berge, Flüsse und Ortschaften freigeben. Die Wolken von oben betrachtet, sind etwas Erhabenes. Kein Zweifel. Die Stewardess kann jetzt die leeren Orangenbecher  und das lächerliche Serviettchen wieder einsammeln.



Jetzt kommen wir zum Punkt: Hier in Yorkshire (Nordengland), wo das Wetter notorisch mies sein kann und es auch öfter ist, kannst du von einem Wolkenhimmel geradezu erschlagen werden. Das geht so: du schaust hinauf, und es verschlägt dir den Atem. Innerhalb weniger Minuten hat er sich total wieder verändert, dieser Himmel. Wolkengebilde, zum Greifen nahe, ziehen vorbei. Sie hängen oft so tief, dass man fast sehen kann, wie sie dem überall gegenwärtigen Ozean entflohen sind. Dann, wieder, das kalte Grauen: Wolken, die als Ausdruck der Hoffnungslosigkeit vor dir dahinziehen. Natürlich redet der wettergeprüfte Engländer auch gerne und oft darüber. Aber das Schönste können die Sonnenuntergänge sein, selbst wenn die Sonne unsichtbar bleibt. Die Rosatöne, gemischt mit gelb, weiß und schwarz, nur wenige Minuten anhaltend, erheben dich in ungeahnte ästhetische Höhen. Schönheit pur. Danke, Yorkshire, für diesen Wolkenhimmel!




Freitag, 26. Februar 2016

This is the question and why?

It is easy to cruise through life without asking questions. Then everything appears normal. When I asked my 93 year old Aunt Maria whether she remembered a Mr. Neumann, she immediately replied, "Of course, Mr. Neumann was one of my father's best friends". And she added: "He was a Jew and he committed suicide when he saw no other way out". That was in the early Forties, 2-3 years before the end of World War II. One November evening my grandfather had taken me along to see, as he put it, a friend  in the neighbourhood. I had never heard of him before. No wonder, I must have been some 5 years old. Small children mostly don't get all the explanations they want. To stay with my grandparents was one of my favourite doings at the time. I also loved to go with grandfather on extended walks.

My grandparents lived in a town called Pforzheim at the Northern end of the Black Forest in Nazi Germany. On the 23rd of February 1945 Pforzheim's centre got almost totally destroyed by the British Airforce. Some 20 000 people lost their lives. My grandparents and aunt survived, but their house got destroyed and literally everything got lost.



The years after the war were difficult, almost everywhere in Europe. Then came the economic recovery which took several years as one knows. Millions of refugees  had first to get integrated. Damaged and destroyed cities and villages had to be rebuilt and we, the young generation, had to get prepared for a professional life. I opted for a career abroad, after having done a couple of years as a TV reporter in Germany. Paris and Strasbourg were the places I worked. My grandparents died, my parents died.  Every now and then I visited my aunt who lived in a home in Pforzheim. All she could remember about Mr. Neumann was that he must have been informed by someone, maybe by my grandfather, that the Nazis were planning to deport him. I also heared from my aunt, that his wife and 2 daughters had emigrated to the United States at the beginning of the war.

Thousands of details, that is what life is. One not only has to try to find out about things. One has a duty to do so, if one wants to achieve a life in dignity. To know is always better than not to know. To see, better than not to see. How proud I have always been when I remembered what my Grandmother Leopoldine said once - I must have been 3-4 years old, "This Hitler is a devil". My parents never told me what they thought about the Nazis. All I knew was that my grandmother was right and the Führer was wrong. I would never have said a word about this to my best friend, knowing how dangerous it would have been for her.

Donnerstag, 25. Februar 2016

Sir Jimmy Savile, der Junge aus Yorkshire

Seine Freundin, Maggie Thatcher, bei der er mehr als 10mal Weihnachten gefeiert hat, versuchte 4mal, aber ohne Erfolg, ihn adeln zu lassen. Später hat es dann doch noch geklappt, und Jimmy Savile sank 2011, 84jährig und total berühmt, ins Grab. Hochgeehrt, ein nationaler Held, eine Rundfunk- und Fernsehpersönlichkeit erster Klasse. Sein markantes Gesicht war allen vertraut. Leeds, die Stadt in Westyorkshire, seine Geburtsstadt, war besonders stolz auf ihren Sohn. Seine Karriere als Unterhalter, Showmaster und Kinderidol war hauptsächlich der BBC zu danken, die ihn auch als Wohltäter sah, der insgesamt  40 Millionen Pfund Sterling aufbrachte, um Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zu helfen. Seit 5 Jahren ist er tot. Jetzt wird wieder von ihm geredet: heute erscheint ein umfassender Bericht über die in die Hunderte gehenden sexuellen Vergehen, Vergewaltigungen und Belästigungen dieses Edelmannes.



Ein landesweites Medienereignis, heute, am 25. Februar 2016. BBC-Radio Leeds wird den ganzen Tag darüber berichten, nicht nur über die "Heimführung" des Flying Scotsman, der einmal 100 Meilen in der Stunde machte, ein legendärer Zug, der auch heute seine letzte Ruhestätte findet, nämlich im National Railway Museum von York. Es ist rührend, mit welcher Anhänglichkeit die Briten Ereignisse verfolgen, die jahrzehntelang zurückliegen können. Der Fliegende Schotte war ein Zug, der von London nach Edinburgh fuhr und noch heute wie ein nationales Gut verehrt wird. Bei den Deutschen ist etwa der Fliegende Hamburger der Dreißigerjahre (zwischen Berlin und Hamburg, mit Antriebspropeller!) so gut wie vergessen.

Vielleicht sitzt der Skandal um Jimmy Savile auch deshalb so intensiv im Gedächtnis der Briten, weil man ihn jahrelang verehrt, sich dann lange gegen die Aufdeckungen gewehrt hatte, und jetzt endgültig alles über diesen Verbrecher wissen möchte. Der Dreck, der dabei hochkommt wird noch lange ausgewertet werden. Savile soll sogar negrophil gewesen sein, worüber heute wohl kaum noch etwas zutage treten wird. Da ich seit Anfang des Jahres in Yorkshire wohne, mit Cath, natürlich, werde auch ich in den täglichen Strudel der Informationsmaschinerie eingesogen. Andererseits muss man dabei den Eindruck gewinnen, dass es in diesem Land fast nur noch um die Aufdeckung sexueller Vergehen geht. Dieser Savile hat es sogar geschafft, Opfer, die sich gegen ihn wehrten, zu verklagen. Er wurde immer wieder reingewaschen  und gedeckt, auch von der Polizei.


Bei der jetzigen Beweislage handelt es sich um einen noch nie vorher bekannt gewordenen Skandal dieses Ausmaßes. Die Medien werden noch lange in diesem Dreck wühlen können, bevor die Politik, auch in vielen anderen Ländern, endlich begreift, dass man mit harten Gesetzen und viel mehr Aufklärung gegen diesen menschenverachtenden Unrat vorgehen muss.  Man versteht nicht mehr, warum unsere konsumorientierte Welt einerseits ein solches Aufhebens mit kleinen Kindern macht und andererseits so gleichgültig bleibt, wenn es um deren sexuellen Missbrauch geht. Jimmy Savile könnte nach den heutigen Veröffentlichungen auch international  zum Inbegriff des Kinderschänders werden. Seine wohltätigen Stiftungen haben inzwischen erklärt, sie würden die Savile-Gelder an andere Einrichtungen weitergeben und den Laden dichtmachen.

Nachtrag: Die heutige Pressekonferenz mit dem Generaldirektor der BBC verlief zivilisiert. Die Reaktionen des ansonsten zurückhaltenden Mannes von der Straße ist sehr deutlich: Savile - ein Verbrecher, ein Monster, ein Arschloch.

  

Montag, 22. Februar 2016

Hatte er einen Orgasmus?

Journalisten versuchen, auch hinter dieses Geheimnis zu kommen. Hat er oder hat er nicht, rein politisch gesehen? Kann man klar definieren, was er wollte und was er erreichte? Eher nicht. Aber, er wollte doch etwas. Hat er etwas erreicht? Wir gönnen es ihm. Die Welt wird er eh nicht runderneuern. Auch nicht in Fetzen zerreißen. Jetzt warten wir wieder, nicht nur in London und Yorkshire, sondern in ganz Europa auf etwas Fassbares. Schließlich hat auch der ratlose britische Wähler ein Recht darauf, ernst genommen zu werden. Auch in den USA geht es jetzt um die Wurst, wie es scheint. Dieser lügenhafte Dollarprinz dort kann es schaffen. Oder wird es die Prinzessin sein, die auch nicht vom Bettlerwagen gefallen ist? Wie gesagt, es geht um die Wurst. Dauerwurst oder verderbliche Ware? Man merkt es oft erst, wenn es anfängt zu stinken. Wichtig bei einer Wurst sind Preis, Qualität und Haltbarkeit. Jetzt haben wir wieder von der Wurst gesprochen. Dabei meinen wir die kommenden Präsidentschaftswahlen in Amerika.



Irrtümlicherweise verwechseln unsere Journalisten oft die Wurst mit dem Essen. Genau genommen ist es ihnen egal, ob Leberwurst, Salami, Mortadella, Streichwurst oder Dauerwurst. Hauptsache es wird gegessen. Der Rest ist wurst. Natürlich könnte man bei solch medialer Aufarbeitung kinderleicht auch passende Namen nennen. Jeder kennt sie. Sie werden ja immer wieder hochgespült. Sind dann in aller Munde, schmecken dann wieder schal und werden runtergespült. Da sie jeder x-mal pro Tag zu hören bekommt, lassen wir sie weg. Nur: in die Geschichtsbücher kommen sie damit noch lange nicht. Wir wissen, wovon wir reden. Wieviele Namen sind uns geblieben? Das Vergessen ist immer größer als das Erinnern. Also: Napoleon, Pinochet, Stalin, Hitler, Sadat. Sie haben ein fatales Recht, genannt zu werden. Kim Jong Un wird es schon deshalb nicht schaffen, weil kein Schwein seinen Namen richtig schreiben kann.

Also hören wir noch eine Weile auf die Propheten aus den Medien, die Aufarbeiter, Wikileaker, Lügenbarone und die Ernsthaften, die versuchen zu retten was noch zu retten ist. Die Wahl bleibt immer dieselbe: Macht, kombiniert mit Orgasmus. Oder Geld, kombiniert mit Orgasmus, oder Geld kombiniert mit Macht. Ob er bei seinem Tun orgasmische Gefühle bekommt, der Politiker von heute, bleibt verborgen. Nur darüber, dass das alles früher oder später wieder in der Geschichte versinken wird, darüber spricht keiner.


Samstag, 20. Februar 2016

Wiener G'schichten: Sag zum Abschied leise Servus.

Jetzt haben wir in Wien fast drei Jahre gelebt. Da kann durchaus mit einem weinenden und einem lachenden Auge zurückgeblickt werden. Lachendes Auge: weil es so schön war. Weinendes Auge: weil es wieder einmal ein Abschied ist. In Frankreich (da habe ich wohl am längsten gelebt) sagt man: Partir c'est mourir un peu. Abschied heißt ein bisschen sterben. Andererseits nennen Kenner des Französischen den Orgasmus "la petite mort", den kleinen Tod. Was denn nun? Ich habe in mehreren Ländern mindestens über ein Jahr gelebt. Da wird der Abschied zur Dauereinrichtung, und man kann es sich nicht leisten, Trauer zu tragen. Zu neuen Ufern also, denn im kommenden Jahr werden wir in Yorkshire leben. Mein 6. Land also, wenn man von intensiven Kurzaufenthalten absieht, die nicht immer als Touristentrips gewertet werden können.


Jetzt also Abschied aus Wien. Die größte Stadt in der ich lebte, war Paris. Die schönste ist ganz sicher Wien. Unser Privileg: Cathies Arbeitsplatz: die Hofburg. Unser Zuhause: die Blutgasse, gleich hinter dem Stephansdom. Erster Bezirk. Nein, die Wohnung in einem 400jährigen Altbau mit Fahrstuhl und Doppelfenstern. Glockenlärm und Hupgeräusche von der Singerstraße herauf in den 4. Stock. Zu unseren Füßen brodelt die Menschheit. Reiche und Arme mit I-Pads und Smartphones, selten ohne. Gestern zählte ich auf dem kurzen Gang über die Kärntnerstraße 10 Bettler. Die Armut nimmt zu, das Völkergemisch auch. Die Welt, nicht nur Wien, ändert sich ständig. Wir ziehen in ein paar Tagen weiter. Dann wird Wien eine schöne Erinnerung sein.


Kann man das zusammenfassen? Ganz sicher nicht. Es werden immer wieder Erinnerungsstücke auftauchen, die uns schmunzeln lassen. Lange Abende mit Freunden aus überall. Die Entdeckung guter Weine und gemütlicher Plätze. Der freundliche Nachbar, der noch Küss die Hand sagt. Der Spaziergang durch den Stadtpark, wo die Umlagerung des vergoldeten Johann Strauß durch Japaner und andere stattfindet. Straßenmusiker und verführerische Cafés. Das alles ist Wien. Große Geschichte und weniger große Politik. Dann, neben der Hektik der Weltstadt, plötzlich eine ungeplante Stille. Weltstadt mit der höchsten Lebensqualität, weltweit. Stadt mit Herz und Magen, U-Bahn und Wassertrinkstellen mit bestem Trinkwasser.

Trauer wird es nicht sein, sondern ein langsames Erwachen aus schönen Erinnerungen, wenn alles vorbei ist. Der Möbelwagen ist schon eingeplant. Ich bilde mir ein, es sei immer noch der 29. November 2015. Inzwischen ist es Februar 2016. Wir sind in Yorkshire.














Verdun - Hundert Jahre Symbol für Frieden

Nein, so lange ist Verdun denn doch nicht das Symbol für Frieden. Als vor hundert Jahren der Stellungskrieg zwischen Deutschland und Frankreich dort begann, konnte man dessen Ausgang nicht einmal erahnen. Es hat viele Tote gegeben, auf beiden Seiten, bis es den Deutschen klar wurde, dass sie nicht weiterkommen. Man hat die Schlacht dann an die Somme verlegt. Beide Länder haben schließlich den Krieg verloren, Frankreich jedoch weniger. Zum Glück hat es den warmherzigen Händedruck zwischen Helmut Kohl und Francois Mitterrand bei Verdun gegeben. Seitdem ist ein Anfang gemacht worden, Krieg zwischen den beiden Gegnern von einst für immer auszuschließen. Facit: unzählige Tote, meist junge Männer, krasse Kosten für die beteiligten Länder. Schwindsüchtige Währungen und ein wachsendes Amerika, das aus der europäischen Misere ökonomische Vorteile zog.

Heute hat sich fast schon die Vorstellung durchgesetzt, dass Steuergelder unbedingt anders eingesetzt werden müssen: für Sozial- und Gesundheitsreformen, Forschung und Infrastruktur. Am wenigsten verschleudert ist das Geld, das für unmittelbare Hilfe für Millionen Flüchtlinge und bettelarme Bürger ausgegeben wird. Jedoch, die aufgebrachten Summen werden zu Unsummen, die dann doch nichts bewirken, denn hinter allem stehen die gleichen Konflikte wie vor hundert Jahren, nur, dass sie jetzt eine globalere Dimension besitzen. Wir können damit nichts anfangen und fürchten um unseren Bestand, Besitz, ja, um unsere Sicherheit . Wo sind die Denker, Führer und Reformatoren, die da einen Weg weisen?



Leider sind es die Medien, die alles aufsammeln was an bedrohlichen Ereignissen auf uns zu kommt. Ihre Sensationsgier lässt alles gleich bedrohlich erscheinen. Wir sind dem ausgesetzt, weil wir nicht mehr an die Ernsthaftigkeit der Nachrichten glauben, alles hinterfragen, auch das Seriöse, und uns jedesmal in eine neue Psychose hineinsteigern lassen, ohne die alte vergessen zu können. Ziehen wir überhaupt Lehren aus etwas? Verdun ist vergessen, Auschwitz auf dem Wege dahin, und eine Friedenskultur scheint unendlich weit weg zu sein. Also werden auch unsere Prioritäten von den Medien überwacht und von ihnen hinpräsentiert, wie es gerade passt.

Einmal sind es die Griechen, ohne, dass es bisher zum Grexit kam, dann die Ungarn, die zu allem NEIN sagen, dann kommt Polen mit seltsamen Reformen, die sicher nicht den richtigen Weg weisen, dann setzt Hollande seinen symbolischen IS-Krieg fort, und Cameron tritt gegen Europa an, obwohl sich viele fragen, was er eigentlich wirklich will. Putin spielt sein Spielchen und Merkel ist am Aussitzen. Von der mächtigsten Frau der Welt ist sie zur einsamen Rätselfigur mutiert, jedenfalls, wenn man den eifrigen Medien Glauben schenken darf. Lügenpresse kann man es nicht nennen, doch müssen neue Wege der Wahrheitsfindung gefunden werden.

Freitag, 19. Februar 2016

Die Frau als Mann?

Die Dinge sind schon längst gelaufen. Eine Frau, wenn sie hübsch ist, hat es leichter im Leben. Ist sie intelligent, stehen ihr schon lange Abitur, Matura, sogar  die Hochschule offen. In den USA strebt eine Frau gerade das Amt der Präsidentin an. Man möchte ihr angesichts eines tumben männlichen Kandidaten, der alle konservativen Klischees zu bedienen versteht,  für das Wohl der Nation alles Gute wünschen. Ich glaube, die Thatcher war die erste führende Politikerin in der westlichen Welt. Jetzt haben wir auch die Merkel als Bundeskanzlerin. Ich als Mann kann damit locker leben.


Bei den Orchesterdirigentinnen, Kunstmalerinnen und katholisch-kirchlichen Führungspersönlichkeiten müssen wir noch einige Anstrengungen unternehmen. Obwohl, Hildegard von Bingen war damals eine herrliche Ausnahme. Jumbo-Pilotinnen und Spitzenköchinnen soll es heute jedoch schon einige geben. Den Kriegssektor möchte man erst mal weglassen, obwohl man vermuten darf, dass Verteidigungsministerinnen als Pflichtjob in jeder Regierung schon lange für Frieden auf dieser Welt gesorgt hätten.  Von der Leyen muss aber nicht als Paradebeispiel gelten. Sie bemüht sich allzu redlich, den herben Mann auf diesem Gebiet zu stellen.

Meine geliebte Mama war zu nichts zu gebrauchen. Sie fuhr nicht Ski und spielte nicht Handball. Aber ihre Kochkunst erreichte unglaubliche gastronomische Höhen. Ansonsten hielt sie das Haus in Ordnung, was man als Kind nicht besonders schätzt, weil man oft beim Spielen gestört wird. In religiösen Dingen hatte sie ihre eigenen Ansichten, die sie niemandem aufdrängen wollte. Und wenn es darum ging, ihre Kinder zu verteidigen, wurde sie in Sekundenschnelle zur Löwin. Da beginnt man, seine Mami zu schätzen. Ich weiß, wovon ich rede.



Also, über meine Mama lasse ich nichts kommen, und mein Papa war in Haushaltsangelegenheiten ein unmöglicher Mensch. Irgendwie passten die Eltern zusammen. Papa konnte nicht kochen und keinen Nagel in die Wand schlagen, Mama war immer da, wenn man sie brauchte. Papas große Rolle war, seine Kinder nie zu züchtigen. Er sammelte Steinpilze und Pfifferlinge, ohne sie selbst anzurühren. Es schien also alles in Ordnung.

Heute muss die Frau ihren Mann stehen, der Mann muss auch für die irdischen Dinge im Haus sorgen. Ich weiß, wovon ich rede und bin froh darüber. Zwar hasse ich Hausputz, also machen wir es zusammen. Andererseits kann ich ohne zu murren ein Essen für 10 Personen zubereiten. Ich liebe es sogar. Das Spülen erfordert dann aber eine spezielle Energie, denn es gehört selbstverständlich zu den Hausfrauenpflichten. Ein Orchester zu dirigieren würde mich überanstrengen, Gartenarbeit im Frühling jedoch ist ein reines Vergnügen. Also verabreden wir uns, Cath und ich, um die weniger attraktiven Aufgaben gemeinsam zu lösen. Dass Frauen weniger Hirnmasse besitzen, den salbungsvollen Stil eines Oberpriesters nicht drauf haben,  oder schlecht im Handball sind, gehört zu den Mythen, die die männliche Welt gerne bemüht, wenn sie zu faul ist, ihre Pflicht zu tun.


Also ist die Frau von einst ein überkommenes Reptil aus vergangener Zeit? Nein, unsere Rollen haben sich relativiert. Der Mann kann nicht mehr als der überlegene, geldverdienende Held daherkommen. Er muss sich bewähren, wie jeder in einer modernen Gesellschaft. Dazu gehört auch, dass Frauen führen und Männer dienen können.


Donnerstag, 18. Februar 2016

Insulare Freundlichkeit

Wer durch die Straßen von Paris wandert, kann es leicht sehen: die Pariser sind nicht eben freundlich zueinander. Misstrauen und schlechte Laune scheinen das Straßenbild zu bestimmen. In Deutschland stelle ich feindliche Minen fest, wenn ich im Wartezimmer beim Arzt sitze, oder in der Straßenbahn. Ganz schnell ist auch ein Streit vom Zaun gebrochen, wenn zwischen Grundstücksnachbarn etwas mit dem Zaun nicht stimmt.



 Die insulare Lage in Großbritannien muss über die Jahrhunderte des gesellschaftlichen Lebens zu Formen des Umgangs geführt haben, die für alle angenehm sind. Man stelle sich vor, in einem Park stehen mehrere Bänke, sagen wir: 5, zum Ausruhen und Tagträumen. Auf dem europäischen Kontinent würden fünf Spaziergänger die fünf Bänke besetzen, um nur ja nicht eine Bank mit einer anderen Person besetzen zu müssen.  Der Autotest: In Frankreich habe ich erlebt, dass ein unartiger Junge mit einem Nagel die Seite eines parkenden Autos zerkratzt, oder die ausgefahrene Antenne im Vorbeigehen knickt. Der Besitzer schäumt natürlich vor Wut, wenn er das entdeckt. Auch der deutsche Autobesitzer verliert sofort seine gute Laune, wenn sein Allerliebstes angetastet wird.

In England, selbst bei Nieselregen, erlebt man, wie sich eine wildfremde Person im Park neben einer anderen wildfremden Person niederlässt und zu reden beginnt. Das Wetter eignet sich großartig als Gesprächsstoff, aber auch Fussballspiele, Europa, die Flüchtlinge, oder ein toter Popsänger. Es herrscht eine besondere Art des Umganges miteinander. Auch im Restaurant, wo man gerne von Tisch zu Tisch miteinander sympathisiert. Man vermutet beim Fremden zunächst nur Gutes, bevor man ihm mit Misstrauen begegnet.


Togetherness 
 Eine besondere Art der Willkommenskultur gibt es auch in Cafés, Gasthäusern, Geschäften, ja, sogar Behörden. Das führt ganz natürlich dazu, dass auch sehr einfache Menschen sich geschätzt fühlen und die erfahrene Freundlichkeit gerne weitergeben. Am einfachsten scheint es im Pub zu sein, wo man ohne Umschweife mit dem am Tresen stehenden Nachbarn  ins Gespräch kommt. So betrachtet ist der Rest Europas eine Ansammlung von finster dreinblickenden Stummen.





Mittwoch, 17. Februar 2016

EU: Werden sie aussteigen/Will they leave?

Neben den vielen Sorgenkindern, die die Europäische Union ihr Eigen nennt, nimmt das Vereinigte Königreich eine Sonderstellung ein. Jahrelang hatte sich der französische General gegen den britischen Beitritt gestäubt, bevor er grünes Licht gab. Ihm hatte die englische Nase nicht gepasst. Andere wünschten sich die Insel jenseits des Ärmelkanals schon lange als Mitglied. Churchill hatte in seiner Zürcher Rede, 1948, selbst eine europäische Zusammenarbeit (Council of Europe, Europarat) angeregt. Erste historische Unwetter zogen jedoch herauf, als die britische Premierministerin einen unfreundlichen Ton anschlug und vor allem mehr Geld wollte und in Bausch und Bogen jede Art von Einmischung durch die Menschenrechtsbehörde (des Europarates) verwarf. Allerdings war sie so klug, die Tür nicht endgültig zu zu knallen.


Das kann jetzt geschehen, wenn das geplante Referendum in England  "positiv" ausgeht und das Königreich Europa verlässt. Natürlich nicht im geografischen Sinn, denn da gehören wir zusammen. Schon vor dem möglichen Austritt hat das große Rechnen angefangen: Was gewinnen wir? Was verlieren wir? Wie wird es weitergehen? Werden die Schotten einen neuen Anlauf wagen, per Referendum aus dem Königreich auszusteigen? Was muss alles bilateral neu verhandelt werden, was gegenwärtig noch unter den EU-Schirm fällt? Was wird Amerika dazu sagen? Gefällt es den Russen?


Europe 
Sind wir so weit voneinander entfernt? Gefährlich könnte es werden, wenn die EU-Länder sich einen feuchten Kehricht um das abtrünnige Land scheren und fürderhin ohne das "perfide Albion" weitermachen. Wem wird das schaden? Wem hat der Euro bisher geschadet? Mehrere  verschiedene Währungen wurden durch ihn ersetzt. Der €-Bürger hatte davon nur Vorteile.  On the other hand it has always been quite realistic to rely on the legendary British common sense. What do you expect from a European solo when there is no audience to applaude? Would the Queen be amused? Even David Cameron might have second thoughts. So, what? 

Montag, 15. Februar 2016

Liebe, Hass und sonstnochwas.

Nun, über Liebe gibt es fast nichts zu streiten. Wer liebt, weiß was er tut. Wer nicht liebt, weiß nicht was er tut. Hass ist die Kehrseite. Auch das will gelernt sein. Nur, zu welchem Ziel soll das führen? Möchte man das Objekt des Hasses für immer zerstören? Ausmerzen? Was bringt der erhoffte Erfolg? Wohl, dass man noch mehr hassen möchte. Wer sich auf diesem Pfad befindet, weiß schnell nicht mehr wo er ist.


Liebe führt von sich selbst weg, hin zu dem anderen. Deshalb ist es - so gesehen - völlig wurst, wer der andere oder die andere ist. Selbst gleichgeschlechtliche Liebe ist Liebe. Man gibt, statt zu nehmen. Heterogesteuerte Liebe kann noch ein wenig weiter führen. Zur totalen Selbstaufgabe. Zur Bereitschaft, selbst Liebe zu empfangen. Zum unerwarteten Glück.


Irgendwie hat man uns gelehrt, auf das Große, das Einzige zu warten. Doch bei Milliarden Möglichkeiten, Glück zu finden, oder zu verpassen, entstehen statistische Unmöglichkeiten, die man überwinden kann. Deshalb ist ein guter Kompromiss die Lösung der meisten Probleme, auch in der Liebe. Absolutistische Neigungen bestrafen sich meist sehr schnell selbst. Also geben wir auf? Die Einsteinsche Theorie von den Gravitationswellen, die Raum und Zeit nicht linear zeigen sondern in Auf- und Abbewegungen, erklären vielleicht auch, dass es im Leben manchmal schwarze Löcher gibt, die unendlich schwerwiegen und miteinander verschmelzen. Doch ist wissenschaftliche Genauigkeit nicht meine Sache. Und das Warten auf Godot auch nicht.


Albert Einstein, von dem man nie gehässige Äußerungen gehört hat, der jedoch für immer bekannt dafür ist, der Welt (und dem Universum?) die Zunge herausgestreckt zu haben und in Berlin auf dem Tisch geigend seine Freunde unterhalten hat, dieser Albert Einstein wird es auch zulassen, dass seine Relativitätstheorie leicht verfremdet zur vierten Dimension umgemodelt wird: wer weder lieben noch hassen kann, der sollte es mit Lachen probieren. Das ist nicht nur gesund und führt zu neuen Einsichten, sondern es entspannt die Lage, egal ob es sich um IS-Terroristen, unglücklich Liebende oder vom Hass verzehrte Irrläufer handelt. 

Samstag, 13. Februar 2016

Deutschland, Schweiz, France, Cyprus, Österreich, United Kingdom

Länder, in denen verschiedene Sprachen gesprochen werden, unterschiedliche Sitten herrschen und politische Systeme am Werk sind. Frankreich hielt mich am längsten aus, über 30 Jahre. Deutschland ist das Herkunftsland. Ich wünschte, ich könnte Heimat dazu sagen. Meine Kinder leben dort. Das ist ein Stück Vaterland. Wenn ich jedoch von AfD und PEGIDA höre, schwillt mir der Kamm. Ich weiß dann spätestens, dass man seine Heimat nicht glorifizieren soll, obwohl der hübsche Schwarzwald und all die anderen Regionen dazu verleiten könnten. Deutschland ist natürlich das schönste Land der Welt, wenn man es mit liebenden Augen betrachtet.


Die Schweiz benötigt keine Empfehlung. Das Bankensystem  scheint sicher wie ein Atombunker, der Franken unverwüstlich, und die Lebensqualität auf gutem Niveau. Es wird allerdings ein wenig zu oft das Wort "Geld" in den Mund genommen. Auch die Offenheit der Ureinwohner lässt gerne auf sich warten. Ist es Schüchternheit oder Abweisung? Man wird nicht richtig schlau daraus. Aber alles ist grundsolide. Probleme werden gelöst, bevor sie zum Problem werden. Meine Jahre in der Schweiz gehören zu den guten Jahren.


Frankreich lockte mich beruflich an. Die Europäische Raumfahrtorganisation in Paris und später der Europarat in Straßburg brachten mich dorthin. Nicht die rechten politischen Auswüchse eines Le Pen und seiner Tochter. sie alle wollten aus ihrer Heimat ein Himmelreich machen. Hier schimmert schon ein wenig Schwachsinn durch. Andererseits galt Frankreich noch vor Jahren als eine gastronomische Weltmacht. Man ließ es sich gerne gefallen, zu den auserwählten Essern zu gehören. Als jedoch wegen der weltweiten Nachfrage der Preis für Champagner in die Höhe und seine Qualität in den Keller schwappte, wurde Frankreich fast zu einem normalen Land. Die Côte d'Azur bleibt natürlich ein Traumziel vieler, während ich immer den verhangenen Wolkenhimmel der Normandie echter und attraktiver fand. Gut, Paris hat immer noch etwas, auch wenn es nicht die Freundlichkeit seiner Bewohner ist.


In Zypern, der Insel mit den drei geografischen Hälften, habe ich mich sofort verliebt. Ich kaufte mir ein Haus im türkischen Teil und lebte dort in kleinen Schüben immer wieder. Zehn Jahre lang. Die drei Hälften bestehen aus dem europäischen, dem asiatischen und dem afrikanischen Teil. Und im Dezember kann man dort noch im Mittelmeer baden. Die Menschen beiderseits, die Griechisch- und die Türkisch-Zyprer, sind von einer ungewöhnlichen Herzlichkeit Ausländern gegenüber. Unter sich leben sie seit über 40 Jahren im Hader. Den heißen Juli und auch den August habe ich immer vermieden, wegen der Temperaturen, weit über 30°C. Die zyprischen Kartoffeln sind die besten der Welt. Als leidenschaftlicher Kartoffelsalatmacher weiß ich das. Im März wird die Insel mit goldgelben Blumen übersät und die Wiesen sind saftig-grün. Bräunlich werden sie erst, wenn die Trockenheit einsetzt. Das Trodosgebirge im griechischen Süden und die Kyreniaberge im Norden sind die eigentlichen Schätze des Landes. Voller Sehenswürdigkeiten und historischer Schätze. Es waren die Düfte bei meiner ersten Ankunft, die mir die Sinne vernebelt haben. Für mich ist so etwas wie eine exotische Heimat entstanden.



Drei Jahre in Wien. Was gibt es Schöneres? Mitten im Zentrum leben, die Frau beruflich aktiv, der Mann am Kontemplieren und Erforschen. Man badet in der Donau, geht ins Café Central oder studiert auch sonst überall die zahllosen Arten, Kaffee zu trinken. Kein Wunder, dass sich zwischen Graben, Stephansplatz und Kärntnerstraße auch die vielen Bettler und Gaukler aufhalten. Die Hauptstadt eines ehemaligen Weltreiches und Sammelbeckens vieler Völker gilt heute weltweit als der Ort mit der höchsten Lebensqualität. Der Verzicht auf die legendäre Sachertorte ist deshalb keine Katastrophe. Musik, Malerei, Architektur und göttlicher Apfelstrudel haben hier Furore gemacht. Das sieht man an allen Ecken.


Das Vereinigte Königreich, nein, es ist bloß Yorkshire, wird uns jetzt für mindestens ein Jahr beherbergen. Die ewige Teetrinkerei gewöhne ich mir gerade an, obwohl mich ein kräftiger Gin'n'Tonic eher von Stuhl reißt. Wir sind erst im Januar hier angekommen und können schon alles über die Wetterverhältnisse sagen: Stürme, Regengüsse, sogar Schnee, und Eiseskälte regieren hier täglich. Wenn man jedoch am verzweifeltsten ist, - hurra, hurra, - kommt die Sonne wieder heraus und tut so als wäre nichts geschehen. Auch die Essgewohnheiten tun in England heute so, als wäre alles in Ordnung. Das ist auch weitgehend so. Doch die UKIP sorgt für rechte Stimmung im Land: Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Europafeindlichkeit sind auf ihre Fahnen geschrieben. Warum hier jeder aus der EU heraus will, ist schwer zu verstehen. Die EU hat hier genausoviel money investiert wie in andere Länder. Auch Export/Import ist leichter und etwa 1,8 Millionen Briten leben in der EU, außerhalb Großbritanniens. Der vernunftgesteuerte Brite behält jedoch seine Ruhe und hofft auf den gesunden Menschenverstand.

Es ist besser, man sucht nicht nach einem Paradies, wenn man sich auf der Welt ein wenig umsieht. Wie schnell landet man da in Nordkorea oder einem Land mit der Freiheitsvorstellung eines hirnlosen Zwerges. Kein Alkohol, keine Bikinis, kein Humor, keine Kneipen, keine Hippies, keine Bordelle. Auch wenn das alles nicht benötigt wird, ist es doch gut zu wissen, dass man es haben kann.


Donnerstag, 11. Februar 2016

PEGIDA Da schau her! Es lebe Dresden!

Es müssen Tausende von Äußerungen gewesen sein, die mir zufällig beim Bloggen vor die Augen kamen. Man kann sie nicht alle lesen, und bei Durchsicht dieser "Unterlagen" hat man schnell begriffen. Elbflorenz heißt das Gemache. Wer das Dritte Reich noch erlebt oder später gründlich studiert hat, findet alle Klischees der Nazis wieder, teils im neuen Kleid, teils unverändert. Für alle Beiträge ist klar: Flüchtlinge raus, Netanyahu ins Gefängnis, Amis gleich Kriegshetzer, Deutschland den Deutschen. Ausländer sind Diebe, Vergewaltiger, Faulenzer und eine Gefahr für die Zivilisation. Die Zivilisation sind wir.


Geschichtlich verbriefte geistige Umnachtung 
Ich hatte in manchem Blog schon Angela Merkel kritisiert, die vielen Unterlassungen einer links-rechten Regierung, die Hörigkeit der Deutschen was Amerika und die NSA betrifft. Oft habe ich den Humor als Stilmittel eingesetzt, um alles etwas leserlicher zu machen. Bei den PEGIDAS gibt es keinen Humor. Das ist verdächtig. Oder, hätte sich Adolf Hitler vor Lachen gekringelt, wenn er den Chaplin-Film "Der große Diktator" hätte ansehen müssen? Humor ist wenn man trotzdem lacht.


Mir hat es das Lachen verschlagen. Obwohl ich immer noch hoffe, dass dieser Sud von Hass, Trotz, Hirnabwesenheit, ideologischem Gewichse, Ewiggestrigkeit, identitätserheischendem Gestackse nur wenigen vorbehalten ist, erschüttern solche Tiraden. Einer, der sich die Zeit nimmt und diesen Internetkram ernsthaft durchliest, gewinnt den Eindruck, genau wie es im Dritten Reich schon war, dass alle so denken. Quatsch ist das! Lest was Richtiges: Thomas Mann, (sorry, der war Jude), Stefan Zweig (auch Jude), Günter Grass (hat für die SPD Werbung gemacht), oder irgendeinen anderen Geistesriesen, der wenigstens richtig Deutsch spricht und sich nicht in mysteriösem Gebrabbel über Politik, Rassen oder Ausländer ergeht. Ich glaube immer noch an eine Mehrheit im Lande, die ihre Geschichte kennt, Frau Merkel aus vollem Herzen recht gibt was die Flüchtlingsaufnahme betrifft, auch wenn er anderer politischer Meinung ist.


Ich lebe in Großbritannien. Wir haben damals Coventry zerstört. Es ist nicht vergessen. Sie haben Dresden zerstört. Ist auch nicht vergessen. Viele andere Länder haben genausoviel zerstört. Das wird auch nicht vergessen. Irgendwann muss aber die Vernunft wirken. Das gilt auch für Netanyahu und für Putin. Beide werden für ihre Politik bezahlen. Dresden und Coventry sind gelungene Beispiele für das Überwinden von zerstörerischer Gewalt. Zwischen England und Deutschland wird es nie mehr zum Krieg kommen. Habt ihr das kapiert? Über unsere Flüchtlinge sind wir nicht überglücklich, doch die geschichtlichen Erfahrungen helfen uns, jetzt zu helfen, weil es notwendig ist. Kapiert ihr das? Ihr habt keinen Anspruch darauf, Dresden zu eurem Elbflorenz zu machen. Dresden ist unser Elbflorenz. Eure Gesinnungsgenossen haben es zerstört. Wir anderen haben es wieder aufgebaut. Habt ihr das kapiert? Meine Blogs wurden bisher von über 300.000 Menschen in aller Welt gelesen. Das lässt hoffen, dass nicht nur der Unsinn im Internet beachtet wird.

Der Trump in der Hand oder der Donald auf dem Dach

Wer den Anspruch hat, ein wenig intellektuell zu sein, sollte sich hüten, sich in die Wahlkämpfe anderer Länder einzumischen. Das eigene Land erklimmt oft schon erstaunliche Tiefen, was Geschmack, Ehrlichkeit, Humor und Populismus betrifft. Das Resultat kann dann nur fragwürdig sein. Zum Glück ist es dann doch nicht derjenige oder diejenige, die die Nasen am ehesten zum Rümpfen bringt. Lasst uns das auch für den Zustand hoffen, in dem sich gegenwärtig die mächtigste Nation befindet: die Kandidatenkür für den fast allmächtigen Präsidenten. Genug gealbert, lasst uns seriös werden. Wir brauchen eine(n) Präsident(en/in) für Amerika, um die weitgesteckten Ziele zu erreichen.


Was sind diese Ziele? Eines ist sicher: die Welt sieht es nicht gerne, wenn jeder Idiot ungestraft bis an die Zähne bewaffnet herumlaufen darf. Sie hasst es, die Menschheit in Schwarze, Latinos, Pakis, Christen, Muslime und Nordkoreaner aufzuteilen, wobei einige immer wegen Minderwertigkeit abgeschossen werden dürfen. Vielleicht wäre es auch sinnvoll, darauf hinzuarbeiten, dass Kriege keine besonders kluge Art sind, fremde Länder kennen zu lernen. Guter Geografieunterricht tut es auch.

Natürlich wäre es auch gut, die Kluft zwischen arm und reich zu schließen. Die großen Multikonzerne sind dabei jedoch nicht die idealen Ansprechpartner, denn sie wollen nur das eine: den Profit in astronomische Höhen treiben, was sie zum Teil schon geschafft haben. Lassen wir religiöse Dinge einmal weg: es wäre schön, wenn ein amerikanischer (und jeder andere) Präsident für mehr Toleranz zwischen den Glaubenswelten kämpfen könnte. Eine Art ökumenische Sicht der Welt, bei der auch das weibliche Geschlecht voll einbezogen ist. Kandidaten mit Kleinhirn und Sendungsbewusstsein sind da ungeeignet.


Es ist schon etwas schwierig, über Wahlkämpfe nachzudenken, ohne den Namen dieses selbsternannten Konservativen zu nennen, der sogar den Besitz seiner Dollar-Milliarden beschönigt. Er möchte die Muslime an der Einreise hindern, was nur als populistische Blödelei verstanden werden kann. Sein Name wird bei mir nicht über die Lippen kommen. Dabei kann dieser Esel es tatsächlich schaffen, durch Missverständnisse, das Kandidatenauswahlverfahren und/oder durch Ignoranz an die Spitze gewählt zu werden. In diesem Falle würde ich, obwohl kein Muslim, das tun, was ich vor Jahren mit einer Supermarktkette tat: nicht mehr hingehen. Auch diese Supermärkte überschätzen sich gerne. Ich wurde aufgefortert, anstatt meiner Einkaufstasche den (überdimensionierten) Einkaufswagen zu benutzen. Ich habe anders gewählt und mit den Füßen abgestimmt. Und dies auch angekündigt. Manipuliert werden wir schon genug.

Mittwoch, 10. Februar 2016

Waiting for Godot - Worauf warten wir?

Dieses Stück "Warten auf Godot" von Samuel Beckett ist ein Renner. Vor 50 Jahren habe ich es im Freiburger Wallgrabentheater gesehen. So gut wie keine Erinnerungen sind mir geblieben. Heute war es wieder soweit: Cath und ich fuhren mit der Bahn  von Huddersfield nach Sheffield um das Stück zu sehen. Der Zug benötigt über eine Stunde, genug Gelegenheit, Cath, die Godot noch nicht gesehen hat, einzustimmen und ihr das Wesentliche dieses modernen Theaterstückes zusammenzufassen. Doch alles, was ich ihr sagen konnte war, dass Godot nie kommen würde. Im "Crucible lyceum studio" saßen wir direkt an der Bühne, etwa 50 cm davon entfernt. Die Spieler traten bis auf 2 Meter an uns heran. Wir verfolgten also aus allernächster Nähe das Geschehen. Wladimir und Estragon, zwei ältere, schäbig gekleidete Männer, unterhalten sich, meist über Banales, als Pozzo mit Lucky auftaucht, ein Händler, der seinen Sklaven auf dem Markt verkaufen möchte.


Spätestens jetzt wird das Gesagte auf der Bühne so abstrakt, surrealistisch, abgehoben, dass ich mich weigere, über das Stück noch irgend etwas Genaueres zu sagen. Was mir auffiel, als Wladimir und Estragon sich gegenseitig bestätigten, dass sie auf Godot warteten, war das Fehlen jeder Fragestellung dazu. Warum warten wir auf Godot? Wer ist Godot? Als dann noch ein Junge auf der Bühne erscheint, der von Godot geschickt scheint, um zu sagen, dass Godot erst am kommenden Tag kommen würde, war es klar, dass Godot für etwas steht, das als das Absurde in unserem Leben bezeichnet werden kann. Die Handlung des ganzen Stückes ist absurd. Samuel Becketts Sprache ist absurd. Seine dramaturgischen Mittel sind absurd.


Dennoch: Das Stück ist nicht langweilig. Es handelt wahrscheinlich davon, wie Vergangenes, Gegenwärtiges und Künftiges im Leben des Menschen ständig ineinander greifen, bis der Wartezustand beendet ist und Godot (wer ist das???) sich endlich zeigt. Richard Cordery (als Pozzo), Lorcan Cranitch (Wladimir), Bob Goody (Lucky) und Jeff Rawle (Estragon) haben sich als großartige Interpreten erwiesen. Sicher haben sie im Verlauf der zahlreichen Aufführungen mehr als nur Bahnhof verstanden, während der Zuschauer wartet und wartet und wartet. Aber das muss niemanden stören.

Dienstag, 9. Februar 2016

Der Geist aus der Flasche.



Wie nahe man am Trinken ist, dem wahllosen in sich Hineinschütten, weiß man oft nicht. Ich hatte mal eine Frau, die sich Sorgen machte, ich schlittere in den Alkoholismus, denn ich hatte mir angewöhnt, bei der Lektüre nach dem Abendessen mir einen Whisky oder Cognac zu gönnen. Es war immer nur einer. Dennoch: wehret den Anfängen, mag sie gedacht haben, jung verehelicht wie wir waren. Sage du einem jungen Mann, er sei Alkoholiker, auch wenn er im Suff (das kam lächerlich selten vor) zur Gutartigkeit  neigt und nicht daran denkt, ein Messer aus der Küche zu holen. Es geschieht etwas mit dem Säufer, was nicht unbedingt ruhmreich ist. Angeheitert oder cholerisch, man weiß nie, wie es endet.

Das ängstliche Hinterfragen, sie mag ja recht haben, ist der erste Schritt zur ehrlichen Antwort. Dann könnten die guten Vorsätze kommen, und der Stolz, kein Schwächling sein zu wollen. Also will man es genau wissen. Bin ich ein Trinker? Ein Saufbold gar oder haben mich meine Ängste, Probleme, Minderwertigkeitskomplexe in den Suff getrieben? Wer bin ich, fragt man sich als Junger ohnehin, ein Feigling, ein Spießer, ein Angeber, ein Lügner, ein frommes Lamm? Was ist eigentlich so toll daran, ein Glas Whisky in der Hand zu halten? Die träge Seligkeit, die Leichtigkeit, das Abheben vom Alltäglichen, lassen sie dich zur Flasche greifen?

Was ich genauer wissen wollte, wusste ich schon nach einer Woche der totalen Enthaltsamkeit: nein, ich war nicht süchtig. Mir fehlte nichts. Und ich fand Whisky, Cognac und anderes harte Zeug nicht mehr verführerisch. Gelegentlich akzeptierte ich ein Gläschen, aber mein Allgemeinzustand wurde dadurch nicht beeinträchtigt. Doch die schleichende Trunkenheit kann auch durch mildere Getränke herbeigeführt werden. Bier, aus dem Fass, scheinbar unbegrenzte Mengen, wenn das Wetter trocken und der Durst allgegenwärtig ist. Auch das passierte mir einmal in der guten Gesellschaft von Freunden, die alle nur ein Ziel hatten, herzhaft zu lachen und das Fass leer zu bekommen. Ich wachte dann in einem fremden Bett auf. Vor mir lag ein Salatkopf, ungewaschen, wohl einem Zimmernachbarn gehörend. Ich fraß ihn in meinem Suff, übergab mich anschließend und sehe manchmal noch im Geiste die Spuren des Erbrochenen auf dem Linolboden. Was hatte dieser erste Rausch mit mir gemacht?


Die Folgen bleiben ja unvergesslich: übler Geruch, Kopfschmerzen der widerlichen Art, Unwohlsein bis zum stillen Schwur, nie wieder etwas anzurühren. Bis zum nächsten Mal. Wer will, kann sich dann im Leben immer wieder im Kreise drehen. Aus dem Teufelskreis kommt man am besten nur wieder heraus, wenn man in sich hineinhört und sich nicht beirren lässt. Wenn schon Alkohol, dann einen Tropfen, der gut schmeckt. Das kann sogar Raki oder Gin sein. Doch nicht unbedingt irgend etwas. Den Mut haben, nicht alles zu trinken was vor die Nase kommt. Man isst ja auch nicht wahllos alles. Wählen zu können, ist immer besser als ein Objekt des Zufalls zu werden.


Heute, im hohen Alter, weiß ich, dass ich kein Alkoholiker geworden bin. Die Gefahren waren bei mir besonders groß: oft gab es Einladungen, und ich bewirtete viele Menschen, vor allem Journalisten und Politiker. Mit dem Trinken ist es wie mit allem anderen: man muss ehrlich zu sich sein, sich nichts vormachen. Bin ich ein Lügner, Dieb, blöder Hund oder Säufer?  Wer mit „Ja“ antwortet, hat ein Problem, das er lösen muss. Beim „Nein“ sollte man sich besser nocheinmal gründlich hinterfragen. Was dabei herauskommt, kann als Ansatz zur Besserung gewertet werden.  Es ist schrecklich, wenn man es nicht schafft.

Montag, 8. Februar 2016

Das Recht auf Reichtum

Wir Deutsche hatten so gehofft, dass wir mit den Jahren ein normales Volk würden: wir werden von der mächtigsten Politikerin der Welt (sic!) regiert, auch wenn viele das nicht glauben. Wir sind nach bitteren Jahren das feige rechte Potenzial losgeworden (das dachten wir wenigstens). Die Schreihälse des Dritten Reiches  waren für einige Zeit verstummt, und unsere Schriftsteller und Politiker  (wenigstens einige) erhielten Nobelpreise, ganz normal, wie die anderen auf dieser Welt. Mit Israel und Polen sind wir Freund, und wir gehören zu den wohlhabendsten Völkern dieser Erde.



Nicht aus Neid, sondern aus purer Überlebensnot kommen im Zeitalter des Internet, der Massenkommunikation, des fast ungehinderten Warenaustausches und der „rassischen“ Vermischung, also nicht aus Neid oder Habgier, sondern aus Angst ums Überleben, kommen sie zu uns. Wir in Deutschland sind über 80 Millionen und sollen uns vor einem Ansturm von Flüchtlingen fürchten? Während wir bereit sind, zu helfen, drehen da einige am Rad, weil ihnen das nicht passt. Gründe gibt es immer, Hilfe für andere abzulehnen: gewöhnlich nennt man das Neid und Habgier. Genau so schlimm sind jedoch die Kleinkariertheit und der Egoismus, und noch fataler, eine zurückgebliebene Bodenständigkeit, die aus unserem Land UNSER Land machen wollen, wobei wir uns das Recht vorbehalten, in alle Welt hinauszuexportieren. Schließlich haben wir ein Recht darauf, wohlhabend zu sein.



Doch auch Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft kostet Geld, wenn es ernst wird. Wichtig ist jedoch auch die Zuwendung, die Menschen brauchen, wenn sie alles verloren haben. Wahrscheinlich sind es nicht diejenigen, die noch eine vage Erinnerung an die eigene Ausweisung aus der Heimat haben, vielleicht nur noch vom Hörensagen, die jetzt ihre egoistische Seite zeigen, sondern all jene, die selbst zu kurz gekommen sind und einen Sündenbock dafür benötigen. Wie schäbig ist das? Hat uns die Geschichte nicht gelehrt, bescheiden zu sein?

Haben wir nicht die Erfahrung gemacht, dass Zuwanderer in einem Industriestaat gebraucht werden? Die polnischen Einwanderer im Ruhrgebiet, am Anfang des 20. Jahrhunderts. Nach dem 2. Weltkrieg kamen Spanier, Italiener, Jugoslawen und Türken. Jetzt sind es oft die Syrer und Afghanen, die als nächste Generation die Drecksarbeit hier machen. Nur: wir sind nicht das Herrenvolk von einst. Geschichtlich sind wir Zwerge geworden, die gerade noch mit ihrer Erfahrung unbehelligt weiterleben können, und zwar, gut.  Freuen wir uns darüber und geben wir etwas vom Reichtum ab, bevor man es uns wegnimmt. Niemand  hat ein Recht auf Wohlstand, Besitz und Land. Aber der Mensch hat ein Recht auf ein würdiges Leben. Dazu gehört ein Dach über dem Kopf, ausreichendes Essen, Sicherheit vor Gewalt. Und wenn es geht eine Hoffnung auf ein bisschen Glück.


Il pleuvait fort sur la grande route ......

Elle cheminait sans parapluie.
J'en avais un, volé sans doute
le matin même à un ami.

Der Regenschirm als Vorwand, um einem hübschen Mädchen Unterschlupf zu bieten. Welch feines Lied von Georges Brassens, das jeder kannte. Auch Marlene Dietrichs "Ich steh im Regen und warte -----auf Dich" ist irgendwie eine Lobpreisung des Regens, verbunden mit Liebe und nicht allzu viel Wasser. Und der amerikanische Trenchcoatträger mit seinem Schirmlied "Singing in the rain" - sie alle haben eine hoffnungslos romantische Vorstellung vom Regen als eine Spende des Himmels, auf die besonders die Landwirte erpicht scheinen. Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Jedenfalls in manchen geographischen Breiten, wo es ununterbrochen zu pissen scheint.


Ich bin schon durch die Wüste in Afrika gegangen, habe die Regenzeit in Indien erlebt und Schneestürme in den Alpen. Aber, was zur Zeit in Yorkshire/Nordengland von oben herunterkommt, möchte nicht auf eine Kuhhaut gehen. Wie soll man das beschreiben? Cath hatte mir ein rotes Plastikding aufgezwungen (es könnte ja regnen). Wir waren zu Fuß in Huddersfield Richtung Bahnhof unterwegs. Kaum war die Haustür geschlossen, fing es an zu regnen. Die Kapuzen waren tief ins Gesicht gezogen. Die Sicht mehr als behindert, während ein bösartiger Wind an unseren Jacken zerrte und die (zum Glück wassergeeichten) Schuhe sich in den zahlreichen Pfützen vollsaugten. Nur 10 Minuten bis zum Zug, und wir waren  total durchnässt.


Zehn Minuten mit der Bahn, und wir kamen im Huddersfielder Stadtzentrum an. Regen, Regen, Regen. Fast niemand trägt einen Schirm. Aus gutem Grund, denn nicht nur Zeitungen und Plastikteile fliegen durch die Luft, sondern auch die wenigen mutig getragenen Schirme müssen krampfhaft gehalten werden, damit sie nicht in die Lüfte gehen. Der Wind klatscht das Wasser ins Gesicht. Die Brille sitzt zwar noch ist aber von Tropfen übersät. Ab und an - wir sind im seltsamen England - laufen Jugendliche mit kurzen Hosen und blanken Beinen herum als wären wir im April. Ich zittere vor Kälte. Auch Cath findet das Ganze nicht sehr lustig.


Traue keinem Wetter(Bericht). Gehe hier nie ohne Gummizeug aus dem Hause. Überlege es dir dreimal, bevor du zum Supermarkt fährst, wenn dieser keine Parkplätze vor dem Haupteingang freihält. Sorge dafür, dass die Badewanne frei ist, wenn du steif und durchnässt nach Hause kommst. Mittel gegen Erkältung kannst du vergessen. Husten und Schnäuzen ist es, worauf es ankommt. Man hat mir gesagt, der ganze Februar sei nass und unwirtlich. Wandern in den Yorkshire Moores soll die Gesundheit stärken. Und ich fühle mich wie der Hund, den man in zivilisierten Breiten nicht hinter dem Ofen hervorholt. Denn so ein Hund ist auch nur ein Mensch.

Eines jedoch muss man dem yorkshirischen Sauwetter lassen: kaum hat man sich daran gemacht, die hinterhältigen Regengüsse in Bausch und Bogen zu verdammen, kommt die Sonne hervor und tut so als wäre nichts geschehen.







Sonntag, 7. Februar 2016

O-Gott-o-Gott


Das Ende des Jahres, wir haben es gerade hinter uns gebracht. Christ ist geboren. Es gibt wunderschöne Lieder, die dies besingen. Glauben wir eigentlich noch an solche Geschichten? Theologen bemühen sich heute, etwas moderner zu sein. An Adam und Eva müssen wir nicht glauben. Die Sache mit den Engeln ist auch so eine Sache. Daran zu glauben tut nicht weh. Aber mit dem Teufel haben wir schon einige Probleme. Er kann sich in unseren Gehirnen festsetzen, und manche werden ihn nie mehr los. Der Islam, der den Sheitan kennt, blieb uns allen unbekannt.  Als Kinder haben wir gesungen: Allah ist groß, Allah ist mächtig, wenn er sich streckt, drei Meter und sechzig. Als blasphemisch haben wir das nie empfunden. Wir wussten nicht einmal, dass Allah so etwas wie ein Gott war. Und Sheitan war eher eine Witzfigur aus den Karl-May-Büchern.


In den USA gibt es einen republikanischen Präsidentschaftsbewerber namens Donald Trump, der Muslimen die Einreise verbieten möchte und auch noch wegen anderer Dummheiten ein bisschen berühmt geworden ist. Sein Konzept von Frauen grenzt an Schwachsinn. Es ist zu hoffen, schon im Interesse der Vereinigten Staaten, dass ein solcher intellektueller Fehlschlag im letzten Augenblick noch vermieden werden kann. Toleranz ist, wenn man in Süddeutschland ein gutes Essen als jesusmäßig gut bezeichnen kann, ohne gleich gesteinigt zu werden. Man kann sich dort auch jesusmäßig ärgern. Rückschlüsse auf eine Religion zu ziehen, die man gar ablehnt, wäre da etwas gewagt. Auch Religionen müssen nicht immer tierernst sein. Wenn dabei gelacht werden kann, ist es auf jeden Fall gesünder. Jesusmäßig lachen, das wär’s!


Siebzig Jungfrauen? Ich weiß nicht! 

Warum sind vor allem die selbsternannten Träger von Religionen so humorlos? Ich könnte mich kringeln vor Lachen, wenn ich daran denke, dass ich einer von jenen Jungmännern wäre, die mit einem Explosionskörper am Körper explodieren (nicht ohne andere mit zu ermorden), um dann im Jenseits 72 Jungfrauen vorgesetzt zu bekommen. Ich versuche zu verstehen, wie viele Unterrichtsstunden man verpasst haben muss, um so etwas attraktiv zu finden. Wer rechnen kann, weiß, dass 1 bis 2 Jungfrauen mehr als reichlich sind. Aber, was ist schon eine Jungfrau heutzutage? Oder darf man darüber womöglich auch keine Scherze machen? Traurig genug ist der Gedanke ja.

Doch zurück zum Christentum, das sehr vielseitig in Erscheinung tritt, wobei es da sogar Hexenverbrennungen gegeben hat. Und sonstige Ketzer lebten auch nicht ungefährlich. Ganz zu schweigen von den vielen unschuldigen Kindern, die in die Fänge ihrer frommen Schänder geraten sind. Da vergeht einem das Witzemachen. Also, andersherum gefragt: gibt es einen Gott, der das alles zulässt? Wer ist er und wie sieht er aus? Ist er ein Mann, eine Frau oder ein Es? Ist er/sie/es gerecht oder ein wütender Bestrafer? Wer diese Fragen nicht beantworten kann, kommt vielleicht zu dem Schluss, dass es diesen alten bärtigen Herrn gar nicht gibt. Am besten, wir machen uns von diesem Gedanken frei.



Den Beweis für einen Gott anzutreten, fällt schwer. Genauso wie der Beweis, dass es ihn nicht gibt. Haben wir da nicht über Jahrhunderte etwas geglaubt und mitgemacht, was uns von einer machtsüchtigen Schicht von Schriftgelehrten übergestülpt worden ist? Oder liegt gar in der frömmelnden Dusseligkeit oder dusseligen Frömmigkeit der Hase im Pfeffer? Müssen wir das alles einfach hinnehmen? Was wir auch denken und tun, wir müssen uns selbst entscheiden. So gesehen, haben wir eine Wahl. Und eine Verantwortung? 

Wolken am Himmel



Hallo, Grauer Tag

Heute ist wieder ein solcher Tag: wir wissen nicht, der Wievielte es ist. Das Jahr ist noch neu. Der Himmel dunkel, zum Erbarmen. Es hat heute noch niemand angerufen. Die Welt hat dich vergessen. Warum läuten jetzt die Glocken schon wieder? Ein neuer Feiertag? Das kann nicht sein! Auch der Appetit fehlt. Alkohol ist gerade auch keine Lösung. Es müsste jemand an der Haustür klingeln und sagen: "herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen!" Doch, nicht einmal die Vögel wollen heute zwitschern. Nur meine spanischen Kompositionen dringen melancholisch ans Ohr, erinnernd an vergangene Tage, an die verblassende Nachmittagssonne, an verlorene Wünsche. Sehnsüchtige Momente. Isaac Albéniz zum Überleben, zum Hinausträumen. Heute ist ein grauer Tag. 


Schwarze Nacht

Der Schnee fällt gerade im richtigen Augenblick. Er wird nicht liegen bleiben. Man kann es riechen. Nasskälte. Alles scheint weiß. Vielleicht wird es heute noch früher nacht. Dann lege ich mich hin und versuche zu schlafen. Das Elend durch Schlaf neutralisieren. Süße Träume vielleicht. Ein neuer Tag, womöglich. Stille. Dann doch der Schlaf. Er holt dich von alledem weg. Doch nur auf Zeit. Dann wird alles wieder vorher.  Warum müssen Nächte sein wie die Tage? Undurchsichtig, kalt und feindlich? Es liegt etwas Ewiges über allem. Wie ist man da hineingeraten? Wie kann ich mich dem entziehen? Ein Flug in den Süden? Dem Schicksal davonfliegen? Es geht nicht. Das Dunkle fliegt mit. Und kommt mit der Nacht zurück. Schwarze Nacht.


Der Morgen


Auch Januare gehen vorbei. Sagt man sich. Sind Februare besser? Ohne Überzeugung gibt man sich den Zeitläuften hin. Sie gehen nicht vorbei, so sehr man sich danach sehnt. Man wacht auf und blickt verzagt aus dem Fenster. Ist das ein gutes Zeichen? Das kleine Stück blauer Himmel? Völlig unerwartet? Und zur falschen Zeit, ein Vogel, der hoffnungsfroh vor sich hin zwitschert. Geht es jetzt aufwärts? Sicher nicht, schon gar nicht, bevor die Rechnungen vom letzten Jahr bezahlt sind. Warum habe ich so lange damit gewartet? Und auch den letzten Arzttermin habe ich platzen lassen. Man wird mir das nicht verzeihen. Das kleine Stück blauer Himmel ist schon wieder weg. Isaac Albéniz ist wieder da. Er hebt alles auf die Ebene des Träumens. Heute lasse ich mich davontragen von den Klängen der Sehnsucht. Von der Wärme der wolkenverdeckten Sonne. Ich raffe mich auf, doch es wird immer schwerer, das Dunkle an einem neuen Tag zu akzeptieren. Also verinnerliche ich den Tagtraum mit seiner süßen Melodie.

Tee und Brot, was will man mehr?

So einfach liegen die Dinge nicht. Ich komme aus einem Land, wo das Backen von Brot manchmal noch unkommerziell Beachtung findet. 200 Sorten Brot, hieß es einmal. Nicht jede musste schmecken, aber 2-3 Sorten wurden leicht zum lebenslangen Lieblingsbrot erklärt. Glücklich das Land, das mit seinem Brot im Frieden lebt. Obwohl, die Brotindustrie hat ihre Spuren hinterlassen. Selten sind die Bäcker geworden, die um 2 Uhr morgens aufstehen, in die Backstube gehen und, mehlig wie sie aussehen, ihre Arbeit verrichten. Der Lohn ist der Duft des frischgebackenen Brotes, der vielversprechend in die Nase steigt. Der Brotesser kommt dann ab 8 Uhr zum Bäcker. Er weiß ganz genau, welches Brot er möchte: Kommissbrot, Vollkorn, Weizen, gestäubt oder rösch undsoweiter. Heute heißt es jedoch meist: das dahinten mit den Körnern. Ciabatta hat sich auch durchgesetzt, oder die Baguette, die nach einem Tag fast nicht mehr zu genießen ist. Warum das alles?


Der deutsche Mensch, wobei die Bescheidenheit verlangt, dass auch Österreicher und Schweizer irgendwie mit einbezogen werden, fühlt sich immer noch als Weltmeister im Brotbacken. Die Brotfabriken leben noch von diesem Ruf, der längst zur Fata Morgana geworden ist. Die Vielfalt scheint noch vorhanden zu sein, der Brotgeschmack ging jedoch inzwischen grandios flöten. Wir leben also - wie so viele andere brotessende Nationen -  in einer brotmäßigen Wüste, mit gelegentlichen Ausnahmen, die dann auch große Momente des Glücks bescheren.  Man stelle sich vor: ein fast schwarzes Stück Pumpernickel, dick bestrichen mit frischer Butter, Tannenhonig obendrauf, eine wahrlich göttliche Variante dessen, was man sich gerne zum Frühstück erträumt, nämlich eine begrenzte Zahl von Broten, Brötchen, Scheiben als Unterlage für alle Arten von Schinken, Käse, Marmeladen. Dazu ein gekonnt aufgebrühter Kaffee, der Tote erweckt. Diese Zeiten sind endgültig vorbei.


Was man noch hinzufügen könnte, wäre die liebevolle Beschreibung einer Brotwüste, die in einem anderen Land nicht zu übersehen ist. Man fragt sich, was die Königin dieser Nation, der man nachsagt, sie stamme teilweise aus Deutschland, zum Frühstück verzehrt, neben dem königlichen Ei,
das mir unerlässlich scheint. Gibt es eine royal Bakery? Wird das Lieblingsbrot per Helikopter aus ungenannten Landen eingeflogen? Alles möglich! Kein guter Rat wäre jedoch, zu Tesco oder Sainsbury zu gehen, unter Vermeidung von Lidl oder Aldi, und dort nach einem appetitheischenden Brot zu suchen. Wohlgemerkt, an der Auswahl fehlt es nicht: die Regale sind kilometerlang mit Brot jeder Art bestückt. Der Käufer bleibt jedoch hilflos, denn er ist auf seinen eigenen Geschmack angewiesen. Will man sich durch die Reihen der Brotangebote testweise durchkämpfen, vergehen Jahre. Man betatscht das Brot also ein wenig und fühlt schamlose Weichheit. Das Wort Kruste scheint hier nicht zu existieren. Der verbalen Fantasie sind zwar keine Grenzen gesetzt, jedoch darf man vermuten, dass alles in etwa ähnlich schmeckt.

Nun kommen wir zur Schnittprobe: Ein scharfes Messer, ein brotlaibähnliches Gebilde und eine solide Unterlage, schon ist das Desaster vollkommen: das Brot zerfällt in eine verwirrende Krümellandschaft mit wenig echtem Brotgeschmack. Ein Regal weiter im Supermarkt, das Toastbrot. Eine ungeheure Auswahl von vorgeschnittenem hellweißem oder bräunlichem Zeug, das erst genießbar wird, wenn man es getoastet und dick mit Süßem oder anderem belegt hat. Der brotsuchende Genießer wird also allein gelassen, obwohl immer wieder Produkte auftauchen, die man getrost auch als Kuchen bezeichnen könnte. Zum Beispiel ein "Brot" mit Rosinen, Preiselbeeren und Sonnenblumenkernen gebacken, das sogar richtig gut schmeckt. Noch ist also nicht alles verloren, vorausgesetzt, der Verbraucher hört endlich auf, dieses ganze Zeug durchzuprobieren, sondern es trotzig im Regal liegen zu lassen. In der Politik nennt man das "Rückbesinnung auf traditionelle Werte".

Wenden wir uns lieber einer anderen Auffälligkeit der menschlichen Genusswelt zu, dem Teetrinken.
Hier ist das Land ihrer Majestät weltweit im Vorteil: nirgendwo, weltweit, wird so viel Tee getrunken, wie in England. Tee ist das Getränk für Nässe, Kälte, Schnee und Regen. Wer bei den Deutschen nach Tee sucht, gerät oft an ostfriesischen Tee, auch mit etwas Rum angeheitert, serviert in den hauchdünnsten Tässchen deutscher Porzellankunst. Oft mit Blümchen. Daraus wird oft eine Zeremonie, die an Feierlichkeit kaum zu überbieten ist. In Großbritannien ist der Tee ein Lebenselixier. Frühmorgens kommt der liebende Ehemann ans Bett, vielleicht im unsäglichen Nachtpölter, oder gänzlich unbekleidet, stellt wortlos einen riesigen Pott voller Tee neben das Bett. Oft ist es der Duft, der die weibliche Nase zum Schnuppern bringt. Der eheliche Friede ist dann wieder mal gerettet. Auch 11 Uhr ist eine kritische Teezeit. "Emily, put the kettle on" heißt es da. Wichtig ist, dass die Milch zuerst in der Tasse landet, bevor der Schwarztee eingeschenkt wird. Den Tee nach dem Mittagessen können wir unerwähnt lassen. Er versteht sich von selbst. Aber den Five'o'clock Tea wollen wir nicht übergehen. Er ist das trinkende Rückgrat jedes Briten. Nur selten kommt dabei der Pfefferminztee, der Kamillentee oder Lindenblütentee in Frage. Allenfalls mal Rooiboschtee.


Man könnte sowohl das Brotessen als auch das Teetrinken philosophisch hinterfragen. Aber, warum sollte man dies tun? Die Briten nehmen mit ihrem Teegetrinke den Germanen nicht die Butter vom Brot, und die Deutschen tunken ihr Brot nicht in englischen Tee. Teetrinken und abwarten müssen wir jedoch, bis wir einen globalen Ausgleich gefunden haben. Gutes Brot hier und frischen Tee neben den gefüllten Kaffeekannen dort, wo es erwartet wird. Abwarten und Teetrinken.