Sonntag, 7. Februar 2016

Tee und Brot, was will man mehr?

So einfach liegen die Dinge nicht. Ich komme aus einem Land, wo das Backen von Brot manchmal noch unkommerziell Beachtung findet. 200 Sorten Brot, hieß es einmal. Nicht jede musste schmecken, aber 2-3 Sorten wurden leicht zum lebenslangen Lieblingsbrot erklärt. Glücklich das Land, das mit seinem Brot im Frieden lebt. Obwohl, die Brotindustrie hat ihre Spuren hinterlassen. Selten sind die Bäcker geworden, die um 2 Uhr morgens aufstehen, in die Backstube gehen und, mehlig wie sie aussehen, ihre Arbeit verrichten. Der Lohn ist der Duft des frischgebackenen Brotes, der vielversprechend in die Nase steigt. Der Brotesser kommt dann ab 8 Uhr zum Bäcker. Er weiß ganz genau, welches Brot er möchte: Kommissbrot, Vollkorn, Weizen, gestäubt oder rösch undsoweiter. Heute heißt es jedoch meist: das dahinten mit den Körnern. Ciabatta hat sich auch durchgesetzt, oder die Baguette, die nach einem Tag fast nicht mehr zu genießen ist. Warum das alles?


Der deutsche Mensch, wobei die Bescheidenheit verlangt, dass auch Österreicher und Schweizer irgendwie mit einbezogen werden, fühlt sich immer noch als Weltmeister im Brotbacken. Die Brotfabriken leben noch von diesem Ruf, der längst zur Fata Morgana geworden ist. Die Vielfalt scheint noch vorhanden zu sein, der Brotgeschmack ging jedoch inzwischen grandios flöten. Wir leben also - wie so viele andere brotessende Nationen -  in einer brotmäßigen Wüste, mit gelegentlichen Ausnahmen, die dann auch große Momente des Glücks bescheren.  Man stelle sich vor: ein fast schwarzes Stück Pumpernickel, dick bestrichen mit frischer Butter, Tannenhonig obendrauf, eine wahrlich göttliche Variante dessen, was man sich gerne zum Frühstück erträumt, nämlich eine begrenzte Zahl von Broten, Brötchen, Scheiben als Unterlage für alle Arten von Schinken, Käse, Marmeladen. Dazu ein gekonnt aufgebrühter Kaffee, der Tote erweckt. Diese Zeiten sind endgültig vorbei.


Was man noch hinzufügen könnte, wäre die liebevolle Beschreibung einer Brotwüste, die in einem anderen Land nicht zu übersehen ist. Man fragt sich, was die Königin dieser Nation, der man nachsagt, sie stamme teilweise aus Deutschland, zum Frühstück verzehrt, neben dem königlichen Ei,
das mir unerlässlich scheint. Gibt es eine royal Bakery? Wird das Lieblingsbrot per Helikopter aus ungenannten Landen eingeflogen? Alles möglich! Kein guter Rat wäre jedoch, zu Tesco oder Sainsbury zu gehen, unter Vermeidung von Lidl oder Aldi, und dort nach einem appetitheischenden Brot zu suchen. Wohlgemerkt, an der Auswahl fehlt es nicht: die Regale sind kilometerlang mit Brot jeder Art bestückt. Der Käufer bleibt jedoch hilflos, denn er ist auf seinen eigenen Geschmack angewiesen. Will man sich durch die Reihen der Brotangebote testweise durchkämpfen, vergehen Jahre. Man betatscht das Brot also ein wenig und fühlt schamlose Weichheit. Das Wort Kruste scheint hier nicht zu existieren. Der verbalen Fantasie sind zwar keine Grenzen gesetzt, jedoch darf man vermuten, dass alles in etwa ähnlich schmeckt.

Nun kommen wir zur Schnittprobe: Ein scharfes Messer, ein brotlaibähnliches Gebilde und eine solide Unterlage, schon ist das Desaster vollkommen: das Brot zerfällt in eine verwirrende Krümellandschaft mit wenig echtem Brotgeschmack. Ein Regal weiter im Supermarkt, das Toastbrot. Eine ungeheure Auswahl von vorgeschnittenem hellweißem oder bräunlichem Zeug, das erst genießbar wird, wenn man es getoastet und dick mit Süßem oder anderem belegt hat. Der brotsuchende Genießer wird also allein gelassen, obwohl immer wieder Produkte auftauchen, die man getrost auch als Kuchen bezeichnen könnte. Zum Beispiel ein "Brot" mit Rosinen, Preiselbeeren und Sonnenblumenkernen gebacken, das sogar richtig gut schmeckt. Noch ist also nicht alles verloren, vorausgesetzt, der Verbraucher hört endlich auf, dieses ganze Zeug durchzuprobieren, sondern es trotzig im Regal liegen zu lassen. In der Politik nennt man das "Rückbesinnung auf traditionelle Werte".

Wenden wir uns lieber einer anderen Auffälligkeit der menschlichen Genusswelt zu, dem Teetrinken.
Hier ist das Land ihrer Majestät weltweit im Vorteil: nirgendwo, weltweit, wird so viel Tee getrunken, wie in England. Tee ist das Getränk für Nässe, Kälte, Schnee und Regen. Wer bei den Deutschen nach Tee sucht, gerät oft an ostfriesischen Tee, auch mit etwas Rum angeheitert, serviert in den hauchdünnsten Tässchen deutscher Porzellankunst. Oft mit Blümchen. Daraus wird oft eine Zeremonie, die an Feierlichkeit kaum zu überbieten ist. In Großbritannien ist der Tee ein Lebenselixier. Frühmorgens kommt der liebende Ehemann ans Bett, vielleicht im unsäglichen Nachtpölter, oder gänzlich unbekleidet, stellt wortlos einen riesigen Pott voller Tee neben das Bett. Oft ist es der Duft, der die weibliche Nase zum Schnuppern bringt. Der eheliche Friede ist dann wieder mal gerettet. Auch 11 Uhr ist eine kritische Teezeit. "Emily, put the kettle on" heißt es da. Wichtig ist, dass die Milch zuerst in der Tasse landet, bevor der Schwarztee eingeschenkt wird. Den Tee nach dem Mittagessen können wir unerwähnt lassen. Er versteht sich von selbst. Aber den Five'o'clock Tea wollen wir nicht übergehen. Er ist das trinkende Rückgrat jedes Briten. Nur selten kommt dabei der Pfefferminztee, der Kamillentee oder Lindenblütentee in Frage. Allenfalls mal Rooiboschtee.


Man könnte sowohl das Brotessen als auch das Teetrinken philosophisch hinterfragen. Aber, warum sollte man dies tun? Die Briten nehmen mit ihrem Teegetrinke den Germanen nicht die Butter vom Brot, und die Deutschen tunken ihr Brot nicht in englischen Tee. Teetrinken und abwarten müssen wir jedoch, bis wir einen globalen Ausgleich gefunden haben. Gutes Brot hier und frischen Tee neben den gefüllten Kaffeekannen dort, wo es erwartet wird. Abwarten und Teetrinken.







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