Donnerstag, 31. Oktober 2013

Surrealismus, die andere Art, nicht zu lachen

Was ist surrealistischer: die Umarmung Angela Merkels mit Putin, Obama, bzw. Hollande, oder eine U-Bahn voller Japanerinnen in der Linie 3 am Wiener Stephansplatz? Der freie Mensch kann entscheiden. Jede Antwort ist richtig. Das muss man (noch) nicht verstehen.

Als André Breton 1924 sein Manifest des Surrealismus veröffentlichte, gab es den Begriff schon, denn Max Ernst hatte diesen zusammen mit Breton schon 1919 erfunden. Noch ein bisschen älter ist der Begriff schon: als Guillaume Appolinaire sein Theaterstück "Les Mamelles de Tirésias" (Die Brüste des Tiresias) 1917 vorstellte, hieß es im Untertitel: "ein surrealistisches Drama". Natürlich sind viele Surrealisten heute bekannt, als Maler, Literaten, bildende Künstler, Filmemacher usw. Gewöhnlich werden sie immer noch als eine Art Spinner abgetan. Dabei haben sie einen Schatz gehoben, der durch den sogenannten Realismus, das Wirklichkeitsdenken, den Rationalismus verschüttet war.

Von Horst Köbele

Für mich als Kind war einer der Surrealisten eine rätselhafte Enthüllung, von der ich bis heute nicht ganz losgekommen bin: Giorgio de Chiricos "Geheimnis der Ankunft und des Nachmittags". Gemaltes Schweigen, sagen die einen, gespenstisch leer, die anderen. Ich träumte mich in dieses Bild hinein und empfand ein seltsames, sonnendurchflutetes Glück. "Die Müdigkeit des Unendlichen" habe ich erst viel später entdeckt, doch das Geheimnis der Ankunft, das ein menschenleeres Bahnhofsgebäude und den davor liegenden Platz zeigt, hat mich mehr inspiriert, als Albrecht Dürers "Betende Hände".

Max Ernst

Mein geliebter Freund Ernesto hatte mich dann in der Studienzeit auf den spanischen Surrealismus aufmerksam gemacht. Wir konnten viel über Salvador Dalí, Joan Miró und andere lachen, vor allem über den düsteren Filmemacher Luis Bunuel, der mit Dalí den Kurzfilm "Un chien Andalou" drehte. Auch Alain Resnais' "Letztes Jahr in Marienbad" gehört zu dieser Kategorie, die eine unfreiwillige Imitation des Traumes darstellt. Demnach kann man sagen, Surrealismus ist weitgehend, was André Breton in seinem Manifest das Denkdiktat ohne Vernunftkontrolle nennt, ohne ästhetische oder moralisch-ethische Fragestellung. Nachdem die Traumdeutung durch Sigmund Freud die Existenz zweier Welten bestätigt hatte, nämlich, der inneren und der äußeren, des Traums/Schlafes und des "Tagtraums", kommt Breton zum Schluss, dass der Traum nicht die bloße Erhellung des Bewussten ist.    Das Unbewusste erhält den Vorrang, und der Traum wird zum Katalysator zweier Welten, die beliebig vereint werden können. Realität und Surrealität. Traum und Wirklichkeit. Max Ernst und Xam Unernst.

So ist es mit dem Surrealismus, man liebt ihn oder man missversteht ihn. Worauf ich eigentlich hinaus wollte: ist der Surrealismus heute nicht schon in der Politik, der Wirtschaft und im Leben angekommen? Wirklichkeit und Unwirklichkeit, Traum und Albtraum? Lachen oder den Kragen am Platzen hindern? Was jetzt?????


Mittwoch, 30. Oktober 2013

NSA: reicht es immer noch nicht?

Zuerst geben sie nichts zu, dann drehen sie den Spieß um, und schließlich verfallen sie ins Schweigen. Wir kennen das. Die National Security Agency ist gerade dabei, Nebelkerzen zu verbreiten. Als man nicht mehr alles leugnen konnte, kam man mit der Masche, die anderen hätten genau so herumgespäht. Dann will man Gras über alles wachsen lassen.

Frau Merkel und die vielen anderen stehen dumm da: wie kann man jemandem vertrauen, der wie ein offenes Buch einsehbar ist? Merkel als Spekulationsobjekt. Welche Art Hoheit hat ein Staat noch, wenn er durch einen ausländischen Geheimdienst so unverschämt ausgespäht wird? George Orwells Großer Bruder sieht alles? Aus Gründen der Sicherheit? Das ist schlimmer als Orwell sich das vorstellen konnte.
Das Menschenrecht

Die Welt verändert sich: was Merkel gerne als christlich-jüdische Wertegemeinschaft bezeichnet, sieht immer mehr so aus: kalte Berechnung, rechtlose Bürger, Gewinnmaximierung als höchstes Prinzip. Der Schutz des Menschen vor Willkür ist eine Farce geworden. Wir haben eine Europäische Menschenrechtskonvention, ein Grundgesetz und bis ins Detail geregelte Verhaltensweisen für die Bürger. Daneben geschehen Dinge, die uns zeigen, dass wir nicht ernst genommen werden.

Ein alarmierendes Beispiel im Bereich der Kinderschändung: Es werden vielfach Missbräuche aufgedeckt, an denen auch Kirchenleute beteiligt sind und waren. Die Reaktionen von kirchlicher Seite sind, wie in der großen Politik: zunächst leugnen, die Opfer heruntermachen, notgedrungen etwas zugeben und sich entrüstet geben, Konsequenzen ankündigen und warten, bis der Sturm sich gelegt hat. Konsequenzen? Im schlimmsten Fall verschwindet ein Übeltäter irgendwo diskret hinter Klostermauern. Entschädigungen? Ja, aber nicht so oft und nicht so viel! Ein Heiliger Vater und eine Bundeskanzlerin als oberste begossene Pudel.

Dienstag, 29. Oktober 2013

Im Herbstlicht betrachtet

Im Herbstlicht eilen die Gedanken                                                        
Von fröhlich hin zu windig trüb.
Der Sonnenstrahl beginnt zu wanken,
Doch, wer sich lieb hat, hat sich lieb.

Der Sommer war ein großes Wandern,
Von eitel Sonne hin zum Sturm.
Wer sich nur liebt, und nicht den andern,
Trägt in sich einen bösen Wurm.

Die Eigenliebe will nicht trösten,
Denn niemand kommt und lacht sie an.
Der Herbst lässt die Kastanien rösten,
Doch Einsamkeit, was macht sie dann?

Die Liebe will doch nur den andern.
Sie sucht nicht sich, als frommes Ziel,
Der Herbst des Lebens macht das Wandern
Zu zweit erst schön. Dann wird es still.

                                                                                    Wir drehen die Uhr nicht zurück, und denken mit Sehnsucht an das Gewesene. Dann wird's auf einmal wieder Sommer. Doch der Herbst bringt die Melancholie, die für neue Träume gebraucht wird. Bald haben wir uns daran gewöhnt und warten auf die Dinge, die da noch kommen. Sturm ist angesagt und Kälte. Doch nicht nur!




Sonntag, 27. Oktober 2013

NSA, CIA etc.: Stop Watching us! You Cowards.

Es ist der größte vorstellbare Missbrauch von Steuergeldern, der in den USA (und sonstwo) gerade stattfindet. Man gibt ein bisschen etwas zu, stellt sich vorsichtig auf die Seite der Empörten und hofft, dass bald wieder Gras über diese skandalöse Ausspioniererei durch die NSA gewachsen ist. Nur Feiglinge und hinterhältiges Gelichter verstecken sich hinter dem (legitimen?) Auftrag, weltweit für Sicherheit zu sorgen. Obama hat nichts gewusst? My foot! Dann sollte er das Regieren der Tea Party überlassen.

Dieser aufgeblähte Spionage-Apparat ist ganz sicher schon lange außer Kontrolle geraten. Die scheinbare Akzeptanz dieses Tuns ist das eigentlich Beunruhigende. Wenn ein Herr Pofalla im Auftrag seiner Kanzlerin erst mal abwiegelt, und zunächst alles diplomatisch herunter spielt, dann müssen diejenigen, die durch ihre Steuern solche Gesetzesüberschreitungen möglich machen, endlich reagieren. Dabei genügt es nicht, fromme Versprechungen anzuhören. Nein, die zahlenden Massen müssen auf die Straße gehen. In den USA scheint ein kleiner Anfang jetzt gemacht: "Stop Watching us" heißt es jetzt bei Demonstrationen. Doch nur ein weltweiter Tsunami kann diesem Spuk ein Ende bereiten.

Menchen, die ein gesundes Privatleben haben, müssen sich nicht für das Tun anderer interessieren. Das habe ich als Jüngling schon mit Empörung wahrgenommen. Ein gleichaltriger Kumpan lud mich zu sich nach Hause ein. Seine Großeltern besaßen einen ganzen Häuserblock. Als wir in seinem Zimmer saßen, zeigte er mir, was seine Hauptbeschäftigung war: Mit einem Feldstecher suchte er die gegenüberliegenden Wohnungen nach Intimitäten ab. Faszinierend und beschämend zugleich. Ich war erschüttert und ging. Seitdem weiß ich, dass es so etwas gibt. Was das Ausspähen der Geheimnisse anderer wirklich bringen soll, verstehe ich nicht. Im Jahr 1984 fand im Europarat in Straßburg ein internationaler Kongress zum Thema "George Orwell" statt, dessen Buch "1984" Anlass für diese Gewissenserforschung gab. Ein dänischer Botschafter rief damals aus: "Wir wissen, dass Orwells Voraussagen in unserem Teil der Welt niemals eintreten werden". Ich fand das kühn. Heute können wir sagen, dass Orwell weit übertroffen wurde.

Werden wir verscheißert?

Die Welt befindet sich in einem bedauerlichen Zustand: öffentliche Lügen führen nur noch selten zu Konsequenzen. Diebstahl wird heute von Banken, Heuschrecken und - wie man sieht - von solchen begangen, die sich einfach des Staatshaushaltes und damit der Steuergelder bedienen, um illegale Geschäfte zu betreiben. Wenn es irgendwo nicht reicht, werden einfach die Steuern erhöht, Gebühren erpresst, Preise angehoben. Die Verdummung der Menschen wird nicht nur geduldet. Sie wird gefördert. Wo bleibt der Aufschrei?



Samstag, 26. Oktober 2013

Bananenrepublikanische Ansichten und Aussichten

Wenn es kälter wird, steigen die Preise für Bananen. Die Banane läuft dann anderen Früchten den Rang ab, weil es diese auf dem Markt kaum noch gibt: Erdbeeren, Heidelbeeren, Aprikosen, Kirschen usw. Ausgerechnet Bananen, die aus Ländern stammen, die man gewöhnlich als Bananenrepubliken bezeichnet. Das ist ein wenig hochmütig, beleidigt auch ein wenig die mühsam zustande gekommenen Republiken, die man manchmal auch als Diktaturen bezeichnet, weil ein Regime dem anderen die Tür in die Hand gibt. Oder, es halten sich Dynastien über Generationen hinweg an der Macht, was den Export von unreifen Bananen kaum beeinträchtigt.

Überreife Banane

Die Politiker in den hochentwickelten Wirtschaftszentren haben es da schwerer. Sie müssen gewählt werden. Wenn etwas schief läuft, wird schnell das Schimpfwort "Bananenrepublik" gebraucht, das dann mit mildem Lächeln zurückgewiesen wird. Österreich war mal eine Großmacht, und hat sich mit viel Würde zum Kleinstaat heruntergeschrumpft. Bananenrepublik? Mit nichten! Das Vereinigte Königreich hatte es da weniger leicht. Königin Victoria war auch Kaiserin von Indien und Oberhaupt vieler anderer ehemaliger Kolonien. Das macht überlegen. Ihre Nachkommin Elisabeth tat sich manchmal etwas schwer, diese historische Last zu übernehmen. Die Franzosen, die seit Napoleon auch keine Weltmacht mehr sind, haben sich viele Jahre in der Illusion gewiegt, noch so etwas wie eine Großmacht zu sein. Eine seltsame Sonderrolle im internationalen Konzert ist davon übrig geblieben. Auch das Deutsche Kaiserreich wollte sich nach einigen Bananen produzierenden Ländern hin ausdehnen. Kamerun, Deutsch Südwestafrika, Togo, Deutsch-Ost, die pazifischen Marianen, die Salomon-Inseln, Das Bismarck-Archipel. Vielleicht habe ich sogar etwas vergessen. Dann hat man es notgedrungen vorgezogen, sich mehr für die Bismarckheringe produzierende Welt zu interessieren. Auch das hat erheblich zur Verkleinerung des deutschen Territoriums beigetragen.

Die Abhörbanane

Die deutsche Bundeskanzlerin wurde gelegentlich als mächtigste Frau der Welt bezeichnet. Ich hatte da immer meine Zweifel, aber, wer ist dann die mächtigste? Ich glaube, die Frage ist falsch gestellt. Jedenfalls wird ihr Telefon von der NSA und anderen geheimniskrämerischen Agenturen schamlos abgehört. Auch der französische Präsident scheint unter so etwas zu leiden. Das Vereinigte Königreich bleibt dem Großen Bruder über dem Teich auf Gedeih und Verderb verpflichtet. Ob abgehorcht wird oder nicht, who cares?

Kronjuweliergeschäft

Stellt sich also die Frage, ob die Bezeichnung "Bananenrepublik" für ein Bananen exportierendes Land noch gerechtfertigt ist. Wenn wir alle zu Bananenrepubliken aufsteigen, sollten wir uns andere Unterscheidungsmerkmale ausdenken. Etwa: Land mit dem 15000 € -Badenwannenbischof. Oder: Kronjuwelenterritory mit Migrationshintergrund. Oder Champagnerparadies mit LePen-Syndrom. Oder: Möchtegernegroß mit Aushorchflatulenz. Da gäbe es noch vieles....

Nachdem wir jetzt alle zur Bananenrepublik geworden sind, fehlt uns ein persönliches Profil. Dabei haben wir lediglich die Spione, die wir verdienen. Und es ist nicht verboten, so viele Bananen wie möglich aus den traditionellen Bananerepubliken zu importieren. Wenn CIA und NSA weiterhin krumme Dinge drehen, wird ihr Land ebenfalls zur Bananenkolonie. Da frage noch einer, warum die Banane krumm ist.




Wiener G'schichten - Der Sprung in die Tiefe

Gerade hört man, dass Bruno Kreisky immer noch der beliebteste Österreicher ist. Suchtt man weiter, bekommt auch Jörg Haider einen dritten Platz, jedoch weit abgeschlagen hinter dem ehemaligen Kanzler. Unter den Top-Künstlern, auf die die Österreicher stolz sind, befinden sich einige, die das Beliebtheitstreppchen sehr wohl verdient haben: Schwarzenegger (N° 1), Romy Schneider, Udo Jürgens, Karl Maria Brandauer, Christoph Waltz und andere, wie der unsterbliche Hans Moser. Wo aber bleibt die göttliche Christiane Hörbiger? Ich werde dieses Thema demnächst aufgreifen müssen.

Man ist stolz auf ihn

Am Wiener Graben ist wieder ein Bettler eingezogen, der mir im Sommer schon aufgefallen ist: Am Fuße eines der eleganten metallenen Papierkörbe saß er barfüßig am Boden und bewegte den Kopf wie unter Zwang vorwärts und rückwärts. Er ist jung, trägt Brille und wirkt irgendwie intellektuell. Ich habe ihm nie etwas gegeben, weil er mich nicht überzeugte. Heute, auf dem Weg zum Heldenplatz, sehe ich ihn wieder. Der Jahreszeit angepasst, trägt er warme Kleidung. Die Bewegungen des Kopfes sind milder geworden, doch trägt er jetzt eine Blindenbinde um den Arm. Ich bin immer noch nicht überzeugt.
Hier geht's hinauf

Glückliches Österreich: Am Heldenplatz soll heute ein neuer Weltrekord aufgestellt werden. Die Zeitung titelte: Rekordsprung: Soldat hüpft von Kran. Dieser Kran ist fast 200 Meter hoch und wiegt 1100 Tonnen. Tagelang konnte man den Aufbau dieses Monsters beobachten. Er überragt den Heldenplatz, wie einst auch Adolf Hitler hier mit seiner Anschlussrede 1938 die vielen Zuhörer überragt hat. Heute geht es darum, dass ein mutiger Soldat mit dem Bungee-Sprung aus genau 192 Metern Höhe einen neuen Rekord aufstellt: immer höher, oder immer tiefer, ist hier die Frage. Viele Neugierige sind gekommen. Um 10Uhr30 soll es losgehen. Der Nebel lässt die Spitze des Krans unsichtbar bleiben. Auch der Käfig, mit dem der Springer und die Helfer in die Höhe gezogen werden, verschwindet allmählich im Nichts. Dann, der Sprung: zuerst der Countdown, "5,4,3,2,1, Numquam retro", was ein wenig kitschig klingt und heißen soll: niemals zurück. Dann saust ein fast unsichtbares dunkles Etwas in die Tiefe, wird ausgebremst und schnellt wieder hinauf in neblige Höhen, mehrere Male.

Fast hätte man es nicht gesehen

Der Rekord ist gelungen. Der Name des Helden am Heldenplatz wird nicht preisgegeben, doch ein Minister gratuliert ihm, als er den Boden wieder berührt hat. Glückliches Wien.


Donnerstag, 24. Oktober 2013

Sex, mein letzter Wille, jedoch nicht ohne Pille

Sex hat es eigentlich nicht gegeben, wenn wir das Treiben der alten Griechen, geschlechtlich und gleichgeschlechtlich einmal außen vor lassen. Die katholische Kirche und ähnliche Einrichtungen haben jedoch nicht übersehen, dass es zwischen den Geschlechtern einen gewissen Drang zu einander geben muss, der nur schwer zu kontrollieren war. Also hat man von Beiwohnen gesprochen. "Er hat ihr beigewohnt". Das klang unverfänglich, und, damit keiner sah, was da los war, musste, streng katholisch, beim biblischen Zusammenkommen das Licht ausgemacht werden. Auch war jedes unnötige Herumpussieren verboten. Nur um der Kirche einen Nachkommen zu schenken, durfte die eheliche Pflicht ausgeübt werden. Die männliche und weibliche Unterwäsche war entsprechend lustlos. Lüsterne Omas und vor Testosteron strotzende Lüstlinge hatten es schon deshalb nicht leicht.


Im Rahmen der menschlichen Entwicklung hat es jedoch mehr oder weniger historische Sprünge nach vorne gegeben: Die Erfindung des Schuhs war ein solcher. Dann, die Entdeckung des Alkohols, das Schimpfwort als Auslöser für Kriege und schließlich die Buchdruckerkunst, die auch sofort für die Herstellung von Pornos missbraucht wurde. Telefon, Auto und Fotografie waren ebenfalls unvermeidlich zum Fortschritt der Menschheit. Die Erfindung des Fernsehens, die sich Deutschland und England heute noch streitig machen (wer war's denn wirklich?), muss in diesem Zusammenhang als Schritt zurück in die lallende Unwissenheit des homo sapiens angesehen werden. Und irgendwann dazwischen wurde sie erfunden: die Pille.

Die Pille? 

Die Erfindung der Pille gibt zwar keinen Anlass zu größeren Streitereien, aber der Österreicher Ludwig Haberlandt, der als Urvater der Pille gilt, wurde so angefeindet, dass er ein Jahr nach Veröffentlichung seines Buches (1931) Selbstmord beging. "Die hormonale Sterilisierung des weiblichen Organismus" wurde als respektloser Angriff auf alles Bisherige angefeindet, denn Haberlandt sah voraus, dass Zeugung als freiwillige und absichtliche Handlung und nicht mehr als schlichtes Beiwohnen verstanden würde. In den Sechzigerjahren brachten dann die Forscher in den USA den Durchbruch: die Pille wurde freigegeben. Nicht jedoch von der katholischen Kirche, die heute noch dagegen ist. So scheint es jedenfalls.

Das Verhüterli, das in Japan immer noch die Nummer eins ist (nur 1% der Frauen nehmen die Pille), hat wohl bewirkt, dass im Land der Geishas und Samurai AIDS wenig bekannt ist. Wir verliebtes Jungvolk aus Europa hatten da ganz andere Probleme. Kondome traute man sich nicht, in der Apotheke zu kaufen. Im öffentlichen Toilettenbereich versteckte man sich so lange bis keiner mehr da war. Die Angst, schwanger zu werden, saß uns allen in den Knochen, spätestens nach einem gelungenen Liebesakt, der die Liebenden für Augenblicke in den 7. Himmel heben konnte. Dann  kam das Zittern. Sehr oft hieß es: wir müssen heiraten. Abtreibungen amen einem Verbrechen gleich. Und HWG war der helle Wahnsinn. Juristen nennen HWG den häufig wechselnden Geschlechtsverkehr, gleichzusetzen mit Prostitution und Straßenstrich.

Heute leben wir entspannt und glücklich. Wir haben Sex, wenn wir das wollen, und keinen Sex, wenn nicht. Allerdings sind die Nebenwirkungen nicht unerheblich: Wenn auf der Straße gegen zwei Uhr morgens ein schweres Motorrad laut aufheult, ist es meist nicht das Motorrad, sondern ein testosterongeplagter Jüngling, dessen dusselige Gefährtin die Pille vergessen hat. Oder, wenn die Parade der 15jährigen mit Miniröcken, die am Nabel zu Ende sind, signalisieren sollen, dass die Pille nicht vergessen wurde. Dann heißt das: wir können Sex haben wann wir wollen und können, und keine Oma muss uns zur Keuschheit mahnen. Wie schön, dass der gute Weg immer noch irgendwo dazwischen liegt und die Pille uns befreit hat.


Dienstag, 22. Oktober 2013

Wiener G'schichten - die Tippelmenschen verkriechen sich

Wenn es draußen unwirtlich ist, zieht man sich hinter den Ofen zurück. Man liest in der Zeitung, dass Albert Einstein auch nicht zu festlichen Gelegenheiten Socken trug. Ein Nobelpreisträger, sockenlos? Hat er Ausnahmen zugelassen, der Intelligente? Man weiß es nicht.


Um Intelligenz geht es auch bei Facebook: wer zu viele Facebookfreunde hat, pflegt zu viele persönliche Kontakte. Das macht dumm, sagen Forscher. Genau so, wie zu viel Wissen oder Egoismus.      Egoisten wollen nicht wissen, was andere denken. Es ist ihnen egal, wie das Klischee aussieht, dem sie selbstsicher folgen. Und genau, wie das Auge im Fernsehen zu viel zu sehen bekommt, was auch dumm macht, bekommt der Wissensdurstige eines Tages das Gehirn voll mit Unnützem, und wird dadurch nicht intelligenter. Gibt es eine Einrichtung, die daran Interesse hat, dass wir dumm aussehen? Kann schon sein. Wir wählen Parlamentarier, jedoch nicht gerade gescheit. Wir gehen in den Supermarkt, obwohl wir dort nach Strich und Faden abgesahnt werden. Das ist auch nicht gescheit. Auf der Bank fühlen wir uns zu recht wie ganz kleine Würstchen. Ist das gescheit? Und wenn wir reden, weil, das müssen wir oft, sagen wir "je - umso", oder "umso - umso", was auch nicht gerade intelligent daher kommt.

Letzte Sonne im Wiener Stadtpark, gleich neben Johann Strauss

So gesehen ist jemand, der sein ganzes Vermögen bei sich trägt, nämlich einen Rucksack oder eine Plastiktasche und eine Decke, um sich obdachlos zuzudecken, wenn es draußen frostig wird, ein Überlebenskünstler, eine arme Sau, oder jemand, der diesen Weg gefunden hat, weil kein anderer mehr offen stand? Warum habe ich vor diesen Tippelmenschen so große Achtung? Auch, natürlich, Mitleid. Der Wunsch, ihnen zu helfen, bleibt jedoch seltsam ungeschickt und ratlos. Man denkt an den sozialen Abstieg dieser Menschen. Verschuldet oder unverschuldet? Erst kommt ein Unfall oder Vorfall. Dann der Verlust eines Arbeitsplatzes. Dann geht eine Beziehung in die Brüche. Es fehlt das Geld. Was bleibt, ist die Straße. Gerhard Ruhs, ein Österreicher, der mit Obdachlosen gelebt hat und jetzt als Sozialbegleiter arbeitet, hat ein Buch geschrieben, "Mein Rucksack", mit 50 Geschichten über solche Menschen. Vielleicht sollten wir den einen oder anderen einfach adoptieren, ihn zum Mitmenschen machen? Das wäre wahrscheinlich intelligent.

Nachtrag: zwei Tage nach diesem Blog hat die Polizei den Stadtpark von Obdachlosen gesäubert. Der Anblick war zu schön, geradezu rührend und unbotmäßig zugleich: lange Reihen von Parkbänken waren von Heimlosen besetzt. Wie eine große Familie schliefen sie in den einzigen Sachen, die sie besitzen. Dass die Ordnungsmacht einschreiten musste und dem Bürgertum die Haare zu Berge stehen, versteht sich von selbst. Andererseits: ?????





Montag, 21. Oktober 2013

Eigentlich wollte ich schon immer...

Gewagt habe ich es nie: es wird auch nicht dazu kommen, denn ein gutes Jahr versteckt sich nicht, und das ewige Warten ist nicht mein Ding. Also werde ich es weiter so halten. Man provoziert mich nicht ungestraft. Andererseits: was habe ich zu verlieren? Andere können das bestätigen. Der Vogel geht so lange zum Wasser bis er bricht. Nein, es ist nicht der Vogel.

Sagte nicht einer, die Dame in der Politik rede so ermüdend, dass das Betrachten einer frischgestrichenen Parkbank beim Trocknen dagegen wie ein spannender Krimi wirkt? Ich schließe mich dem an, obwohl, was ist daran so ermüdend, wenn man aufgehört hat, zuzuhören? Ja, weghören kann auch ermüden.
Die Grünen Männchen

Wenn die kräftigen Lobbys die Demokratisierung der USA endlich abgeschlossen haben, bin ich nicht mehr da. Die Demokratie auch nicht. Denn, was ist Demokratie? Sterben und sterben lassen. Und in Schande reicher werden? Da haben einige aber wieder nichts verstanden. Nun, das war nur so ein Gedanke, wie er mich am Montag Morgen manchmal durchzuckt.

Ich würde dann gerne einen Fachmann aufsuchen, aber ich finde keinen, dem ich das Wasser reichen könnte. Therapeuten sind viel zu beschäftigt. Also gehe ich in die Politik zurück: Beschäftigungstherapie macht das Ganze verständlich. Wer nichts tut, ist in der Politik der Richtige. Und die Richtigen werden gewählt. Wozu hat man denn die Mehrheit? Ihr Interessenvertreter, ihr müsst noch schwer an euch arbeiten! Denn die Demokratie geht viel zu langsam den Bach hinunter. Und die Wiedereinführung des Verbotes der Todesstrafe trifft dann wieder die Falschen. Also, lassen wir andere an der Revolution arbeiten und breiten den Rosenmontagmorgenmantel darüber. Das hilft.

Sonntag, 20. Oktober 2013

Die jungen Dinger - gar nicht so übel

Man wird älter und blickt auf vieles zurück. Der Verlust der Jugend hat schon manchen zu Haarfärbereien, Facelifting und Fettabsaugungen angeregt. Auch andere Eingriffe ändern nichts daran, dass man nicht mehr jung ist. Und das ist gut so.


Jetzt sind sie wieder da: das ist ein gutes Zeichen, denn beim ersten Besuch in Wien, vor ein paar Monaten, muss es ihnen bei uns gefallen haben. Das blutjunge Pärchen ist immer noch zusammen. Ein gutes Zeichen. Ermüdungserscheinungen scheint es nicht zu kennen: Gleich nach der Ankunft in Wiens Flughafen, der für uns inzwischen so etwas wie eine zweite Heimat geworden ist, wurde gegen 16 Uhr zu Mittag gespeist. Dann ging es sofort in die Innenstadt, Dinge zu entdecken. Von Müdigkeit keine Spur. So habe ich es in jungen Jahren auch gehalten. Ankunft im Hotel und sofort hinaus, um die Kuriositäten einer neuen Stadt in einem neuen Land auszuloten. Jugend braucht das.

Jetzt kommen wir zum eigentlichen Punkt: Junge Menschen, wenn sie in der Pubertät stecken, sind besonders schwierig. Der Weg zum Erwachsensein ist oft mit steinigen Stolperteilen gepflastert. Da fällt auch schon mal noch elterlicherseits das Wort "Rotzlöffel" oder, es geht noch eine verspätete Ohrfeige nieder, die der verzweifelte Vater sofort bereut. Es ist nicht leicht, jung zu sein.


Woher kommt dann dieses konforme Verhalten der Jungen? Sie sind höflich, verständnisvoll, ja liebevoll? Es gibt eben immer wieder Junge, die verstanden haben, dass sie nicht alleine auf der Welt sind, und dass ältere Menschen genau das sind, was das junge Gemüse einmal selbst werden möchte. Unser junger Besuch, diese Woche, besteht aus einem Pärchen, das sich selbst genügt, hin und wieder in den Rechner schaut (das tut man heute eben), telefonisch mit der Welt verbunden bleibt und Unmengen an Nahrung zu sich nehmen kann, und das, ohne morgens um 8 Uhr schon auf der Matte zu stehen. Was wünscht man sich mehr. Glückliche Jugend.





Samstag, 19. Oktober 2013

Schwulsein, wenn's gar nicht anders geht: Liberace

Liberace, der Schwülstling Amerikas, der mich als Heranwachsenden anekelte, wenn ich im Fernsehen eine seiner pompösen Schaus anguckte. Für das männliche Geschlecht, das sich selbstverständlich als hetero verstand, eine wahre Herausforderung. Dass Freund Lee stockschwul war, ist niemandem entgangen, nur wussten viele nicht, was das bedeutete. Denn, sein künstlerisches Talent, seine Popularität, seine Neigungen hat Liberace immer unter einem Berg von Verkleidungen und einem orgasmischen Klunkerpomp zu verstecken gewusst. Wer würde es wagen, einen schillernden Star wie diesen angemessen filmisch zu verkörpern?

Liberace????

Michael Douglas, dessen Vater Kirk in seinen Filmen oft den Macho verkörperte (Spartacus, A Tough Guy etc), würde sich im Grabe umdrehen, wenn er nicht mehr leben würde, was er zum Glück noch tut. Einen solchen Sohn zu haben, der im Film "Behind the Candelabra" den Liberace spielt, und auch noch gut, lässt Fragen stellen. Was hat Michael dazu getrieben, einen solchen Egomanen und Luxusheini zu verkörpern, über den damals schon alle lachten? Von Verachtung ganz zu schweigen. Das gezierte, tuntenhafte Geplappere hat Michael Douglas drauf wie ein echter Schwuli. Und, er schafft es, diese grenzwertige Ernsthaftigkeit herzustellen, die zu seinem Filmpartner Matt Damon so gut passt. Als Scott wirkt dieser schüchtern, neugierig und zu einer aufrichtigen Liebe bereit. Das macht aus diesem Hollywoodfilm ein beachtenswertes Werk des Glamours und der Aufrichtigkeit. Matt ist der  eher hetero Typ, der in diese Sache mit Lee allmählich hineinschlittert.


Der Film ist in Wien gerade auf Englisch angelaufen. Er ist sehr amerikanisch und trotzdem nicht schlecht. Er riskiert die Lächerlichkeit und erreicht, dank der offensichtlichen Talente von Mike Douglas und Matt Damon eine unglaubliche Intensität. Dabei spielt die Nacktheit der Männer kaum eine Rolle, denn Hollywood gibt sich da immer noch prüde und jungfernhaft. Nur einmal wird ein männliches Gesäß von hinten gezeigt. Auch Pimmel haben in einem solchen Film keinen Platz. Was bleibt, wenn man aus dem Kino kommt: eine intensive und ehrliche Liebesbeziehung zweier Männer, die bis über den Tod reicht. Liberace starb an AIDS, obwohl es niemand wahr haben wollte.







Freitag, 18. Oktober 2013

Der Tod, eine Alternative?

Man weiß, dass er kommt, aber man glaubt nicht daran. Glauben ist nicht Wissen. Wer daran glaubt, ist schon über der Wupper. Wenn der Sensenmann kommt, macht er sich verständlich. Auf seine Weise. Andererseits, ist er die einzige richtige Katastrophe. Andere Katastrophen kann man wieder vergessen, diese nicht. Auch Sich-daran-erinnern geht nicht mehr. Also schickt man sich drein. Das ist der einzige (Aus)Weg.

Dass die Vereinigten Staaten heute mit Hilfe von Drohnen und anderen Tötungsmitteln (Bin Laden, 2011, und und...) weltweit seine Feinde abwehrt, ist schlicht gesagt, Mord. Das wird in diesem Land der Freiheit und der unbegrenzten Möglichkeiten nicht mehr so gesehen. Der Zweck heiligt den Mord. Welches sind die Gründe? Der Schutz der bedrohten Heimat? Welch ein Schwachsinn! Das ist Krieg, ohne Soldaten, gegen Länder, mit denen man angeblich befreundet ist. Die CIA leugnet systematisch alles. Sie ist nur dem Präsidenten verantwortlich. Fidel Castro wollte man mit einer explosiven Havana umbringen. Das ging daneben. Welche Anschläge gelangen und welche nicht, wird nie öffentlich. George Dabbelju Bush war der Ziehvater der CIA, doch das Morden geht weiter. Die befreundeten Nationen schweigen. Im Gegenteil: sie wollen ebenfalls Drohnen, um den unsichtbaren Feind zu liquidieren.

Es gab einmal den Begriff "Rechtsstaat". Wo ist er geblieben? Wo ist die Führungsmacht der USA in Sachen "Menschenrechte"? Exekutionen sind an der Tagesordnung. Ganz, wie beim Sensenmann. Nur, dass dessen Argumente unwiderlegbar sind. Alle anderen haben nicht das Recht, zu töten. Sie tun es einfach, statt Leben zu schützen. Dabei geht es nur um den Erhalt der Macht. Und des Vermögens einiger. Sonst um gar nichts. Gruß an die NSA. Mord bleibt Mord, Herr Präsident. Noch nachträglichen Glückwunsch für den Friedensnobelpreis. Arme Malala: So jung und schon gescheitert. 

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Die Dinge des Lebens - nur Katastrophen?

Wenn man ein bestimmtes Alter erreicht hat, beginnt das langsame Ziehen einer Bilanz. Ist man hundertjährig, lebt man zwar noch, aber die Dinge des Lebens gehen einen fast nichts mehr an. Man wägt ab: überwiegen die persönlichen Katastrophen oder überwiegen sie nicht? Meine Katastrophen: am Ende des Weltkrieges: Hunger und Not. Doch das haarscharfe Vorbeischrammen an Tod und Zerstörung war als bescheidener Erfolg zu verbuchen. Die Eltern litten unter dem Nazifaschismus und mussten sich gleichzeitig mitschuldig fühlen. Die Großeltern beiderseits wurden gnadenlos ausgebombt und verloren alles. Sie hatten auch noch die Inflation nach dem ersten Weltkrieg zu verkraften.

So sahen Vater und Tanten aus.

Meine Niederlagen waren eher klein: im Kindergarten starb meine Freundin. Sie war drei Jahre alt, hatte mich feucht geküsst, und niemand tröstete mich als ich hinter ihrem weißen Kindersarg herlief. Beim Kampf gegen einen sadistisch veranlagten Priester (ich war 10) half mir niemand, aber ich setzte mich durch. Im Gymnasium hatte ich einen machthungrigen und rachsüchtigen Lehrer, gegen den ich mit 17 erfolgreich ankämpfe. Schön war das nicht. Nächste Katastrophen: Einmal im Examen durchgefallen, obwohl es nicht an meinem Wissen liegen konnte. Ein paar Beziehungen gingen in die Brüche, und ich verstand nie, warum. Eine Ehe, die mich zerstörte, jedoch vielgeliebte Kinder hervorbrachte. Gesundheitliche Probleme hat jeder. Eine Katastrophe würde ich es bei mir nicht nennen. Eher Schicksal.

Worauf es bei den Dingen des Lebens ankommt, ist etwas anderes. Was hat mich glücklich gemacht? Vieles: die ersten reifen Kirschen an unserem Baum. Die großen Augen eines Apotherkertöchterchens (vielleicht 11 Jahre), das hinter dem Tresen ihres Vaters hervorlugte, wenn ich mit einem Rezept ankam. Der Anblick riesiger Autos, als die Amerikaner, Kaugummi verteilend, durch unser Dorf fuhren. Die erste Intimität, mit einem Mädchen, dessen Beine ganz glatt, und deren Küsse stürmisch und heiß waren. Die Jahre in Paris. Die Öffnung der Berliner Mauer, die ich im 34. Stock eines New Yorker Hotels erleben durfte. Unbekannte umarmten mich, als sie in mir den Deutschen erkannten. Und dann: ich stehe immer noch und immer wieder im Bann einer großen Liebe aus Yorkshire, die meinem Leben heute einen Sinn gibt.

Das Glück muss man nicht nur haben, man muss es auch sehen, fühlen und begreifen können. Dann sind die Dinge des Lebens einfach das, was Manès Sperber, der Autor und Individualpsychologe im Alter in seinem Buch "Die vergebliche Warnung" so beschrieben hat: "Die durch diese Einsicht beeinflusste, doch nicht immer erreichte Haltung (der Einsicht) hinderte mich nicht, ehrgeizig zu sein und eitel, manchmal zornig und, wenn auch nur vorübergehend, borniert". Der bittere Geschmack der Hoffnung und der Geruch kalter Asche (frei nach Sperber) lagern über einem langen Leben, das man sich nicht selbst ausgesucht hat. Das Glück, hingegen, fällt in den Schoß und will dankbar belächelt werden.






Dienstag, 15. Oktober 2013

Das Reifezeugnis - Wo bleibt der Wurm?

Herbszeit, Erntezeit. Reife Früchte, von wegen! Man muss nur in den Supermarkt gehen, um eines besseren belehrt zu werden. Als Junge ging ich in unseren Garten und testete das Obst. Der noch harte Pfirsich blieb am Bäumchen hängen bis er reif war. Die Kirschen, das versteht sich von selbst, mussten warten, bis sie dran waren. Da wurden die ersten bereits verkauft. Sie kamen aus dem Bühlertal oder aus einer Gegend, wo das Obst traditionell früh reift. Die Äpfel und Birnen, das war selbstverständlich, teilten sich in zwei Gruppen: das Fallobst, reif und wurmig, aber genießbar, und die reife Frucht, die so lange am Baum blieb, bis die Ernte angebrochen war. Manches Obst musste noch lagern, bis es essbar war.

Von Indien weiß ich, dass eine reife Mango köstlich schmeckt, sich aber nicht lange hält. Einen Wurm habe ich da auch noch nie entdeckt. Vergleicht man diese Frucht, die unter dem Namen "vorgereifte oder  faserfreie Mango" aus  Brasilien oder Südafrika hier angeliefert wird, stellt sich das kalte Grauen ein, denn dieses Zeug schmeckt wie ein Apfel, eine Birne, eine Tomate oder eine völlig unreife exotische Frucht. Nur der Stückpreis liegt bedeutend höher als für einen unreifen Apfel. Der Transport und die Unwissenheit des Kunden schlagen da zu Buche.


Gerade jetzt, im europäischen Herbst, scheint das Maß voll: Heidelbeeren, deren Waldreifezeit um ist, tragen jetzt grünliche Ärsche, werden in Miniportionen zu Wucherpreisen angeboten, was an Unverschämtheit grenzt, und Erdbeeren, so rot wie nie, verkaufen sich steinhart und haben keinen Geschmack. Die Liste lässt sich fortsetzen. Tomaten haben sich in Alljahresprodukte entwickelt, die zur Gelblichkeit neigen. Ob sie aus Holland, Spanien oder dem eigenen Land kommen, das Ergebnis ist zweifelhaft und trägt ebensoviele Namen wie der berühmte Schinken (Gourmet- Delikatess- Feinschmecker- etc.): Cherry- Strauch- Roma- Fleisch- Dattel- etc.) Manche müssen genetisch so umgedreht sein, dass sie sogar - im Unterschied zur geschmacklosen Mango - einen tomatigen Geschmack haben. Aber geblich werden sie gegen Weihnachten doch.

Was im Selbstbedienungsladen nicht zu haben ist, ist das Obst mit einem Wurm drin. Das wäre eine Art Reifezeugnis. Statt dessen ist der Wurm im Supermarkt. Wann wird der Verbraucher diesem Spuk ein Ende machen? Wann wird er sein Reifezeugnis erhalten?




Adams Apfel - Evas Biss

Was soll das? Adam und Eva waren ein glückliches Paar. Im Paradies. Wann? Am Anfang. So viel weiß ich noch: Die Schlange hing im Baum der Erkenntnis und züngelte etwas von einem Apfel. Wer Äpfel liebt (wie ich), wird aufmerksam. Die Botschaft war, wer an diesen Früchten nascht, wird aus dem Paradies gewiesen. So weit, so gut. Adam, den man sich als einen Halbwüchsigen vorstellen muss, denn die Geschlechtsreife musste aus biologischen Gründen sehr früh einsetzen, hatte bereits, was er wollte: einen ziemlich hässlichen Adamsapfel, der ihn als männliches Wesen auswies.


Bei Frau Eva war es nicht viel anders: Geschlechtsreife, ja, Adamsapfel jedoch, nein. Das Paradies war ein richtiger Garten Eden. Da liefen wilde Tiere herum, die noch keinen Biss hatten. Wovon haben die eigentlich gelebt? Die Schlange war entschieden böse. Später wurde sie Satan genannt, weil sie etwas Diabolisches hatte. Sie wollte verführen, verlocken, verderben. Also bearbeitete sie die schöne Eva, dem Adam die verbotene Frucht zu reichen. Wer hätte da nicht in den Apfel gebissen? Dann war alles zu Ende.
Evas Töchter im Wien von heute.

Die beiden Söhne, Kain und Abel, hatten es nicht leicht. Der eine ein Störenfried und Schläger, der andere ein Weichei, das mit seinem Leben bezahlen musste. Ob Kain  ins Gefängnis kam, ist nicht überliefert. Aber was man aus der menschlichen Vorgeschichte getrost ableiten kann, ist, dass der Apfel als Frucht im Garten Eden seinen glorreichen Anfang genommen hat. Als Düngemittel kam dann auch noch der Pferdeapfel in Mode, den man im Badischen als Rossbollen bezeichnet. Das war aber viel später. Der Pferdeapfelsaft ist allerdings bis heute nicht erfunden worden. Und bei den Fiakerln in Wien hängt hinter dem Ross ein Rossbollensackerl oder Kottascherl, damit die Geschichte nicht auf der blitzsauberen Fußgängerzone herumliegt und die Touristen sich eine andere Stadt, etwa Remscheid oder Backnang, für ihre Wanderungen aussuchen.

Mich interessiert eine ganz andere Frage. Was für ein Apfel war das, in den Adam biss? Ein Gravensteiner, ein Boskop, eine Goldparmäne, eine Schafsnase, ein Jakob Löbel oder ein Rheinischer Bohnapfel? Eine Granny Smith, das wissen wir, war es nicht. Ein sogenannter Golden Delicius konnte es nicht sein, denn das ist für mich ein Nicht-Apfel. Idared und Elstar würde ich aus dem Verzeichnis nehmen, denn diese und ähnliche Apfelsorten sind reine Modeware, im Geschmack mehr als fraglich. Der Deutsche an sich kauft pro Jahr etwa 20 Kilo solcher Äpfel. Ich esse etwa 50 bis 70 Kilo, bin jedoch sehr wählerisch und verzichte manchmal gerne darauf, beim bloßen Anblick im Laden.


Je nach Religion oder Zugehörigkeit ändert sich diese biblische Erzählung. Was bleibt, ist der eine Baum, von dem nicht gegessen werden durfte. Die Juden, die Katholiken, die Adventisten, Zeugen Jehovas, der Islam, oder die Heiligen der Letzten Tage haben alle ihre eigene Story. Als Adam jedoch reingebissen hatte, - da sind sie sich einig - war das Glück dahin, und er merkte, dass er splitternackt war. Die Vertreibung aus dem Paradies war dann nur noch eine Sache von Tagen. Mit Eva  suchte er das unwirtliche Weite dieser Erde und bekam ein neues, arbeitsreiches und leidvolles Leben. Leider müssen auch wir Alltags-Menschen oft in den sauren Apfel beißen und dürfen vom Paradies nur ein wenig träumen.




Montag, 14. Oktober 2013

Der Papst und der Bischof

Man muss nicht katholisch sein, um sich über den frischen Wind zu freuen, der seit der Wahl von Papst Franziskus in Rom weht. Nach Jahren der Stagnation in der Heiligen Stadt, lassen sich Gerüchte verbreiten, es würde sich alles ändern. Ich denke, dass man da noch lange warten kann. Dem obersten Kirchenmann kann man jedoch eines nicht absprechen: er ist ehrlich, offen und nimmt die Armut für seine Kirche als eine Herausforderung an. Angesichts der schreienden Armut überall in der Welt ist es bei den Gläubigen gut angekommen, dass der Papst am Gründonnerstag eine symbolische Fußwaschung durchgeführt hat. Auch die Frau scheint in der Kirche allmählich als das anerkannt zu werden, was sie ist: eine rechtlich und intellektuell völlig gleichgestellte Partnerin des Mannes. Manche Männer haben sie sogar schon immer als ihre "bessere Hälfte" anerkannt, ohne, dass ihnen eine Zacke aus der Krone gebrochen ist. Wann sie jedoch das Priestertreppchen erklimmen kann, steht noch in den Sternen.

Dafür spielt sich im Bistum Limburg zur Zeit eine traurige Komödie ab, über die sich die Medien jetzt allzu gerne den Mund zerreissen. Der kirchliche Steuerzahler fühlt sich veräppelt, denn ein größenwahnsinniger Bischof hat in seiner naiven Unschuld beim Bau seiner Residenz den Bezug zur Wirklichkeit verloren. Unglaublich, dass bei einem von Christus zur Armut verpflichteten Kirchenfürsten der herrschaftlichen Art, ohne Scham bis zu 40 Millionen Euro fließen sollen, damit der Herr Tebartz-van Elst standesgemäß residieren kann. Dazu kommen noch einige andere Ungereimheiten: eidesstattliche Erklärungen, die gelogen sind, ein Ersteklasseflug nach Indien, einem Land, das für seine bittere Armut bekannt ist, und eine Badewanne, die 15.000 € gekostet haben soll. Realitätsverlust kann man so etwas nicht mehr nennen.

Badewanne, mehr als üppig!

Natürlich kann man von einem Millionär getrost annehmen, dass er skrupellos in einer solchen Wanne sitzt, während seine Arbeitssklaven mit Hungerlöhnen nach Hause geschickt werden. Aber ein Bischof? Wer über so etwas noch lachen kann, ist selbst schuld. Wie sagte Ringelnatz, oder war es Erich Kästner? Humor ist der Knopf, der verhindert, dass der Kragen platzt. Man sollte sich mit dem Platzen nicht mehr allzu viel Zeit lassen. Sonst laufen der Kirche noch mehr Leute davon. Und lachen ist nicht immer gesund.



Dienstag, 1. Oktober 2013

Levitation in Salzburg - ein Wunder, ein Wunder!

Es fällt schwer, daran zu glauben. In Wien war einer, der tagelang die Massen mit einer fast perfekt hingelegten Levitation in Atem hielt. Eine etwas komplizierte Art, Geld zu sammeln, oder die Lust, Menschen zum Erstaunen zu bringen? Die Levitation ist die scheinbare Erhebung eines menschlichen Körper in die Schwerelosigkeit. Wem ist das gelungen?

Die Wiener Levitation

Wir nähren Zweifel, müssen jedoch zugeben, dass der Spaziergang Jesu über den See Genezareth sich unserer Vorstellung ebenfalls weitgehend entzieht. Genau wie die verschiedenen Himmelfahrten. Und was die Ufos so alles zustande bringen, verlangt auch nach genauerer Erläuterung, die wir nicht bekommen. Wir sind also mit der Levitation allein auf weiter Flur.

Die Salzburger Levi im Aufbau

Der Herr, den wir beim Aufbau seiner Levitationsnummer beobachtet haben, hat damit dann viele Zuschauer in Salzburgs belebtem Zentrum erstaunt und zu wildem Knipsen angeregt. Der Aufbau musste diskret geschehen und die Hilfsmittel anschließend versteckt werden. In einem nahegelegenen Gebüsch. Dann wurde flugs die Umhüllung entfernt, und der Künstler hing plötzlich schwebend in der Salzburger Luft.

Man kommt also aus dem Staunen nicht mehr heraus. Auch hier hat der Levitator gnadenlos geschummelt. Ich werde jedoch wieder nicht verraten, wie er es angestellt hat, so viele Japaner und andere zum Fotografieren und Spenden um sich zu scharen.


Oktoberrevolution - das große Sterben

Im Westen Wiens wurden heute erste Minusgrade gemessen. Es ist Oktober, da verlieren die Bäume ihre Blätter und der Wein rüstet sich, seine herbstliche Hauptrolle zu spielen: Neuer Süßer, Sauser, Federweißer, Sturm (in Österreich) Kratzer, und ich weiß nicht was. Er verliert dann nach und nach seine Unschuld und darf sich nicht mehr Traubensaft nennen. In der Schweiz ist Federweißer jedoch Weißwein, der aus roten Trauben gekeltert wurde. Man nennt diesen 10. Monat des Jahres auch Goldener Oktober. Er ist eine reizvolle Mischung aus dankbar entgegen genommener Sonne und freudig begrüßtem Glas Wein. Daneben steht ein Teller mit reifen Früchten und frischem Brot.


Wer denkt dabei nicht auch ein wenig historisch? Die Oktoberrevolution fand in Russland statt. Nach dem verlorenen Krieg war es auch mit der Monarchie aus: der letzte Zar wurde ermordet. In Petrograd, dem heutigen Petersburg, übernahmen 1917 die Bolschewiki die Macht. Ein gewisser Leo Trotzki übernahm den Vorsitz des Moskauer und Petrograder Sowjets. Das Revolutionäre an der  neuen Regierung  war damals für das verarmte, niedergeschlagene russische Volk umfassend und radikal:  Lenin hatte den Vorsitz inne, Trotzki war für Außenpolitik zuständig, und Stalin, der berüchtigte, war für die Nationalitätenfrage im Vielvölkerstaat zuständig. Von den unzähligen Verirrungen dieser Sowjetführung wissen wir alle noch viel. Aber die Anfangsdekrete, die nacheinander verabschiedet wurden, sind etwas in Vergessenheit geraten. Manches ist heute selbstverständlich. Als ich 1962 in Dresden eine 1000 seitige Abhandlung Lenins zum Spottpreis von 6 DM-Ost erstand, ahnte ich noch nicht, dass die Lektüre eines einzigen Kapitels, über die Verstaatlichung der Banken, mich in tiefen Schlaf versetzen konnte. Diese Dekrete haben jedoch damals die russische Welt verändert: die Enteignung der Großgrundbesitzer, die Rechte der Völker Russlands, die Verstaatlichung des Bankwesens, des Handels und der Industrie, die Trennung von Staat und Kirche, die Gleichstellung der Frau mit dem Mann, Gleichstellung des unehelichen Kindes mit dem ehelichen Kind, der erleichterte Zugang der Unterschichten zu Schulen und Universitäten,  die Enteignung des Kirchengutes. Der neue Sowjetmensch war geboren. Die Hauptstadt wanderte von Petrograd nach Moskau. Die Nachwirkungen der Oktoberrevolution sind bis heute zu spüren. Jahrelang waren sie auch mörderisch. Die Französische Revolution von 1798 war im Vergleich dazu ein kleiner historischer Pupser.


So gesehen, können wir friedfertigen Supermarktgänger, soweit unser Geldbeutel es erlaubt, uns über den goldenen Oktober freuen. Alle Jahre wieder. Die Dinge werden etwas ruhiger. Der Winter ist noch fern. Weihnachten, gottseidank auch. Der Schnee liegt noch nicht, und die Wiener Dachlawinenwarnung schläft noch. Wenn es kühler wird, erinnert man sich an eine andere Revolution in unserem Leben: im Jahr 1903 wurde von einem Deutschen die Thermoskanne erfunden. Seitdem lässt sich der Kaffee auch im Freien genießen. Die Mozartkugel wurde in Salzburg erfunden. Es gibt sie auch schon seit 1890. Es lebe also die Revolution!