Dienstag, 1. Oktober 2013

Oktoberrevolution - das große Sterben

Im Westen Wiens wurden heute erste Minusgrade gemessen. Es ist Oktober, da verlieren die Bäume ihre Blätter und der Wein rüstet sich, seine herbstliche Hauptrolle zu spielen: Neuer Süßer, Sauser, Federweißer, Sturm (in Österreich) Kratzer, und ich weiß nicht was. Er verliert dann nach und nach seine Unschuld und darf sich nicht mehr Traubensaft nennen. In der Schweiz ist Federweißer jedoch Weißwein, der aus roten Trauben gekeltert wurde. Man nennt diesen 10. Monat des Jahres auch Goldener Oktober. Er ist eine reizvolle Mischung aus dankbar entgegen genommener Sonne und freudig begrüßtem Glas Wein. Daneben steht ein Teller mit reifen Früchten und frischem Brot.


Wer denkt dabei nicht auch ein wenig historisch? Die Oktoberrevolution fand in Russland statt. Nach dem verlorenen Krieg war es auch mit der Monarchie aus: der letzte Zar wurde ermordet. In Petrograd, dem heutigen Petersburg, übernahmen 1917 die Bolschewiki die Macht. Ein gewisser Leo Trotzki übernahm den Vorsitz des Moskauer und Petrograder Sowjets. Das Revolutionäre an der  neuen Regierung  war damals für das verarmte, niedergeschlagene russische Volk umfassend und radikal:  Lenin hatte den Vorsitz inne, Trotzki war für Außenpolitik zuständig, und Stalin, der berüchtigte, war für die Nationalitätenfrage im Vielvölkerstaat zuständig. Von den unzähligen Verirrungen dieser Sowjetführung wissen wir alle noch viel. Aber die Anfangsdekrete, die nacheinander verabschiedet wurden, sind etwas in Vergessenheit geraten. Manches ist heute selbstverständlich. Als ich 1962 in Dresden eine 1000 seitige Abhandlung Lenins zum Spottpreis von 6 DM-Ost erstand, ahnte ich noch nicht, dass die Lektüre eines einzigen Kapitels, über die Verstaatlichung der Banken, mich in tiefen Schlaf versetzen konnte. Diese Dekrete haben jedoch damals die russische Welt verändert: die Enteignung der Großgrundbesitzer, die Rechte der Völker Russlands, die Verstaatlichung des Bankwesens, des Handels und der Industrie, die Trennung von Staat und Kirche, die Gleichstellung der Frau mit dem Mann, Gleichstellung des unehelichen Kindes mit dem ehelichen Kind, der erleichterte Zugang der Unterschichten zu Schulen und Universitäten,  die Enteignung des Kirchengutes. Der neue Sowjetmensch war geboren. Die Hauptstadt wanderte von Petrograd nach Moskau. Die Nachwirkungen der Oktoberrevolution sind bis heute zu spüren. Jahrelang waren sie auch mörderisch. Die Französische Revolution von 1798 war im Vergleich dazu ein kleiner historischer Pupser.


So gesehen, können wir friedfertigen Supermarktgänger, soweit unser Geldbeutel es erlaubt, uns über den goldenen Oktober freuen. Alle Jahre wieder. Die Dinge werden etwas ruhiger. Der Winter ist noch fern. Weihnachten, gottseidank auch. Der Schnee liegt noch nicht, und die Wiener Dachlawinenwarnung schläft noch. Wenn es kühler wird, erinnert man sich an eine andere Revolution in unserem Leben: im Jahr 1903 wurde von einem Deutschen die Thermoskanne erfunden. Seitdem lässt sich der Kaffee auch im Freien genießen. Die Mozartkugel wurde in Salzburg erfunden. Es gibt sie auch schon seit 1890. Es lebe also die Revolution!

      

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen