Mittwoch, 28. Januar 2015

Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen sie...

Wir haben es nicht leicht, es sei denn, wir geben uns asketisch und verzichten ganz auf die Verführungen des Fernsehangebots. Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber ab und zu zappe ich mich durch alle Kanäle, auf der Suche nach etwas Interessantem. An die 600 Kanäle stehen mir zur Verfügung. Mein Opa hatte ein Tischgerät, schwarz-weiß, bei dem es nur 1 Programm gab, und auch noch im Hochsommer Schneegestöber auftreten konnte. Pünktlich zur Tagesschau saß er vor dem Gerät, um sich die Nachrichten der Welt ins Haus zu holen. Vielleicht noch ein Spielfilm, anschließend, dann schaltete das Erste wieder ab.

Hansi Hinterseer???

Später kamen die ersten Rufer in der Wüste: das Fernsehen macht die Menschen dumm, bildet ihr Gedächtnis zurück. Dann kamen die Dritten und das ZDF, und der Fortschritt bescherte die Farben. Großartige Übertragungen gab es noch, fantastische Interwievs, verfilmtes Theater, junge und alte Talente, die sich dem neuen Medium schnell anpassten. Auch die Dauerglotzer traten ins Bild, die alles gesehen haben mussten. Schließlich kamen die Privaten, die per Satellit grenzüberschreitend wurden. Mehr muss man dazu nicht mehr sagen.

Interessant jedoch, wie das Sehen in die Ferne von uns Besitz ergriffen hat. Manche behaupten, TV sei zur Informierung, Unterhaltung und Bildung da. Von jedem etwas, darf man vermuten. Abseits von der Konserve, trat das Fernsehen dann auch "live" in unser Leben. Und damit auch die Werbung, mit der es weitgehend finanziert wird. Spätestens dann, muss über die Rückbildung der geistigen Fähigkeiten unserer Zuschauer nachgedacht werden. Wie debil wollen wir noch werden?

Fernsehen bildet!

Gut, zuweilen spricht der Bundespräsident oder eine kontroverse Gesprächsrunde bekommt respektablen Zulauf. Debatten aus dem Parlament sind aber inzwischen dem Zuschauer fast nicht mehr zuzumuten. Man kennt die Sprüche allzu gut und kann sie nicht mehr hören. Doch warum müssen wir Werbung haben, die eigentliche Geißel der Menschheit? Wer durchzappt, weiß, was gemeint ist. Da heißt es: "Die gute Wahl bei Durchfallqual! "Drageequalität ist unsere Stärke", "So werden sie ihren Husten wieder los". Da gibt es eine Bank aus Verantwortung, und wir lesen was gesund macht. Worum geht es eigentlich? Mit einem Minimum an intellektuellem Aufwand den Umsatz entfachen. Wir haben uns daran gewöhnt, schalten den Ton weg und holen uns Erdnüsse, wenn das Werbegebrabbel losgeht. Es ist einfach unerträglich und debil, von den Privaten ganz zu schweigen. Hat diesen geldgierigen Schwätzern noch niemand erzählt, dass sie nerven? Dass ein potenzieller Kunde eher den Fernseher abschaltet als das umworbene Produkt zu kaufen? Die wenigen Dummen, die darauf hereinfallen, können doch die Kosten für Werbung nicht kompensieren.
Warum muss man davon ausgehen, dass wir Sehenden einen IQ von 5-6 haben, der den der Macher kaum übertrifft? Wo bleiben die genialen Albernheiten von Loriot? Das alles ist vorbei.

Jetzt heißt es nur noch: "Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Arzt oder Apotheker." Einen größeren Stuss kann man sich nicht mehr vorstellen. Das musste gesagt werden.





Schwein gehabt

In Hongkong hat einer sein Hauptquartier, der der Welt beim Erlernen von Sprachen beisteht. Auch Deutsch ist gefragt. Wörter wie Ohrwurm, innerer Scheinehund und Kummerspeck werden zitiert, um die Einmaligkeit des Deutschen zu unterstreichen und wohl auch Interesse dafür zu wecken. Diese Sprache, die ich von Kindesbeinen auf zu erlernen versuche, ist in der Tat, nicht nur recht schwierig (wie viele andere Sprachen), sie ist auch von unheimlicher Präzision. "Schwein gehabt", wie übersetzt man das auf Englisch? Oder: schnurstracks mit den Ohren wackeln? Da beißt keine Maus einen Faden ab. Solcherlei Sprüche können glasklar sein, oder eben so wuselig, dass man bewusst falsch geht in der Annahme, sie bedeuteten etwas.

Kristallklar

Im Englischen sind es die Zeitungsüberschriften, die den Lernenden verunsichern, weil ihr Sinn sich nicht sofort erschließt: "Putin endorses Cairo strongman" (The Times, Middle East and Asia Edition), oder "A trillion in the trough" (The Economist), oder "Army jobs rally drops stink bomb on Karwar" (The Times of India). Letzteres zeigt, dass Englisch längst nicht mehr reines Oxfordenglisch ist. Indien, die USA, Australien, Neuseeland, Südafrika und auch die Deutschen stricken ständig an dieser Sprache herum, sonst gäbe es Wörter wie Handy, Airbag, Wellness und ähnliche nicht. Der Airbag war für kurze Zeit noch der Prallsack, dann musste ein englischer Begriff her.

Die große Gefahr für die sprachliche Originalität sind jedoch heute die Google- und sonstigen maschinellen Übersetzungen, die einem Kenner die Augenbrauen hochziehen. Was dem Fass den Boden ausschlägt, sind oft Eigenkreationen, von denen es unzählige gibt. Übersetzungsmaschinen sind digitale Stümper, denen sofort die Strumphosen herunterfallen, wenn es ans Eingemachte geht. Unsere Sprachen sollten in ihrer Eigenheit und Originalität gepflegt werden und erhalten bleiben. Sonst vernebeln sich unsere Resthirne noch mehr. War ich klar? Kristallklar? Hope so!



Dienstag, 27. Januar 2015

Tristan da Cunha - die Insel Felsenburg.

Man weiß nicht wo man beginnen soll: bei Johann Gottfried Schnabel, bei Tristao da Cunha oder beim Taschenatlas der abgelegenen Inseln, den eine Judith Schalansky 2011 so liebevoll zusammengestellt hat?

Ich beginne mit der Entdeckung dieses großartigen Büchleins, das mir vor Jahren in Dresden in die Hände gefallen ist. "Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde" schieb die Autorin. Hier unterscheide ich mich grundsätzlich von ihr, denn ich schäme fast ein wenig, bei meinen vielen Reisen, natürlich auch zu gewissen Inseln, nie näher als - sagen wir - 200 km an eine ihrer Inseln gekommen zu sein. Oder kann sich jemand rühmen, schon einmal auf der Osterinsel, der Weihnachtsinsel oder der Insel Einsamkeit, die zu Russland gehört, gewesen zu sein? Viele dieser Inselchen sind nicht einmal auf einem guten Atlas zu finden. Andererseits wissen wir, dass der afrikanische Kontinent in Wirklichkeit unendlich viel größer ist als die Insel Grönland, und dass in der kartographischen Darstellung diese achtmal hineinpasst und Indien, das recht groß wirkt, zehnmal. Kein Wunder, dass wir die kleinen Inselbrocken so gut wie nicht auf dem Globus finden, zumal sie oft nur die Einwohnerzahl eines Vorortes von Remscheid-Küppelstein aufweisen.

Irgendwo im südlichen Atlantik
Die Fakten für die Insel Felsenburg (Tristan da Cunha) sind folgende, sagt Frau Schalansky: ca. 100 Quadratkilometer groß, etwa 260 Einwohner, ein Vulkan ganz in der Mitte, gehört zum Vereinigten Königreich, wurde aber von einem Portugiesen namens Tristao da Cunha 1506 entdeckt. Aber auch ein insularer Winzling hat Anspruch auf eine bewegte Geschichte. Bis 1817 war das Eiland eine kleine britische Garnison. Dann kam William Glass, der mit seiner Frau und 2 Kindern dort eine Art Patriarchat mit hohen moralischen Ansprüchen errichtete. Bis zu seinem Tod, 1953, gab es keine Gesetzgebung oder Verfassung. Die Insel regierte sich selbst: die Bevölkerung galt als anständig, fleißig, gastfreundlich, wohlerzogen, gesund und langlebig. Verbrechen und Alkohol gab es auf Tristan da Cunha nicht. Bis 2003 wurden keine Ehescheidungen registriert. Die Währung, in der bezahlt wurde, waren Kartoffeln. Eine Briefmarke für einen Brief kostete 4 Kartoffeln, die dem Postmenschen auf den Tisch gelegt wurden.

Nach dem Ableben von William Glass betrug die Bevölkerung ganze 100 Menschen, von denen dann die meisten nach USA und Südafrika abwanderten. 1897 lebten noch 64 Menschen dort, 1901, 74 und 1909, 95 Menschen. Schafe gab es aber genug, sowie Kühe und Schweine. Das Obst wuchs auf Birn- und Apfelbäumen. Die Kartoffeln nicht vergessen. Ein entscheidendes Wachstum ergab sich, als 5 farbige Frauen von Sankt Helena nach der Insel geschickt wurden, um die 5 einzigen Junggesellen zu erfreuen. 1951 machten die Amis dann Atomtests in 120 km Entfernung, was aber der Bevölkerung ebenso wenig schadete wie der Vulkanausbruch, wegen dem die Bevölkerung von 1961 bis 1963 evakuiert werden musste.

Von Johann Gottfried Schnabel kann gesagt werden, dass er mit seiner Schrift "Wunderliche FATA einiger Seefahrer...", später von Ludwig Tieck unter dem Titel "Insel Felsenburg" überarbeitet, die Vorlage für die utopischen Vorstellungen von William Glass geliefert hat. Dieser Inselkommunismus hat auch einen anderen, etwas seltsamen Autor beflügelt, Arno Schmidt. Er träumte von einem Wellblechhüttchen von 80 qm, dicht neben der kleinen Funkstation. Doch der Mut zu dieser unsäglichen Seereise nach Tristan da Cunha fehlte ihm dann doch. Der Sonderling aus der Heide blieb zuhause.

Freitag, 23. Januar 2015

Die Theorie der Unendlichkeit - Stephen Hawking

Es wäre vermessen, das Werk und die Studien von Stephen Hawking auf diesem begrenzten Platz auch nur umreissen zu wollen. Jeder hat schon von Hawking gehört: er kann sich nicht mehr bewegen, er kann nicht sprechen. Er ist ein Opfer einer schrecklichen Krankheit, die allmählich zum Tode führt. Eine neuromuskuläre Krankheit, vor der es kein Entrinnen gibt. Mit 21 Jahren erkrankte er an amyotropher Lateralsklerose (ALS). Ein Wunder, dass dieser geniale Physiker, nachdem man ihm eine Restlebenszeit von höchstens 2 Jahren vorausgesagt hatte, noch lebt und sein Geist immer noch auf der Suche ist. Dieser Stoff ist für die Filmindustrie selbstverständlich ein gefundenes Fressen. Etwas, das der Banalität des Alltags entkommt und in die Tiefen wissenschaftlicher Begierde eindringt. Das Ergebnis: The Theory of Everything.


Aber Vorsicht: jeder könnte sich vornehmen, einen solchen Film zu drehen: ein wenig Romantik (das muss schon sein), Liebe (ohne das geht gar nichts), Spannung (wird er es schaffen?) und gute schauspielerische Leistung. Wer den im September 2014 freigegebenen englischen Film schon gesehen hat, versteht, was mit Vorsicht gemeint ist. Ein rührseliges Produkt mit aesthetischen Einschüben, etwas Musik und Kitsch, sowie erzählerischem Bemühen, würde diesem delikaten Stoff keineswegs gerecht werden. Stephen Hawking gilt unter Seinesgleichen als Genie. Seine Werke zeugen davon. Unter der Regie von James Marsh ist ein Filmwerk entstanden, das es nicht nötig hat, besonders gepriesen zu werden. Die Preise und Oscars werden nur so herbeipurzeln.


Eine Inhaltsangabe verbiete ich mir, um die volle Wirkung des Filmes nicht zu beeinträchtigen. Wir sahen ihn in der englischen Originalfassung. Dass es sich hier um ein Jahrhundertwerk handeln muss, leuchtet jedem sofort ein. Hollywood wäre zu so etwas nie in der Lage. Dazu fehlt dieser Filmmaschinerie die Feinheit. Hawkings erste Frau, Jane Wilde Hawking, hat ein Buch geschrieben, auf dem die Story des Films beruht. "Travelling to Infinity. My Life with Stephen". Dabei muss ohne Einschränkung auch das hervorragende Talent der Hauptdarsteller gewürdigt werden, Eddie Redmayne als Stephen und Felicity Jones als Jane. Auch die anderen zentralen Rollen sind hervorragend besetzt. Ein Glücksfall, wenn man bedenkt, was alles hätte daneben gehen können: die Echtheit einer menschlichen Beziehung, die durch alle Leiden geht. Vom ernsthaften Jüngling zum genialen Forscher reift das junge Genie, das zum Krüppel wird und dennoch alle Wertschätzung und Liebe auf sich zieht und ein schwieriges Leben lebt. Der Film kann allen Mut machen, auch den körperlich Unversehrten. Wie leicht dagegen müssen es Albert Einstein, Werner Heisenberg oder Max Planck gehabt haben. Aber diese Vergleiche sind unzulässig.

Eddie Redmaynes Verkörperung von Hawking ist mit so viel Feinheit, Intelligenz und Liebe gezeichnet, dass es dem Betrachter den Atem verschlägt. Nebenrollen gibt es so gut wie keine. Die Mühsal, der Horror eines solchen Lebens, wie es Hawking heute noch lebt, wie es sich über die Jahre entwickelt hat, sind mit so viel Menschlichkeit dargestellt, dass der Film geradezu wie ein Appell wirkt.

Ich gedenke hier auch eines lieben Freundes, Manfred, der nach relativ kurzem Leiden, liebevoll umsorgt, gerade an ALS gestorben ist.








Der Penis, das unbekannte Wesen

Das männliche Glied scheint weltweit Interesse zu erregen. Als ich vor 2 Jahren mit Cath in Reykjavik ein Museum entdeckte, das einzige auf der Welt, das dem Penis gewidmet ist, war es eine Ehrensache, da hinein zu gehen, schon aus Neugier und aus Interesse an solch einem wichtigen Fortpflanzungsorgan, über das in etwa die Hälfte der Menschheit verfügt. Das weibliche Organ kann dabei einmal außer Acht gelassen bleiben. Schon deshalb, weil uns bis heute nichts über ein spezielles Museum für weibliche Geschlechtsorgane bekannt ist.

Wie bekannt das isländische "Phallological Museum" ist, kann auch nur erahnt werden. Immerhin sahen wir dort über 200 Phallen und Phallusteile von Land- und Meeressäugetieren, darunter Penisse von 17 Walarten. Die ürsprünglich etwas abartige Neugier erhielt somit schnell einen wissenschaftlichen Charakter. Diesen möchte ich jedoch all den neugierigen Lesern meiner Blogs auch zugestehen, obwohl es mich schon ein wenig wundert, dass von meinen inzwischen in die Welt gesetzten 700 Blogs mit insgesamt über 200.000 weltweiten Zuschaltungen, der Islandblog mit den Penissen der am meisten aufgesuchte ist. Die zweite Stelle nimmt die badische Dampfnudel ein, in die ich immer noch etwas verliebt bin. Vielleicht hat mein fast erotisches Verhältnis zu dieser badischen Spezialität, mit der meine Mama uns Kinder so gerne verwöhnte, dazu beigetragen.

Steht in Prag

Natürlich weiß jeder, der blogt, dass der erste Klick, sofort nach dem Eintritt ins Netz, wenn es um Spionage und Ausschnüffeln geht, in den USA stattfindet, sofern der Titel das Wort NSA oder CIA
enthält. Bei den Penissen dürfte es nicht anders sein. Nachdem das männliche Glied - unter welchem Vorzeichen auch immer - in der Literatur, in den Medien und in der Wirtschaft schon lange in den Mittelpunkt gerückt ist, darf es auch in den Titeln von Geschichten auftauchen, die man früher lieber unter der vorgehaltenen Hand erzählte. Der Schniedel, wie er auch gutmütig genannt wird, hat seinen Platz gefunden. Nicht nur dessen Verlängerung (wohl, für viel Geld im Internet zu haben), sondern auch die künstliche Versteifung, sind heute Gegenstand von werbeähnlichen, etwas verschämten, Hinweisen, denen kein Mann entgeht. Wer kennt inzwischen nicht Viagra, die blaue Pille, mit deren verbilligtem Imitat aus unbekannten Ländern viel Schindluder getrieben wird?

Mir hat man immer beigebracht, dass ich den Mut aufbringen solle, wenn ich etwas zu sagen habe, das Ding beim Namen zu nennen. Damit ist das jetzt wieder geschehen. Weshalb das männliche Glied, mit dem auch stillschweigend Vergnügen erzeugt wird, immer wieder Anstoß erregt, ist für all jene ein Rätsel, die sich - wie das Museum in Reykjavik - vor allem mit den Penissen von Walen auseinandersetzen. Nun, wir werden sehen, ob mein heutiger Blog ebensoviel Zuspruch erhält wie derjenige vom 21. August 2013.





Donnerstag, 22. Januar 2015

Wo soll das hinführen?

Der Papst ermahnt die Gläubigen, nicht wie die Hasen zu rammeln. Kinder um jeden Preis, das ist nicht nötig. Recht hat er. Man staunt auch darüber, dass schwangere Prinzessinnen heute ungeniert ihre Bäuche zeigen können. Kein Wunder, dass Einzelgänger in Schulen Amok laufen und dreijährige Kinder von ihren Stiefvätern zu Tode geprügelt werden. Sogenannte Megastars müssen ihre Hintern ausstellen, und andere Promis posieren schamlos vor Reklameplakaten. Wir erfahren alles. Nur von den Schneeglöckchen ist nicht mehr die Rede. Gibt es noch Menschen, die aus Prinzip etwas nicht tun oder nicht tun würden? Die Massenblätter verraten es uns.

Kein Wunder also, dass alles denkbar, alles vorstellbar, alles möglich ist. Bösewichte können darauf pochen, dass ihre Unschuld vermutet werden muss, bis die Beweise auftauchen. Ultrareiche, die skandalöse Summen irgendwo gehortet haben, gehen als Ehrenmänner durch. Wer hinterfragt noch Dinge im Namen des Anstandes? Empörung selbst ist erlaubt. Wie eine gefühlte Erleichterung eines vernebelten Gewissens. Was es nicht mehr zu geben scheint, sind die althergebrachten Vorstellungen von Anstand, Gewissen, Rechtschaffenheit. Vermissen wir das? In den Massenbättern auf jeden Fall.

Minderbemittelt?

Nun, wir wissen, dass heute jemand als minderbemittelt angesehen wird, der diese altmodischen Begriffe noch bemüht. Also wird lieber geschwiegen. Nur, wenn dem Papst beim Verlassen des Flugzeuges das weiße Käppchen von Kopf geweht wird, darf gelacht werden. Das Foto dieses freundlichen Obergeistlichen darf nicht fehlen. Als Beleg. So, wie alles belegt wird. Es gilt jedoch immer die Unschuldsvermutung. Was hat Angela Merkel gesagt? Wie war das mit Putin? Obama soll jetzt, wo er die Mehrheit verloren hat, mit deutlicher Sprache sprechen.

Werfen wir noch einen Blick auf "Je suis Charlie". Da ist es schon bedeutend ruhiger geworden. Auch von den eigentlichen Ursachen ist kaum mehr die Rede. Heute steht die Europäische Zentralbank im Mittelpunkt. Auch der Schweizer Franken. Die neue Hoffnung, die sich vergeblich um die Ostukraine rankt. Warum verlieren wir nicht einfach das Interesse? Oder haben wir es bereits verloren?





Dienstag, 20. Januar 2015

Wiener G'schichten - der tägliche Einkauf

Wer im Wiener Zentrum wohnt, kann ein Lied davon singen. Wenige Supermärkte teilen sich den Kuchen. Die einen wollen etwas besonderes sein, gehobenen Ansprüchen genügen. Die anderen sind eher proletarisch angelegt. Der Wiener kennt die täglichen Demütigungen für den gesunden Menschenverstand. Nicht nur wird man bei den weniger gehobenen Etablissements fast hinausgeworfen sobald man bezahlt hat und bevor man seine Sachen richtig verstauen konnte. Das Zweiklassensystem ist hier im Supermarktbereich sofort erkennbar. Andererseits wird man bei den etwas besseren Läden leicht penetrant auf Umstände hingewiesen, die von sekundärer Bedeutung sind: da lese ich auf dem Warenetikett eines 2,26 € "teuren" Rinderknochens, "in Österreich geboren und aufgewachsen, in Österreich geschlachtet und verarbeitet". Natürlich könnte ein Stück Rinderknochen auch in Ungarn geboren sein, in Vietnam aufgewachsen, in Haiti geschlachtet und in Österreich verkauft worden sein. Von Strümpfen und T-Shirts wissen wir, dass sie in den europäischen Warenhäusen, die auch gerne etwas für die Umwelt tun, verkauft werden und in China oder Thailand billigst hergestellt wurden. Das Herstellungsland ist dann so gut versteckt, dass man lange suchen muss, um es zu finden.


Mit anderen Worten: wir werden von morgens bis abends beim Einkaufen hinters Licht geführt, und das Empörende daran ist, dass man für dumm hält. Das Wort Bio, das heute auf fast allen Lebensmitteln thront, hat kaum noch Bedeutung. Das Inflationäre an dieser Geldmache erkennt man auch am Missbrauch des Wortes "frisch". Was ist frisch, wenn etwas über eine Woche im Regal herumliegt? Oder, wenn Obst und Gemüse in sogenannten Klarsichtverpackungen vor sich hinrotten, ohne dass bei Überalterung der Preis gesenkt oder die Ware rausgeschmissen wird? Bei Beschwerden, die eigentlich nicht sein müssten, meldet sich bei denen dann sogar das schlechte Gewissen, und man ersetzt die Ware ohne zu murren. Als Kunde und Käufer hat man das Recht, dies unwürdig und unverschämt zu finden. Dann wird man gefragt, ob man die Treuekarte besitzt, damit man vom Profit wieder ein paar Kopeken zurück erhält. Wie generös. Wer für sein Geld arbeiten muss, fühlt sich bei solchen Mätzchen gedemütigt und verschaukelt. Da es in Stadtzentren keine kleinen Lebensmittelläden mehr gibt, benehmen sich die Monopolmärkte wie kleine Potentaten. Der König Kunde bedeutet nichts mehr. Preise sind irgendwie abgesprochen und werden einfach diktiert.


Saisonale Schwankungen der Preise sind nur noch auf Wochenmärkten zu erkennen. Egal in welchem Zustand sich eine Obstsorte oder ein Gemüse befindet, die Preise variieren kaum noch. Die Tomaten sind halt gelblich im Winter. Ohne Geschmack. Die Kunden kaufen das. Das Kilo Äpfel, je nach Selbsteinschätzung des Ladens, auch wenn fast ungenießbar, liegt unerbittlich bei € 2,49 oder allenfalls 1,99. Das Selbstlob dieser Produkte wird als gegeben hingenommen. Diskutiert wird darüber nicht. Höchstens sieht man gelegentlich eine empörte alte Dame ein Produkt verärgert ins Regal zurückwerfen, weil es ihr zu teuer oder nicht gut genug ist. "Wir sind immer für sie da" heißt es dann pauschal. Ganz wie in der Politik. Nachdem die Tante-Emma-Läden schon lange nicht mehr lebensfähig sind, sollten wir den Superdelikatessengourmettempeln endlich sagen was uns nicht passt. Zum Beispiel die Frechheit, mit der Avocados, Mangos, Erdbeeren usw. zu Zeiten angeboten werden, wo sie alles andere als reif und appetitlich sein können.





Mittwoch, 14. Januar 2015

Allah ist groß, Allah ist mächtig.

Was auf der heutigen Titelseite von Charlie Hebdo prangt, ist ziehmlich witzig. Nicht bösartig. Nicht blöd. Eher rührend. Eine entwaffnende Antwort auf den Terror. Und natürlich auch ein Zeichen kindlichen Trotzes. Das sieht man schon daran, dass ganz Frankreich und die halbe Welt jetzt aus Solidarität dieses Humorblatt kauft. Die Auflage soll auf 5 Millionen erhöht werden, damit jeder eine Ausgabe mit dem Propheten vornedrauf bekommt. Dieses Blatt kannte vor ein paar Wochen in Frankreich kaum jemand richtig und im Ausland niemand. Man gönnt ihm diese unerhoffte Popularität, aber das kann es nicht gewesen sein.

Das schöne Dresden
Doch was geschieht jetzt? Ist die Botschaft bei den gewaltbereiten Hitzköpfen angekommen? Es ist zu bezweifeln. Wie auch die Reaktionen auf die Dresdner Bekenntnisse von Fremdenfeindlichkeit und Islamschelte nicht die wirklichen Anstifter treffen. Diese Vorwürfe gehen meist daneben und meinen meist die Falschen. Die Lage in Deutschland unter Kontrolle zu bekommen, ist wohl noch möglich. Die Bitternis, wie in Frankreich, scheint hier (noch) nicht erreicht und die wirtschaftlich-politische Lage ist nicht ganz so gravierend. Eine Aussöhnung mit Wirrköpfen und Fehlgeleiteten vom Niveau kampfbereiter Hooligans scheint noch möglich, wenn man ihnen systematisch ihre populistischen Vermutungen aus den Segeln nimmt. Das benötigt jedoch auch ernsthafte Hilfestellung, vor allem für die benachteiligten Schichten.

Das "Café de la Paix" in Paris

In Frankreich, wo die Solidarisierung jetzt ein erstaunlicher Ansatz ist, muss jedoch viel mehr geschehen, um die Fronten aufzuweichen. Muslime müssen nicht nur mehr geachtet werden, sondern als feste Faktoren der Gesellschaft einbezogen werden. Es sollte nicht diese beiden Frankreichs geben, das "richtige" und das ausgegrenzte. Und mit zynischem Humor kommt man auch nicht weiter. Natürlich kann man sich keinen Maulkorb anhängen lassen. Dafür wurde viel zu bitter um Pressefreiheit gekämpft. Aber mit hochmütigem Jem'enfoutisme kommt man ebenfalls nicht voran. Da hat Frankreich jahrzehntelang Schindluder getrieben. Das kann man als Beobachter schon sagen. Dass unsere christliche Haut auch manchmal sehr dünn ist, haben wir selbst schon gemerkt. Aber wir können, dank unseres Humors, eine geballte Ladung an Häme und Zynismus ertragen. Vergessen wir nicht, dass wir auch als Christen oder ehemalige Gläubige seit Jahrhunderten allerhand auf dem Kerbholz haben. Deshalb müssen wir mit den verunsicherten muslimischen Mitbürgern sorgsam umgehen. Vielleicht sogar den Satz der Gleichheit der Menschen, wie er in allen vernünftigen Verfassungen steht, wieder etwas aufmöbeln.







Dienstag, 13. Januar 2015

Allah ist groß

Als Kinder in einem christlichen Land, in dem während der Nazizeit 6 Millionen Juden und viele Nichtjuden ermordet wurden, hatten wir keine Vorstellung von Allah, außer, dass er einen Propheten namens Mohammed hatte und uns nichts anging. Also wurde respektlos gereimt:
Allah ist groß,
Allah ist mächtig,
wenn er sich streckt,
3 Meter 60.

Gotteslästerung auf Kosten einer anderen Religion? Was machen wir dann mit dem alten Hut: Negeraufstand ist in Kuba,
Schüsse gellen durch die Nacht.
Auf den Straßen nach Havana
halten Negerweiber Wacht?
Auch das ist diplomatisch unsauber und rassistisch. Das N-Wort wurde eigentlich schon lange ausgerottet. Nicht nur wer dunkelhäutige Freunde hat, muss dies verstehen. Alle, die in den Vereinten Nationen herumsitzen kennen  und anerkennen die Menschenrechtserklärung. In Europa gibt es sogar eine von den Mitgliedsländern des Europarates unterzeichnete Menschenrechtskonvention, die bei Verletzungen Strafen nach sich zieht. Dass Juden genauso behandelt werden wie Nichtjuden oder Muslime, sollte eine steinharte Selbstverständlichkeit sein. Die Würde des Menschen ist da im Spiel. Man macht sich nicht über andere  und deren Glauben lustig. Auch Pegida, die sich über die "Lügenpresse" das Maul zerreißt, und dieses Un-Wort des Jahres 2014 beigesteuert hat, darf zur geballten Ignoranz gezählt werden. Beruhigt euch und schweigt lieber!

Dresden, oder wo Bigeda herumpoltert"

Bleiben die vielen Missverständnisse und das generelle Unwissen auf allen Seiten, die zu Gewalt und Terror führen können. In Paris haben wir es wieder erlebt. Allah und Gott als den gleichen Schöpfer anzusehen, kann für evangelische Christen ein Problem sein, weil der Koran Jesus nicht als Sohn Gottes anerkennt, sondern nur als Propheten. Für viele Katholiken und Nichtkatholiken ist der "Herr-da-oben" auch etwas doppeldeutiges. Die einen glauben an den gütigen, älteren Bartträger, der irgendwo auf Wolken thront, die anderern fürchten seine Strafe, weil sie ein schlechtes Gewissen haben. In Malaysia gab es 2010 mehrere Anschläge auf christliche Kirchen, weil in einer Bibelausgabe in einer der Landessprachen das Wort für Gott Allah heißt. Das gefiel den Muslims nicht, also mussten 15000 Exemplare der Bibel eingestampft werden. Missverständnis? In der Sure 23 heißt es: "Er ist Gott außer dem es keinen Gott gibt". Unsere christlichen Namensträger, wie Gottfried, Gottlob, Gotthold, Traugott etc. sind wohlgemeinte, ein wenig aus der Mode geratene männliche Namen, wie auch der Islam welche hervorgebracht hat: Abdullah, Abul, Abdallah etc. Liegt hier etwa ein Problem?

Natürlich hat die westliche Welt den nötigen Respekt fehlen lassen. George Dubble-Ju Bush war so einer, der ums Verrecken auch heute noch nicht kapiert hat, was Islam bedeutet. Den Respekt vor anderen Religionen kann man nicht mit Erdöl in Verbindung bringen. Geld ist nicht alles, wenn man reich ist, aber Verachtung, Mißachtung und Unverständnis bedeuten viel, wenn man arm ist. Und Armut darf keine Schande sein. Aber, Majestätsbeleidigungen haben ebenfalls ihre Definition und ihre Umschreibung: Was Götz von Berlichingen sagte, hatte seinen Grund. Wer dem selbsternannten Sonnenkönig, Ludwig, dem 14. seinen Kratzfuß nicht machte, konnte im Elend schmachten.

Oh, my God!

Was unseren christlichen Gott betrifft, so haben wir folgende Rechte:

-wir dürfen an ihn glauben,
-wir müssen es nicht,
-wir dürfen auch annehmen, dass er als alter Herr mit weißem Bart geschlechtslos auf einer Wolke sitzt,
-wir können ihn fürchten, wenn er zornig ist,
-wir dürfen ihn abbilden,
-wir können auch etwas Abstraktes aus ihm machen, oder
-ihn mit dem hochverehrten Mammon gleichsetzen.
Was wir vermeiden sollten, ist, ihn offen zu beleidigen, lächerlich zu machen, herunterzuputzen, mit Dreck zu bewerfen, denn das wirft ein ganz schlechtes Licht auf uns selbst.

Was dürfen wir mit Allah? Wer bestimmt, was wir dürfen? Wer die Sachlage kennt, wird mit Respekt all denen begegnen, die einen Glauben haben. Das sind in unseren orientierungslosen Zeiten nicht mehr sehr viele. Muslime und andere. Wir sollten ihnen mit wohlwollender Achtung begegnen, denn ihre Lage ist ohnehin prekär: westliche Welt und Mentalität. Fremde Sprachen und wenig materielle Sicherheit. Umgeben von sinnlosen Produkten wie Coca Cola, Boulevardpresse, Schweinsburgerking und geringe Wertschätzung. Also, Vorsicht! Wir sind zwar Charlie, aber ohne Zynismus. Wir lachen gerne, aber es dürfen auch gute Witze sein. Wir wollen, verdammtnochmal, uns nicht vorschreiben lassen, was wir zu denken und zu sagen haben, wenn wir es mit Achtung und Verständnis tun. Wer in einem muslimischen Land schon gelebt hat, sieht da keine Probleme. Nur wer unsicher oder unwissend ist, macht Fehler. Es ist zu hoffen, dass der Pariser Massenprotest in die richtige Richtung geht und zu etwas Positivem führt.










Samstag, 10. Januar 2015

Sind wir Charlie?

Eines ist sicher: was gerade in Frankreich abgegangen ist, berührt die ganze Welt. Die Opfer dieser fanatischen Attacke sind auch in Zukunft nicht nur in Frankreich allein zu befürchten. Das wissen wir ja schon. Religiöse Eiferer gab es schon im Mittelalter, mit den entsprechenden Gegenreaktionen derer, die den gesunden Menschenverstand vertraten. Auch Meinungsfreiheit und Vielfalt wurden damals schon angegriffen und verteidigt. Bei unserer Mobilität und Globalität haben wir jetzt Kenntnis von verwirrend ähnlichen Erscheinungen, die teils grenzübergreifend, teils national gestrickt sind, und über die wir nicht genug wissen. Die Ursachen dieser Gewalt werden, je nach nationalem Bedarf, immer wieder im falschen Lager gesucht.

In den baltischen Ländern und in der Ukraine sind es die russischsprachigen Minderheiten, die für potenzielle Gewalt instrumentalisiert werden können. Herr Putin sorgt gerne dafür. In Großbritannien, das wegen der verlorenen Kolonien schon lange ein Völkergemisch ohnegleichen darstellt, herrscht zwar nicht Friede Freude Eierkuchen, aber, die muslimisch-asiatisch-afrikanisch-exotische Welt identifiziert sich mit dem Land, wird nicht systematisch ausgegrenzt. Man geht nicht nur zum Chinesen, sondern überall hin, wo es etwas zu kaufen, zu essen und zu feiern gibt. Den etwas beknackten Menschen, der im Schlafanzug am Picadilly Square in London herumläuft, habe ich schon vor 50 Jahren gesehen. So, what? In der britischen Gesellschaft, wo Englisch natürlich der Kitt fürs friedliche Nebeneinanderherleben ist, so schlecht es auch gesprochen sein mag, scheint die moderne Welt nicht ständig am Auseinanderbrechen. Aber sie ist unglaublich bunt und auch ein wenig unbritisch geworden.

Deutschland, das seine Wiedervereinigung erst vor kurzem erleben durfte, scheint auf dem Weg zur multikulturellen Zufriedenheit. Man sage jedoch nicht, wir seien eine christlich-jüdische Wertegemeinschaft. Wertegemeinschaft, ja, aber mit mehr Toleranz und weniger Ängsten. Deutschland wird weder wegen der islamfeindlichen Eintagsfliege Pegida, noch wegen der AfD auseinanderfliegen. Die gemeinsamen Bindungen und die mautfreien Autobahnen (auch!) sorgen dafür. Und ein Bundespräsident, der einfach keine Zuspitzungen aufkommen lässt und notwendige Harmonie heraufbeschwört.

Das Problem scheint gegenwärtig Frankreich zu sein: die Sinnkrise in diesem Land hat ihre tiefen Gründe. Die Hauptstadt Paris bestimmt immer noch den Gang der Dinge. Und die Dame Le Pen sitzt nur noch in den Startlöchern, um sofort das französische Ego zu bedienen, wenn etwas schiefgeht. Für de Gaulle war es noch l'Algérie francaise. Aber auch die anderen, meist afrikanischen, Exkolonien wurden nicht, wie die britischen, nach und nach in die Freiheit entlassen. Nein, sie mussten sich dem massiven Druck der Frankophonie beugen. Alles ist darauf aufgebaut, eine Art Hoheit über die Ehemaligen aufrecht zu erhalten. Natürlich auch mit etwas humanitärem Einsatz. Und während schon Sarkozy sich gegen aufrührerische, arbeitslose Jugendliche stark machte, folgte die Mehrheit der Franzosen dieser Hetze und wählte ihn. Dabei war die große Angst der Franzosen nicht so sehr die Überfremdung, sondern der befürchtete Zerfall der Nation. Wie oft hörte man bei Konflikten: la France est divisée en deux. Die Medien formulierten es zusammen mit den Politikern. Dass man sich nicht ehrlich um die Eingliederung der "Ausländer" bemüht hat, scheint sich jetzt zu rächen, wo jeder merkt, dass es mit der Wirtschaft nicht so toll bestellt ist, und dass der Schuldenberg wächst, während die Arbeitslosigkeit voranschreitet.

Die Ursache dieser Situation ist nicht der Hass einiger weniger Muslime auf Frankreich - viele lieben das Land und leben gerne dort - sondern die Langsamkeit, mit der notwendige Änderungen herbeigeführt werden. In vielem ist Frankreich wegen des Verharrens in der gloriosen Vergangenheit hinter den Entwicklungen hergehinkt. Zehn Jahre? Zwanzig Jahre? Es gab vielleicht eine Zeit, wo man noch glauben konnte, dass etwas nur gut ist, wenn es aus Frankreich kommt. Vielleicht auch kulturell. Heute kann jeder Analphabet mit Leichtigkeit über den Tellerrand hinausschauen. Da genügt es nicht mehr, nur die nationale Eigenart herauszukehren. Auch Frankreich täte gut daran, sich mehr auf die Minderheiten zuzubewegen. Der Fanatismus im Namen einer schweigenden Mehrheit hat auf keinen Fall eine Überlebenschance, wenn das Zusammenleben ernsthaft und ehrlich praktiziert wird. Das Gewinke mit den Wahlen, die man nur zum Abstrafen der Vorgängerregierung benutzt, ist so eine Erscheinung, die man abschaffen sollte. Nur die Le Pens profitieren davon. Aber, wo sind die Reformen? Vergangenheit ist dazu da, dass man sie aufarbeitet. Das gilt für alle Länder, auch für Frankreich.


Donnerstag, 8. Januar 2015

"Es geht um unser Land"

sagten die deutschen Liberalen bei ihrem Dreikönigstreffen in (wo war das nochmal?). Zu den traditionellen Farben (blau, gelb?) kommt jetzt eine neue hinzu: Magenta = bläulich-grün? Eine Partei, die aus dem Bundestag geflogen ist, macht wieder von sich reden. Sie möchte etwas Glaubwürdigkeit zurück erobern, mehr als 2-3% Wählerstimmen einheimsen und wieder mitmischen. "Es geht um unser Land" steht auf ihrem Plakat (aber natürlich). Das hätte auch von anderen Parteien mit der gleichen Überzeugung ausgesprochen werden können. Angela Merkel hatte damit schon hantiert ("unser Land voranbringen") und es wohl wieder sein lassen, denn wir wissen alle, dass solche Sprüche die Glaubwürdigkeit und damit die Wählbarkeit nicht verbessern.

Was wir nicht benötigen, sind neue Parteien, die das Blaue vom Himmel herunterholen und sich sofort nicht mehr an das erinnern, was sie gerade gesagt haben. Das haben die alten Parteien schon besorgt. "Die Renden sind sischer" hieß es damals. Heute wissen wir, dass sie sicher nicht mehr ausreichen, um Menschen, die 30 bis 40 Jahre malocht haben, vernünftig zu ernähren.

Es hieß auch aus dem Munde einer Kanzlerin, wir, in Deutschland seien eine christlich-jüdische Wertegemeinschaft. Das klammert aus, das schafft ein hahnebüchenes Wir-Gefühl wo es keines gibt, solange wir nicht sehen, dass der muslimische Anteil an unserer Bevölkerung weit höher ist, als der jüdische. Aber, was bedeutet das? Wir brauchen kein neues, auf Rasse und Verallgemeinerung beruhendes Klassensystem. Was "wir" benötigen, ist Ehrlichkeit. Damit kann auch der rechte Schmutz beseitigt werden. Nicht durch Wahlängste und Leugnen der rechten Denkweise. Wer an die vielen schmutzigen Geschäfte denkt, die sich vor unseren Augen abspielen (Waffenhandel, Drogenhandel, Steuerflucht, Bankenbetrug usw.), der glaubt auch nicht mehr an eine Wertegemeinschaft.

Ich habe lange genug in einer überwiegend muslimischen Gesellschaft gelebt, um zu wissen, dass dies nichts mit Fanatismus und schräger Wertegemeinschft zu tun hat. Und in unseren abendländischen Gesellschaften gibt es mehr tägliche Beispiele für muslimische Toleranz als für Fanatismus. Man muss es nur sehen. Dass der muslimische Bevölkerungsanteil weiter wächst und uns allmählich zu überrennen droht, ist Schwachsinn. Die wirklichen Ängste in einer Gesellschaft (Gewalt, Krankheit, Armut, Bürokratie, mangelnde Bildung) haben damit nichts zu tun. Gut integrierte Muslime produzieren in einem "modernen" Gesellschaftssystem auf lange Sicht auch nur 1,4 Kinder pro Frau.

Die Nichtigkeit von Parteiprogrammen ist ebenso offensichtlich (ich rede nichteinmal von kalter Progression, Steuergerechtigkeit, Reichensteuer, etc.) wie das unvermeidliche Entstehen von Mythen und Gerüchten, trotz der totalen Vernetzung mit dem Informationsangebot in unserer demokratischen Welt. Vor ein paar Wochen saß ich zwischen Istanbul und Wien neben einem Juristen aus Baku, der in offizieller Mission unterwegs war. Im Gespräch wurde mir gesagt, dass man in Aserbaidschan davon ausgehe, dass der Anteil an Homosexuellen in der Gesellschaft rapide am Steigen sei, weil die westliche Welt mehr und mehr gleichgeschlechtliche Ehen zulasse. Der Endpunkt dieser Entwicklung wird allen Ernstes in 50 bis 60 Jahren erwartet. Dann wird die gesamte Bevölkerung schwul oder lesbisch sein. Da kann man nur hoffen, dass wir gut aufgestellt sein werden und unsere Renden sischer sind. Ich hoffe, die Liberalen werden wieder in den Bundestag einziehen. Da werden sie vielleicht gebraucht. Um Vorurteile auszuräumen?









Montag, 5. Januar 2015

NSA beißt sich die Zähne aus.

Man hört ja so einiges über die amerikanische Abhör- und Spionagepraxis. Inzwischen ist es jedoch den meisten nicht USlern egal, wieviel Energie aufgewendet wird, um die Welt noch besser auszuhorchen. Wir wissen auch, dass die anderen ebenfalls eifrig mitschnüffeln, sogar unser amatörhafter Juniorschnüffler BND. Den Briten haben wir ohnehin nie getraut. Deren Abhöreinrichtungen in Yorkshire kann man ungestört (von außen) fotografieren.

Ein Apfel ist manchmal nur ein Apfel!

Angeblich verbuttert die Firma, die ihr Hauptquartier nicht weit von Washington hat, in Fort Meade,  über 53 Milliarden $ für das Schnüffeln, wobei der NSA in den USA selbst Grenzen gesetzt sind und diese Zahl wahrscheinlich noch untertrieben ist. US Bürger dürfen nicht so unverschämt ausgehorcht werden wie wir Weltbürger. Was da an Info geklaut wird, ist so gigantisch, dass die Aushorchspezialisten nun ein hausgemachtes Problem haben: sie können den erschlichenen Mist nicht mehr sachgerecht verarbeiten. Um nachzukommen, müssen sie jetzt zusätzliche Millionen, etwa 50, für die Erarbeitung von Lösungen ausgeben. Das Ersticken an diesem erschwindelten Kram wäre wahrscheinlich billiger.

Mein letzter Blog (torrow bee '' sarbill...) handelte davon. Für normale Sterbliche unverständlich, jedoch leicht zu entschlüsseln, mag er den NSAlern zunächst Rätsel aufgegeben haben. Meine Verschlüsselung ist offensichtlich. Die verschiedenen Entschlüsselungstricks der NSA mögen schon manche Nuss geknackt haben. Bei einigen waren sie bisher jedoch nicht erfolgreich. Ich hoffe, dass sie sich auch bei  "torrow bee " sarbill die Zähnchen ausbeißen. Was Angie Merkel und die anderen mit ihrem Kryptofon tun, weiß man nicht. Auf dem Klo telefonieren? Das mag helfen. Ich vertraue jedoch darauf, dass der NSA bald der Saft ausgeht und Sparmaßnahmen ergriffen werden. Dann kann auch der unbedeutendste Erdenbürger seine Unterhosen fünfmal am Tag wechseln, ohne, dass es jemandem auffällt. Vielleicht bekommen die US-Menschen dann auch einmal ein besseres Gesundheitswesen, das einer Supermacht würdig ist.

Mein Entschlüssler

Nachtrag, und Grund, warum ich den verschlüsselten Blog verfasst habe: heute gegen 13 Uhr Mitteleuropäischer Zeit wurde er ins Netz gestellt. Drei Minuten später (es war bei Washington wohl gerade 7 Uhr morgens), klickte es zum erstenmal: die USA haben sich das Erzeugnis gegriffen. Keiner meiner amerikanischen Freunde und Verwandten studiert Blogs auf Deutsch um 7 Uhr. Es kann also nur die Schnüffelfirma gewesen sein. Soll man stolz darauf sein? Über 50% der Amis lehnen Schnüffelei selbst ab. Warum also? Ach ja, unser aller Sicherheit.

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Freitag, 2. Januar 2015

Fähnchenwechsel - eine Spezialität auch in der Politik

Zuerst eilt man zu den Fahnen. Wenn man das überlebt hat, ist man reif für einen Fähnchenwechsel. Der bittere Geschmack der Verachtung kennzeichnet diesen, denn der Wechsler wird seinen eigenen Bekenntnissen untreu, findet aber manchmal sogar hehre Gründe dafür. Bekehrungen könnte man dies nennen. Allerdings nicht, wenn es sich darum handelt, sein leicht zerfetztes Fähnchen in den Wind zu hängen. Verachtung war noch nie ein Grund, eine Karriere nicht neu zu beginnen, vor allem eine politische.

Aber Vorsicht: bei Kritik wird schnell scharf geschossen. Willy Brandt hat nichts in den Wind gehängt. Er blieb seiner Sache treu, was ein katholisches Kampfblatt, als es für die Christdemokraten um die Wähler-Wurst ging, ganz undemokratisch dazu anregte, ihn als Willy Weinbrandt zu bezeichnen. Manche haben eben keine Gürtellinie, wenn's um die Wurst geht. Andere konnten sich aus dem Nazitum unauffällig wegschleichen (Rolf Hochhuth hat's aber gemerkt!) und das Fähnchen unschuldig in Richtung christlicher Demokratie wenden. Beispiele gibt es viele. Kurt Georg Kießinger hatte es da leicht. Er war schon Baden-Württembergs Ministerpräsident, bevor er Bundeskanzler im deutschen Westen wurde und von einer Beate Klarsfeld georfeigt werden musste. Schwerer wurde seine Strafe nicht. Andere sanken auch ehrenvoll ins Grab, obwohl sie als Marinerichter in besetzten Landen noch Todesurteile ausgesprochen hatten, wobei ein Mensch mit oder ohne IQ damals schon sehen konnte, dass der Krieg für Nazideutschland verloren war. Die honorige Integrität des Altnazis war da schon lange durch christdemokratisches Umdenken gesichert. Ach, ja, Filbinger hieß der Kerl. Die vielen anderen Leichen im Keller anderer müssen wir nicht heraufbeschwören.

Fähnchen im Wind, unpolitisch?




Das Problem ist doch, wie überzeugend so ein Fähnchenwechsel ist. Verrat an den eigenen Prinzipien hat es immer gegeben. Er sollte aber nicht schleichend sein, sondern sich offen von einer eventuellen Bekehrung abgrenzen. Hat Angela Merkel, die Vielgelobte, Helmut Kohl verraten, oder hat sie sich einfach selbst weiter entwickelt, um das zu werden, was sie heute ist? Manchen können wir sogar eine Kehrtwende abnehmen, anderen müssen wir misstrauen, denn die Ziele und Gründe dafür werden nicht offengelegt. Die Linke will an die Macht. Das verstehen alle. Was sie genau will, muss sie noch erläutern, damit wir sie an ihren Früchten erkennen können. Deshalb könnte man Bodo Ramelow, dem neuen thüringischen Ministerpräsidenten erst einmal eine Chance einräumen. Man kann jedenfalls nicht behaupten, er hätte sein Fähnchen gewechselt. Das ist doch schon etwas.





Donnerstag, 1. Januar 2015

Wiener Walzer und Schwarzwälder Kirschtorte

Lange habe ich mir überlegt, was beides verbindet. Vielleicht nichts? Obgleich, Ohrenschmaus und Magenschmaus, liegen sie so weit auseinander? Das jährliche Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker ist eine Pflicht. Der Strauß-Walzer an der schönen blauen Donau darf niemals fehlen. Er schließt die internatioale Ausstrahlung des Konzerts obligatorisch ab. Fast obligatorisch ist auch das Hineinklatschen in die Pizzicato-Stellen durch das Publikum. Oder ist es eine andere Stelle? Johann Strauß Sohn hat soviele Tänze, Walzer, Polkas, Märsche und Operetten komponiert, dass man gerne die Übersicht verliert. Ganz zu schweigen vom ebenfalls das Konzert abschließenden Radezkymarsch, der allerdings von Johann Strauß Vater stammt. Vom kulturellen Standpunkt aus betrachtet, geht nichts ohne den Wiener Walzer, der selbst beim Tanzwettbewerb "Strictly Come Dancing" die ganze BBC-Gemeinde auf die Beine bringt.


Die Nazis hatten mit den Straußens so ihre Probleme. Die Straußpopularität war im Dritten Reich so überwältigend, dass das Vierteljudentum der Familie als geheime Verschlusssache gehandelt wurde. Fazit einer Spießergesellschaft: wir sind manchmal zu blöd, um eine harmlose Tatsache anzuerkennen. Die Schwarzwälder Kirschtorte hat als solche nie im Zentrum rassenwahnsinniger Überlegungen gestanden. Sie war auch nicht das Ergebnis nationalsozialistischer Schnüffelei. Hat sie deshalb alles so gut überstanden? Man möge mir solche Vergleiche verzeihen. Schließlich ist Neujahr. Da sind musikalische Genüsse ebenso erlaubt wie kulinarische. Den Magen verdorben hat mir allerdings die Ansage im österreichischen Rundfunk, als das Neujahrskonzert zuende war: (auf Englisch) es wurde "proudly presented by Rolex". Da nehme ich lieber noch ein Stück Black Forest Gateau. Eine Rolex benötigt an dazu nicht.