Freitag, 2. Januar 2015

Fähnchenwechsel - eine Spezialität auch in der Politik

Zuerst eilt man zu den Fahnen. Wenn man das überlebt hat, ist man reif für einen Fähnchenwechsel. Der bittere Geschmack der Verachtung kennzeichnet diesen, denn der Wechsler wird seinen eigenen Bekenntnissen untreu, findet aber manchmal sogar hehre Gründe dafür. Bekehrungen könnte man dies nennen. Allerdings nicht, wenn es sich darum handelt, sein leicht zerfetztes Fähnchen in den Wind zu hängen. Verachtung war noch nie ein Grund, eine Karriere nicht neu zu beginnen, vor allem eine politische.

Aber Vorsicht: bei Kritik wird schnell scharf geschossen. Willy Brandt hat nichts in den Wind gehängt. Er blieb seiner Sache treu, was ein katholisches Kampfblatt, als es für die Christdemokraten um die Wähler-Wurst ging, ganz undemokratisch dazu anregte, ihn als Willy Weinbrandt zu bezeichnen. Manche haben eben keine Gürtellinie, wenn's um die Wurst geht. Andere konnten sich aus dem Nazitum unauffällig wegschleichen (Rolf Hochhuth hat's aber gemerkt!) und das Fähnchen unschuldig in Richtung christlicher Demokratie wenden. Beispiele gibt es viele. Kurt Georg Kießinger hatte es da leicht. Er war schon Baden-Württembergs Ministerpräsident, bevor er Bundeskanzler im deutschen Westen wurde und von einer Beate Klarsfeld georfeigt werden musste. Schwerer wurde seine Strafe nicht. Andere sanken auch ehrenvoll ins Grab, obwohl sie als Marinerichter in besetzten Landen noch Todesurteile ausgesprochen hatten, wobei ein Mensch mit oder ohne IQ damals schon sehen konnte, dass der Krieg für Nazideutschland verloren war. Die honorige Integrität des Altnazis war da schon lange durch christdemokratisches Umdenken gesichert. Ach, ja, Filbinger hieß der Kerl. Die vielen anderen Leichen im Keller anderer müssen wir nicht heraufbeschwören.

Fähnchen im Wind, unpolitisch?




Das Problem ist doch, wie überzeugend so ein Fähnchenwechsel ist. Verrat an den eigenen Prinzipien hat es immer gegeben. Er sollte aber nicht schleichend sein, sondern sich offen von einer eventuellen Bekehrung abgrenzen. Hat Angela Merkel, die Vielgelobte, Helmut Kohl verraten, oder hat sie sich einfach selbst weiter entwickelt, um das zu werden, was sie heute ist? Manchen können wir sogar eine Kehrtwende abnehmen, anderen müssen wir misstrauen, denn die Ziele und Gründe dafür werden nicht offengelegt. Die Linke will an die Macht. Das verstehen alle. Was sie genau will, muss sie noch erläutern, damit wir sie an ihren Früchten erkennen können. Deshalb könnte man Bodo Ramelow, dem neuen thüringischen Ministerpräsidenten erst einmal eine Chance einräumen. Man kann jedenfalls nicht behaupten, er hätte sein Fähnchen gewechselt. Das ist doch schon etwas.





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