Mittwoch, 30. Januar 2013

Kriminelle Vereinigungen - sind Banken unschuldig?

Man liest es mit Entsetzen: eine Bank ruft bei einer Kundin an und versucht, ihr gewinnträchtige Geschäfte anzubieten. Zum Glück ist das Misstrauen gegenüber Banken so groß, dass die meisten abwinken, wenn einer unanständige Vorschläge macht. Natürlich ist es verführerisch, durch den Einsatz des eigenen Kapitals eine satte Rendite, etwa durch eine unüberlegte Investition, zu ergattern. Der Wunsch, endlich auch an das große Geld zu kommen, steht dabei Pate.


Pecunia non olet, oder doch?

Das Problem ist das Abhandenkommen jeglicher Seriosität. Eine Bank, die ihre Geschäfte eigentlich auf dem Vertrauen seiner Kunden aufbaut, verrät dieses auf zynische Weise. Nichts entschuldigt mehr die Glasfassaden und die jährlichen Gewinne. Die Scham ist verloren gegangen. Ich selbst musste einmal einem Banker sagen, dass er MEIN Geld verwaltet und nur mein Stellvertreter in Sachen Geld ist.

Es ist die Schamlosigkeit, die auch die Banken ergriffen hat. Bei einem Zinssatz von weniger als 2% hat man mit seinen Ersparnissen in einer Bank nichts mehr zu suchen. Der Sparstrumpf, wenn er in einem zentnerschweren Tresor steckt, ist die riskanteste Sache nicht. Was riskant ist, ist die schleimige, lügnerische Verführung von Kunden, doch etwas mehr mit dem eigenen Geld zu tun. Es ist nie ein guter Rat, sondern der Missbrauch von Gutgläubigkeit, eine kriminelle Handlung, die leicht mit Betrug gleichzusetzen ist. Traue keiner Bank! Dann geht es dir gut.

Sonntag, 27. Januar 2013

Herr Neumann hat sich erschossen

Immer wieder jährt sich etwas. Und es gibt noch Überlebende, die berichten können. Doch die große Mehrheit schweigt gerne, weil sie nichts weiß, nichts wissen will, alles längst verdrängt hat. Erinnerung als ewiger Klotz am Bein? Nur wer sich erinnern mag, versteht auch.


Ich liebte meine Großeltern und durfte sie gelegentlich besuchen als ich ein kleiner Junge war. Ich verehrte meinen Opa, der mich täglich zu langen Spaziergängen mitnahm. Er und ich, wir waren ein Paar. Irgendwie stolz aufeinander. Oma rief einmal erzürnt aus: "Dieser Hitler ist ein Teufel". Ich war fünf und hörte es. Hatte sofort verstanden: was andere "Unseren Führer" nannten, wurde von Oma als Teufel bezeichnet. Als Kind wusste ich schon, dass ich mit niemandem darüber reden durfte, um meine Oma nicht in Gefahr zu bringen. Es war Krieg, und man fürchtete sich vor Fliegerangriffen und Uniformträgern.

An einem dunklen Winterabend nahm mich Opa mit zu Herrn Neumann. Ein alter Freund, den ich noch nie gesehen hatte. Wir gingen die steile Treppe im Nachbarhaus hinauf. Opa setzte sich zu Herrn Neumann an den Tisch. Die beiden alten Herren redeten. Ich spielte unter dem Tisch mit einem kleinen Auto und langweilte mich. Dann ging es wieder nach Hause. Am Abend des folgenden Tages kam Opa bleich und bestürzt in das verdunkelte Wohnzimmer gerannt und sagte: "Herr Neumann hat sich eine Kugel durch den Kopf geschossen. Ich stellte wohl keine Fragen, wusste aber, dass es etwas Schlimmes war.

Der Krieg nahm seinen Verlauf. Pforzheim, wo meine Großeltern wohnten, wurde durch einen Bombenangriff fast total zerstört. Auch das Haus meiner Großeltern. Sie wohnten dann jahrelang provisorisch in einer möblierten Wohnung und teilten sich die wenigen Quadratmeter mit meiner Tante, die auch alles verloren hatte. Die Nachkriegszeit war in Deutschland für alle schwierig. Opa, Oma und Tante blieben zusammen. Opa starb mit 98 Jahren. Ich war inzwischen ein junger Mann.

Auf diesen Opa kann man stolz sein!

Auch mein Tantchen wurde 93 Jahre. Ich besuchte sie regelmäßig. Sie kam auch gerne zu uns. Die Zeiten waren wieder besser. Kurz vor ihrem Tod hatten wir eine jener Unterhaltungen, die man nie mehr vergisst. "Kannst du dich an einen Herrn Neumann erinnern, der sich erschossen hat"? fragte ich sie nach all den Jahren. "Natürlich" sagte sie, "Herr Neumann hatte zwei Töchter, die nach Amerika verzogen. Als man auf ihn aufmerksam wurde, hat er sich getötet. Herr Neumann war Jude".

Wir müssen uns nicht ständig quälen, indem wir an die Scheußlichkeiten der Vergangenheit erinnern. Wer aber verdrängt, hat nichts verstanden. Zukunft gibt es nur, wenn es auch eine Vergangenheit gibt, die bewältigt wird. Irgendwie.













Samstag, 26. Januar 2013

The Old Registry - unauffälliger geht's nicht

Cath und ich waren in Yorkshire. Kamen am 2. Januar in Haworth an, einem kleinen Städtchen, das vor allem durch die literarischen Bronte-Schwestern bekannt ist. Gefährlich enge und steile Gassen. Autos müssen oft den Gegenverkehr durchlassen, bevor sie weiterfahren können. Man geht gerne zu Fuß.

Es ist nicht das erstemal, dass wir im Old Registry absteigen. Genauer gesagt: wir stiegen die enge, teppichbelegte Treppe hinauf. Im obersten Stock war dann unser Zimmer. An der Tür stand: Pear (Birne), der Name des Zimmers, das keine Nummer trug. Ein winziges Hotel, in dem man sich nur geborgen fühlen kann. Das Frühstück ist Gegenstand einer umfangreichen Bestellung: Ei, gekocht? Gerührt? Als Omelett? Schinken roh, gebraten? Milch, Tee, Kaffee? Milchkaffee? usw. Heller Toast, dunkler Toast? Schwarzbrot? Als Kunde darf man sich da schon wie ein König fühlen.

Eine Bar wie zuhause

Und eine Ausgabe der Dichtungen von Walter Scott steht neben dem Frühstückstisch. "The harp, his sole remaining joy, was carried by an orphan boy". Ungefähr so: "Die Harfe, seine einzig verbleibende Freude, ward getragen von einem Waisenjungen", reimt sich natürlich nicht. Da das Ganze in unzählige Verse gebettet ist, kann man sich zu Tode lesen, ohne noch das Käseomelett goutieren zu können. Da ist ein Schwatz mit der freundlichen Bedienung viel interessanter. Walter Scott hat uns heute nicht mehr viel zu sagen.


Wir lieben alte Hotels, die nicht vom falschen Glanz modernen Schnickschnacks leben. Die Gemütlichkeit kommt mit den Kaffee- und Teebeuteln, der Schokolade und dem immer frischen Gebäck. Auch für Klopapier ist ein besonderes Plätzchen vorgesehen. Man fühlt sich umsorgt.

Dann wagten wir es: winzige Tischchen im Erdgeschoss deuteten darauf hin, dass hier gelegentlich auch gegessen wird. Wir wollten es genau wissen: Ja, man kann etwas bestellen. Das Hauptmenü hängt jedoch davon ab, was eventuelle andere Gäste auch haben wollen. Man ist flexibel und wartet bei einem Aperitif auf das Angebot. Eine sympathisch simple Speisekarte, einfach ein Blatt Papier, enthält Vorschläge, die aufmerken lassen:
Vorspeisen: Knusprig geräucherter Heilbutt mit Lachskuchen, Zitronenscheibe...
                    Ente und Orangensalat mit knusprigen Raukeblättern, fünffach gewürzte Plaumensoße
                    geröstete Sesamkerne...
                    Karamelisierte Zwiebeltorte mit Ziegenkäse auf Raukebett, Salat mit Balsamico..
Hauptgang: Rind, Pilz- und Kartoffelplätzchen, Erbsenbrei und Soße...
                    Mit mediterranem Gemüse gefüllte Paprikaschoten...

Diese drei Grazien haben uns beim Essen zugeschaut.

Es hat wenig Sinn, diese ungewöhnlichen Angebote einfach aufzuzählen. Man muss sagen, was Sache ist: Wir haben in England keine bessere Kombination von Feinschmeckerei, Gemütlichkeit und Preiswertigkeit erlebt. Für uns bleibt das Old Registry ein Geheimtipp, auch was das Essen betrifft. Vorsicht also, bei hochmütigen Bemerkungen über das Essen im Vereinigten Königreich. Es geht oft auch anders.









Mittwoch, 23. Januar 2013

Wie schön ich war!

Alte Fotos sind eine reine Pest, vor allem, wenn man genügend Jahre angesammelt hat, um jedes einzelne durch hunderte fotografische Dokumente belichtet zu haben. Dabei war fotografieren eine echte Kunst. Man ging ins Atelier und posierte. Wie schön die Eltern waren, als sie heirateten. Und dann kam die Fotitis: es wurde viel geklickt. Ich muss irgendwann ganz nackt auf einem Lammfell gelegen haben. Das Foto war schwarz-weiß. Nicht wegen der Nacktheit, sondern wegen des schwachen Wiedererkennungseffekts warf ich es weg. Wir ziehen um, hatten das Angesammelte bei verschiedenen Umzügen immmer wieder mit uns geschleppt, ohne es zu sichten, ordnen oder es zu vernichten.


Jetzt ist es soweit. Meine Bilanz ist traurig: die wenigsten unter den Fotos sind interessant  oder relevant. Man weiß nicht mehr wo aufgenommen, wer daneben steht und lächelt, in welchem Jahr etwas fotografiert wurde. Hier ist meine Schwester drauf, teilweise mit ihren Kindern. Süß! Hat sie diese Aufnahmen mit nach Amerika genommen? Warum gibt es so viele Aufnahmen unserer Tante? Sie war nicht verheiratet, aber irgendwie super aktiv im Leben. Rein ins Flugzeug, raus aus der Kirche, und die vielen ältlichen Freundinnen, wie hießen die noch alle? Kraft durch Freude (ein nationalsozialistisches Reiseunternehmen) hat meine Tante in die ganze weite Welt gebracht, obwohl sie die Nazis hasste. Ich behalte sie als eine aufrechte Streitaxt in Erinnerung und werfe nicht alle Fotos von ihr weg. Meine Kinder liebten sie, weil sie streng aber gerecht war und Eis am Stiel spendierte.

Durch meinen Umzug nach Wien, nächste Woche, bin ich gezwungen, Ballast abzuwerfen. Also werden viele Fotos in den Müll wandern. Sie haben ihre Schuldigkeit getan. Sie können das Gedächtnis nur stützen, nicht ersetzen. War ich schön? Als Kleinkind, so erinnere ich mich, waren alle sehr freundlich zu mir. Schön vielleicht nicht, aber gut angenommen, immer im Leben. Auch von den Enkeln. "Opa, wenn ich groß bin, werde ich Lehrerin und dann heirate ich dich". Das musste ich mir von meiner kleinen Enkelin sagen lassen. Ich werde die restlichen Tage meines Lebens damit verbringen, mich gelegentlich daran zu erinnern. Dazu muss man nicht schön sein, sondern nur geliebt werden.

Mit etwas Glück wird aus einem schönen Baby eine viel bewunderte Ruine in eigener Sache.

Montag, 21. Januar 2013

Deutsche Telekom - Sprüche wie bei Graf Rotz

"Stürzen Sie sich ins Vergnügen" flattert mir gerade eine fotobestückte Werbesache ins Haus. "Erleben was verbindet.......T..." Unser Tip: Call & Surf Comfort VDSL IP! So heißt es in diesem Prospekt. Telefonieren über zwei Leitungen und Nutzung von drei Rufnummern. Man wird recht professionell angelabert und kriegt eine Flatrate nach der anderen um die Ohren. Der Kunde ist natürlich König. Er bezahlt ja auch alles, ohne zu murren.

Dann kommt die Panne. Ich bin unschuldig, will nur telefonieren, habe zwei Schnurlose im Haus, und keine Verbidung mehr. Also habe ich nach den Akkus geschaut: geladen. Nichts passiert. Ich begebe mich in ein Telekombüro und stehe erst mal an. Personalmangel? Ja, Sie hätten die Konsole mitbringen sollen. Ich, nach Hause, und wegen der zögerlichen Kompetenz des 2 Mannbetriebes, fahre ich in die Kreisstadt. Eine echte Telekomzentrale gibt es dort. Ich stehe an, mit meiner Konsole und den beiden Schnurlosen und gerate an einen recht Unlustigen, der alles in Eile überprüft und mich mit dem fröhlichen Vermerk nach Hause schickt, es sei alles in Ordnung.

Zuhause ist nichts in Ordnung. Das Telefon geht nicht. Ich, ganz schnell wieder zur Beratungsstelle in meiner Nähe: Mitleidig werde ich beäugt: Was ist denn nun schon wieder los? Ich bittstelle mein Anliegen. Der Herr mit dem außerirdischen Blick geht an seinen Rechner und tippt daran herum, bis er mir mitteilen kann, er habe eine Störmeldung gemacht, in Kürze würde ich über das Internet hören was Sache ist. Mit gebremst dankbaren Gefühlen fahre ich wieder nach Hause. Das war vor 2 Wochen. "Erleben was verbindet" heißt es in dem Flyer der Telekom, der von der Telekom Deutschland GmbH 53262 BONN abgeschickt wurde. Wie schön, dass der Kunde immer noch irgendwie König ist und immerhin wie ein solcher umworben wird.


Ich habe daraus meine Konsequenzen gezogen, das Telefon gekündigt (was noch etwas Zeit in Anspruch nimmt, bevor man da wieder rauskommt) und mir ein kleines mickriges Mobilfon gekauft, das den gleichen Zweck erfüllt. Ich kann wieder telefonieren und beglückwünsche die Deutsche Telekom zu ihrem einmaligen Service, auf den ich jetzt verzichte.





Sonntag, 13. Januar 2013

Fly or die - auf nach Wien!


Ich hätte nicht gedacht, dass Abschied so schwer fallen kann. Am Mittag brachte ich sie in Offenburg zum ICE nach Frankfurt. Am Abend soll sie in Wien sein, wo sie Montag früh eine neue Arbeit beginnt. "Fly or die" war die Devise bis heute: beide, sie und ich totkrank. Erkältung der übelsten Art. Dann der rote Koffer: Übergewicht bis zum Gehtnichtmehr. Ich muss mich jetzt schnell erholen, denn der Umzug nach Wien in 2 Wochen steht bevor. Heute schon haben wir von den Hängen des Schwarzwaldes Abschied genommen. Ich ziehe mit dem ganzen Krempel nach.

Blutgasse

Dann werden wir im ersten Bezirk, in der Blutgasse wohnen. Eine enge Straße mit blutrünstiger Vergangenheit. Eine Gräfin, Elisabeth Báthory, gefürchtet als die Vampirgräfin, soll vor 4(?) Jahrhunderten zahllose Jungfrauen ermordet haben. Sie benötigte ihr Blut, um selbst jung zu bleiben, indem sie darin badete. Der Ort des Vergehens ist jetzt denkmalgeschützt. Vielleicht wäre es besser gewesen, die unschuldigen Jungfrauen zu schützen.


Die Blutgasse trug auch mal den Namen "Kotgasse", was die Sache nicht attraktiver macht. Damals muss halb Wien in die Gasse gekotet haben, eine Vorstellung, die ebenfalls Grauen erweckt. Andereseits ist Wien heute für viel Kultur bekannt, Theater, Oper, Konzert, worauf man sich freuen kann, wenn man die düsteren Sagas der Vergangenheit einmal hinter sich lässt. Da meine Cath vermutlich schon lange keine Jungfrau mehr ist, wird sie eventuellen Angriffen solcher Vampire widerstehen können, bis ich schließlich zu ihr ziehe. Dann, allerdings, werden erst mal die herrlichen Marillenknödel verspeist, dazu jede Menge Sachertorte, Tafelspitz und sonstiges Dadschkal (=taschenförmiges süßes Gebäck).






Freitag, 11. Januar 2013

Das Pub - eine Kultur zum Verlieben

Nun, in Deutschland geht man auch schon mal in eine Kneipe, um 1 - 2 Bierchen zu trinken. In Köln oder Düsseldorf steht man dafür am Tresen. Mir gefallen die Kölschgläser so gut. Im süddeutschen Raum dagegen trinkt man sitzend ein Viertele oder auch zwei. Dann hat man ein wenig "geladen" und freut sich auf den Heimweg, denn zuhause kann man dann noch ein Viertel heben. Und das ist meist gut so.

In England (oder sollte man Großbritannien sagen?)  gehen die Uhren anders. Das Pub ist ein kulturelles Zentrum. Einfach, aber herzlich. Wer will, kann mit anderen kinderleicht ins Gespräch kommen. Es kann auch um Atomphysik gehen. Man sucht sich am Tresen ein Bier aus (mehrere Sorten stehen zur Verfügung) und nimmt eine Tüte Chips mit. Dann schippert man mit dem Glas an einen Tisch. Keine Angst, wenn dieser schon besetzt ist. Das macht die Kontaktaufnahme so richtig leicht. Andere Variante: man bleibt bei dem netten Bierfräulein stehen und redet über das Wetter. Auf alle Fälle muss das Bier sofort bezahlt werden. Dann kann man gehen wann man will. Das leidige "Herr Ober, zahlen" entfällt.

Daher die etwas barbarische Verlautbarung "can I buy you a drink"? Für uns Kontinentaltrinker ist das ein Schlag ins Gesicht. Man kauft jemandem kein Getränk, man lädt dazu ein. Die Atmosphäre in einem Pub bleibt jedoch freundlich, etwas verplappert und unheimlich schön. Man gewöhnt sich schnell daran. Das Pub, ein erweitertes Zuhause, doch werden immer mehr davon geschlossen. Warum? Für Raucher ist es jedoch unangenehm geworden: draußen, bitteschön, bei jedem Wetter. Wie froh ist man da, das Rauchen schon längst aufgegeben zu haben.



Donnerstag, 10. Januar 2013

Die Überfahrt mit der Pride of York

Die Wetterankündigung beim Verschiffen unseres Autos am Hafen von Seebrügge war unauffällig: keine Stürme bei der Überfahrt in den britischen Norden zu befürchten. Entsprechend zahm wogte die Fähre auf und ab, die ganze Nacht. Unser Seereiseritual beginnt mit dem Anziehen der Handbremse im Laderaum, dem Erhalt des Schlüssels für die Kabine, schneller Entledigung des Handgepäcks und der Winterkleidung, und mit dem Gang an die noch verwaiste Bar. Kaum jemand nimmt um diese Zeit schon einen doppelten GinTonic. Wir setzen uns in die Lounge und hören dem freundlichen Geklimpere des Pianisten zu.

Die Pride of York von innen

Sobald der Hunger sich meldet geht es an das Büffet, wo man uns einen Tisch zuweist. Die Flasche Rioja ist für uns beide auf der Pride of York schon zum Standard geworden. Trotz leichter Erschöpftheit nach einer langen Autoanfahrt schaffen wir die Flasche ohne Mühe. Der endlose Korridor führt uns dann zurück in die Kabine, wo das leise Schaukeln uns in den Schlaf wiegt.

Das Frühstück fällt etwas hektisch aus, da jeder rechtzeitig am Auto oder am Bus sein möchte, wenn die Fähre ihr Gatter öffnet. Wir sind in Hull und müssen uns beide an das Fahren auf der "falschen" Seite schnell wieder gewöhnen. Die Weihnachtsbeleuchtungen sind noch am Blinzeln und Schillern. Doch ihre Buntheit will sich gegen den morgendlichen Grauschleier nicht durchsetzen. Wir fahren quer durchs Yorkshire Land, wo wir Cathies Eltern und Brüder besuchen wollen. Hat sich in diesem Land seit einem Jahr etwas verändert? Ja, die Olympischen Spiele in London haben offensichtlich freudige Spuren hinterlassen. Man spricht gerne darüber.

Der Aufschrei der Möwe

Uns fällt auf, dass die Straßen auf dem Lande noch voller geworden sind, die Kurven noch enger, die Schlaglöcher noch zahlreicher. An vielen Häusern steht: "To let" oder "Sale". Ist das viel besprochene Nord-Süd-Gefälle etwa in ein Süd-Nord-Gefälle umgeschlagen? Zuerst Griechenland, Portugal, Spanien, jetzt England, Irland, Belgien? In Belgien werden Straßen auch nur noch spärlich instand gesetzt. Oft sieht man als erstes den sich häufenden Müll, wenn man durch einen Ort fährt. Ist dies ein Zeichen wachsender Verarmung der Kommunen und des Staates? Eine Folge der Finanzkrise? Auch auf der Fähre kam es mir so vor, als würden die Menschen weniger kaufen, weniger trinken, weniger lachen. Ich hoffe, dass ich mich gründlich täusche.











Mittwoch, 9. Januar 2013

Abschiebeflughafen Karlsruhe-Baden-Baden

Ich weiß nicht, wieviele Fluggäste dieser schnuckelige Flughafen jährlich in den sonnigen Süden schickt. Dazu gehören ganz bestimmt nicht die 15.000 Menschen (davon 11.000 Roma), die seit April 2010 den Zuständigkeitsbereich des Regierungspräsidiums Karlsruhe zwangsweise verlassen mussten. Wir waren schockiert, als wir am 10. Dezember am Flughafen selbst erfuhren, dass am 11. Dezember 2012 wieder ein solcher Abschiebetransport nach Serbien und Mazedonien geplant war. Diese Sammelflüge werden bundesweit organisiert und höchst diskret durchgeführt. Vom menschlichen Leid, der behördlichen Missachtung und der polizeilichen Willkür erfährt man nur gelegentlich. Diskretion ist Ehrensache. Nur wenige Demonstranten wiesen auf das Schicksal dieser Menschen hin, unter denen sich immer wieder viele Roma befinden.


In Serbien allein leben geschätzte 450.000 Roma, von denen 30% keinen Zugang zu Trinkwasser haben und 70% fern von jeder Kanalisation leben müssen. Oft sind sie dort Hassreden und rassistischen Parolen ausgesetzt. In deutscher Ministerialbürokratie, deren zuständiger Minister ein Herr Friedrich ist, will man Serbien und Mazedonien als sichere Herkunftsländer deklarieren, weil dann die Abschiebung moralisch gerechtfertigt sei. Die Asylanträge dieser Menschen werden nicht bearbeitet, weil man automatisch von Missbrauch ausgeht. Sogar in den Herkunftsländern wird von Asylbetrug gesprochen.
Und die Kinder?

Laut ECRI (das ist die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarates und der EU) haben diese Menschen keine Chance, eine Arbeit zu finden. Über 70% von ihnen sind allein in Mazedonien arbeitslos. Und am Flughafen Karlsruhe-Baden-Baden werden diese "Schüblinge" (wie die Bürokratie sie nennt) bis zum Abflug hinter Stacheldraht sichergestellt. Was sagt unser Grundgesetz dazu? Die menschliche Würde ist unteilbar??? Dass ich nicht lache! Wir haben, was die Scheinheiligkeit betrifft, schon längst das gleiche Niveau wie die anderen sogenannten Demokratien erreicht. Seien wir stolz darauf. Es macht sich eben doch bezahlt, dass wir nach Mallorca oder sonstwohin auswandern können, wenn uns etwas nicht mehr passt. Andere werden halt abgeschoben. Aus den Augen aus dem Sinn. So einfach ist das.