Dienstag, 20. Januar 2015

Wiener G'schichten - der tägliche Einkauf

Wer im Wiener Zentrum wohnt, kann ein Lied davon singen. Wenige Supermärkte teilen sich den Kuchen. Die einen wollen etwas besonderes sein, gehobenen Ansprüchen genügen. Die anderen sind eher proletarisch angelegt. Der Wiener kennt die täglichen Demütigungen für den gesunden Menschenverstand. Nicht nur wird man bei den weniger gehobenen Etablissements fast hinausgeworfen sobald man bezahlt hat und bevor man seine Sachen richtig verstauen konnte. Das Zweiklassensystem ist hier im Supermarktbereich sofort erkennbar. Andererseits wird man bei den etwas besseren Läden leicht penetrant auf Umstände hingewiesen, die von sekundärer Bedeutung sind: da lese ich auf dem Warenetikett eines 2,26 € "teuren" Rinderknochens, "in Österreich geboren und aufgewachsen, in Österreich geschlachtet und verarbeitet". Natürlich könnte ein Stück Rinderknochen auch in Ungarn geboren sein, in Vietnam aufgewachsen, in Haiti geschlachtet und in Österreich verkauft worden sein. Von Strümpfen und T-Shirts wissen wir, dass sie in den europäischen Warenhäusen, die auch gerne etwas für die Umwelt tun, verkauft werden und in China oder Thailand billigst hergestellt wurden. Das Herstellungsland ist dann so gut versteckt, dass man lange suchen muss, um es zu finden.


Mit anderen Worten: wir werden von morgens bis abends beim Einkaufen hinters Licht geführt, und das Empörende daran ist, dass man für dumm hält. Das Wort Bio, das heute auf fast allen Lebensmitteln thront, hat kaum noch Bedeutung. Das Inflationäre an dieser Geldmache erkennt man auch am Missbrauch des Wortes "frisch". Was ist frisch, wenn etwas über eine Woche im Regal herumliegt? Oder, wenn Obst und Gemüse in sogenannten Klarsichtverpackungen vor sich hinrotten, ohne dass bei Überalterung der Preis gesenkt oder die Ware rausgeschmissen wird? Bei Beschwerden, die eigentlich nicht sein müssten, meldet sich bei denen dann sogar das schlechte Gewissen, und man ersetzt die Ware ohne zu murren. Als Kunde und Käufer hat man das Recht, dies unwürdig und unverschämt zu finden. Dann wird man gefragt, ob man die Treuekarte besitzt, damit man vom Profit wieder ein paar Kopeken zurück erhält. Wie generös. Wer für sein Geld arbeiten muss, fühlt sich bei solchen Mätzchen gedemütigt und verschaukelt. Da es in Stadtzentren keine kleinen Lebensmittelläden mehr gibt, benehmen sich die Monopolmärkte wie kleine Potentaten. Der König Kunde bedeutet nichts mehr. Preise sind irgendwie abgesprochen und werden einfach diktiert.


Saisonale Schwankungen der Preise sind nur noch auf Wochenmärkten zu erkennen. Egal in welchem Zustand sich eine Obstsorte oder ein Gemüse befindet, die Preise variieren kaum noch. Die Tomaten sind halt gelblich im Winter. Ohne Geschmack. Die Kunden kaufen das. Das Kilo Äpfel, je nach Selbsteinschätzung des Ladens, auch wenn fast ungenießbar, liegt unerbittlich bei € 2,49 oder allenfalls 1,99. Das Selbstlob dieser Produkte wird als gegeben hingenommen. Diskutiert wird darüber nicht. Höchstens sieht man gelegentlich eine empörte alte Dame ein Produkt verärgert ins Regal zurückwerfen, weil es ihr zu teuer oder nicht gut genug ist. "Wir sind immer für sie da" heißt es dann pauschal. Ganz wie in der Politik. Nachdem die Tante-Emma-Läden schon lange nicht mehr lebensfähig sind, sollten wir den Superdelikatessengourmettempeln endlich sagen was uns nicht passt. Zum Beispiel die Frechheit, mit der Avocados, Mangos, Erdbeeren usw. zu Zeiten angeboten werden, wo sie alles andere als reif und appetitlich sein können.





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