Donnerstag, 24. Oktober 2013

Sex, mein letzter Wille, jedoch nicht ohne Pille

Sex hat es eigentlich nicht gegeben, wenn wir das Treiben der alten Griechen, geschlechtlich und gleichgeschlechtlich einmal außen vor lassen. Die katholische Kirche und ähnliche Einrichtungen haben jedoch nicht übersehen, dass es zwischen den Geschlechtern einen gewissen Drang zu einander geben muss, der nur schwer zu kontrollieren war. Also hat man von Beiwohnen gesprochen. "Er hat ihr beigewohnt". Das klang unverfänglich, und, damit keiner sah, was da los war, musste, streng katholisch, beim biblischen Zusammenkommen das Licht ausgemacht werden. Auch war jedes unnötige Herumpussieren verboten. Nur um der Kirche einen Nachkommen zu schenken, durfte die eheliche Pflicht ausgeübt werden. Die männliche und weibliche Unterwäsche war entsprechend lustlos. Lüsterne Omas und vor Testosteron strotzende Lüstlinge hatten es schon deshalb nicht leicht.


Im Rahmen der menschlichen Entwicklung hat es jedoch mehr oder weniger historische Sprünge nach vorne gegeben: Die Erfindung des Schuhs war ein solcher. Dann, die Entdeckung des Alkohols, das Schimpfwort als Auslöser für Kriege und schließlich die Buchdruckerkunst, die auch sofort für die Herstellung von Pornos missbraucht wurde. Telefon, Auto und Fotografie waren ebenfalls unvermeidlich zum Fortschritt der Menschheit. Die Erfindung des Fernsehens, die sich Deutschland und England heute noch streitig machen (wer war's denn wirklich?), muss in diesem Zusammenhang als Schritt zurück in die lallende Unwissenheit des homo sapiens angesehen werden. Und irgendwann dazwischen wurde sie erfunden: die Pille.

Die Pille? 

Die Erfindung der Pille gibt zwar keinen Anlass zu größeren Streitereien, aber der Österreicher Ludwig Haberlandt, der als Urvater der Pille gilt, wurde so angefeindet, dass er ein Jahr nach Veröffentlichung seines Buches (1931) Selbstmord beging. "Die hormonale Sterilisierung des weiblichen Organismus" wurde als respektloser Angriff auf alles Bisherige angefeindet, denn Haberlandt sah voraus, dass Zeugung als freiwillige und absichtliche Handlung und nicht mehr als schlichtes Beiwohnen verstanden würde. In den Sechzigerjahren brachten dann die Forscher in den USA den Durchbruch: die Pille wurde freigegeben. Nicht jedoch von der katholischen Kirche, die heute noch dagegen ist. So scheint es jedenfalls.

Das Verhüterli, das in Japan immer noch die Nummer eins ist (nur 1% der Frauen nehmen die Pille), hat wohl bewirkt, dass im Land der Geishas und Samurai AIDS wenig bekannt ist. Wir verliebtes Jungvolk aus Europa hatten da ganz andere Probleme. Kondome traute man sich nicht, in der Apotheke zu kaufen. Im öffentlichen Toilettenbereich versteckte man sich so lange bis keiner mehr da war. Die Angst, schwanger zu werden, saß uns allen in den Knochen, spätestens nach einem gelungenen Liebesakt, der die Liebenden für Augenblicke in den 7. Himmel heben konnte. Dann  kam das Zittern. Sehr oft hieß es: wir müssen heiraten. Abtreibungen amen einem Verbrechen gleich. Und HWG war der helle Wahnsinn. Juristen nennen HWG den häufig wechselnden Geschlechtsverkehr, gleichzusetzen mit Prostitution und Straßenstrich.

Heute leben wir entspannt und glücklich. Wir haben Sex, wenn wir das wollen, und keinen Sex, wenn nicht. Allerdings sind die Nebenwirkungen nicht unerheblich: Wenn auf der Straße gegen zwei Uhr morgens ein schweres Motorrad laut aufheult, ist es meist nicht das Motorrad, sondern ein testosterongeplagter Jüngling, dessen dusselige Gefährtin die Pille vergessen hat. Oder, wenn die Parade der 15jährigen mit Miniröcken, die am Nabel zu Ende sind, signalisieren sollen, dass die Pille nicht vergessen wurde. Dann heißt das: wir können Sex haben wann wir wollen und können, und keine Oma muss uns zur Keuschheit mahnen. Wie schön, dass der gute Weg immer noch irgendwo dazwischen liegt und die Pille uns befreit hat.


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