Dienstag, 15. Oktober 2013

Das Reifezeugnis - Wo bleibt der Wurm?

Herbszeit, Erntezeit. Reife Früchte, von wegen! Man muss nur in den Supermarkt gehen, um eines besseren belehrt zu werden. Als Junge ging ich in unseren Garten und testete das Obst. Der noch harte Pfirsich blieb am Bäumchen hängen bis er reif war. Die Kirschen, das versteht sich von selbst, mussten warten, bis sie dran waren. Da wurden die ersten bereits verkauft. Sie kamen aus dem Bühlertal oder aus einer Gegend, wo das Obst traditionell früh reift. Die Äpfel und Birnen, das war selbstverständlich, teilten sich in zwei Gruppen: das Fallobst, reif und wurmig, aber genießbar, und die reife Frucht, die so lange am Baum blieb, bis die Ernte angebrochen war. Manches Obst musste noch lagern, bis es essbar war.

Von Indien weiß ich, dass eine reife Mango köstlich schmeckt, sich aber nicht lange hält. Einen Wurm habe ich da auch noch nie entdeckt. Vergleicht man diese Frucht, die unter dem Namen "vorgereifte oder  faserfreie Mango" aus  Brasilien oder Südafrika hier angeliefert wird, stellt sich das kalte Grauen ein, denn dieses Zeug schmeckt wie ein Apfel, eine Birne, eine Tomate oder eine völlig unreife exotische Frucht. Nur der Stückpreis liegt bedeutend höher als für einen unreifen Apfel. Der Transport und die Unwissenheit des Kunden schlagen da zu Buche.


Gerade jetzt, im europäischen Herbst, scheint das Maß voll: Heidelbeeren, deren Waldreifezeit um ist, tragen jetzt grünliche Ärsche, werden in Miniportionen zu Wucherpreisen angeboten, was an Unverschämtheit grenzt, und Erdbeeren, so rot wie nie, verkaufen sich steinhart und haben keinen Geschmack. Die Liste lässt sich fortsetzen. Tomaten haben sich in Alljahresprodukte entwickelt, die zur Gelblichkeit neigen. Ob sie aus Holland, Spanien oder dem eigenen Land kommen, das Ergebnis ist zweifelhaft und trägt ebensoviele Namen wie der berühmte Schinken (Gourmet- Delikatess- Feinschmecker- etc.): Cherry- Strauch- Roma- Fleisch- Dattel- etc.) Manche müssen genetisch so umgedreht sein, dass sie sogar - im Unterschied zur geschmacklosen Mango - einen tomatigen Geschmack haben. Aber geblich werden sie gegen Weihnachten doch.

Was im Selbstbedienungsladen nicht zu haben ist, ist das Obst mit einem Wurm drin. Das wäre eine Art Reifezeugnis. Statt dessen ist der Wurm im Supermarkt. Wann wird der Verbraucher diesem Spuk ein Ende machen? Wann wird er sein Reifezeugnis erhalten?




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