Donnerstag, 30. März 2017

Wieso komme ich auf Gergiev?

Acht Jahre hielt er es am LSO aus. Dann zog er wieder weiter. Das Londoner Symphonieorchester und seine Anhänger waren nicht überwältigt, wenn man bedenkt, wie großartig Valery Gergiev, das russische Dirigiertalent, in seinen jungen Jahren Furore gemacht hat. London lobte ihn nicht. Er zeigte nicht sein ganzes Talent. Er schien eher eine Art Reisender in Sachen Musik zu sein. Ich will das nicht beurteilen. Musik ist ohnehin weitgehend Geschmacksache. Man denke nur an das Konzert für vier Helikopter von Stockhausen.

West Side Story 
Allerdings habe ich den Putin-Freund Gergiev in aufregender Erinnerung. Er hat zwar immer geleugnet, dass er und Putin Taufpaten ihrer jeweiligen Kinder seien, aber als Dirigent gehört er zu den ganz Großen, wenn man von den Halbgöttern Karajan, Otto Klemperer, Rattle, Leonard Bernstein, Claudio Abbado oder Toscanini einmal absieht. Jeder hat seinen Lieblingsdirigenten, der dann auch prompt die Lieblingskomponisten im Repertoir hat. Mein eigentlicher Wunderknabe war von Anfang an Bernstein mit seiner ganzen Bandbreite: Biblisches, Klassisches, Moderne und Jazz. Er hatte eine freundlich-männliche Art, seine Sachen zu dirigieren. Das ging von der eigenen West Side Story bis zu George Gershwin. Er war der erste Amerikaner, der als Taktstockschwinger, Pianist und Komponist Weltruhm erlangte. Er soll gesagt haben, für ein Projekt braucht man zwei Dinge: einen Plan und nicht genügend Zeit. Dafür liebe ich ihn. Seine Neunte von Beethoven, als die Berliner Mauer gefallen war, sitzt uns noch freudig-warm in den Knochen.

Ode an die Freude 
Herbert von Karajan, für den ein Freund von mir jahrelang bei den Berliner Philharmonikern geigte, blieb für mich immer ein in sich gekehrter, leicht verschlossener Schlangenbeschwörer mit einem leichten Ruch aus der Zeit des Dritten Reiches. Aber eben auch ein ganz Großer. Gerne erwähne ich auch Claudio Abbado, den ich nie dirigieren sah, aber traf, als er zusammen mit Walter Scheel das Europäische Musikjahr 1985 betreute, das Wolfgang Hildesheimer eine Schnapsidee nannte. Ob Musik und Schnaps zusammenpassen, erschließt sich daraus noch nicht.


Valery Gergiev ist zur Zeit in München am Dirigieren. Dann ist er der künstlerische Direktor der Sankt Petersburger Weißen Nächte, um nur ein Beispiel für seine vielfältigen Beschäftigungen zu geben. Ich muss ihn vor Jahren beim Dirigieren in Baden-Baden gesehen haben. Seitdem bin ich ein Fan von ihm. Mahler, Tschaikowsky, Wagner, Rimsky-Korsakow, sie alle sind in seinem Programm, das er vor allem auch der Jugend vemitteln möchte. Was mich am meisten an ihm fasziniert, ist sein Minenspiel und sein Fingerspiel. Gebannt schaue ich auf den Gebrauch seiner Finger, wenn er das Ende einer Ouvertüre heraufbeschwört oder einer Symphonie.


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