Samstag, 5. Mai 2012

Ich sah die Leiche

und beging einen entscheidenden Fehler: ich hatte kein Mobilfon dabei und fühlte mich zu müde, um die zwei Kilometer zurück zu gehen und im erstbesten Haus die Polizei anzurufen. Der tote Körper lag hinter einem Busch. Es war fast nacht, und man sah nicht, ob es ein Mann oder eine Frau war. Wie ich aus dieser Geschichte wieder heraus kam? Das verrate ich erst auf den letzten Seiten. Sicherlich muss ich mir Gedanken machen, ob ich leidenschaftliche Liebe, Eifersucht und tragische Verstrickungen mit einbauen soll, oder nicht. Ein bloßer Krimi, mit vielen Leichen und einer attraktiven Forensikerin, die in Blut und Gedärmen wühlt, ist eine Option, die mir persönlich etwas zu eklig vorkommt.




Also versteife ich mich auf einen Liebesroman. Ja, ich möchte einen Liebesroman schreiben und suche mühsam zusammen, worauf es dabei ankommt. Liebe, natürlich. Sex gehört auch dazu, denke ich mal. Ein Stück Naturschönheit: Begegnung am Watzmann, die schöne Fischerin vom Bodensee. Letzteres verwerfe ich als zu altmodisch. Ein wenig Kitsch, aber nicht zu viel. Spannung: Warum küsst er Marie zuerst, obwohl er eigentlich wie geschaffen für Melanie ist. Dabei fällt mir ein, dass Namen eine große Rolle spielen. Marie und Melanie sind keine glückliche Wahl. Wie wärs mit Jennifer (abgekürzt: Jenny) und Marie-Lou? Bei männlichen Namen habe ich keine Probleme: Kevin geht immer noch (trotz der leicht schwulen Note), und Jean-Luc bringt eine echt mondäne Note in die Sache.


Natürlich muss der Handlungsstrang zügig durchgeführt werden. Ein Schuss Sentimentalität, sogar Gefühlsüberschwang, ist erlaubt, jedoch keine unnötige Rührseligkeit, bitte! Am Ende müssen sich beide in die Arme fallen, beziehungsweise zusammen auf einer Bank sitzen und sich eine Art Jawort geben. Ob man damit auf einen Nobelpreis hoffen kann? Ich verschiebe den Plan zunächst, indem ich mir sage: Literarische Scheiße gibt's schon genug.

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