Mittwoch, 9. Mai 2012

Die Schnittblumenmafia - zum Muttertag

Wer den Muttertag erfunden hat, bleibt im Dunkel vorchristlicher Götterverehrung. Die Nazis machten daraus ein Instrument der Propaganda: "Ehre deine Mutter, denn sie schenkt uns Soldaten". So ähnlich war der Tenor. Wir kleine Jungs haben immer schon gut verstanden und fahren auf diesen Zauber noch heute voll ab. Mit einem rührigen Vater im Hintergrund, wird da schon mal zu FLEUROP geeilt, um den obligatorischen Strauß zu ergattern: Herzlichen Glückwunsch zum Muttertag. Als Mutter darf dann auch mal eine Großmutter oder Tante bedacht werden, wenn sie sich besondere Verdienste erworben hat. Gegen das alles will man nichts einwenden. Dennoch: wenn, wie bei Fleurop ("Die Welt braucht Blumen") die Preise zwischen 23 (darunter geht nichts) und 79 € (Oha!) schwanken, zuzüglich Lieferkosten, dann fragt sich der muttertagsgeprägte Knabe (Mädchen sind da weniger sentimental), ob es nicht andere Wege gibt, die blumengierige Mama zufrieden zu stellen.


Der Muttertagsgedanke ist schön. Die blumentechnische Vorbereitung darauf erinnert jedoch sehr an Weihnachten und Ostern, wo es mehr um Schokolade geht. In Frankreich hat sich schon lange der Brauch herausgeschält, am Vorabend des Muttertags (la Fête des Mères) mit einem Massenaufgebot an irrsinnig teuren Minimaiblumensträußchen an den Eingängen zu den Supermärkten auf die Tränendrüsen zu drücken. Die Blumenverkäufer scheinen einer Mafia anzugehören, die nichts anderes tut, als Geld aus dem teilweise schlechten Gewissen der Männer herauszupressen. Wie aufregend war es für mich als einzigem Sohn, die kleine Schwester schlief da noch, um fünf Uhr morgens mit Vater in den Wald zu gehen, um Maiglöckchen zu suchen. Die duftenden Sträuße (Kostenpunkt: Null DM) wurden Mutter stolz zum Frühstück präsentiert. Sie freute sich immer riesig. Hätten wir 79 € für einen Strauß Blumen hingelegt, hätte Mutter das empört zurückgewiesen: Solche Verschwendung! Demütigend für eine richtige Mutter, die nichts dagegen hat, einmal geehrt zu werden, aber, bitteschön, mit Stil.




Als wir alle bemerkten, dass eine international tätige Blumenmafia am Werk ist, um den Reibach aus den Taschen gutmütiger Väter und Söhne zu holen, brachen wir die Schenkerei ab. Wenn ich noch eine Mutter hätte (wie schön das wäre muss ich nicht sagen), erhielte sie von mir immer dann Blumen, wenn kein Muttertag ist. Dazu würde der Gang zum nächsten Gärtner oder in einen Wald genügen. Auf keinen Fall würde ich zu denen gehen ("Wir lieben Lebensmittel etc. etc.), die für den ewig gleichen Preis (1,99 €) das Mafiaprodukt aus Lateinamerika oder von sonstwo per Flugzeug einfliegen, wobei die armen Blumenpflücker mit ihrem Profit immer außen vor bleiben. Meine allerliebste, nicht mehr lebende Mama: danke, dass du mir den Verstand mitgegeben hast, Blumen als einen Ausdruck der Liebe zu verstehen.


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