Mittwoch, 30. Mai 2012

Toast Hawaii mit Ananasbowle

Ich hätte meine Heimat nicht so früh verlassen dürfen, um im Ausland zu arbeiten. Ja, die Austern habe ich mir am Sonntagsmarkt in Levallois gerne selbst ausgesucht. Auch die fetten Artischocken aus der Bretagne. Paris verwandelte sich sonntags in einen einzigen Markt. Kirchgang und Marché, wie viele kombinieren das heute immer noch. Dann, die Jahre danach, der Wochenendmarkt in Straßburg, Rue de la Marne. Dort gab es ein älteres Paar, Immigranten aus Italien. Sie hatten allerhand Leckereien, darunter den hauchdünn geschnittenen Parmaschinken, auch den San Daniele. Dann hörten sie auf. Ihr Stand blieb geschlossen. Ob sie wieder nach Sizilien zurückgingen?


Inzwischen sind so viele Jahre vergangen, doch der Gaumen erinnert sich an die Köstlichkeiten der Jugend. Da war keine gebratene Gänseleber darunter, auch kein Broccoli, und die Salatrauke, heute meist als Ruccola in aller Munde, hatte den Sprung aus dem Mittelalter auf unseren zeitgenießerischen Teller noch lange nicht geschafft. Statt dessen war eine Nachkriegsneuerung auf dem Tisch jeder fortschrittlichen Hausfrau: der Toast Hawaii. Auf eine möglichst ausladende Scheibe Brot kam etwas Schinken zu liegen (oder täusche ich mich da?). Darüber kam eine Scheibe Käse, darauf wurde eine Scheibe Ananas gelegt. Damit war der Exotik genüge getan. Das Ganze kam in den Ofen (Mikrowelle war noch nicht angesagt), wurde unverbrannt wieder zutage gefördert und bekam dann oft noch eine grüne Weintraube aufgesetzt die mit einem senkrecht in das Gebilde eingelassenen Zahnstocher arretiert wurde. Solches hat man dann mit Applaus entgegen genommen und mit Messer und Gabel verzehrt. Wo ist diese Köstlichkeit geblieben?




Die Ausgelassenheit der Gesellschaft ließ dann noch, je nach Jahreszeit, eine Waldmeisterbowle oder eine Erdbeerbowle folgen. Es durfte auch eine Ananasbowle sein. Bei einer schicken Einladung soll ich mal 16 Glas solcher Bowle getrunken haben. Oder war ich 16 Jahre alt? Oder beides? Der Hausherr musste mich spät in der Nacht in seinem silberglänzenden Mercedes nach Hause fahren. Ein Handy besaß damals niemand. Sonst hätte ich am nächsten Morgen die schöne Brigitte (der Name wurde von der Redaktion nicht geändert) angerufen und mich dafür entschuldigt, dass ich den ganzen Abend kaum ein Wort mit ihr gewechselt hatte. Dafür hat die Bowle viel zu gut geschmeckt. Verständlicherweise wurde ich von den reizenden Gastgebern nie mehr eingeladen.

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