Sonntag, 2. April 2017

Wetterköche, Kochwetter.

Zwei Lebenseinstellungen haben sich im allgegenwärtigen Fensehen für immer breit gemacht: Hier in Yorkshire, wo kaum einer einen Regenschirm mit sich führt, ist die Wettervorhersage ein gesellschaftlicher Zwang, dem sich keiner entziehen mag. Andererseits hat England, ja sogar das Vereinigte Königreich, aufgrund der allseits bekannten Reputation als Essmuffel unter den Ländern, einen solchen Kocheifer entwickelt, dass man kein Tagesprogramm hinter sich bekommt, ohne von ausgedehnten Kochorgien von früh bis spät behelligt zu werden.


Der Wind bläst oft so kalt und heftig, dass ein Schirm die falsche Waffe ist. Yorkshire-Kleidung ist die Antwort auf Regen und Schnee. Ganze Wasserlachen würden dem Opfer ins Gesicht gespült, gäbe es diese Plastikungeheuer nicht, die den Körper vor dem Schlimmsten bewahren. Das gilt auch für den obligatorischen Gang in das Moor oder die Yorkshire Dales, zwei gegensätzliche Herausforderungen, denen man sich hier gerne stellt. Abgebrühtheit in einer häufigen Nebelsuppe ist dann gefragt, wobei auch die Wellies nicht fehlen dürfen, denn die einsamen Wege sind übersät von immerwährenden Pfützen, die den Gummistiefel zum Must erheben.


Abgehärtet wie man ist, stößt man auch keine Jubelschreie aus, wenn plötzlich (und auch recht häufig) die Sonne durchbricht und aus der Nebelsuppe für Momente wieder eine strahlende Köstlichkeit an Wetter herbeizaubert. Obwohl die Gummisachen dann schnell lästig werden, denkt man gerne an den nächsten Schauer. Unsere Wetterköche haben jedoch zu jeder Stunde das Neueste auf Lager: etwas geschönt und ohne jeden Ärger werden die Bewegungen am Himmel aufgezeigt, oft mit Hilfe einer schönen Wetterkarte. Leichtes Nieseln, lebhafte Winde, ein wenig zu kühl und einige sonnige Einschübe (sunny spells). Ich habe den Verdacht, dass die Wettervorhersage eher ein Ritual ist, das den Bürger beruhigen soll. Daran glauben kann hier keiner mehr, zumal oft auch das Wetter von gestern erwähnt wird, das ja bekanntlich schon vorbei ist. Gegessen ist gegessen.

Nigella 
Kochen ist in England eine Religion geworden. Etwas zwischen cuisine traditionnelle und Couscous für Fortgeschrittene. Es gibt Abenteuer-Essplätze, wo das Klopapier auf der Toilette appetitlich gelb ist und außer Nordkorea alle Kochländer verteten sind. Ein bekannter Spitzenkoch holt seinen Fisch in Island, Raymond Blanc, der Autodidakt aus Frankreich, schwärmt im Fernsehen mit leichtem Akzent für die langsame Küche, während Nigella Lawson, eine hübsche, englischgeborene Fernsehköchin, Journalistin und Kochautorin mit 5 Kindern, mit ihren Salaten und sonstigen Zaubereien das Wasser der Zuschauer im Munde zusammenlaufen lässt. Kein Wunder, dass sie auch deutsche Wurzeln hat. Und Nigel Slater, der Naturverbundene, der dem Nationalhelden des schnellen Kochens, Jamie Oliver, diskret Konkurrenz macht. Es ist klar wie Kloßbrühe, dass die bunte englische Küche von heute den Status der Unterentwicklung längst hinter sich gelassen und jetzt den Ruf einer kulinarischen Weltmacht anstrebt.

Jamie mit Camilla 
Am wichtigsten für den britischen Esser ist jedoch der Master Chef, eine Sendung mit teilnehmenden Hobbyköchen, die nach und nach aus der Konkurrenz hinausgekocht werden. Bis auf einen oder eine, der/die dann irgendwo ein berühmtes Restaurant eröffnet. Die Königin scheint von alledem keine Ahnung zu haben. Wie lecker sie isst, bleibt ihr royales Geheimnis. Auch kann man sich immer noch nicht recht erklären, woher die Führungsrolle Englands in der Körperfülle stammt. Vom Wetter gewiss nicht. Vom guten Essen?






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