Samstag, 1. April 2017

Versteckte Mängel? Zahlen, bitte.

Wie hat es eigentlich begonnen? Das Schachern, Überreden, Verführen zu einem Kauf, den niemand wollte? Das massenhafte Anbieten von Waren, das Wecken von Wünschen und der lockende Anblick überhaupt. Seit wann gibt es das schon? Ich könnte mir vorstellen, dass in früheren Zeiten noch viel Scham, Ehrlichkeit und auch ein wenig Gewinnsucht im Spiel waren. Aber noch keine Supermärkte. Lüge hat sich dabei immer zu verbergen bemüht, denn man wusste um die kurzen Beine. Der Markt war überschaubar und schnell wie leergefegt, wenn er von einem echten Renner beflügelt wurde.


Dann setzte die professionelle Werbepsychologie ein. Der Konkurrenzkampf führte schnell zu Massenproduktion, Überangeboten und auch Ladenhütern. Die mussten verkauft werden. Amerika wartete ab den Fünfzigerjahren schon mit rücksichtslosen und ungewünschten Sonderangeboten auf. Cocacola etwa, oder Hulahoopreifen. Gut, Klopapier in Form von Rollen, wurde vom Markt sehnsüchtig erwartet. In Deutschland ließ sich zu dieser Zeit ein kleines Nonnenkloster zu einem Liefervertrag hinreißen, das den frommen Schwestern für 500 Jahre Klopapier zusicherte. Der Bischof musste damals persönlich eingreifen. Während die erste deutsche Klopapierfabrik 1928 in Ludwigsburg eröffnet wurde, kamen die Amerikaner schon 1958 mit den flauschigweichen kratzfreien Tissue-Rollen in Erscheinung, was den Hygienemarkt bis zur fünflagigen Ausführung reifen liess.

Fünflagig? 
Man muss jetzt nicht eine Kulturgeschichte des Klopapiers verfassen, oder gar von seinem Siegeszug um die Welt sprechen. Nur so viel: 1393 verbrauchte allein der kaiserliche Hof von Nanking geschätzte 720000 Blatt Toilettenpapier. Das muss nicht heißen, dass die Welt sich dem voll angeschlossen hätte. In manchen Ländern wird noch heute die linke Hand zum Reinigen verwendet, während die Rechte dem Essen und dem Händeschütteln vorbehalten ist. In der Bronzezeit gab es auch noch Pestwurzenblätter, die als Klopapier herhalten mussten. Die Bayern nennen diese jetzt seltene Pflanze heute noch Arschwurzen.

Rolle rückwärts 
Die amerikanische Werbeindustrie hat den Trick schnell herausgefunden: kleine Orangen in großen Mengen im Schaufenster gezeigt können teurer angeboten werden als große Apfelsinen in geringer Zahl. Die kleinen, zahlreichen suggerieren Niedrigpreis. Dieses Prinzip ist zum Alleinherrscher des Marktes geworden. Einen Rabatt gewähren, heißt, dass er wieder kommt, der Kunde, von dem man Treuebekenntnisse erwartet. Wenn nichts mehr hilft, wird ein Ausverkauf organisiert. Die Entwicklung von Läden wie Aldi und Lidl sprechen Bände. Bescheiden, fast demütig, fing es an. Dann wurde vergrößert, und es werden auch Machtspiele gespielt. Der Gründer von Lidl hieß Schwarz, der seinen Markt unmöglich Schwarzmarkt nennen konnte. Die Lidl Stiftung ist heute einer der größten Supermärkte der Welt, mit mindestens 3000 Märkten in Deutschland und je etwa 1500 in Frankreich und England, sowie Hunderte in den EUländern und Amerika. Über 300000 Angestellte, teilweise von Videokameras überwacht, mit unbezahlten Überstunden und dem Verbot, einer Gewerkschaft anzugehören. Solche Kritik ist in einem sinnigerweise als Schwarz-Buch bezeichneten Werk festgehalten. Wir sind keine Menschen mehr, sondern Konsumenten. Und lesen kann auch mal Schwarzarbeit bedeuten.

Lidl in Santorini 
Verstehen wir uns nicht miss: als Verbraucher sind wir an allem schuld: was wir konsumieren und was wir nicht. Deshalb müssen wir versuchen, hinter die immer neuen Tricks der Verkaufsindustrie zu kommen. Wenn das meiste Kapital der Welt in den wenigen Händen von 1% der Weltbevölkerung liegt, scheint mir die Zeit gekommen, die offenen und versteckten Mängel unserer Gesellschaft zu untersuchen und herauszuforden. Dann fällt uns sofort auf, dass eine seltsame Rasse von Möchtegern und Hättegern diese Welt regieren. Es ist nicht mehr unsere Welt, weil sie uns abgekauft wurde. Man hat uns einen Preis gemacht. Jetzt geht es ans Bezahlen der Rechnung.










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