Montag, 3. April 2017

Vorauseilender Gehorsam. Muss das sein?

Zu den aufregendsten Erscheinungen unseres Lebens gehört der Ungehorsam. Er macht die einen zu Helden, die anderen zu Opfern. Als "braves Kind" eingestuft zu werden, ist keine Schande, vor allem wenn der Gehorsam zu den klugen und sinnvollen Verhaltensweisen gezählt werden kann. "Führer, befiehl, wir folgen Dir" sagten in den Dreißigerjahren viele. Aus Angst? Aus Artigkeit? Aus vorauseilendem Gehorsam?  Jeder hatte seine Gründe. Aber auch jeder konnte NEIN sagen oder hätte es gekonnt. Unser Verhalten scheint mir eine Mischung aus Angst, Trotz und Auflehnung.

Tu das nicht! 
Doch wohin tun wir die Gehorsamen? Und die Ungehorsamen? In Mexiko wurden in letzter Zeit Dutzende von Journalisten ermordet, ohne dass auch nur eine der Untaten aufgeklärt wurde. Jetzt hat die Zeitung "Norte" ihr Erscheinen eingestellt, mit der Balkenüberschrift "AdióS", zynisch übersetzt mit "Tschüss". Schon für den Mut, die reine Wahrheit zu schreiben, mussten diese Journalisten ihr Leben lassen. Was soll ein Journalist denn schreiben, wenn nicht die Wahrheit? Da kann der Ungehorsam nichts mehr tun. Nur noch der Trotz oder Protest. Norte gab einfach auf, als einer ihrer Journalisten ermordet wurde.

Ein harmloses Beispiel des vorauseilenden Gehorsams begegnete mir in Frankreich, als Michael Gorbatschow die Sowjetunion näher nach Europa gebracht hatte und ein russischer Abgeordneter den Europarat benutzte, um pauschal den Westen zu beleidigen. Auch ich wurde als künftiger "Araber" beschimpft, was mich amüsierte. Eine TV-Journalistin berichtete mir, dass Wladimir Jirinowski für ein kurzes Interwiev 1000 $ von ihr haben wollte oder, wahlweise, eine Nacht mit ihr im Hotel.

Sie hat ihn getroffen. Ich zeige ihn nicht. 
Dann kamen jüdische Studenten aus Paris und protestierten gegen diesen Verrückten der liberal-demokratischen Partei. Abgesichert durch den eisernen Gartengrill vor dem russischen Konsultat, riss Herr Jiri Pflanzen aus dem Vorgarten, die er wütend gegen die Studenten schleuderte. Ich hatte vorsichtshalber und unautorisiert eine Kamera aufstellen lassen. Die Bilder waren damals eine Art Weltneuheit. Meine Vorgesetzten übten den vorauseilenden Gehorsam (so sah ich es) als ich das Material der Eurovision anbieten wollte. Mein zu erwartender Ungehorsam brachte in den Abendnachrichten der Welt über eine Milliarde Zuschauer, was damals noch als Rarität galt. Weder wurde ich vom russischen Reich, noch durch meine Vorgesetzten abgestraft. Dieser Kerl traf neulich Marine Le Pen, die französische Rechte, zu einem Gespräch. Ich hoffe, dass er ihr keine unzüchtigen Vorschläge gemacht hat. Den Amerikanern soll er gesagt haben: wählt Trump sonst gibt es Krieg oder so ähnlich.


Es gibt also viele Gründe, gehorsam zu sein. Nicht jeder Ungehorsam ist es wert. Aber auch ebenso viele, ungehorsam zu sein. Wer dieses Dilemma nicht schon als Kind erfolgreich durchgestanden hat, sollte besser einem Führer folgen, der es gut meint. Vorauseilender Gehorsam muss nicht schlecht sein. Aber Ungehorsam, vorauseilend, ist es auch nicht.






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