Dienstag, 4. April 2017

Der Engländer an sich. Oder, die Britin als solche?

Wer in England lebt, muss sich mit einer Rasse auseinandersetzen, die in manchen Gegenden schon selten zu sehen ist. Den Briten mit britischen Wurzeln, britischen Namen, und sonstigem britischen Äußerem, das man nicht anders als britisch bezeichnen kann. Doch keine rassistischen Abgrenzungen. London ist immer schon ein Schmelztigel der Menschheit gewesen. Wobei typisch englische Restaurants fast ausgestorben sind. Mehrheitlich haben die Londoner gegen den Brexit gestimmt. Das hat Gründe, und das wollen wir nicht vergessen.

Typisch? 
Auch Schottland, Wales und Nordirland, lassen wir Gibraltar einmal weg, sind spätestens nach dem Brexit-Referendum so etwas wie europäische Nationen geworden, denen nur noch der Reisepass fehlt. Hier, in Keighley, einem ordinären Städtchen in Westyorkshire, kenne ich ein exotisches Viertel mit einem herrlich exotischen Supermarkt, und fast nur indisch und pakistanisch herumlaufenden Menschen. Auch das sind Briten. Dazu kommen viele britische Menschen, deren Wurzeln irgendwann einmal in Afrika gewurzelt haben müssen.

Junge Britin? 
Unmöglich, zu sagen, was typisch britisch ist. Vielleicht das selbstbewusste Mundwerk der Frauen, die sich erlauben, über alles zu reden, auch über Sex? Oder manche Männer, die sich herzlich knuddeln, nur um zu zeigen, wie wohl sie sich fühlen? Der Humor, der nicht immer zum Totlachen ist? Der Kleidergeschmack, international schlampig-elegant bei den Frauen und etwas verschroben, bis hin zum grasgrünen Hemd mit Shorts und gelber Krawatte, bei den Männchen? Wer weiß das schon.


Eines ist sicher: das zerknautschte Selbstbewusstsein des Engländers hat durch das politische Gebrabbel im Laufe der Brexithysterie einen seltsamen Wandel erfahren. Das leicht gedämpfte, exkoloniale Selbstgefühl der letzten Jahre scheint einen euphorischen Aufschwung  zu nehmen, wenn es darum geht, die neue Nation des Ex-EU-Daseins neu zu orten. Das Gefühl, Britain wieder groß gemacht zu haben, kann Blüten treiben: europäisch kann jetzt leicht verächtlich klingen.  Wer wir sind und was wir sind ist noch nicht gefestigt. Viel Illusion und Selbstüberschätzung scheint die neuen Briten zu beflügen. Solange sie als Land noch nicht ihren Platz gefunden haben, erscheinen sie etwas wild und unberechenbar. Ein Krieg wegen Gibraltar ist aber nicht vorgesehen. Die Aufbruchstimmung der Schotten werden wir auch noch unter Kontolle bringen.


Die Essiggurke von London 
Solange wir die Königin noch haben, besuchen wir Weihnachtsmärkte, die deutscher nicht sein können, lernen wir kochen wie die Franzosen und machen Pizzas, von denen ein Italiener nur träumen kann. Ferien an der Costa Brava sind ein immerwährender Traum. Ein Verdacht stellt sich ein: Vielleicht ist der Brite, der bis zu 20mal am Tag Sorry sagt, und immer ein freundliches Lächeln zeigt, einfach nur ein hundsgewöhnlicher Europäer, der sich ein wenig von den anderen unterscheiden möchte. Es lebe das Vereinigte Königreich von Großbritannien!





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen