Henry Moore und Alberto Giacometti

Eigentlich hat mich Alberto Giacometti immer ein bisschen mehr fasziniert als sein Zeitgenosse Henry Moore. Der gebürtige Graubündner, der mit seinen mehr als asketischen Figuren jedem sofort auffällt, scheint leichter im Skultpturengedächtnis zu haften, als der üppig-kantige Henry Moore mit seinen Rundungen und Familienszenen, die vielleicht auch von einem anderen Bildhauer stammen könnten. Giacometti sprang mir in die Augen, vor vielen Jahren, im Baseler Kunstmuseum. Eine seiner Skulpturen stand nicht weit von einem Hodlerbild, gleich am Eingang.

Giacometti: Männlein

Giacometti: Weiblein

Es ist die Sparsamkeit seiner Figuren, die das Auge bannt. Surrealismus könnte das richtige Wort sein. Schließlich hatte Giacometti in Paris auch Kontakte mit Max Ernst, Pablo Picasso, Mirò und anderen. Seine hauchdünnen Männchen und Weibchen sind überall zu sehen. Irgendwie scheint Giacometti mit seiner Kunst das Wesentliche an einem Körper heraus zu meißeln. Es könnte auch sein, dass er das Wesentliche weglässt. Was wäre dann? Spindeldürr sind seine Werke allemal, jedenfalls die dünnen, an denen jedoch alles dran ist.










Henry Moore war immer der  öffentlich Anerkannte, von dem heute in über 60 Städten etwas Abstraktes sichtbar ausgestellt ist. Seine bronzenen Skulpturen haben Großbritannien modernisiert. Jeder kennt diese abstrakten Figuren, die Familien bilden oder total verfremdet figürliche Gestalten schaffen.  Moore und Giacometti haben etwas gemeinsam: ich wohnte zwei Jahre in der Schweiz, nicht weit von Graubünden. Jetzt wohne ich in der Nähe des Geburtsortes von Henry Moore, bei Leeds.

Henry Moore: Maquette for recycling (No 2) 

Beiden fühle ich mich verbunden. Giacometti, der Geheimnisvolle, Moore, der Sohn eines Bergarbeiters, der die Sicht auf die Menschen neu bestimmt hat. Meine Generation fühlt sich durch beide zutiefst getroffen. Ich vermag nicht, dieses genauer zu bestimmen. Henry Moore scheint uns stärker gegegwärtig, während Alberto Giacometti leicht im Hintergrund verschwindet.

Henry Moore: Liegende