Donnerstag, 2. März 2017

Wir haben große Fehler gemacht. Was kommt jetzt?

Ich gehe einmal davon aus, dass wir alle Demokraten sind und unsere Rede- und Gedankenfreiheit lieben. In Deutschland war die Sache klar: nach dem 2. Weltkrieg haben wir uns mühsam und erfolgreich hochgerappelt. Die Lebensmittelkarten verschwanden, der Hunger ließ nach. Die Fresswelle setzte ein, und bald hatten wir volle Autobahnen. Demokratisch gesehen, wurden wir in rührender Weise und mit Erfolg von den USA missioniert. Sie brachten uns die Spielregeln bei. Als gelehrige Schüler haben wir dann im deutchen Westen solide Verhältnisse geschaffen, während der Osten Deutschlands, oder was davon übrig geblieben war, in die russisch dominierte Teilung gedrängt wurde. Im Westen war der Kommunismus verpönt, in der DDR verdrängte man die nationalsozialistische Vergangenheit weitgehend. Statt sich zwischen Ost und West kalt zu bekriegen, wurden wir 1989 vom Eisernen Vorhang befreit und 1990 unter tränenreichem Jubel wiedervereint. Dann kam Angela Merkel, die heutige Mutter der Nation und angeblich mächtigste Frau der Welt. Sie ließ knapp eine Million Hilfe suchender Flüchtlinge ins Land, was uns international den Ehrentitel eines gastfreundlichen Landes einbrachte.


Dass heute Alt-und Neonazis ihre rechten Köpfe aus dem Sumpf recken, könnte mit unserer leicht vergammelten Demokratie zusammenhängen. Sie erlaubt die lauten Töne all derer, die zu kurz gekommen scheinen. Sie wurden nicht zu Millionären, ihr Arbeitsplatz ist in Gefahr, die vielen Ausländer und Muslime machen sie unsicher, und ihr Sexleben verliert beim Anblick zweier sich liebender Männer den Boden unter den Füßen. Also ist alles scheiße und verdient lauten Protest. Leider haben auch Länder, denen der Jahrzehntelange Kommunismus den Patriotismus versagte, verspätet den Nationalismus entdeckt. Polen, Ungarn, Russland, Serbien sind einige Beispiele. Im Westen wird es dann nachgebräunt: der Brexit von Großbritannien, Holland und auch Frankreich, wo die scheinheilige und rührige Le-Pen-Tochter ins chauvinistische Horn stößt. Doch noch liegt auch ein politischer Neuling, Emmanuel Macron, von der Partei En Marche! im Rennen. Auf ihn setzen sich die verzweifelten Hoffnungen.

Fräulein Chauvi 
 Um Deutschland würde ich mir keine besonderen Sorgen machen, solange die rechte Soße mit weniger als 10% unter der demokratischen Gürtellinie bleibt. Frankreich jedoch gibt zum Pessimismus Anlass. Wenn die regierungsfähigen Parteien etwa Marine Le Pen in ihren Kreis aufnehmen, kann es für eine Regierung gefährlich werden, denn diese Dame möchte den Euro abschaffen, die vielen Muslime (ca. 8 Millionen) loswerden und womöglich die EU zum Scheitern bringen. Bei einem Viertel arbeitsloser Jugendlicher sind im Wahlkampf schnell Versprechungen gemacht, die keiner einhalten kann. Die deutsch-französische Freundschaft wäre dann schnell im Eimer.

Lieber Fromage als Farage 
Wer nach England schaut, ist verwirrt über die arrogante Einstellung konservativer Kreise, die den Brexitvorgang alleine und zu selbstbewusst durchpeitschen wollen. Dabei müssen die anderen 27 EU-Länder mitbestimmen, und das Inselreich könnte einen zu hohen Preis zu bezahlen haben. Die Außenpolitik mit Boris Johnson und das ausländerfeindliche Geschrei von Leuten wie Nigel Farage sind alles andere als seriös. Wie Schottland sich verhalten wird ist auch nicht klar. Also: England auf dem Weg nach Rechts? Klingt fast unglaublich, doch Politiker in Bedrängnis sind unberechenbar. Das wissen wir von vielen Ländern. Und die traditionelle Rechtslastigkeit schien mit dem europäischen Einigungsprozess überwunden. Und jetzt dieses. Noch wird auf den sprichwörtlichen britischen Commonsense gezählt, doch wer kann da sicher sein? Lasst uns nicht vergessen, dass im "demokratischen" Amerika gerade einer eine Mauer errichten will und weißgott sonst-noch-alles verspricht.




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