Montag, 27. Februar 2017

Infoschrott - es wird zu viel!

Meine Neugier hat sich nie in die Handtaschen und Puderdöschen meiner Geliebten begeben. Der Respekt, auch vor den weniger Geliebten, hielt mich immer davon ab. Ich weiß nicht, was Cath in ihrem Täschchen herumträgt. Ein Taschentuch vielleicht? Die Hausschlüssel? Eine Trillerpfeife gewiss nicht, denn sie ist nicht ängstlich.


Doch in letzter Zeit klagen wir beide über ein seltsames Suchtverhalten. Kaum ist Cath zuhause angekommen, zieht sie ihr rotes I-Phone aus der Tasche und tippt daran herum. Dann sage ich ihr, dass Donald Trump nicht zum traditionellen Pressegespräch im Weißen Haus kommt und der Guardian jetzt zu den media non grata gehört, obwohl die Zeitung zu den besten der Welt zählt.  Weiß ich doch schon, flötet sie ungeduldig und legt ihr I-Pad beiseite.

Jetzt kommt meine Testfrage: wusstest du, dass W. Auden, der englische Dichter auch Amerikaner war und mit einem Freund zusammenlebte, sozusagen, mit der Liebe seines Lebens? Ich hatte in der Nacht "auf Ohr" eine interessante Radiosendung darüber von BBC Radio Four gehört. Sie wusste auch das. Meine eigene Sucht nach Neuigkeiten und alten Hüten rührt daher, dass auch ich in den Medien tätig war. Neben der täglichen Berieselung durch die Presseagenturen, die noch per Telex geschah, erhielt ich 4 Tageszeitungen: die Süddeutsche, le Monde, El País und die FAZ. Auch wenn ich oft erst gegen Abend dazu kam, sie zu überfliegen, hatte ich auch noch die Nachrichten der ARD und von TF 1 unterzubringen. Persönliche Interessen, wie etwa das Liebesleben des spanischen Königs oder, wer gerade für einen Oscar nominiert wurde, durften ebenfalls nicht ganz unter den Tisch fallen.

Lüge? Wahrheit? 
Das alles haben Cath und ich bravourös gemeistert. Wir waren den Anforderungen gewachsen und wunderten uns nur, dass es so vieles gab, von dem wir noch nie ewas gehört hatten. Das musste akzeptiert werden. Dann kam die Zeitenwende mit dem weltumspannenden Wissen, das unaufgefordert über das Internet, Facebook, Twitter, E-Mail, I-Pad usw. in unsere Privatsphäre drang. Seitdem müssen wir unterscheiden zwischen Wichtig und Unwichtig, Lüge und Wahrheit, Historisch und Banal.

Das Selfie des Papstes? 
Da ich nicht mehr täglich mit Journalisten zu tun habe, kann ich selbst bestimmen, was mich interessiert. Ist es der Rosenmontagszug in Mainz? Oder, ob Julio gerade in Barcelona gelandet ist und facebooked, it's sunny? Das Foto mit dem Papst, der sein erstes Selfie macht und von Nonnen begrüßt wird? Das ist wohl ein Fake, natürlich, aber dennoch irgendwie sehenswert? Oder: das kleine Mädchen, das einem Straßenmusiker mit Bassgeige, im Frack, eine Münze in den Hut wirft und dadurch belohnt wird, dass er die Europahymne spielt und nach und nach ein ganzes Orchester auf die Straße tritt. Dazu noch ein Chor? Rührend, überraschend, originell, einmalig. Ist das wichtig oder nicht? Du entscheidest, wie wohl schon Tausende anderer entschieden und ihre LIKES verschickt haben.

Ist das nicht Höcke? 
Wir hängen an dieser Angel und müssen haushalten mit unserer Neugier. Unserem Wissensdurst und unserer Zeit. Und unseren Geschmack herausarbeiten. Bei allem sind wir plötzlich allein. Sollen wir Donald hassen oder ihn ignorieren? Was machen wir mit dem Höcke oder dem unsäglichen Farage, hier in England? Cath und ich haben uns jetzt vorgenommen, selbst zu entscheiden, was uns interessiert und wieviel Zeit wir verschwenden wollen. Schließlich gibt es noch Wichtigeres als Internet mit seinen tsunamiähnlichen Infoergüssen, die schnellsten vergessen sind. Wirklich?










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