Freitag, 24. Februar 2017

Hinterm Vorhang - The Man Behind the Curtain.

Zehn Monate Wartezeit, bevor man reingelassen wird. Der Mann hinterm Vorhang hat ganz sicher ein Messer in der Hand und eine Schürze um. Viele haben ihn im Fernsehen gesehen. In England ist das eine Empfehlung, denn viele sind kochend und plaudernd so prominent geworden, dass sogar die französischen Michelin-Sterne-Verteiler genauer hinschauen. Ein bis drei Sterne, mehr gibt es da nicht. Frankreich gilt als Heimat der krönungswürdigen Essplätze, während andere Länder sich sehr anstrengen müssen, um endlich mal einen zu bekommen. Drei-Sterne-Restaurant ist also das Non-plus-ultra. Michael O'Hare ist ein Essabenteurer. The Man Behind the Curtain in Leeds ist sein Werk.


Ich habe meine Esserfahrungen eher auf der Straße gemacht, denn die Menschheit teilt sich - gastronomisch gesprochen - in zwei Teile: die einen essen etwas Gutes und wollen es immer wieder neu auf dem Teller haben. Die anderen sind kleine Abenteurer. Sie gehen auf Entdeckungsreise und legen ihre Geschmacksnervenzusammenbrüche getrost beiseite, um immer wieder Neuland zu betreten. Wie meine damals dreijährige Enkelin Maite. Als wir an einem Gasthaus vorbeifuhren, in dem wir mit ihr ein paar Tage zuvor gegessen hatten, sagte sie : Opa, das ist der Ochsen. Hier kann man gut essen. Recht hatte sie, die Kleine. Heute liebt sie gutes Essen. Zwei Prinzipien, die sich nicht beißen. Das Bewährte und das nie Dagewesene.

Das Box Tree in Ilkley 
Cath und ich wohnen in West Yorkshire, nicht allzuweit von Leeds. In der Nähe aßen wir neulich, in einem 1-Sterne-Resto namens Box Tree in Ilkley. Eigentlich ganz gut. Der Sommelier aus Frankreich hatte seine Sache gut gemacht. Wir versprachen, wieder zu kommen. Jedoch hatten wir etwas Glück mit dem anderen Michelin-Restaurant in Leeds, denn es gab eine Annullierung, und wir konnten schnell einspringen. Ehrlich gesagt, ist eine zehnmonatige Wartezeit für einen Tisch für mich unattraktiv. Wer weiß, ob sich so etwas überhaupt lohnt.

Die Auster: köstlich 
Ich las einige Kritiken. Die erste besagte, dass das Personal nicht hilfreich sei und das Essen unter aller Kanone. Der Kritiker, so streng und kompetent er auch sein mag, muss sich total vertan haben. Cath und ich haben es genossen. Wir erlebten eine Achterbahn der Genüsse, bis hin zu der Schokoladesoße mit Kartoffelschnee. Wir gerieten in einen Strudel voller Überraschungen. Aesthetisch präsentiert, etwa 10 kleine Gänge, jeder wie ein Kunstwerk präsentiert von angenehm-freundlichen Helfern.

Schwarzer Kabeljau 
Wir nahmen die große Auswahl kleinster Portionen. Cath ließ sich zu jedem Gang den passenden Wein kredenzen, während ich ziemlich lange an meinem Champagnerglas nippte, etwas später einen weißen Prinz von Hessen zu mir nahm, um dann mit einem köstlichen Glas Rioja abzuschließen.

Weiß nicht mehr was das war! 
Nein, zur exotischen Zusammenstellung von Austerportionen, Gänseleberhappen, Fleischfetzchen und Geschmacksbömbchen möchte ich nicht viel sagen. Sie sprechen für sich selbst. Die Kühnheit der Kompositionen grenzte an abstrakte Grafitti-Einfälle, die uns aus dem Erstaunen kaum entließ.

Und, und, und 
Cath erwähnte dann noch das quittengelbe Klopapier, das ich selbst nicht zu sehen bekam. So betrachtet, hat der Meister, der noch unter 40 ist, etwas gelandet, was mühelos zu den abenteuerlichen Unternehmungen eines weltweit einmaligen Kochkünstlers zählen darf. Michelinsterne haben damit wenig zu tun.


Ob es geschmeckt hat? Aber, ja doch!


Nachtrag: so sieht das Klopapier aus. Auch daran hat man gedacht.










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