Mittwoch, 1. Februar 2017

Das Kind fällt in den Brunnen: Zum zweiten Mal.

Vielleicht sollte ich mich doch nicht einmischen. Ich bin im zweiten Jahr mit Cath in Yorkshire und sehe täglich, was in den Zeitungen, im Fernsehen und in den sozialen Medien so abgeht. Das Vereinigte Königreich ist ein zutiefst europäisches Land, allerdings mit einem leichten Inseltick. Das Geflirte mit Donald Trump, in das eine Theresa May durch ihren Besuch in Washington hineingeschlittert ist, scheint in einer peinlichen Ausladung zu enden, wenn man dem Gefühl eines Landes Beachtung schenken darf. Überall knarrt und stöhnt es. Nichts scheint endgültig, außer dem Entschluss, die Europäische Union zu verlassen.

Fähnchenschwingen ist immer blöd
Diese Entscheidung schien im Juni 2016 getroffen, als das Land mit leichter Mehrheit per Referendum beschloss, Europa zu verlassen. Manche es empfanden es so. Doch, wenn ich das richtig verstanden habe, haben nur 27 Prozent der Gesamt-Bevölkerung überhaupt an der Abstimmung teilgenommen. Die Jugend, die Schotten, die Londoner waren da schon anderer Meinung. Cath und ich nahmen sogar an einer Anti-Brexit-Demonstration in London teil, die von Jugendlichen veranstaltet wurde.


Heute ist nun der Tag, an dem nocheinmal entschieden werden muss. Es geht ums Parlament, das durch höchsten richterlichen Beschluss die Premierministerin May dazu zwang, die Zustimmung vom Willen des Parlaments abhängig zu machen. Wohl gegen einige Stimmen der Labour Party und der schottischen National Party wird die Abstimmung über die sofortige Anwendung der Artikels 50 zum Austritt über die Bühne gehen. Dann wird der Teil der Bevölkerung, der über die EU so gut wie nichts weiß, und der andere Teil, der nur aus Wut über die Unfähigkeit der eigenen Politiker gegen Europa stimmte, den endgültigen Austritt eingeleitet haben.

Wut über Unfähigkeit 
Da wir, ich dreißig Jahre lang, und Cath mindestens 15 Jahre, für Europa gearbeitet haben, mutet es seltsam an, hier eine durch Unwissenheit und feindliche Europagesinnung geprägte Ablehnung festzustellen, wobei das Land über Jahrzehnte hinweg sich nicht mit der Problematik Europa ernsthaft auseinandersetzte. Die Möglichkeit, an Reformen und Verbesserungen mitzuwirken, wurden systematisch ignoriert. Dabei haben gerade seit der Brexit droht, die Bedenken zugenommen. Werden wir einen harten Hinauswurf bekommen, oder einen sanften Eintritt durch die Hintertür erhalten, ist die bange Frage, die seit Monaten gestellt wird. Wird Großritannien außerhalb der Europa-Union eine neue Rolle als Global Player erhalten und einen wirtschaftlichen Aufschwung erfahren? Oder wird die EU verhindern, dass das Land auf einen grünen Zweig kommt?

Manchen dämmert es 
Es darf gerätselt werden. Amerika scheint zur Zeit keine Option zu bieten. Die Lage unter dem neuen Präsidenten ist eher verworren. Da ist nichts Vernünftiges zu erwarten. Man klammert sich an die vage Hoffnung, dass sich ohnehin nicht viel ändern wird. Wenn also heute der Artikel 50 der Austrittsbestimmungen angewandt werden sollte, wovon man ausgehen muss, darf behauptet werden, dass Großbritannien das Kind jetzt zweimal in denslben Brunnen hat fallen lassen. Ob das dem Lande gut tut?

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