Die Ungarn sind ein liebenswertes Volk. Ich habe einige am Ende des Krieges, 1945, kennengelernt. Fünf ungarische Flüchtlinge wurden uns zugeteilt: Ein Großvater mit seiner Tochter und deren drei kleinen Mädchen. Wir teilten unsere Küche mit ihnen und es dauerte nicht lange, bis wir einen für uns Kinder besonders kulturellen, kulinarichen und sprachlichen Austausch begannen. Ich lernte sogar den Anfang eines ungarischen Liedes. Awla kumban....oder so. Wir wurden Freunde.
In der Nachkriegszeit gab es noch kein Fernsehen. Das Radio war das akustische Fenster zur Welt. Die deutsch-ungarische Musikwelt war besonders populär. Die Julischka, die Julischka aus Buda-Budapescht, die hat ein Herz aus Paprika, das keinem Ruhe lässt....Wir alle liebten diese Mischkultur, die einen Bogen schlug zwischen Berlin, Wien und Budapest.
Dann kam der Aufstand gegen die Unterdrückung durch die Sowjets. Wieder gab es 1956 massenhaft Flüchtlinge. Ich verliebte mich in ein ungarisches Mädel namens Esther, das dann nach Kanada auswanderte. Die österreichisch-ungarische Welt war längst untergegangen, als Gorbatschow, der Präsident der Sowjetunion, das nahende Ende der Ost-West-Spannungen erkannte und das Aufbrechen des Eisernen Vorhanges an der ungarischen Grenze zuließ, was vielen ostdeutschen und anderen Flüchtlingen den Wechsel in den demokratischen Westen ermöglichte. Doch die Welt drehte sich weiter, und heute ist Ungarn Mitglied in der Europäischen Union.
Noch davor, im November 1990 wurde Ungarn als 24. Mitgliedsstaat in den Europarat aufgenommen, was die Anerkennung der Europäischen Menschenrechtskovention zur Bedingung hatte. Ungarn auf dem Weg zu einer parlamentarischen Demokratie. Was inzwischen geschehen ist, kann nur als Rückkehr oder Wiederentdeckung des verspäteten, allzulange unterdrückten Nationalismus erkannt werden. Viktor Orbán ist der Regierungschef, seine Regierungsweise irritiert zunehmend die anderen EU-Partner, denn Antisemitimus, Aushebelung demokratischer Strukturen und Fremdenfeindlichkeit bestimmen mehr und mehr die Tagespolitik. Inzwischen hat der Ministerpräsident gegenüber Europa einen Ton angeschlagen, den man als feindlich bezeichnen könnte. Der politische Stil ähnelt dem eines Donald Trump.
Brüssel beobachtet diese Entwicklung mit wachsender Sorge. Eine gewisse Zurückhaltung seitens der EU kann noch als übergroße Nachsicht gewertet werden, während andere schon die Ruhe vor dem Sturm befürchten, denn Alleingänge der ungarischen Art können nicht einfach hingenommen werden. Was man sagen kann ist, dass Ungarn auf der Suche nach einer eigenen Identität im Rahmen der EU-Länder eher am Taumeln ist, als auf dem Weg zu einer Integration in das europäische Wertesystem. Es wird nicht lange dauern, dann müssen die entschiedeneren Europäer Länder wie Ungarn, aber auch Polen und andere vor eine Wahl stellen: entweder Europa oder Auf Wiedersehen.
Es mag frivol klingen, von einem europäischen Wertesystem zu sprechen. Doch die stürmische Vergangenheit hat die Europäer in eine gemeinsame Richtung gehen lassen, von der sie nicht ablassen können: Offene Grenzen, rechtsstaatliche Verhältnisse, Menschenrechte, Schutz von Minderheiten, zu denen auch die vielen Romas in Ungarn gehören, offene demokratische Strukturen und wachsende Gerechtigkeit allen gegenüber. Wenn es geht, mehr Wohlstand für alle und größere politische Einheit angesichts der Herausforderungen unserer Zeit.
Ungarische Tänze von Brahms oder von Orbán? |
Dann kam der Aufstand gegen die Unterdrückung durch die Sowjets. Wieder gab es 1956 massenhaft Flüchtlinge. Ich verliebte mich in ein ungarisches Mädel namens Esther, das dann nach Kanada auswanderte. Die österreichisch-ungarische Welt war längst untergegangen, als Gorbatschow, der Präsident der Sowjetunion, das nahende Ende der Ost-West-Spannungen erkannte und das Aufbrechen des Eisernen Vorhanges an der ungarischen Grenze zuließ, was vielen ostdeutschen und anderen Flüchtlingen den Wechsel in den demokratischen Westen ermöglichte. Doch die Welt drehte sich weiter, und heute ist Ungarn Mitglied in der Europäischen Union.
Viktor Orbán |
Brüssel beobachtet diese Entwicklung mit wachsender Sorge. Eine gewisse Zurückhaltung seitens der EU kann noch als übergroße Nachsicht gewertet werden, während andere schon die Ruhe vor dem Sturm befürchten, denn Alleingänge der ungarischen Art können nicht einfach hingenommen werden. Was man sagen kann ist, dass Ungarn auf der Suche nach einer eigenen Identität im Rahmen der EU-Länder eher am Taumeln ist, als auf dem Weg zu einer Integration in das europäische Wertesystem. Es wird nicht lange dauern, dann müssen die entschiedeneren Europäer Länder wie Ungarn, aber auch Polen und andere vor eine Wahl stellen: entweder Europa oder Auf Wiedersehen.
Es mag frivol klingen, von einem europäischen Wertesystem zu sprechen. Doch die stürmische Vergangenheit hat die Europäer in eine gemeinsame Richtung gehen lassen, von der sie nicht ablassen können: Offene Grenzen, rechtsstaatliche Verhältnisse, Menschenrechte, Schutz von Minderheiten, zu denen auch die vielen Romas in Ungarn gehören, offene demokratische Strukturen und wachsende Gerechtigkeit allen gegenüber. Wenn es geht, mehr Wohlstand für alle und größere politische Einheit angesichts der Herausforderungen unserer Zeit.
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