Der deutsch-französische Journalist und Publizist soll vor 2 Jahren gesagt haben, wir lebten in einer Zeit der Verblödung. Er stellte damals fest, dass unser politisches Personal in Europa ausgezehrt sei. Dieser großartige Weltenbeobachter starb mit 90 Jahren, hatte vieles erlebt und geschrieben. Ich scheute mich immer ein wenig, wenn ich ihn sah, denn ich hielt ihn für einen geborenen Pessimisten. Er sah viele sterben, darunter war auch eine Tante in einem Konzentrationslager. Die Nazis stuften ihn für als Halbjuden ein. Für andere war er Franzose oder Deutscher. Er starb mit seinen beiden Staatsbürgerschaften und vier verschiedenen Wohnsitzen, die er regelmäßig aufsuchte. Sein Urteil, nicht nur was die zahlreichen beschriebenen Länder und Völker betrifft, sondern auch den "Gang der Dinge" im Allgemeinen, fand immer höchste Beachtung.
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Peter Scholl-Latour |
Es gibt alarmierende Kriterien für sein Urteil über die Verblödung unserer Zeit. Wir müssen uns natürlich fragen, ob Scholl-Latour da nicht ein wenig übertrieben hat. Oder, im Gegenteil, meinte er gar die völlige Debilisierung unserer Gesellschaft? Woher kommt sie? Goethes Spruch, dass gegen Dummheit Götter selbst vergebens kämpfen, behält seine Bedeutung. Doch erklärt es vieles nicht. Wo man sicher nachbohren könnte, ist das Fernsehen: erstens bringt es Amerikaner und andere Glotzer zu täglichen 3-4 Stunden passivem Empfang. Und zweitens scheint das TV nicht mehr den Ehrgeiz zu haben, gut zu informieren, zu unterhalten und zu bilden. Viele Erdenbürger verbringen täglich genausoviel Zeit am Steuer, um zur Arbeit und wieder nach Hause zu gelangen. Kann also bis zu 8 Stunden Passivität bedeuten. Dann bleiben im Idealfall gerade noch 8 Stunden Schlaf. Wenig Platz für Bildung und Wissen.
Suchen wir weiter. Die Werbung will uns zum Kauf von meist unnötigem Schnickschnack verleiten. Oberstes Gebot: Gewinn. Die psychologischen Mittel der Werbung sind inzwischen auf das Niveau von Neandertalern herabgesunken. Der Neandertaler konnte zwar nicht lesen und schreiben, aber bei seiner Intelligenz die jeweils notwendige Entscheidung treffen. Seit Buch- und Zeitungsdruck haben wir Zugang zum Wissen, immer und überall. Aber oft keine Zeit mehr. Unser Gedächtnis wird dazu noch übermäßig durch zu viele Eindrücke (Bilder und Informationen) belastet, sodass wenig hängen bleibt. Das Internet, an dem die Generationen jetzt hängen, verstärkt diese Entwicklung. Eine emotionale Diarrhoe ist jederzeit möglich. Auch ein Tsunami, auf dem die Wellenreiter vom rechten Rand besonders gut surfen. Das wird heute international sofort verstärkt.
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Boris, wo sind deine 350 Millionen geblieben? |
Wieso ist das politische Personal in Europa dann ausgezehrt, wie Peter Scholl-Latour sagte? Ein kleines, fast harmloses Beispiel einer führenden Politikerin aus Deutschland: Die Lage in der Türkei, wo ein Minidiktator gerade die Weltbühne zu betreten scheint,
beunruhigte bis vor kurzem Angela Merkel noch. Jetzt setzt sie einen drauf und gibt sich
alarmiert. Das ist die verschleierte Sprache von Politikern, die nichts mehr zu sagen haben. Ein Boris Johnson, der neue Außenminister Großbritanniens, der während der Brexitkampagne groteske Behauptungen aufgestellt hatte, sein Land zahle wöchentlich 350 Millionen Pfund Sterling in die EU, und vieles andere mehr, scheint gewonnen zu haben, obwohl er offensichtlich von der Verblödung seines Volkes ausgegangen ist.
Ähnliche Ungenauigkeiten stellt man auch täglich in Deutschland fest, wo die AfD und andere rechtsradiale Fanatiker immer neue Ängste schüren. Sie wissen doch, dass dies nur mit total verblödeten Ja-Sagern möglich ist. Donald Trump ist ein weiterer Beleg für Scholl-Latours Einschätzung der Lage. Dabei sollte die politische Riege alles tun, um gehört zu werden. Aber auch da herrscht die Stille des intellektuellen Nichts. Wo sind die Führungsgestalten mit den charismatischen Ansichten? Alle scheinen auswechselbar. Alle scheinen es jetzt auch zu erleben, dass sie in einer Fäkaliensprache angemacht werden, ohne dass sie entsprechend krass reagieren könnten. Das allgemeine Niveau ist eben so, leider.
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Farage, Petry, Le Pen, Trump: austauschbar |
Beängstigend ist auch, dass Wortführer der untersten intellektuellen Stufe durch Facebook etc. den Status von Stars erhalten haben, zum Unmut gestandener Politiker, die diesen Drive selbst nicht drauf haben. Man schweigt lieber, als sich durch harsche Kritik Wähler zu verkraulen. Die Petrys und Storchs scheinen auf einer Welle zu schwimmen, genau wie dieser britische Nigel Farage, der US-Trump und die französische Le Pen. Daneben bedienen sich die bekannten Trittbrettfahrer und nutzen die Unsicherheit kräftig aus. Die klassischen Karrierepolitiker müssen die kritischen Anwürfe ertragen. Die Kraft und Chuzpe, sich dagegen zu wehren, haben sie offensichtlich nicht. Kein Wunder, dass die Rechtslastigen unseren Untergang ankündigen. Gründe dafür haben sie sich genügend aus den Fingen gesaugt. Lassen wir uns nicht weiter für blöd verkaufen.
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