Das Sauerkraut wird vor allem von Deutschen geliebt, sagt man. Vielleicht auch von Österreichern? Die Bayern sprechen von Bayrischkraut, Blaukraut undsoweiter. Es ist keine Frage der Farbe, sondern, wie sauer es ist. Wenn das neue Jahr angebrochen ist, neigt Sauerkraut dazu, jämmerlich sauer zu schmecken. Die gewiefte Hausfrau lässt sich da etwas einfallen: Ananasstücke, Äpfel oder Trauben können den Sauerkohl wieder etwas attraktiver. Vor dem wöchentlichen Sauerkohlaufgebot muss jedoch gewarnt werden. Bei häuslichen Generalabrechnungen kann es vorkommen, dass sauerkohlgeschädigte Partner auf einmal durchdrehen, etwa so:
Was ich dir immer schon sagen wollte, ich hasse Sauerkraut. Ich hasse es. Ich hasse es! Ein Vulkanausbruch kann im Vergleich dazu wie ein geborstenes Osterei wirken, so harmlos.
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Vulkanausbruch? |
Anders ist es, wenn Menschen die Bilanz ihres Lebens ziehen. Dann kommen meist Wahrheiten zutage, die jahrzehntelang verschüttet schienen.
Weißt du, ich habe dich immer geliebt, heißt es da
, wenn ich nicht schon verheiratet gewesen wäre usw. Beängstigend erfreuliche Einsichten können da hervortreten. Aber auch umgekehrt:
Sie hat mich nie geliebt. Ihr Herz blieb kalt. Sie hat mich nie geliebt. Das muss ich aus einer Oper gespeichert haben. Verdi?
Ich bin zu faul, um das herauszufinden. Das wäre jetzt das, was ICH schon immer sagen wollte.
In der Politik hingegen wird immer gesagt, was man eigentlich sagen wollte: wir werden einen neuen Gesetzesvorschlag vorbereiten. Die Preise bleiben stabil. Die Renten sind gesichert.
Was ich immer schon sagen wollte: es fällt mir zusehends schwer, das zu glauben. So ist es im Leben: Man sagt etwas und meint etwas anderes. Man meint etwas und sagt es irgendwie nicht. Daher die Missverständnisse, auch was das Sauerkraut betrifft. Und all die anderen, denen wir täglich ausgesetzt sind.
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Mona Lisa |
Das Lächeln der Mona Lisa: ist es echt? Eine Aussage vor Gericht? Unter Eid echter als unvereidigt? Es sieht so aus, als könnten wir uns auf die Wahrheit ebensowenig verlassen, wie auf die Unwahrheit. Ein Lächeln kann jedoch der Anfang einer Wahrheit sein. Warum sonst sollte man lächeln?
Wenn wir uns wiedersehen, lächeln wir. Das muss ein Römer gewesen sein. Julius Caesar, in seinem 5. Akt, bei Shakespeare. Oder Gratiano in Skakespeares Kaufmann von Venedig, der sagt:
you speak an infinite deal of nothing (du redest einen unendlichen Haufen Mist = meine Übersetzung). Wir haben es also oft mit wichtigen und mit nichtigen Aussagen zu tun. In der Politik weiß man, da ist viel Lüge und wenig Wahrheit im Spiel. Aber sonst im Leben?
Da muss man sich alles selbst zurecht deuten. Am besten, mit einem Glas Wein, denn
in vino veritas. Lassen wir es dabei, sonst verlieren wir den Verstand. Doch wenigstens beim Sauerkraut sollten wir klaren Wein einschenken. Das schützt vor den größeren Enttäuschungen. Deshalb ist es besser, etwa diesen Donald Trump, der in ein paar Tagen Präsident der Vereinigten Staaten werden möchte, nicht mit Weltliteratur in Verbindung zu bringen. Das versteht er eh nicht. Der Rest ist Schweigen.
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