Freitag, 25. November 2016

Traumatologisch gesehen.....

Trauma kommt nicht von Traum, obwohl da Zusammenhänge bestehen. Trauma heißt im Griechischen Verletzung. Ein frühkindliches Trauma ist gar nicht so selten. Um harmlos einzusteigen: als Kind hatte ich eine satte Abneigung gegen Spinat. Ich konnte das Zeug nicht ausstehen und machte meiner Mutter regelrecht Szenen, denn ab und zu gab es Spinat. Später, als Gast irgendwo, musste man essen was auf den Tisch kam. Heute kann ich den Spinat eiskalt betrachten, doch ich mag ihn immer noch nicht. Ich habe ihn aus meinem Leben weitgehend ausgeschlossen. Entdecke ich Spinat auf dem Wochenmarkt, kommen meine alten Erinnerungn aus dem Unterbewusstsein zurück. Das werde ich nie mehr los. Dann mache ich mir aus Spinat einen Salat. Das geht.


Ein echtes Trauma ist jedoch etwas anderes. Es ist immer persönlich zugestoßen.  Man kann es zwar überwinden, doch nur mit großem Aufwand und unter großem Schmerz. Ein Mensch, gar ein Kind, das drei Tage in Trümmern verschüttet lag, als Folge eines Erdbebens, wird diese Umstände nicht mehr vergessen. Das kann eine Verletzung von Geist und Seele bedeuten. Sexueller Missbrauch gehört zum Schlimmsten, was einem Kind oder Erwachsenen geschehen kann. Vor allem wenn der Täter eine nahestehende Person ist. Um das zu überwinden, muss man an allen Fronten kämpfen, was nicht jeder kann. Die persönliche Ohnmacht, die Erniedrigung, die Scham, die Gefühle, ein Nichts zu sein. Und vieles mehr. Selbstverstümmelung, Verbitterung, Verlust des Selbstgefühls, Ekel, das Ausgeschlossensein. Das alles sind die Folgen.


Wenn wir Menschen begegnen, die sich wie richtige Scheußale benehmen, steckt dahinter oft auch ein furchtbar verletzter Mensch, der nicht gelernt hat, sich verbal auszudrücken und über die Verletzung(en) zu sprechen. Wer nicht traumatisch belastet ist, kann sich glücklich schätzen. Auch kollektive Traumata geistern durch die Geschichte. Wir wissen alle, dass ganze Völker gelitten haben an Unterdrückung und Demütigung. Das angetane Unrecht kann nicht vergessen werden. Verlorene Kriege können jahrhundertelang in den Köpfen von Opfern eine Art von Unkultur bilden, die irgendwann wieder in Hass und Animosität umschlägt. Die militärischen Konflikte, in die Amerika verwickelt war, der eigene Bürgerkrieg, dann Korea, Vietnam, Afghanistan, Irak. Sie hinterließen in jedem Land Verwundungen, die heute noch schwer auszuloten sind.


Und, was machen wir mit den Israelis, den Polen, den Russen, den Franzosen und den vielen anderen, die durch Deutschland vor Jahren in traumatologische Untiefen gestürzt wurden? Der Holocaust kann nicht einfach in die Geschichtsbücher zurückgesteckt werden. Die Teilung Polens und die Besetzung des Landes, ein Trauma, das bis heute nachwirkt. Das alles hinterlässt Spuren. Manchmal sind diese verwischt, manchmal treten sie zutage, ohne dass man sich ihre Herkunft erklären kann. Aufarbeiten heißt dann die kollektive Aufgabe, nicht immer wieder leugnen.

Neue Verletzungen und Vernetzungen 
Viele haben es geschafft aus dem Teufelskreis des Hasses und des Vorurteils auszubrechen. Andere bleiben darin verhaftet. Wer etwas über die Ursachen der Verletzung herausfindet, den Verursacher, kennt, Verständnis aufbringt und die eigene Erniedrigung überwinden kann, findet sich auf einer höheren Ebene wieder und kann dann nach vorne schauen. Leider ist das oft nicht so, sondern es bleibt ein lebenslanger Schmerz. Unsere Gesellschaft muss sensibler werden, Hände reichen und diese auch den "Bösewichten" entgegenstrecken. Auf diesem Gebiet sind wir eher noch unterentwickelt.








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