Dienstag, 29. November 2016

England wäre total beschissen...

wenn es die netten Engländer nicht gäbe, die dir hier überall über den Weg laufen. Zwar wirst du gezwungen, auf der falschen Straßenseite zu fahren, aber du kannst auch zu Fuß gehen, dann sieht die Sache schon wieder anders aus. Jedoch, bei Regen, was öfter der Fall ist, gibt es mehr Pfützen als in jedem anderen Land, Europäische Union hin, Europäische Union her. Vielleicht ist es auch die allgemeine Obesität, die den Austritt aus dieser Union etwas in die Länge zieht. Viele Menschen sind übergewichtig, genau wie in der EU. Oder, man will ganz einfach nicht, was man will: Europa noch mehr vor den Kopf stoßen. Also, den Exit vom Brexit, will we get it?


Die Engländer haben es nicht gern, wenn es in der Politik nichts mehr zu lachen gibt. Regenwetter hat darauf keinen Einfluss. Zur Zeit sieht es finster aus. Also lacht man gerade über Trump und Konsorten, wobei Angela Merkel vermutlich wortlos und ziehmlich unbelacht ein wenig bewundert wird. Ein weiblicher Fels in der Brandung, der Theresa May (noch) werden muss. Über den aktuellen Außenminister Boris, Teil dieser konservativen Regierung, gibt es wenig zu lachen. Er gehört jetzt eindeutig zu den Kuriositäten des Landes. Wohingegen  Nigel Farage nur noch eine unangenehme Lachnummer ist. Er ruht nicht, bis er wieder im Gespräch ist. Dann verpatzt er sich alles schnell wieder.


Im Vereinigten Königreich waren die Menschen immer schon freundlich zueinander. Von den wenigen Pöblern einmal abgesehen, begegnen sich die Fremden mit deutlichen Freundschaftsbezeugungen. Ob diese ernst gemeint sind, weiß man nicht. Da man die Fremden schon im Land hat und man auf einer Insel lebt,  bleibt diese Höflichkeit im Lande. Sie berührt sogar das tägliche Rutschen über enge Straßen. An jeder Kreuzung steht einer, der in den Verkehrsstrom eingelassen werden will. Was tut der Engländer? Er bremst leicht ab, lässt den Scheinwerfer kurz aufblitzen und gibt den Weg frei. Das macht dankbar, statt agressiv, und es gibt dem Wohltäter das Gefühl, gut zu sein.


Dieses Gefühl ist besonders wichtig, wenn man vor einem Waschbecken steht, bereit, sich die Hände zu waschen. Links der Wasserhahn, heißes Wasser, rechts das kalte. So weit so gut. Unsere Übernachtung, gestern im Hotel in York, war dagegen etwas umständlich. Am kalten Wasserhahn stand eine Warnung: Caution, hot water. Die beiden Hähne (heiß und kalt) sahen wie Kreuzschlüssel aus. Sichtbar stand in Email festgehalten: 1901. Die Verwunderung stellte sich sofort ein: Warum hat man in den über hundert Jahren dieser vintage tabs (Altwasserhähne) nicht daran gedacht, das heiße mit dem kalten Wasser so zu mischen, möglicherweise durch einen Mischhahn, damit es handwarm über die Finger fließt? Solchen Rätseln ist man als Kontinentaleuropäer zuweilen augesetzt.


Hier in Yorkshire begegnet man oft dem runner,  einem volksverbundenen Läufer, der total wettergestählt und mit Rucksack beladen die Hügel in Richtung Moor oder Heide angeht, um dann erst wieder nach einigen Stunden zurückzukommen. Diese Menschen beiderlei Geschlechts lächeln nicht so oft. Ihr ernster Blick ist auf die spätherbstliche Landschaft gerichtet. Die Zahl der erblickten Schafe kann da die der Sonnenstrahlen um vieles übertreffen. Mir genügt es oft, nur am Fenster zu sitzen und die wetterfeste Kleidung der Wanderer zu bewundern.


Der Baum gegenüber hat schon fast alle Blätter verloren. Die Trauer des schwindenden Jahres kann in Yorkshire an den Bäumen abgelesen werden. Dabei fällt - warum weiß ich nicht - viel Blätterkram auf unser Auto und bleibt dort hängen, wenn ein heftiger Windstoß ihn nicht mit einem Schlag wieder davon bläst. Herbst eben, was sonst?






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