Donnerstag, 17. November 2016

Adel verpflichtet. Meine Grafen und Prinzessinnen.

Unser Geschlecht, so könnte man sagen, stammt von Bauern und Handwerkern ab. Dass daran auch viele Lehrer beteiligt waren (Ärzte mal beiseite), ermächtigt uns, die Beschimpfung Prolet zurückzuweisen. Das ganz Normale an unserem Geschlecht ist, dass wir eines haben und darauf alles andere als stolz sind. Unser Geschlecht kann in zwei Teile zerlegt werden: das weibliche und das männliche. Da wir nicht von Adel oder gar Hochadel sind, müssen wir bei anderen Menschen, egal wie sie aussehen, auch nicht dezent wegschauen. Bürgertum halt, würde ich sagen.

Hochwohlgeboren 
Stell dir vor, du bist ein kleiner Junge und möchtest mit den anderen auf der Straße Fußball spielen. Mamas sagen schon lange nein, wegen des Verkehrs. Und Fußballspielen kann in den Augen von Mamas auch etwas vulgär sein. Setz dich lieber hin und lies ein Buch, heißt es da schnell. Doch Jungs müssen ihre Kräfte messen können, und ganz falsch ist der Gedanke nicht, dass auch Mädchen das wollen. Schließlich sind wir Weltmeister im Frauenfußball. Stell dir vor, deine Elten sind von Adel. Dann geht so vieles nicht. Der englische Film CROWN zeigt jedoch wie little Prince Charles mit seinem Vater (als Herzog von Edinburgh) im Salon unbändig herumkickt. Geht doch!

Da wir keine rigide Klassengesellschaft mehr sind oder wollen, berühren sich die Schichten manchmal. In jeder Schulklasse sitzt ein Karl-Georg von Soundso oder eine Eva-Maria di Parma (auch jeder andere Schinken ist willkommen). Diesen Kindern wird meist eingebläut, bescheiden aufzutreten. Schade. Da ist nix mit Fußball. Später im Leben trennen sich die Hochschulen, jedenfalls im Vereinigten Königreich, wo Oxford oder Cambridge für noble Menschen noch unumgänglich ist. Diese Dinge haben sich mit den Jahren gelockert, da Verfassungen nomalerweise keine Sonderplätze für den Adel einrichten. Doch gewisse Unterschiede möchte man nicht missen.

Die Ahnengalerie 
Je niedriger der Adel, desto bewusster ist er sich dieser Unterschiede. Wer dann noch infrage kommt, irgendwo hoch hineinzuheiraten, muss vieles beachten: Sprache, Religion, sexuelle Ausrichtung, Etikette und Erziehung. Dann geht es um die Wahrung von Besitz. Ein Schloss erhalten, kostet nicht nur Geld. Der Name muss gepflegt werden. Ohne gesellschaftliche Verankerung ist man ein Nichts. Und Politik gilt nicht unbedingt als vornehm. Eine Gesellschaft ist etwas Kompliziertes. Seinen Platz darin zu finden, ist in jedermanns Interesse. Der Aufstieg über die Bildung, über den Reichtum, die Politik ist möglich, doch in hohe Adelspositionen zu gelangen ist fast unmöglich. Der Kommunismus war eine klare Gegenreaktion darauf. Die Macht der Proletarier wirkt heute weltweit. Bis auf die berühmten Ausnahmen.

Inseln der Seligkeit sind noble Kreise, kirchliche Kreise, auch esoterische, bis hin zum Dreisterne-Essen. Das Quereinsteigen bleibt Ausnahme. Doch auch Adelstitel können heute käuflich erworben werden. Wie hermetisch der hohe Adel, vor allem in Großbritannien noch abgeschlossen ist, zeigen die endlosen Geschichten in Presse und Film. Auch die Erfolgsgeschichten à la Lady Di etc. Ein echtes Honigschlecken? Mitnichten. Es werden immer hohe Preise dafür hingelegt.

Echter Adel 
Ich hatte das Glück, schon als Kind in Adelskreise zu kommen, ohne dessen sehr bewusst zu sein. Namen werden jetzt nicht genannt. Die nette alte Baronin, bei der ich auf dem Schoß saß. Sie besuchte gelegentlich das Gut, das mein Onkel für sie verwaltete. In ihrer Wolljacke steckte immer eine Pfeife mit frischem Tabak. Der Marchese, der in Paris mein Chef war und dessen Frau mit ihren Hunden vom Chauffeur täglich durch den Bois de Boulogne gefahren wurde. Doch auch königliche und kaiserliche Hoheiten, Prinzen und Prinzessinnen waren dabei, ein Earl of Soundso, eine Olga aus dem Zarenhaus, und viele, die keinen Titel mehr besaßen.

Selbsternannt 
Mir machte es immer Spaß, Reste von Hochmut, Arroganz und Herablassung aufzuspüren. In den meisten Fällen stieß ich aber auf menschliche Normalität. Manche gehören heute noch zu meinen Freunden. Man muss sich dadurch nicht selbst geadelt fühlen, sondern darf vermuten, dass diese alten Strukturen weiterbestehen, solange sie keinen Schaden anrichten. Soziologen haben die Schwächen dieser Gesellschaftsschicht längst ermittelt und auch deren Stärken. Der Fortbestand dessen, was wir geschichtlich ererbt haben, hängt stark von der Zukunft des Adels selbst ab. Das muss nicht bedeuten, dass wir monarchische Regierungsformen wie in GB, Norwegen oder Holland benötigen oder dulden müssen. In meiner Tanzstunde stieß ich auf ein Fräulein von XXX. sie hat mir geholfen, bei adligem Aufkommen eher an freundliche kleine Tierchen als an böse Monster zu denken. Während der eine beim Sprechen noch vornehm stottert, schämt sich der andere, noch so etwas wie einen Butler zu haben. Und das Herumschleichen im Rolls Royce ist auch recht selten geworden.








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