Montag, 24. Oktober 2016

Als das Fernsehen laufen lernte.

Mein Opa war 80, und das Deutsche Fernsehen noch schwarz-weiß. Die Englische Königin fuhr in der Kutsche zu ihrer Krönung. Ihr großer Tag wurde 1953 auch nach Deutschland übertragen. Es war  damals das größte internationale Fernsehereignis, wenn man von den Olympischen Spielen 1936 in Berlin einmal absieht, wo über 160000 zahlende Besucher in den sogenannten Fernsehstuben die Spiele verfolgen konnten.

Neunzig und voll in Farbe 
Bis zum Massenfarbfernsehen war noch ein weiter Weg. Das Satellitenfernsehen hatte den Erdball noch nicht in ein einziges Fernsehstudio umgewandelt. Übertragungen aus der Tiefe des Weltalls haben inzwischen auch schon stattgefunden. Und in diesem Jahr (2016) konnten Milliarden von Zuschauern weltweit einer fröhlichen Neunzigjährigen bei der Geburtstagsfahrt durch London zuschauen. Welchen Hut sie dabei trug, wird sie vielleicht selbst nicht mehr wissen.


Mein Opa hatte eines der ersten schwarzweißen Tischgeräte für 1046 DM geschenkt bekommen. Er schaute Tagesschau im Deutschen Fernsehen und schaltete das Gerät erst ab, wenn das Programm zuende war und sich weißer Schnee über den Bildschirm ausbreitete. Ich war als freier Reporter im Südwestfunk in Baden-Baden tätig, als bereits für das Farbprogramm "vorproduziert" wurde und das ZDF seine Ausstrahlungen gerade begann. Mein Honorar betrug etwa 300 DM pro gesendeter Minute. Damit konnte ich gut leben. Bald tauchten Showtalente wie Rudi Carrell und Frank Elstner auf, die damals zu den Größten Unterhaltern gehörten. Rudi hatte ich relativ gut gekannt. Ich traf ihn in Köln und führte ihn im Europarat in Straßburg herum. Ein natürliches Talent, das man gerne zum Freund hatte.

Kennen Sie Spass? 
Als das Fernsehen das Laufen lernte, herrschten noch eherne Grundsätze: Fernsehen sollte informieren und unterhalten. Die Erziehungsrolle wollte man damals nicht richtig anerkennen, obwohl es schon früh entsprechende Sendungen gab. Auch die historische Dimension war noch etwas unterentwickelt. Je älter das Fernsehen wurde, desto leichter war zu erkennen, dass historische Bilder am Bedeutung gewinnen würden. Die Werbung, mit ihren schleichenden Tricks und aufdringlichen Anmaßungen wurde erst mit den privaten Sendern zum Problem. Wer möchte heute einen interessanten Beitrag oder gar einen Krimi hundertmal durch das Gelabere der Werbefritzen unterbrochen sehen? Manche sprechen vom Niedergang des einst seriösen Fernsehens. Dazu gehört, dass manche Sprecher schon ungebildet daherkommen: Sie sagen: umso umso, statt je desto, und ich friere, weil ich habe den Mantel vergessen. Niedergang also auf der ganzen Linie.

Auf den Braun konnte man immer stolz sein 
Umso mehr gelabert wird, umso mehr Sendezeit scheint zur Verfügung zu stehen. Außerdem sagen sie ungehemmt und unwissend Tschikago, statt Schikago und Tschurnalist, statt Schurnalist. Alte Schule hat auch Vorteile. Die Geschichte dieses allwesenden und alles beherrschenden Mediums ist sehr verworren. Gerne würden die Briten, die Deutschen und die Amerikaner sich die Feder des Erfinders an den Hut stecken. So einfach ist es nicht. Verschiedene Zeitrahmen und Techniken in verschiedenen Ländern trugen zum Entstehen des Fernsehen bei. Sogar Frankreich und Ungarn waren daran beteiligt. Auch die Niederlande.


Von der Bildzerlegung und -wiedergabe bis zum Massenmedium, über Satelliten- und Kabelfernsehen haben so viele Visionäre, Techniker und Elektroniker, sowie Politiker und Kreditgeber mitgewirkt, sodass eine genetische Vaterschaft nicht genau festzustellen ist. Man könnte die Anfänge sogar bis ins 19. Jahrhundert zurück verfolgen, ohne den Urvater zu finden. Sogar beim Massenverkehrsmittel Auto mussten zuerst das Rad, Kupplung und Bremse erfunden werden, bevor Bertha Benz von Mannheim nach Pforzheim die erste Testfahrt machen konnte. Den ersten Führerschein der Welt (Fahrerlaubnis) erhielt Karl/Carl 1888. Wenige Tage später fuhr Bertha los. So kann gesagt werden, dass auch das Fernsehen von Anfang an eine recht komplizierte internationale Koproduktion war.


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