Dienstag, 3. März 2015

Es war eine ganz normale Treppe

Wir hatten uns gestritten. Wer 15 Jahre verheiratet ist, ohne Kinder, der kann schon mal ausrasten. Sie sagte: "Hast du schon wieder getrunken"? Was nicht der Fall war, aber es ärgerte mich. Ich sagte, mit einem Anflug von Humor, "eines Tages bringe ich dich um". Nach einem gut gemeinten Versöhnungsknuddel war die Angelegenheit beigelegt. Sie kennt meinen Humor und maß meiner Verärgerung keine Bedeutung zu. Im Gegenteil, sie erinnerte mich daran, dass wir am kommenden Wochenende mit unserem neuen Auto einen Ausflug ins Burgenland machen wollten. Wein ausfindig machen und eventuell ein paar Flaschen mit nach Hause bringen. Ich weiß nicht, warum ich mir einen Pulli übergezogen habe, aber mein Plan war, endlich einmal wieder in den Keller zu gehen, einfach aus Neugier. Wir hatten es seit Jahren nicht mehr getan. Es war auch nichts im Keller, außer, das fällt mir gerade ein, ein altes Bett, das wir gelegentlich benutzt hatten, als neben unserem Gästezimmer auch unser Schlafzimmer belegt war.


Der Keller war von meinen Eltern als Kartoffelkeller benutzt worden, in dem auch genügend Platz für allerhand anderes Zeug war. Einige Jahre lang, als mein Vater noch lebte, roch es im feuchten Keller sehr angenehm. Er hatte im Garten einen Apfelbaum, der immer größer wurde, bis er schließlich abgesägt werden musste, denn die Äpfel nahmen überhand, der Platz im Keller reichte nicht mehr, und die Boskopäpfel wollte auch niemand mehr essen. Als mein Vater starb, waren wir ins Haus eingezogen. Es hatte immer noch nach Äpfeln gerochen.

Die Treppe zum Keller war etwas steil. Eine Wendeltreppe, die einem nicht ganz nüchternen Besucher sehr wohl einen Drehwurm verursachen konnte. Aus diesem Grund vermied Marianne den Keller schon seit Jahren. Die gelegentlichen Übernachtungen "da unten" waren keineswegs unangenehm. Mich verbinden damit einige, sehr erotische, Erinnerungen. Leicht beschwipst, wackelten wir in unsere unterirdische Behausung, wenn alle Gäste zu Bett gegangen waren. Die kühle Atmosphäre, die Stille und der feuchte Duft regte uns zu abenteuerlichen Umarmungen, Küssen und Umschlingungen an. Schön war auch der nächste Morgen, an dem es galt, früh, jedoch nicht allzu früh, aufzustehen, die Wendetreppe hoch zu klettern, gleich nach der Dusche das Frühstück für mehrere Personen in Angriff zu nehmen und den Tag gemächlich anklingen zu lassen.

Ich weiß nicht, was es war. Ich beschloss, in den Keller zu gehen, nachdem ich den Pullover übergezogen hatte. Eine Taschenlampe war schnell gefunden, denn das Licht funktionierte schon eine Ewigkeit nicht mehr. Sie lag immer an der gleichen Stelle. Dabei hätte es genügt, die Glühbirne endlich einmal auszutauschen. Das Bett, dachte ich, muss total verstaubt, wenn nicht sogar verrottet sein. Der Geruch erinnert nicht mehr an Äpfel. Gibt es da unten Tiere? Wer weiß! Einige Sekunden lang denke ich, Marianne weiß von meinem Ausflug nach unten nichts. Ich hätte genauso an den Zigarettenautomaten gehen können, um Zigaretten zu holen und dann nie mehr zurückkommen. Da ich nicht rauche, kommt mir der Gedanke abstrus vor. Ich habe ein seltsames Gefühl in den Knien. Plötzlich rutsche ich, denke blitzschnell, das hat mir gerade noch gefehlt, dann geschieht es: die Kellertür fällt ins Schloss, die Knie brechen ein. Dann knalle ich fast lautlos die letzten Stufen hinunter, schlage mir die Stirn auf und denke noch, das ist das Ende. Dann wird nicht mehr gedacht.




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