Dienstag, 10. Februar 2015

Wiener G'schichten - Bettelei auf hohem Niveau

Ich brauche ein Frühwarnsystem, das mir mitteilt, dass Gefahr im Verzug ist. Manchmal spüre ich es sofort, bin dann aber so geschickt eingekeilt, dass ich mich, irgend eine fremde Sprache murmelnd, noch schnell aus der Affaire ziehe. Wenn sie jedoch sehr korrekt, um nicht zu sagen, elegant gekleidet sind, an mich herangehen, auch noch ein Kind mit Brille mit sich ziehen, dann wird es schwer. Man rechnet mit der Frage nach einer Straße oder einem Platz und ist gerne bereit, zu antworten. Doch schon ist man mit einer geschickt gewobenen Geschichte konfrontiert, die man sich freundlich anhören muss.
Auch das ist Wien

Alles klingt zunächst sehr wahrscheinlich und logisch: Do you speak English? Yes. My daughter just comes from the hospital. We must go back to Budapest. Ich habe den Braten bereits gerochen und will nicht mehr zuhören. Die Mutter hatte zurecht angenommen, dass ich ein williges Opfer bin. Die erbetenen Beträge sind meist nicht sehr bescheiden, und ich frage mich, ob eine solche Masche überhaupt Erfolg haben kann. Einmal hätte ich 200 Euro spenden können, was ich zum Glück nicht tat. Ein paar Tage später sah ich die Person und beobachtete sie, wie sie wohl mit derselben Chuzpe ein anderes Opfer angegangen ist. Wohl auch ohne Erfolg, denn das Opfer lief einfach weiter. Wie gut ist es da, dass es Menschen gibt, denen man einfach einen € in die Hand drücken kann, ohne, dass raffinierte Geschichten anzuhören sind.

Auch bei Regen wird gebettelt

Wenn ich ein Frühwarnsystem hätte, würde ich in gespielter Eile einfach davon rennen. Ich hasse mich jedoch selbst, wenn ich mit scharfem Blick einem menschlichen Lügengebäude ins Gesicht schauen und sagen muss: Ihre Erzählung ist unglaubwürdig. Ich kann ihnen nicht helfen. Der Haken an dieser Geschichte kann jedoch sein, dass jemand die Wahrheit spricht und man sich weigert, die Not anderer zur Kenntnis zu nehmen. Ich hoffe, dass ich bisher noch nicht jemanden mit gespielter Härte abgewiesen habe, der es nicht verdient. Andererseits ist es nicht gut für die Selbstachtung, mit durchtriebener Routine abgesahnt zu werden. Also werde ich morgen früh, bei meinem Gang durch den Wiener Graben, den ersten drei Bettlern, die bei dieser Kälte still und bescheiden an der Straße stehen oder sitzen, je einen Euro spendieren. Das gibt mir ein relativ gutes Gefühl. Ist das in Ordnung?







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