Montag, 16. Februar 2015

Der Fluch der bösen elektronischen Tat.

"Was Menschen Gutes tun, das überlebet sie. Das Böse wird mit ihnen oft begraben". Hat Shakespeare in seinem Stück "Julius Caesar" sich nicht dahingehend geäußert? "Dahingehen" ist ja auch eine Äußerung, sogar die Umschreibung des menschlichen Ablebens. In der altgermanischen Literatur, etwa dem altenglischen Beowulflied, hat man die ollen Wikinger , wenn die Totenstarre eingetreten war, auf ein Boot gesetzt und sie sich ganz allein überlassen. "Er ging woanders hin" umschrieb man es damals. Reden wir nicht um den heißen Brei: tot ist tot. Das haben auch immer wieder diejenigen erfahren müssen, denen die Unsterblichkeit sozusagen schon zu Lebzeiten zugesichert wurde. Könige, Kanzler, Diktatoren, um nur einige zu nennen.

Die Nachwelt

Wer in der Schule Latein lernen musste, hat schon früh erfahren, dass Latein eigentlich eine tote Sprache ist. Trotzdem mussten sich viele über diesen Kadaver beugen, um zu sehen, ob noch etwas Leben in ihm steckt. Ancilla gallinas clamat, hieß es ganz am Anfang der Lateinstunden: die Magd ruft die Hühner. Als lernwilliger Schüler fragt man sich jedoch manchmal, warum ruft sie? Oder, warum bringt man den jungen Engländern bei: in meinem Auspuff sitzt ein Eichhörnchen? Eben darum. Eine Sprache ist etwas Lebendiges. Das Latein ist also nicht richtig gestorben. Es verkam zum Vulgärlatein. Die Eingeweide flossen in verschiedene Neusprachen, aus denen Italienisch, Spanisch, Französisch, Portugiesisch wurde, jeweils mit einem mediterranen, gallischen oder iberischen Einschlag. Das Bild des Sprachwissenschaftlers war das von den Haaren und Nägeln (des gestorbenen Lateins), die weiterwuchsen, wie bei einem normalen Toten.

Wir haben es ja schon mit der Fotografie, und jetzt mit dem Fernsehen erlebt, dass längst gestorbene Größen, dank des Films, immer wieder neu erstehen können. Also, Bismarck tot? Unsterblich, würde man sagen. Die Abbildungen, soweit vorhanden, sind echt! Auch bei Hildegard von Bingen. Jedoch, der arme Jedermann, von dem es kein Foto gibt und auch keinen schriftlichen Beleg, was geschieht mit ihm? Lebt er weiter? Das Totgeborene, das oft keinen Namen erhielt? Lebt es wenigstens in der Erinnerung weiter? Für den nationalsozialistisch angehauchten Philosophen Martin Heidegger, den der Tod im Jahre 1976 in Freiburg ereilte, war die menschliche Existenz ohnehin nur ein "Sein zum Tode". Ruhet so einer dann im ewigen Frieden? Jedenfalls kann heute jede ehemalige Existenz, für die ein Totenschein ausgestellt wurde, irgendwie elektronisch wiederbelebt werden. Es wird alles gespeichert.

Jetzt kommen wir zum Punkt: sie sitzen in der U-Bahn, oder auf dem Sofa, manche tun es sogar beim Gehen, und tippen unentwegt auf kleine, leuchtende Schächtelchen, aus denen sie Botschaften aus dem Jenseits zu erhalten scheinen. Die Schächtelchen müssen zwar öfter neu aufgeladen werden, nennen sich I-Pods oder so, sammeln jedoch gleicherweise Bedeutendes und Trash, irgendwo im Netz, und wenn du tot bist, piepst es weiter. Was geschieht also, wenn der Autor (das kann auch ein fünfjähriger Knirps sein) das Zeitliche segnet, aber fröhlich im Internet weiterexistiert? Kommt dann jemand und macht das Licht aus? Wenn nicht, geistert der User fröhlich im Netz herum und seine potenziellen Milliarden Mit-User haben keine Ahnung, dass er tot ist. Manche von ihnen sind wahrscheinlich inzwischen ebenfalls verstorben. Jetzt wird es heikel: wir haben da ein Problem, das beileibe noch nicht gelöst ist. Als Blogger mit insgesamt über 200.000 Zugriffen, also ein wahrlich kleiner Fisch, sozusagen, fragt man sich, ob nicht jetzt schon alles umsonst ist. Oder können wir der Nachwelt etwas hinterlassen? Außer Müll?









 

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