Samstag, 2. November 2013

Die Verschärfung des Tons

Wir kennen es aus der Tagespresse: ein Wintereinbruch wird schnell zum Killerwinter. Der normale Regen ist schon längst zum Starkregen mutiert, und eine leichte Verschiebung der Prozente bei Wahlen kann zum Erdrutsch gestylt werden. Inflationäre Schauerbegriffe sind auf der Tagesordnung. Und ein "harmloser", etwas dusseliger und prunksüchtiger Kirchenmann bekommt sein Fett weg, indem man ihn als Protzbischof bezeichnet. Wir haben uns daran gewöhnt. Wären jedoch glücklich, wenn im Supermarkt (der Eitelkeiten) der ganz banale Schinken einfach Schinken wäre und nicht Gourmetschinken. Mehr und mehr nennt man dieses Zeug auch italienisch Prosciutto, in der Annahme, der Verbraucher sei so blöd und würde ihn mit Prosciutto di Parma verwechseln. Deshalb ist alles heute irgendwie Tsunami.

Was damit einhergeht ist allerdings beunruhigend. Wer die Gesprächsfetzen auf der Straße oder in der U-Bahn aufschnappt, stellt schnell fest, dass kaum noch jemand eine normale Sprache führt. Es wird in Floskeln gebrabbelt. "Tschao, wir sehn uns". Dazu kommt eine Werbesprache, die kreativ sein möchte, jedoch in dümmlichen Floskeln daherkommt. "Wir lieben die Natur". "Mit dem Zweiten sieht man besser (konservativ)". Haben wir das nicht satt? Werden wir noch respektiert oder nur noch veralbert?


Nicht, dass eine Sprache sich nicht verändern würde. Anpassen an neue Situationen, ja, doch vorgeplapperten Mist nachplappern bedeutet keinen Fortschritt. Und einen Satz mit unverstandenen oder unnötigen Anglizismen anreichern, geht genau in diese Richtung. Nämlich den Untergang einer Sprache, die eigentlich Ausdruck einer Identität sein sollte. Auch die Engländer, die ja stolz darauf sein können, dass alle Welt englisch spricht, sind von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Die meisten Neuschöpfungen kommen von irgendwo her, nicht aus England, das eigentlich Großbritannien heißt. Das deutsche Wort "Airbag" für Prallsack hat sich schließlich weltweit durchgesetzt, weil dieser Sack in Deutschland durch den Ingenieur Walter Linderer 1951 zum Patent angemeldet wurde. Was für ein unsagbarer Widersinn! Wir sollten mehr darauf achten, was wir in der U-Bahn oder am Handy (Händi=Mobilfon) sagen.


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