Dienstag, 27. August 2013

Mitteleuropa - ist die Kaffeehauskultur tot?

Europa zerfällt im mehrere Teile: Nord-Süd, Ost-West und die europäischen Randgebiete, das Maghreb, Skandinavien, Balkan, Mittelmeerländer. Das ist weder eine politische, noch eine kulturelle Ab- oder Ausgrenzung. Bei den Sprachen kann man nur sagen, sie seien ebenso vielfältig wie die politischen Ausrichtungen, die Essgewohnheiten und die religiösen Schattierungen. Ethnisch könnte man Europa in verschiedene Gruppierungen aufteilen, die Minderheiten einmal weglassend: Germanische, romanische und slawische Völker, oder die entsprechenden Mischungen.

Warschau

Es wäre auch mühsam und unrealistisch, an alten politischen Modellen von Europa herumzumachen, etwa: Heiliges römisches Reich deutscher Nation, oder napoleonische Hegemonie oder kommunistischer Ostblock. Die Aufteilung Europas ist endlos, und Europa ist auch heute noch gespalten, wenn auch Ansätze für eine politische Einigung vorhanden sind. Der Eiserne Vorhang ist jedoch verschwunden. Er hat sich überlebt. Alte Trennungen sind in kurzer Zeit zu neuen Verbindungen geworden, die nachdenken lassen.

Das alte Mitteleuropa gibt es noch. Es war nie sehr konkret. Viele haben versucht, es für sich in Anspruch zu nehmen oder es auf eine bestimmte Weise zu interpretieren. Dabei kann es nur auf dem Weg der kulturellen Darstellung erschlossen werden. Und allzu viel davon scheint nicht mehr vorhanden zu sein. Kafka wäre ein solcher Interpret: jüdisch, deutsch, tschechisch, Kulturzentrum Prag.
Heute lebt noch eine Frau, die dieses Mitteleuropa gelebt hat: die 1932 geborene Barbara von Coudenhove-Kalergi. Als Deutsche in Prag geboren, ihre Familie war gegen die Nazis, wurde sie am Kriegsende ausgewiesen. In ihrem Buch "Zuhause ist überall" spricht sie auch davon, dass man neben der Muttersprache auch tschechisch sprach. Es gehörte zur Kultur Mitteleuropas, mit mehreren Volksgruppen friedlich zusammenzuleben. Die Nazis haben das Ihre dazu beigetragen, dies zu zerstören. Die Kommunisten und Nationalisten wirkten ebenfalls in diese Richtung. Die Konsequenzen  kennen wir.
Zuhause ist überall

Auch Wien war (und ist) eine der Hauptstädte Mitteleuropas. Ein Völkergemisch, zu dem auch ein starkes Judentum gehörte, ein starker Katholizismus und die Kohabitation von Österreichern und Ungarn. Der Balkan wirkte kräftig mit, sodass eine Kultur entstand, die nicht eindeutig genannt werden kann. Mehrvölkerstaaten haben es schwer, eine eindeutige Identität zu finden. Glückliches Frankreich, das sich über solche Identitätsfragen nie den Kopf zerbrochen hat. Elsaß-Lothringen, Korsika, Bretagne, Basken und Katalonen wurden einfach assimiliert. Was gehörte zu diesem "kulturellen" Mitteleuropa? Selbst das war nie eindeutig. Deutschland, Österreich, die Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein, Polen Slowakei, Tschechien, Ungarn gehören dazu. Aber auch Slowenien, Kroatien, das Baltikum, Rumänien, Belgien und die Niederlande? Da kommen Zweifel auf.

Bratislava

Was ist also von Mitteleuropa geblieben, wenn es das jemals gegeben hat? Einen Versuch ist es wert. Die Kaffeehäuser, oder die Art, sich darin aufzuhalten, sie zum Lebensmittelpunkt werden zu lassen. Man findet sie in Warschau ebenso, wie in Wien, Budapest, Prag und Bratislava, das dann auch noch auf Deutsch Pressburg genannt wurde. Bei der mitteleuropäischen Architektur kann es schwierig werden: man findet sie in vielen Ländern, bis in den Kaukasus. Eine Formel, die lange vor dem Ersten Weltkrieg vielleicht gelten konnte: (Beispiel Prag) Ein Drittel Tschechen, ein Drittel Deutsch-Österreichisch, ein Drittel Judentum. Man darf nie vergessen, dass es vor hundert Jahren kaum Mittel gab, dies exakt zu messen. Konklusion: Mitteleuropa ist eine gefühlte Größe, von der man nicht weiß, ob und wo es sie gibt. Mitteleuropa sollte jedoch nicht für immer in der Versenkung verschwinden.

Nachtrag: Meine geliebte Julia verstarb vor kurzem 90jährig in Straßburg. Sie war eine polnische Gräfin, in der Tschechoslowakei aufgewachsen, mit einem schwedischen Diplomaten verheiratet. Bei ihr gab es zum Essen manchmal "gefillde Fisch", wienerischen Kaffee und jede Menge Mitteleuropa, das sie wie eine Girlande hinter sich herzog. Mitteleuropa eben.








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