Freitag, 19. Juli 2013

Ich steige aus, ich habe genug!

Das ist gar nicht so leicht. So mancher Neo-Nazi traut sich nicht. Da hat er sich von einem redseligen Kameraden einmal mitziehen lassen. Das forsche, zackige, respektlose Gehabe von Leuten, die  zu viel Zeit haben, kann einen suchenden, orientierungslosen Jüngling (Frauen scheinen eher dagegen immun zu sein) mit nationalem Hintergrund (Vater Säufer, Mutter bigott und schwach?) schon mal in eine verschworene Gemeinschaft reinziehen. Aber, wie kommt man davon wieder los? Es gehört Mut dazu, Einsicht, und die Zuversicht, dass das Leben auch ohne den kitschigen Schmarren mit der nationalen Glückseligkeit weitergeht.

Der Ausstieg

Bei den Scientologen scheint es ebenfalls schwierig, wieder davon loszukommen. Man wird bekniet, ausspioniert, unter Druck gesetzt und sozial geächtet. Nicht gerade die feine liberale Art, die sogar eine christliche Gemeinschaft, wenn auch mit Bedauern, heute walten lässt. Von den geschätzten 25.000 Anhängern dieser Sekte (eigene Übertreibungen gehen bis zu 10 Millionen) sind schon etliche wieder abgesprungen. Von ihnen weiß man, welche Einschüchterungspraktiken angewandt werden, um den Ausstieg unmöglich zu machen.

Die familiäre Ausgrenzung kann ebenfalls ein Mittel sein, nicht offen zu seinen Überzeugungen zu stehen: Homosexuelle, Frauen mit muslimischem Hintergrund, die frei und ohne Kopftuch leben wollen, Männer und Frauen, die sich dagegen wehren, einen von den Eltern ausgesuchten Partner zu heiraten. Das "coming out" ist auf jeden Fall ein kühner Schritt und viel häufiger als man denkt. In vielen Fällen führt es zur Selbstfindung, die den Aussteiger glücklicher macht.


In Israel, so hört man, gibt es Selbsthilfegruppen für orthodoxe Juden, die aussteigen wollen. Sie haben mit den harschen Regeln der Tora und des Talmud abgeschlossen, fürchten jedoch den endgültigen Bruch. Manche führen sogar ein Doppelleben, weil sie den Ausstieg aus Familie und  Gemeinschaft nicht hinnehmen wollen. "I did it my way" sang Frank Sinatra und wusste wohl, was er da sang. Es ist schmerzhaft, kommt einer Häutung gleich und ist der Preis, den man bezahlen muss.

Da ich weder orthodox, Scientologe, Neonazi noch schwul bin, frage ich mich, warum ich aussteigen möchte. Und wo möchte ich aussteigen? Es gibt so viel dusseligen Kleinkram, den man loswerden möchte: die Angst vor dem Altern. Die billigste Butter im Supermarkt kaufen. Die 30 Jahre alten Schuhe in die Tonne werfen, einer aufdringlichen Nervensäge sagen, wie hässlich sie ist. Und so weiter, und so weiter... Ich arbeite noch daran.







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