Samstag, 20. Oktober 2012

Der Kindsmörder - oder wie weit darf ein Staat gehen?

In einem Artikel des Spiegel, "Ehrenwert schuldig" wird, sehr zurückhaltend, über einen Mord und einen Mörder  nachgedacht, der von der Polizei unter Druck gesetzt wurde, als man ihn fasste und die Hoffnung bestand, das entführte Kind noch lebend zu finden. Offensichtlich wurde ihm Gewalt angedroht, damit er das Versteck des Kindes preisgibt. Als man den kleinen Bankierssohn dann fand, war er tot. "Wie weit darf ein Staat gehen, um ein Leben zu retten" untertitelte der Spiegel? Er beteiligte sich nicht an der allgemeinen Empörung der Öffentlichkeit, die mehr als verständlich ist. Es wurde abgewägt, die Gesetze untersucht, die Prinzipien auf ihre Gültigkeit abgeklopft.


Das ist das mindeste, nämlich auch den Täter eine  Chance geben, bevor man (vor)verurteilt. Natürlich. Man will auch den Lebensverlauf eines solchen kennen, warum er es tat. Wie hilflos war er womöglich? Doch, Opfer bleibt Opfer. Und die Lieben der Opfer bleiben auch diejenigen, die das Opfer geliebt haben. Und die vielen Freunde? In diesem Falle der Entführung des kleinen Bankierssohnes ging es offensichtlich nur um Habgier. Auch ein Stück vom großen Kuchen erhaschen. Abgesehen davon, dass man sich auch das Stück Kuchen irgendwie ehrlich erwerben muss, gibt es uralte Rechte auf Leben, Eigentum und ein Gebot, sich an moralische Werte zu halten.

Bei dem Mörder, einem ehemaligen Jurastudenten, der wohl zurecht zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, fällt es schwer, mildernde Umstände ins Feld zu führen. Er bleibt hoffentlich auch sein ganzes Leben lang im Knast, denn er zeigt keine Reue. Als Schmalspurjurist weiß er, dass man der Justiz auch noch Genugtuung abringen kann, sollte etwas schief gelaufen sein. Ob an es tut, ist eine andere Frage. Die Anwälte von Magnus Gäfgen mussten vor dem höchsten Gericht für Menschenrechte, dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg, Entschädigung für erlittenes "Unrecht" erkämpfen, weil der damalige Chefermittler, Wolfgang Daschner, einen Kriminalhauptkommissar damit beauftragt hatte, notfalls zu harten Mitteln zu greifen, um den bei der Lösegeldübergabe festgenommenen Entführer zur Preisgabe des Verstecks des kleinen Jakob von Metzler zu nötigen.


Es kam zu einer relativ milden Verurteilung der beiden Polizeibeamten, obwohl der Gesetzgeber hier eine Tür für Handeln im Notstand hätte offen lassen müssen. Wir wissen alle, dass der Staat nur dann eine Existenzberechtigung besitzt, wenn er Leben schützt. Selbst die Todesstrafe, die dank einer Initiative des Europarates in Europa abgeschafft wurde, muss diesem Argument weichen. Ein Staat, der  seine Bürger nicht schützt, auch die Schuldigen, ist demokratisch nicht legitimiert. Und wenn ein Täter ganz ohne Reue bleibt, dann hat er sich auf die Seite des Bösen gestellt. Ist es da nicht etwas scheinheilig, zu sagen, die Androhung von Folter, wie sie in den USA gang und gäbe ist, sei strafbar? Ich hätte vom Gesetzgeber mehr Menschlichkeit erwartet. Das muss nicht heißen, dass der Gewalt Tür und Tor geöffnet werden. Es heißt nur, dass es solche Grenzfälle gibt, die ein erfahrener Richter mit Menschenverstand und total autonom beurteilen können muss. Dann empört sich auch nicht jeder rechtschaffene Bürger über eine oft unerbittliche, unverständliche und in diesem Falle fast hilflose Justiz. Man wünscht sich nicht, in eine solche Situation zu geraten. Ich hätte dem Täter mit allen Mitteln eine Höllenangst eingejagt und ihn auch der Gewalt ausgesetzt. Als Vater des Opfers wäre ich sogar weiter gegangen. Und, ich hätte mich nicht einmal schuldig gefühlt.




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