Montag, 23. Juli 2012

Island und die Pressefreiheit

Gewöhnlich sind es Länder wie China oder Russland, aus denen die Klagen kommen, weil die Medien nicht frei und unabhängig sind. Die Mediensituation in Island wird ebenfalls beklagt, wahrscheinlich aus anderen Gründen, denn es gibt dort durchaus respektable Zeitungen, wie das Morgunbladid, das Frettabladid, das Frettatiminn, und die DV, möglicherweise eine Art Bildzeitung. Radio und Fernsehen funktionieren auch, aber sicher sind die Herstellungskosten, die Auflagen, sowie der Journalistennachwuchs für ein kleines Volk ein besonderes Problem. Andererseits spricht man in Island auch Sprachen, und man befindet sich geographisch zwischen ganz gut entwickelten Kontinenten, Europa und Amerika, aus denen man allerhand Information erhält.


Diese Zeitungen kann ich nicht lesen, weil mein Isländisch mehr als beschränkt ist. Doch da kommt Hilfe: In Reykjavik fällt mir ein Blatt in die Hand, das kostenlos verteilt wird und im Sommer alle zwei Wochen erscheint, im Winter einmal im Monat. "The Reykjavík Grapevine", (your free copy, The essential guide to life, travel and entertainment in Iceland). Kostenlos und interessant: das muss hinterfragt werden, denn die herkömmliche Presse scheint mir etwas blutleer und von allzu vielen Interessen gesteuert. Jedenfalls lauten die Klagen aufgeweckter Isländer so. Grapevine ist also keine Zeitung, aber das Blatt fasst interessante Themen an, die durchaus redaktionelle Unabhängigkeit erkennen lassen.


Was mich am meisten erstaunt, ist das offene Anpacken einer eventuell heiklen Frage, wie die Unabhängigkeit Grönlands und der Färöer Inseln, die beide politisch zu Dänemark gehören. Da Island erst vor relativ kurzer Zeit (1944) vom dänischen Königreich unabhängig wurde, fühlt man mit den noch abhängigen Nachbarvölkchen, die vom Mutterland  unterstützt werden, bei denen jedoch auch ein wirtschaftliches Potenzial zu erwarten ist: Öl, Gas und Minerale. Dazu wimmelt es auch an Fisch.

Grönlands nordisches Kreuz


Auch eine interessante Flagge: Färöer

In einem patriotisch anmutenden Lied hat die berühmte Björk schon 2007 Grönland und die Färöer Inseln zur Unabhängigkeit aufgefordert. Das Blatt berichtet, dass die größte Insel der Welt, mit nur 57000 Einwohnern, den Inuits zuzurechnen, dabei ist, eine Verfassung auszuarbeiten. In den Färöer Inseln ist man noch nicht ganz so weit. Es ist auch noch nicht ganz klar, ob man eine eigene Außenpolitik anstrebt, und wie ein völlig unabhängiger Staat agieren möchte. Die Dimensionen sind halt echt arktisch: wenig Volk, viel Eis (in Grönland) und eine starke Identität. Björk soll diesen dänischen Untertanen zugerufen haben: "Macht eure eigene Währung, eure eigenen Briefmarken, und schützt eure Sprache"! Die Färöer mit ihren fast 50000 Bewohnern haben weitgehende Selbstverwaltung, hegen jedoch auch Pläne, ihre nordische Eigenart mehr herauszustellen. Dänemark wartet ab.

Dass Grönland für die Isländer einen besonderen Stellenwert besitzt, erkennt man daran, dass das Nachbarland jährlich einige tollkühne Eisbären in den isländischen Norden schwimmen lässt, die dann dort etwas ängstlich und total medienbewusst gesucht werden. Oder: ein dreitägiger Besuch bei einem Isländer mit slowenischer Mutter (die in Reykjavik geblieben ist), der sich aus purem Interesse in Ittoqqortoormiit, im Osten Grönlands niedergelassen hat. Dieser Ort hat 475 Einwohner und ist so weit weg von allem, dass selbst Einsamkeit gewöhnte Isländer schmerzlich aufsäufzen.


Dass Tom Cruise zur Zeit in Island einen Film dreht, "Oblivion", hat sich vielleicht herumgesprochen, denn man wundert sich, dass er in den abgelegenen Bergen seine Leibwächter benötigt. Vielleicht, weil er gerade von seiner Frau losgekommen ist. Bauern waren empört, dass diese Sicherheitsknülche ihnen auf ihrem eigenen Land den Zutritt verwehrten. Es wäre gut, wenn dieser Scientologe erst mal die isländische Befindlichkeit studieren würde, bevor er im stolzen Norden der Insel in Saus und Braus herumgeistert, nur um ein Filmchen zu drehen. Ein Blatt vor den Mund nehmen, ist also nicht unbedingt des Isländers Sache. Und Grapevine ist trotz der englischen Sprache ein sehr unterhaltsames isländisches Organ.



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