Dienstag, 24. Juli 2012

Angelika - der Supermarkt auf dem Lande

Sie hieß Marie-Claire und schimpfte wie ein Rohrspatz, wenn ich meine Platitüden verbreitete. Sie nannte das "belle béatitude", also Seeligkeit der naiven Art. Es ging um meine Vorliebe für den Supermarkt Migros. Wer sich in der Schweiz niederlässt, muss essen und trinken, wie überall. Die Migrosmärkte galten damals als das beste auf diesem Gebiet. Schönster Standard. Beste Verpackung, interessante Preise. Es muss sich um den Beginn des Supermarktwesens in der Schweiz gehandelt haben. Überall entstanden Filialen. Blindlings vertraute ich diesem Laden. Immer frisch, alles. 20 Sorten Yoghurt, mit echten Früchten. Schokolade zum Verlieben. Brot und Gebäck verführerisch. Kaffee gut und billig. Marie-Claire wurde wütend: "Hast du eine Ahnung, wieviele kleine Läden die schon kaputt gemacht haben?" Ich hatte an so etwas nie gedacht. Jetzt kann ich die Absahne sehen, der auch Herr Duttweiler, der Gründer von Migros, (bzw. seine Erben) erlegen ist.


In meinem Dorf gehe ich auf dem Weg zu Angelika an einem kleinen Haus vorbei, an dem man noch die Schriftzüge eines Supermarktes erkennen kann, den es schon seit 20 Jahren nicht mehr gibt. Zwei Gasthäuser sind geblieben und erfreuen sich guten Zuspruchs. Einen Lebensmittelladen im eigentlichen Sinn gibt es nicht. Die Gewinnspanne war wohl zu klein. Vor einigen Jahren hat sich Angelika entschlossen, bei sich ein sogenanntes Hoflädele aufzumachen. Papiertaschentücher und Schnürsenkel findet man dort nicht. Da nimmt  man das Auto und fährt in die Stadt. Dort findet sich alles. Wie bequem das ist, und manchmal sind die Radieschen als Lockvogelangebot sogar billiger als bei Angelika. Von Lebensmittelmärkten sind wir inzwischen eingekreist. Fünf Minuten, und man hat die Qual der Wahl.


Es wäre jedoch gut, wir besinnten uns auf unsere Grundbedürfnisse. Bei Angelika finde ich fast alles, nur nicht 10 Sorten Delikatessschinken, sondern vielleicht 3 Sorten, aber dafür von einem Fleischer, der nicht an Lebensmittelmärkte angeschlossen ist. Gerne wechsle ich ein paar Worte und erfahre noch, was im Dorf alles passiert. Gerne bezahle ich etwas mehr für eine geringere Auswahl. Wenn bei Angelika ein Apfel faul ist oder eine Karotte etwas krumm, dann bekomme ich großzügig Ersatz. Im Supermarkt fühle ich mich verscheißert, wenn eine Packung Keniabohnen plötzlich nur noch 400 Gramm wiegt. Oder die Böhnchen am unteren Ende, dem undurchsichtigen Teil der Verpackung, am Verrotten sind, obwohl der Preis nicht gesenkt wurde. Dafür gibt es dort sogenannte Frischetheken. Inzwischen kaufe ich im Supermarkt nur noch, was ich bei Angelika nicht finde. Die Bauernläden leben hoch!


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